OGH 5Ob549/84

OGH5Ob549/8422.5.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Marold als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Griehsler, Dr. Jensik, Dr. Zehetner und Dr. Klinger als Richter in der Verlassenschaftssache nach der am 6. September 1981 verstorbenen, zuletzt in *****, wohnhaft gewesenen Barbara V*****, infolge Revisionsrekurses des Karl D*****, gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien als Rekursgericht vom 5. Oktober 1983, GZ 44 R 61/83‑45, womit der Beschluss des Bezirksgerichts Hietzing vom 11. Februar 1983, GZ 3 A 723/81‑26, bestätigt wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0050OB00549.840.0522.000

 

Spruch:

Der Revisionsrekurs wird zurückgewiesen.

Begründung

Die am 6. 9. 1981 verstorbene Erblasserin hinterließ ein Testament (ON 3), in dem sie ihre beiden Großneffen Karl und Johann D***** zu Erben einsetzte und anordnete, dass Ersterer aus ihrem Sparbuch bei der Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien das Begräbnis und die Graberhaltung zu bezahlen habe.

Wegen der Überschuldung des Nachlasses gaben weder die Testaments‑ noch die gesetzlichen Erben eine Erberklärung ab; es wurde ein Verlassenschaftskurator bestellt (ON 11).

Das errichtete Hauptinventar (ON 18) ergab Aktiven im Wert von 50.346,08 S und Passiven im Wert von 56.014 S, sohin eine Nachlassüberschuldung von 5.667,92 S.

Die Nachlassaktiven bestehen aus Bargeld und Guthaben in der Höhe von 46.186,08 S (darunter das Sparbuch bei der Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien mit einer Einlage zum Todestag der Erblasserin von 38.158,58 S) und Fahrnissen im Wert von 4.160 S. Das Sparbuch übergab Karl D***** dem Gerichtskommissär, nachdem er davon einen Betrag von 20.000 S zur Begleichung der Begräbniskosten abgehoben hatte.

Die Nachlasspassiven setzen sich aus einer Begräbniskostenforderung, die von Karl und Johann D***** gemeinsam (unter Hinweis darauf, dass sie mit dem bereits behobenen Betrag von 20.000 S zu verrechnen sei: AS 12) mit einem Betrag von 26.462,50 S angemeldet worden war, jedoch bei Errichtung des Hauptinventars um einen darin enthaltenen Betrag von 469,50 S für die Anschaffung von Trauerschuhen auf restliche 25.993 S berichtigt wurde, und den vom Kuratorium Wiener Pensionistenheime für die Zeit von Juni 1978 bis einschließlich September 1981 angemeldeten Forderungen aufgrund der Unterbringung der Erblasserin im Pensionistenheim F***** im Gesamtbetrag von 30.021 S zusammen.

An Masse‑ und Verfahrenskosten wurden insgesamt 49.499 S verzeichnet. Es sind dies Sachverständigengebühren, Editktskosten, Gebühren des Gerichtskommissärs, Belohnung des Verlassenschaftskurators sowie eine Mietzinsforderung des Kuratoriums Wiener Pensionistenheime für die Monate Oktober 1981 bis einschließlich März 1982 von 30.797 S.

Da von den Nachlassaktiven von 50.346,08 S infolge der Abhebung eines Betrags von 20.000 S durch Karl D***** nur mehr ein Restbetrag von 30.346,08 S (nach Veräußerung der Fahrnisse und Pretiosen) vorhanden ist, haftet sohin noch ein Restbetrag von 19.152,92 S auf die verzeichneten Masse‑ und Verfahrenskosten von insgesamt 49.499 S aus.

