OGH 8Ob502/84

OGH8Ob502/8423.5.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten Dr. Stix als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Vogel, Dr. Kropfitsch und Dr. Zehetner als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei L*****, vertreten durch Dr. Hannes Stampfer, Rechtsanwalt in Graz, wider die beklagte Partei H*****, vertreten durch Dr. Werner Sporn, Rechtsanwalt in Wien, wegen 3.037.063,95 S sA, infolge Revisionsrekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Graz als Rekursgericht vom 6. Juli 1983, GZ 1 R 123/83‑10, womit der Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 29. April 1983, GZ 19 Cg 113/83‑6, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0080OB00502.840.0523.000

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird nicht Folge gegeben.

Die beklagte Partei ist schuldig, der klagenden Partei die mit 22.713,13 S bestimmten Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs (darin Barauslagen von 3.000 S und Umsatzsteuer von 1.460,23 S) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

 

Begründung:

Die Klägerin begehrte vom Beklagten aufgrund des „Rahmenvertrages“ vom 5. 3. 1982 (Beilage B) die Zahlung von 3.037.063,95 S sA. Zur Begründung der Zuständigkeit des angerufenen Gerichts berief sie sich auf § 104 JN. Die Streitteile hätten sich durch ausdrückliche Vereinbarung im Punkt 11 des Rahmenvertrages für Streitigkeiten aus diesem Vertrag der Zuständigkeit des sachlich zuständigen Gerichts in Graz unterworfen. In Händen des Beklagten befinde sich eine von der Klägerin unterfertigte Ausfertigung des Rahmenvertrages von 5. 3. 1982; es handle sich dabei um eine Gleichschrift der Beilage B. Die Urkunde Beilage B sei von der Klägerin verfasst und entspreche ihrem Vertragswillen.

Der Beklagte wendete die örtliche Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts ein und brachte dazu vor, er habe seinen allgemeinen Gerichtsstand gemäß § 66 JN in Wien. Ein urkundlicher, nämlich von beiden Streitteilen unterfertigter Nachweis einer Gerichtsstandsvereinbarung liege nicht vor. Selbst wenn es zutreffe, dass der Beklagte eine von der Klägerin unterfertigte Gleichschrift des Rahmenvertrages Beilage B besitze, ändere dies nichts an der Unzuständigkeit des angerufenen Gerichts. Die Willenserklärung der Klägerin müsste schon in der Klage urkundlich nachgewiesen sein; die Beilage B besitze diese Qualifikation nicht. Darüber hinaus wäre es erforderlich, dass die Klägerin auch schon in der Klage die Berechtigung der Personen zum Einschreiten für sie nachweise, die nach ihrem Vorbringen eine Gleichschrift der Beilage B allenfalls unterschrieben hätten.

Das Erstgericht wies nach abgesonderter Verhandlung über die Unzuständigkeitseinrede die Klage wegen örtlicher Unzuständigkeit zurück.

Es stellte fest, dass der Rahmenvertrag vom 5. 3. 1982 über den Anbau und die Lieferung von Einlegegurken der Ernste 1982 als Vertragspartner den L***** und die Firma H***** vorsieht. Die der Klage beigelegte Rahmenvertragsurkunde trägt die Unterschrift des Beklagten, nicht aber jene der Klägerin. Der Rahmenvertrag Beilage B weist in seinem Punkt II folgenden Wortlaut auf:

„Für alle Streitigkeiten aus diesem Rahmenvertrag, sowie auf Grund dieses Rahmenvertrages abgeschlossenen Einzelverträgen unterwirft sich der L***** gleichzeitig mit seinen Mitgliedern und die Fa. H***** dem Gerichtsstande Graz.“

Rechtlich führte das Erstgericht im Wesentlichen aus, dass gemäß § 104 Abs 1 JN eine Gerichtsstandsvereinbarung schon in der Klage urkundlich nachgewiesen werden müsse. Daraus folge, dass die Vorlage einer Urkunde, die lediglich eine einseitige Willenserklärung beurkunde, keinen urkundlichen Nachweis einer Vereinbarung darstelle. Auch der Umstand, dass die erste Seite der Beilage B auf dem Briefpapier der Klägerin geschrieben sei, ersetze die Willenserklärung nicht. Mangels Vorliegens der Voraussetzung des § 104 JN sei das Erstgericht unzuständig.

Dem gegen diese Entscheidung gerichteten Rekurs der Klägerin gab das Rekursgericht mit dem angefochtenen Beschluss Folge. Es behob den Beschluss des Erstgerichts, verwarf die Einrede der Unzuständigkeit und trug dem Erstgericht die Fortsetzung des gesetzmäßigen Verfahrens auf.

