OGH 2Ob555/84

OGH2Ob555/8422.5.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Stadt L*****, vertreten durch Dr. Gottfried Eypeltauer, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1.) Josef G*****, 2.) Rosa H*****, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Moringer, Rechtsanwalt in Linz, wegen Aufkündigung, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 23. Jänner 1984, GZ 13 R 928/83-7, womit infolge Berufung der beklagten Parteien das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 7. Oktober 1983, GZ 5 C 610/83-4, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die klagende Partei hat den beklagten Parteien die mit 1.767,20 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 192 S Barauslagen und 143,20 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Beklagten mieteten von der Klägerin mit Wirkung vom 1. 1. 1981 eine im Haus L***** gelegene Wohnung. Laut Mietvertrag seien Abbruch, Einlösung oder Enteignung des Hauses gemäß § 19 Abs 6 MG als wichtig und bedeutsam anzusehen.

Die Klägerin kündigte das Mietverhältnis mit der Begründung auf, mit Bescheid des Magistrats L***** sei der Abbruch des Hauses bewilligt worden. Obwohl keine gesetzliche Verpflichtung bestehe, seien den gekündigten Parteien fünf Ersatzwohnungen angeboten worden, die diese aber abgelehnt hätten.

Die Beklagten wendeten ein, der vereinbarte Kündigungsgrund stelle eine unzulässige Erweiterung der gesetzlichen Kündigungsgründe dar.

Das Erstgericht erklärte die Kündigung für rechtswirksam und erkannte die Beklagten schuldig, das Mietobjekt zu räumen. Das Erstgericht vertrat die Ansicht, eine unzulässige Umgehung der Bestimmungen des § 30 Abs 2 Z 14 und 15 MRG liege nicht vor. Es sei insbesondere zu berücksichtigen, dass die kündigende Partei die Stadt L***** sei, die das Wohnbauwesen in gemeinnütziger Weise zu behandeln habe. Es fänden sich keinerlei Anhaltspunkte, dass etwa hier ein Abbruch zu Spekulationszwecken erfolgen solle. Gerade diese Fälle sollten jedoch durch die Bestimmungen des § 30 Abs 2 Z 14 und 15 MRG unter Kontrolle gebracht werden. Aufgrund der gemeinnützigen Funktion der kündigenden Partei müsse man daher gelten lassen, dass der angeführte Kündigungsgrund für den Vermieter objektiv wichtig sei und eine bedeutsame Tatsache darstelle, sodass hier eine Vereinbarung gemäß § 30 Abs 2 Z 13 MRG als zulässig anzusehen sei.