Das Erstgericht nahm das Hauptinventar mit einer Nachlassüberschuldung von 5.667,92 S zu Gericht an (Punkt 1), bestimmte die Gebühren des Gerichtskommissärs und der Sachverständigen sowie die Belohnung des Verlassenschaftskurators antragsgemäß mit zusammen 10.560 S (Punkt 2), ermächtigte den Gerichtskommissär, die beiden zum Nachlass gehörenden Konten bei der Zentralsparkasse und Kommerzialbank Wien zu realisieren und den Erlös auf sein Anderkonto zu erlegen (Punkt 3), wies Karl D***** an, von dem von ihm bereits behobenen Bargeldbetrag von 20.000 S einen Betrag von 19.152,92 S an den Gerichtskommissär zur vollständigen Berichtigung der aufgelaufenen Masse‑ und Verfahrenskosten auf dessen Anderkonto zu überweisen, sodass ein Betrag von 847,08 S zur teilweise Berichtigung seiner Begräbniskostenforderung in seinen Händen verbleibe (Punkt 4), ermächtigte den Gerichtskommissär, von dem auf seinem Anderkonto einlangenden bzw erliegenden Bargeld a) seine Gebühren einzubehalten, b) die Belohnung des Verlasssenschaftskurators vorzunehmen, c), d) die Schätzgebühren und die Einschaltungskosten der Wiener Zeitung (letztere in der Höhe von 8.142 S) zu berichtigen, e) den Betrag von 30.797 S an das Kuratorium Wiener Pensionistenheime zur vollständigen Berichtigung der Massekostenforderung aus Mietzinsen für die Monate Oktober 1981 bis März 1982 zu überwiesen und f) einen allenfalls aus Zinsen resultierenden Barschaftsrest an Karl D***** zur weiteren teilweisen Berichtigung seiner Begräbniskostenforderung zu überweisen (Punkt 5), erklärte das Verlassenschaftsverfahren unter gleichzeitiger Enthebung des Verlassenschaftskurators mangels eines weiteren Nachlassvermögens für beendet (Punkt 6) und verständigte das Kuratorium Wiener Pensionistenheime davon, dass dessen Forderungen für die Zeit von Juni 1978 bis einschließlich September 1981 im Nachlass keine Deckung fänden.

Das Rekursgericht gab dem gegen die Punkte 4 und 5 lit e) des erstgerichtlichen Beschlusses mit dem Antrag, ihm die aufgelaufenen Begräbniskosten von 26.462,50 S zuzuerkennen, erhobenen Rekurs des Karl D***** aus nachstehenden Erwägungen nicht Folge:

Was zunächst die Differenz zwischen den verzeichneten Begräbniskosten von 26.462,50 S und dem in die Nachlasspassiven aufgenommenen Betrag von 25.993 S betreffe, so sei der Rekurswerber darauf zu verweisen, dass die Kosten für die Anschaffung von Trauerkleidern nicht zu den Begräbniskosten gehörten und daher auch nicht unter die Nachlasspassiven fielen (EFSlg 24.729). Es könnten daher auch die Kosten für die Anschaffung von Trauerschuhen nicht als Nachlassverbindlichkeit gefordert werden.

Ansonsten wende der Rekurswerber ein, es sei durch die mangelnde Umsicht des Kuratoriums Wiener Pensionistenheime erst mit 21. 2. 1982 zu einer Räumung des von der Erblasserin benützten Appartements gekommen. Aus wirtschaftlichen Erwägungen wären die Fahrnisse der Erblasserin im hauseigenen Depot aufzubewahren gewesen. Damit hätte das Appartement bereits ab Oktober 1981 neuerlich vergeben werden können.

Diesen Ausführungen sei entgegenzuhalten, dass das Kuratorium Wiener Pensionistenheime zu einer eigenmächtigen Räumung des von der Erblasserin benützten Appartements nicht berechtigt gewesen wäre. Wie sich der im Akt erliegenden Aufstellung ON 13 entnehmen lasse, sei das Appartement vollständig eingerichtet gewesen. Die Verpflichtung zur Räumung desselben sei der Verlassenschaft oblegen, das Kuratorium Wiener Pensionistenheime sei dazu weder berechtigt noch verpflichtet gewesen. Außerdem habe das Kuratorium dem Rekursgericht mitgeteilt, dass es sich um eine Räumung bemüht habe, diese jedoch vom Gerichtskommissär bzw Verlassenschaftskurator nicht gestattet worden sei.

Wie sich aus dem Akt ergebe, sei die Schätzung der Einrichtungsgegenstände und sonstigen Fahrnisse der Erblasserin im Pensionistenheim F***** erst am 1. 2. 1982 durchgeführt worden. Danach sei am 18. 2. 1982 ein Kaufvertrag betreffend die im Pensionistenheim F***** erliegenden Fahrnisse zwischen dem Verlassenschaftskurator und Roswitha D***** errichtet worden, demzufolge sich die Letztgenannte verpflichtet habe, die Fahrnisse bis spätestens 28. 2. 1982 auf eigene Kosten aus dem Pensionistenheim zu entfernen. Laut Auskunft des Kuratoriums Wiener Pensionistenheime habe Roswitha D***** den ihr am 19. 2. 1982 übergebenen Appartementschlüssel am 24. 2. 1982 zurückgegeben. Danach sei für eine lückenlose Übergabe noch ein Zeitraum von 14 Tagen erforderlich gewesen. Aus diesem Grunde sei auch für März 1982 noch ein Betrag von 2.000 S in Rechnung gestellt worden.

