OGH 2Ob26/84

OGH2Ob26/848.5.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Elisabeth P*****, vertreten durch Dr. Georg Pertl, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wider die beklagte Partei G*****, vertreten durch Dr. Ingo Theyer, Rechtsanwalt in Klagenfurt, wegen 1.300.000 S sA (Revisionsstreitwerte 300.000 S sA [Klägerin] bzw 200.000 S sA [Beklagte]) infolge Revisionen beider Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Graz als Berufungsgericht vom 26. Jänner 1984, GZ 6 R 217/83-16, womit infolge Berufung der beklagten Partei das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt vom 9. November 1983, GZ 25 Cg 291/83-8, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision der Klägerin wird nicht Folge gegeben; hingegen wird der Revision der Beklagten teilweise Folge gegeben und das angefochtene Urteil dahin abgeändert, dass die Entscheidung unter Einbeziehung des unbekämpften und des bestätigten Teils insgesamt zu lauten hat:

„Die Beklagte hat der Klägerin den Betrag von 850.000 S samt 4 % Zinsen seit 1. 8. 1982 binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Das Mehrbegehren auf Zahlung eines weiteren Betrags von 450.000 S samt 4 % Zinsen seit 1. 8. 1982 wird abgewiesen.

Die Beklagte hat der Klägerin die mit 29.762,64 S (darin keine Barauslagen und 2.204,64 S USt) bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Hingegen hat die Klägerin der Beklagten 14.553,85 S (darin 1.010 S Barauslagen und 1.134,60 S USt) an Kosten des Berufungsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.“

Die Klägerin hat der Beklagten schließlich 13.984,80 S (darin 1.920 S Barauslagen und 1.250,85 S USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Hingegen hat die Beklagte der Klägerin 3.199,35 S (darin keine Barauslagen und 290,85 S USt) an Kosten des Revisionsverfahrens binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 4. 6. 1982 verschuldete Peter S***** als Lenker und Halter des PKWs, Kennzeichen *****, auf der Rosentalbundesstraße einen Verkehrsunfall, bei dem er getötet und die Klägerin als Fahrzeuginsassin schwer verletzt wurde. Der PKW war bei der Beklagten haftpflichtversichert.

Die Klägerin begehrte von der Beklagten die Zahlung eines Schmerzengeldes von 1.300.000 S sA sowie die Feststellung der Haftung der Beklagten für alle Folgen aus dem Unfall.

Mit Teilanerkenntnisurteil vom 30. 8. 1983 wurde festgestellt, dass die Beklagte der Klägerin für alle künftigen Folgen aus dem Unfall haftet, wobei diese Haftung durch die bestehende Haftpflichtversicherungssumme begrenzt ist.

Mit Endurteil gab das Erstgericht dem Schmerzengeldbegehren zur Gänze statt.

Infolge Berufung der Beklagten änderte das Gericht zweiter Instanz das Urteil des Erstgerichts im Sinne des Zuspruchs von 1.000.000 S sA an Schmerzengeld und Abweisung des Mehrbegehrens von 300.000 S sA ab.

Gegen das Urteil des Berufungsgerichts wenden sich die Revisionen der Klägerin und der Beklagten aus dem Anfechtungsgrund der unrichtigen rechtlichen Beurteilung. Während die Klägerin Abänderung im Sinne der Wiederherstellung des Ersturteils beantragt, strebt die Beklagte Abänderung im Sinne des Zuspruchs von nur 800.000 S sA an.

In ihren Revisionsbeantwortungen beantragen die Klägerin und die Beklagte, der Revision der Gegenseite nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision der Klägerin ist nicht berechtigt, wohl aber jene der Beklagten.

Im Revisionsverfahren ist nur die Höhe des Schmerzengeldes strittig.