Das Berufungsgericht änderte das Ersturteil dahin ab, dass die Aufkündigung aufgehoben wurde. Das Gericht zweiter Instanz führte aus, da die Bestimmung des § 30 Abs 3 dem früheren § 19 Abs 6 MG völlig entspreche, seien die von der Judikatur zum alten Recht entwickelten Grundsätze anzuwenden. Danach seien vereinbarte Kündigungs- oder Auflösungsgründe dann als wirksam anerkannt worden, wenn der vereinbarte Kündigungsgrund den im Gesetz normierten Kündigungstatbeständen gleichwertig habe zur Seite gestellt werden können. Unter bestimmten Voraussetzungen hätten wichtige Interessen des Vermieters in Form der Vereinbarung eines Kündigungsgrundes berücksichtigt werden können, doch seien alle Umgehungshandlungen, die das Kündigungsrecht des Vermieters erweitern sollten, als unzulässig betrachtet worden. Im gegenständlichen Fall sei als Kündigungsgrund nicht eine den im Gesetz ausdrücklich genannten Kündigungstatbeständen gleichwertige, für den Vermieter wichtige Tatsache zwischen den Parteien abgemacht worden, sondern die Kündigungsmöglichkeiten seien an eine im Gesetz ausdrücklich aufgezählte Tatsache geknüpft mit der Abweichung, dass der Vermieter keine Verpflichtung zur Beschaffung eines Ersatzes übernommen habe, während bei den im Gesetz vorgesehenen Fällen der Kündigung wegen Abbruch des Mietgegenstands ein Ersatz zwingend vorgesehen sei. Eine derartige Vereinbarung, die keinen gleichwertigen, sondern einen ohnedies vorgesehenen Kündigungstatbestand vorsehe, sei als Umgehungshandlung anzusehen, die dem Vermieter eine im Gesetz nicht vorgesehene erleichterte Kündigungsmöglichkeit schaffe, die den ansonsten beim Kündigungstatbestand des Abbruchs des Bestandobjekts gesetzlich gegebenen Kündigungsschutz des Mieters beeinträchtige. Der Gesichtspunkt des öffentlichen Interesses bzw der Gemeinnützigkeit könne dem Vermieter die Verpflichtung zur Beschaffung einer Ersatzwohnung nicht abnehmen, da auch bei dem im Gesetz normierten Abbruchsfall der Z 15 des § 30 Abs 2 MRG trotz vorhandenem öffentlichen Interesse und auch dann, wenn dadurch der Wohnbau gefördert werden solle, dem Mieter eine Ersatzwohnung gesichert worden sei.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts, in welchem ausgesprochen wurde, dass der Wert des Streitgegenstands 15.000 S übersteige und die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 zulässig sei, richtet sich die Revision der klagenden Partei. Sie macht als Revisionsgrund unrichtige rechtliche Beurteilung geltend und beantragt die Wiederherstellung des Ersturteils; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Beklagten beantragen, der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht berechtigt.

Die Revisionswerberin verweist auf die Entscheidung MietSlg 30.458, in welcher die Vereinbarung, dass die Beendigung des Dienstverhältnisses des Mieters bei den ÖBB ein Kündigungsgrund sei, als nach § 19 Abs 6 MG zulässig angesehen sei. Es wäre ein unbefriedigendes Ergebnis, würde man den Vermieter verpflichten, in einem solchen Fall dem ausgeschiedenen Dienstnehmer eine andere Wohnung zur Verfügung zu stellen. Die klagende Partei habe nicht nur das Wohnungswesen gemeinnützig zu behandeln, sondern sei auch für die gesamte Stadtplanung verantwortlich. Im Rahmen der Erledigung dieser Aufgabe müsse die Baufälligkeit eines Objekts als wichtiger und bedeutsamer Umstand für den Vermieter angesehen werden. Durch die schriftliche Vereinbarung dieses Kündigungsgrundes im Mietvertrag seien alle Tatbestandsmerkmale des § 30 Abs 2 Z 13 MRG erfüllt. Den Ausführungen des Berufungsgerichts über eine Umgehungshandlung sei zu erwidern, dass der Kreis der zulässigen Vereinbarungen gemäß § 19 Abs 6 MG durch das MietrechtsänderungsG erheblich erweitert worden sei. Zingher nenne als Beispiel ua die Umbauabsicht des Vermieters. Die Umbauabsicht sei jedoch in § 30 Abs 2 Z 15 genannt, weshalb die vom Berufungsgericht geäußerte Rechtsansicht mit der Ansicht von Zingher in krassem Gegensatz stehe. Darüber hinaus sei im vorliegenden Fall die Vereinbarung nicht als Umgehungshandlung zu beurteilen, weil sie nicht den Z 14 und 15 des § 30 Abs 2 MRG unterstellt werden könne. Z 14 nenne als weitere Voraussetzung die Unmöglichkeit der Finanzierung und Z 15 die Sicherstellung der Ausführung eines Neu- oder Umbaus. Gerade der gegenständliche Fall zeige, warum der Gesetzgeber die Möglichkeit eröffnet habe, einen bestimmten für den Vermieter wichtigen und bedeutsamen Umstand als Kündigungsgrund zusätzlich und unabhängig von den übrigen Kündigungstatbeständen zu vereinbaren. Hier sei nämlich schon bei Begründung des Mietverhältnisses den Mietern bekannt gewesen, dass das Haus abgebrochen werden könnte und dies die Auflösung des Mietverhältnisses herbeiführen würde. Bei den Tatbestandsmerkmalen eines Kündigungsgrundes nach Z 14 oder 15 würden diese Tatbestandsmerkmale aber erst im Laufe des Bestehens des Mietverhältnisses und demnach für den Mieter überraschend und von ihm nicht beeinflussbar, eintreten. Demnach schütze der Gesetzgeber die Mieter durch die Verpflichtung des Vermieters zur Ersatzbeschaffung, während ein solches Schutzbedürfnis bei einem schon im Mietvertrag schriftlich als Kündigungsgrund vereinbarten Abbruch des Hauses nicht bestehe. Der Gesetzgeber habe auch nicht bei allen ähnlich gelagerten Kündigungsgründen, sondern nur bei bestimmten, die Ersatzbeistellung angeordnet. So sehe Z 8 keine Ersatzbeistellung vor. Selbst wenn aber die vom Berufungsgericht vertretene Rechtsansicht richtig wäre, hätte das Berufungsgericht der Berufung nur im Sinne einer Aufhebung stattgeben dürfen, da in der Aufkündigung ausdrücklich vorgebracht worden sei, dass der gekündigten Partei bereits fünf Ersatzwohnungen angeboten, von dieser jedoch nicht akzeptiert worden seien.