Das Kuratorium Wiener Pensionistenheime sei berechtigt gewesen, bis zur Räumung des Appartements die auflaufenden Benützungsgebühren zu fordern. Es handle sich hiebei um Masseforderungen, deren Höhe nicht bestritten worden sei. Ein Zeitraum von 14 Tagen für die nötige Reinigung und Adaptierung nach erfolgter Räumung erscheine angemessen, sodass auch der für März 1982 verrechnete Betrag zu berücksichtigen gewesen sei.

Da die Begräbniskostenforderung erst nach Berichtigung der Masseforderungen zum Zug komme, der Rekurswerber jedoch einen Betrag von 20.000 S – nach Mitteilung des Gerichtskommissärs, ohne vorher dessen Genehmigung einzuholen – akonto der Begräbniskosten den Nachlassaktiven entnommen habe, sodass die Masseforderungen keine Deckung fänden, sei dem Rekurs ein Erfolg zu versagen gewesen. Im Übrigen reduziere sich die Begräbniskostenforderung um den von der BVA am 2. 10. 1981 ausbezahlten Bestattungskostenbeitrag von 8.500 S auf 17.493 S.

Gegen den bestätigenden Beschluss des Rekursgerichts richtet sich der Revisionsrekurs des Karl D*****. Der Revisionsrekurswerber macht geltend, dass das Verlassenschaftsgericht zur Entscheidung über die Forderung der Masse gegen ihn nicht zuständig gewesen sei, hiefür vielmehr nur der streitige Rechtsweg zulässig wäre. Im Übrigen habe der Gerichtskommissär vom hinterlegten Sparbuch einen Vorschuss auf die Begräbniskosten in der Höhe von 20.000 S bewilligt. Da dieser Betrag zur teilweisen Abdeckung der Begräbniskosten verwendet worden sei, habe das damit verbundene Risiko die Masse zu tragen, der auch die Leistung (Begräbnis) zugutegekommen sei. Er sehe nicht ein, warum er den Betrag von 19.152,92 S zurückzahlen müsse.

Rechtliche Beurteilung

Der Revisionsrekurs ist unzulässig.

Gegen bestätigende Beschlüsse des Rekursgerichts in Verfahren außer Streitsachen ist der Revisionsrekurs an den Obersten Gerichtshof gemäß § 16 Abs 1 AußStrG nur im Falle einer Nullität (Nichtigkeit) oder einer offenbaren Gesetz‑ oder Aktenwidrigkeit zulässig.

Da Nullität unter anderem dann vorliegt, wenn der Außerstreitrichter in Überschreitung der Grenzen seiner Gerichtsbarkeit über Ansprüche entscheidet, die auf den streitigen Rechtsweg gehören (EvBl 1967/289, EvBl 1970/113 uva), ist zunächst der erstgenannte Einwand des Revisionsrekurswerbers zu prüfen.