Das Rekursgericht führte aus, dass die Klägerin den erforderlichen urkundlichen Nachweis der Gerichtsstandsvereinbarung erbracht habe. Die Vereinbarung müsse nicht in einer von beiden Teilen unterfertigten gemeinsamen Vertragsurkunde enthalten sein; sie könne durch schriftliche Erklärungen und Gegenerklärungen erfolgen. Der Rahmenvertrag Beilage B stelle sich nach Form und Inhalt als ein von der Klägerin ausgehender dem Beklagten zur Unterfertigung vorgelegter Vertragstext dar, den dieser unterfertigt habe und der, an die Klägerin zurückgestellt, von dieser dem Gericht mit der Behauptung vorgelegt worden sei, der Beklagte besitze ein von der Klägerin unterfertigtes Vertragsexemplar. Das genüge für den urkundlichen Nachweis der Gerichtsstandsvereinbarung, weil das Gesetz nicht die schriftliche Übereinkunft, sondern nur die ausdrückliche Vereinbarung fordere, die vorliegendenfalls dem Gericht mit der Klage urkundlich nachgewiesen worden sei. Durch diesen Rahmenvertrag sei der urkundliche Nachweis, dass beide Parteien die Zuständigkeit des Gerichts in Graz vereinbart hätten, erbracht.

Gegen diese Entscheidung richtet sich der Revisionsrekurs des Beklagten mit dem Antrag, den angefochtenen Beschluss im Sinne der Wiederherstellung der Entscheidung des Erstgerichts abzuändern.

Die Klägerin hat eine Rekursbeantwortung mit dem Antrag erstattet, dem Revisionsrekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist zulässig, sachlich aber nicht berechtigt.

Der Beklagte bestreitet nicht, dass er mit der Klägerin den in der Beilage B wiedergegebenen Vertrag einschließlich der im Punkt 11 wiedergegebenen Gerichtsstandsvereinbarung geschlossen hat, stellt sich aber auf den Standpunkt, dass diese Gerichtsstandsvereinbarung nicht urkundlich nachgewiesen sei.

Nun trifft es sicher zu, dass die Vorschrift des § 104 Abs 1 JN den urkundlichen Nachweis einer Gerichtsstandsvereinbarung verlangt. Lehre ( Fasching Kommentar I 504) und die Rechtsprechung des Obersten Gerichtshofs (1 Nd 515/78; 7 Ob 643/79; 3 Ob 657/79; RZ 1981/26 ua) stimmen aber dahin überein, dass es einer bestimmten Form dieses urkundlichen Nachweises nicht bedarf und dass dieser Nachweis auch durch eine vom Kläger herrührende und vom Beklagten unterschriebene Urkunde erbracht werden kann. Dieser urkundliche Nachweis ist somit erbracht, wenn bis zur Entscheidung über die Unzuständigkeitseinrede eine vom Kläger eindeutig herrührende und vom Beklagten unterschriebene Urkunde, aus der sich die Gerichtsstandsvereinbarung ergibt, dem Gericht vorgelegt wird.

Dies trifft im vorliegenden Fall, wie das Rekursgericht richtig erkannt, zu. Dass die Beilage B von der Klägerin stammt, ergibt sich nicht nur aus der Verwendung ihre Briefpapiers, sondern wird auch vom Beklagten ebensowenig bestritten wie die Echtheit seiner Unterschrift auf dieser Urkunde. Dass diese Vereinbarung auf Seiten der Klägerin durch einen Bevollmächtigten geschlossenen worden wäre, ergibt sich weder aus der Urkunde noch wird dies vom Beklagten behauptet. Der schriftliche Nachweis der Vertretungsbefugnis eines für die Klägerin einschreitenden Organes ist schon deshalb nicht erforderlich, weil jedenfalls eine nachträgliche Genehmigung vorliegt, wenn sich die Klägerin durch Vorlage der Urkunde selbst auf dessen Handeln in ihrem Namen beruft (vgl RZ 1980/63; RZ 1981/26).

Dass letztlich nicht ein bestimmtes Gericht vereinbart werden muss, sondern die Vereinbarung eines namentlich angeführten Gerichtsortes genügt, ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 104 Abs 1 JN (RZ 1980/63).

Es liegt somit im vorliegenden Fall eine Gerichtsstandsvereinbarung im Sinne des § 104 Abs 1 JN vor, durch die die örtliche Zuständigkeit des Erstgerichts für den vorliegenden Rechtsstreit begründet wird und die auch von der Klägerin ausreichend urkundlich nachgewiesen wurde.

Da daher die Entscheidung des Rekursgerichts durchaus der Sach‑ und Rechtslage entspricht, musste dem Revisionsrekurs des Beklagten ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens über den Revisionsrekurs beruht auf den §§ 41, 50 ZPO.

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