Zu diesen Ausführungen ist Folgendes zu erwägen:

Wohl kann gemäß § 30 Abs 2 Z 13 MRG im Mietvertrag ein Umstand, der für den Mieter, für seine nahen Angehörigen oder für das Unternehmen, für das der Vermieter allein oder in Gemeinschaft mit anderen Personen vertretungsbefugt ist, als wichtig und bedeutsam anzusehen ist, als Kündigungsgrund vereinbart werden, doch ist gemäß § 30 Abs 3 MRG eine Vereinbarung, wonach dem Vermieter das Kündigungsrecht unbeschränkt oder in einem weiteren als dem „vorstehend“ bestimmten Maß zustehen soll, rechtsunwirksam. Daher hat die Rechtsprechung schon zu § 19 Abs 6 MG die Ansicht vertreten, ein als wichtig und bedeutsam bezeichneter Umstand könne nur dann als Kündigungsgrund gewertet werden, wenn er den im § 19 Abs 2 MG aufgezählten Fällen an Bedeutung nahekomme (MietSlg 33.396). Würde man die Ansicht vertreten, dass Umstände, die den im Gesetz ausdrücklich angeführten Kündigungsgründen an Gewicht und Bedeutung nicht nahekommen, bei einer entsprechenden Vereinbarung eine Kündigung rechtfertigen können, dann würde dies eine gemäß § 30 Abs 3 MRG unzulässige Erweiterung des Kündigungsrechts bedeuten. Bei Beurteilung der Frage, ob die im vorliegenden Fall vereinbarten Umstände an Gewicht und Bedeutung den Kündigungsgründen des § 30 Abs 2 Z 1 bis 12 und 14 bis 16 MRG nahekommen, ist zu berücksichtigen, dass in den Z 14 und 15 der Abbruch eines Hauses einen Kündigungsgrund nur dann darstellt, wenn weitere Voraussetzungen vorliegen. So ist es gemäß Z 14 zusätzlich erforderlich, dass die ordnungsgemäße Erhaltung nicht finanziert werden kann und Z 15 setzt voraus, dass die Errichtung eines neuen Gebäudes sichergestellt ist. Beide Bestimmungen machen überdies die Kündigung davon abhängig, dass dem Mieter Ersatz beschafft wird. Soll zwar das Haus abgerissen werden, fehlt es aber an den übrigen in Z 14 und 15 angeführten Voraussetzungen für eine Kündigung, dann kann nicht davon gesprochen werden, dass ein den im Gesetz angeführten Kündigungsgründen an Gewicht und Bedeutung nahekommender wichtiger Umstand vorliegt. Grundsätzlich kann daher der beabsichtigte Abbruch eines Hauses für sich allein keinen gültig zu vereinbarenden Kündigungsgrund nach § 30 Abs 2 Z 13 MRG darstellen. Ob und allenfalls welche zusätzliche Gründe eine Vereinbarung im Sinne dieser Gesetzesstelle zuließen, braucht nicht erörtert zu werden, weil die klagende Partei derartige Umstände in erster Instanz nicht behauptete. Sie beschränkte sich darauf vorzubringen, dass der Abbruch bewilligt wurde, brachte aber nicht einmal vor, dass ein Abbruch notwendig oder aus bestimmten Gründen im Interesse der klagenden Partei dringend geboten wäre. Es wurde auch nicht behauptet, dass die Beklagten gewusst hätten, dass sie eine Wohnung in einem für den Abbruch vorgesehenen Gebäude mieten.