§ 73 Abs 1 AußStrG bestimmt, dass das Verlassenschaftsgericht, wenn der Nachlass unbedeutend und nach den Umständen zu vermuten ist, dass nur die dringendsten Verlassenschaftsschulden berichtigt werden können, die Parteien über die Beschaffenheit und den Wert des Nachlasses sowie über den Betrag der Krankheits‑ und Leichenkosten und anderer mit besonderem Vorrechte verbundenen Forderungen zu vernehmen und das dadurch erschöpfte Vermögen den Gläubigern an Zahlungsstatt zu überlassen hat. Zu den Parteien dieses Verfahrens gehören auch die Nachlassgläubiger (SZ 19/333, SZ 23/390 ua). Die Überlassung der Nachlassaktiven nach Gläubigerrecht ist nicht einfach eine der abhandlungsbehördlichen Genehmigung bedürftige Übereinkunft, sondern eine auf geringfügige Nachlässe zugeschnittene, von Amts wegen getroffene Maßnahme des Verlassenschaftsgerichts, die den Zweck verfolgt, bei Überschuldung des Nachlasses ein der Abwicklung eines Konkurses entsprechendes Ergebnis zu erzielen. Der Mangel des Einverständnisses eines Nachlassgläubigers, dem Gelegenheit zur Äußerung gegeben worden ist, macht daher nicht schlechthin die iure‑crediti‑Einantwortung hinfällig, sondern nur die Verweigerung des Einverständnisses aus triftigen Gründen. Ob solche Gründe vorliegen, ist vom Verlassenschaftsgericht zu prüfen ( Müller im Rechtslexikon, Stichwort „Verlassenschaftsverfahren‑Vorprüfung“ Blatt 6; Feil , Verfahren außer Streitsachen 291, 293 f; SZ 23/390 ua). Dem Verlassenschaftsgericht obliegt im Hinblick auf die verschiedenen Interessen, die es insgesamt zu berücksichtigen hat, ganz allgemein die Obsorge über den Nachlass; es ist daher jederzeit berufen, alles zur Ordnung der Sache Erforderliche vorzukehren (SZ 48/96, 7 Ob 811/81 ua). Dies gilt insbesondere auch im Verfahren nach § 73 AußStrG. So sind die Sicherungsmaßnahmen der §§ 43 ff AußStrG unter anderem zu treffen, wenn eine das Vermögen übersteigende Schuldenlast zu besorgen ist. Dabei ist der Ausdruck „Versiegelung“ nicht wörtlich zu verstehen; auch der Auftrag (an den Sohn des Erblassers), die aus einer auf den Überbringer lautenden Lebensversicherungspolizze erlöste Summe (bei sonstigem Zwang) bei Gericht zu erlegen, fällt darunter (GlUNF 7.299; s § 19 AußStrG). Das Erstgericht hat demnach durch die Anweisung des Revisionsrekurswerbers (der noch dazu seine Begräbniskostenforderung unter Hinweis darauf angemeldet hat, dass sie mit dem bereits von ihm behobenen Betrag von 20.000 S zu verrechnen sein wird), einen Betrag von 19.152,92 S auf das Anderkonto des Gerichtskommissärs zu überweisen, seine ihm nach § 73 AußStrG zustehende Gerichtsbarkeit nicht überschritten. Die geltend gemachte Nullität ist also nicht gegeben.

Soweit der Revisionsrekurswerber neuerlich behauptet, der Gerichtskommissär habe ihm die vorschussweise Abhebung eines Betrags von 20.000 S vom Sparbuch der Erblasserin akonto der Begräbniskosten gestattet, bekämpft er damit in unzulässiger und daher unbeachtlicher Weise eine Tatsachenfeststellung des Rekursgerichts.

Eine offenbare Gesetzwidrigkeit liegt vor, wenn ein Fall im Gesetz ausdrücklich und so klar gelöst ist, dass kein Zweifel über die Absicht des Gesetzgebers aufkommen kann, und trotzdem eine damit im Widerspruch stehende Entscheidung gefällt wurde (SZ 39/103 uva), oder wenn die Entscheidung keinerlei gesetzliche Deckung hat (SZ 41/109 ua). Derartiges vermag der Revisionsrekurswerber mit seinen weiteren Ausführungen nicht aufzuzeigen. Die Rechtsansicht der Vorinstanzen, die Begräbniskostenforderung des Revisionsrekurswerbers komme erst nach Berichtigung der Masseforderungen (zu denen neben den Ediktskosten die Gebühren der Sachverständigen und des Gerichtskommissärs sowie die Belohnung des Verlassenschaftskurators, aber auch die nach dem Tod des Erblassers entstehenden Mietzinsschulden gehörten) zum Zug, findet in den §§ 46, 51 KO (zu deren Anwendbarkeit in der Fassung vor dem Inkrafttreten des Insolvenzrechtsänderungsgesetzes BGBl 1982/370 auf den gegenständlichen Fall vgl Köhler in NZ 1982, 181 und Kralik , Erbrecht 348) ihre Stütze und stimmt mit der Rechtsprechung (EvBl 1956/157, EvBl 1963/36 ua) überein. Der Umstand, dass der Revisionsrekurswerber in einem Zeitpunkt, in dem das endgültige Ausmaß der Belastung des Nachlasses mit Masse‑ und Verfahrenskosten sowie mit bevorrechteten Forderungen noch nicht absehbar war, eigenmächtig einen Geldbetrag von einem zum Nachlass gehörenden Sparbuch abgehoben hat, um damit (teilweise) seine Begräbniskostenersatzforderung abzudecken, kann nicht zu einem Abweichen von der gesetzlichen Befriedigungsordnung führen.

Der Revisionsrekurs war daher zurückzuweisen.

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