Es ist daher davon auszugehen, dass keine, in § 30 Abs 2 Z 1 bis 12 und 14 bis 16 MRG zwar nicht genannte Gründe, wohl aber andere vorliegen, die diesen Gründen an Gewicht und Bedeutung nahekommen. Vielmehr will die klagende Partei das Fehlen von Tatbestandsmerkmalen der Kündigungsgründe der Z 14 und 15 durch eine Vereinbarung ausgleichen. Dies bedeutet aber eine unzulässige Erweiterung des Kündigungsrechts.

Die in der Revision erwähnte Entscheidung MietSlg 30.458 betraf einen ganz anders gelagerten Fall. Dort wurde nämlich ausgesprochen, die bei Abschluss des Mietvertrags getroffene Vereinbarung, dass die Beendigung des Dienstverhältnisses des Mieters bei den ÖBB ein Kündigungsgrund sei, sei nach § 19 Abs 6 MG wirksam, wenn der Vermieter eine gemeinnützige Wohnbaugesellschaft sei, die im Auftrag und mit einem Darlehen der ÖBB Wohnungen errichte und aufgrund des Vertrags mit den ÖBB verpflichtet sei, mit den Mietern unter Hinweis auf die mit den ÖBB bestehenden Vereinbarungen bei Abschluss des Mietvertrags zu vereinbaren, dass deren Ausscheiden aus dem Bahndienst einen wichtigen Kündigungsgrund darstelle. Auf die von Zingher vertretene Ansicht, eine Umbauabsicht könnte als Kündigungsgrund wirksam vereinbart werden, braucht nicht eingegangen zu werden, weil im vorliegenden Fall eine Umbauabsicht weder als Kündigungsgrund vereinbart noch geltend gemacht wurde.

Der Meinung der Revisionswerberin, das Berufungsgericht hätte das Ersturteil wegen des Vorbringens in der Kündigung, den Beklagten seien Ersatzwohnungen angeboten worden, höchstens aufheben dürfen, ist entgegenzuhalten, dass die klagende Partei als Kündigungsgrund lediglich die Abbruchbewilligung in Verbindung mit einer entsprechenden Vereinbarung geltend machte, nicht aber einen Kündigungsgrund, für den eine Ersatzbeschaffung Voraussetzung ist (§ 30 Abs 2 Z 9, 11, 14 bis 16 MRG). Die klagende Partei bekundete in der Kündigung auch nicht, dass sie weiterhin bereit sei, den Beklagten einen Ersatz zu beschaffen, sondern vertrat die Ansicht, sie sei dazu nicht verpflichtet. Für ein Verfahren iSd § 32 MRG ist im vorliegenden Fall daher kein Raum.

Die klagende Partei machte somit keinen nach dem Mietrechtsgesetz zulässigen Kündigungsgrund geltend, weshalb das Berufungsgericht die Aufkündigung mit Recht aufgehoben hat. Aus diesem Grund musste der Revision ein Erfolg versagt bleiben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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