Diesbezüglich hat das Erstgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen getroffen:

Die am 30. 6. 1964 geborene Klägerin erlitt beim Verkehrsunfall am 4. 6. 1982 eine Gehirnerschütterung, einen Verrenkungsbruch des 5/6. Brustwirbels, Brüche der Brustwirbel sechs und sieben sowie der Rippen sechs bis sieben und eine beiderseitige Beinlähmung (Querschnittlähmung). Die Klägerin wurde nach dem Unfall in bewusstlosem Zustand mit der Rettung zuerst in das Landeskrankenhaus Villach eingeliefert und nach der Erstuntersuchung und Primärversorgung sogleich in das Landeskrankenhaus Klagenfurt überstellt, wo sie in einem Drehbett gelagert drei Tage in der Intensivstation war. Die unteren Extremitäten konnten nicht mehr aktiv bewegt werden, die Sensibilität und die Reflexe waren ausgefallen. Es wurde eine Schockbekämpfung durchgeführt. Die Klägerin war bis 9. 7. 1982 (fünf Wochen) auf dem Drehbett gelagert. Es kam immer wieder zu Harnweginfektionen. Ab 9. 7. 1982 wurde sie in einem Normalbett gelagert und konnte am 19. 7. 1982 mit der Bettgymnastik beginnen. Am 2. 8. 1982 wurde sie in das Rehabilitationszentrum Häring überstellt, wo am 4. 8. 1982 der seit 12. 6. 1982 angelegte Dauerkatheter entfernt wurde. Dann wurde sie nur mehr ein- bis dreimal täglich katheterisiert. Am 10. 8. 1982 wurde sie über ihren Zustand voll aufgeklärt. Im Rehabilitationszentrum Häring erfolgte eine langwierige Rehabilitation der Mastdarm- und Blasenfunktion. Seit 6. 9. 1982 kann sie teilweise durch Beklopfen der suprapubischen Gegend Harn lassen; sie wird aber zwischendurch immer wieder nass. Sie musste Wagenturnen erlernen, den Vierpunktgang konnte sie jedoch nicht erlernen, weil die gesamte Beckenmuskulatur gelähmt ist. Die Klägerin befand sich mit Urlaubsunterbrechungen vom 19. 10. bis 24. 10. 1982, am 24. und 25. 12. 1982 sowie am 31. 12. 1982 und vom 1. 2. 1983 bis 4. 2. 1983 in stationärer Behandlung des Rehabilitationszentrums Häring, wo sie am 27. 1. 1983 die Führerscheinprüfung mit Erfolg bestanden hat. Durch das übliche Beklopfen der Blase kam es bei ihr lediglich zu unvollständiger Blasenentleerung. Erst dadurch, dass sie durch digital rektale Manipulation mit dem Finger den Anus und damit den Beckenboden zur Erschlaffung bringt und in diesem Moment mittels Bauchpresse entleert, gelingt es ihr, zeitweise trocken zu bleiben. Die Darmentleerung ist nur durch medikamentöse Nachhilfe möglich. Die Klägerin ist für die Dauer ihres weiteren Lebens an beiden Beinen gelähmt und ist dauernd an den Rollstuhl gefesselt. Ihre beiden Beine und auch das Becken einschließlich des Genitaltrakts sind völlig gefühllos. Sie kann sich zwar schon allein aus- und anziehen, kann aber weder stehen noch gehen, Sie ist für die Dauer ihres Lebens auf fremde Hilfe und Wartung angewiesen. Eine Besserung ihres Zustands ist nach dem derzeitigen Stand der medizinischen Wissenschaft nicht zu erwarten, eine Verschlechterung desselben nicht auszuschließen. Das Betätigen des Rollstuhls, das äußerst schwierige Aufsuchen der Toilette, die danach folgende Körperreinigung und die ständig sitzende Haltung bereiten der Klägerin ständig ein Ungemach, das zumindest leichten Schmerzen gleichzusetzen ist und trotz Fremdhilfe mit erheblichen körperlichen Anstrengungen verbunden ist. An beiden Beinen treten immer wieder Krämpfe auf und es kommt bei ihr ständig zum Auftreten von Druckgeschwüren im Gesäß- und Beckenbereich. Durch das Unvermögen, Stuhl und Harn zu halten, kommt es ständig zu lästigen und langdauernden Entzündungen der Haut in Form von Ekzemen. Ihre Nachtruhe ist immer wieder gestört, da sie während der Nacht häufig „unter sich lässt“. Auch kann es nach der Entlassung aus dem Rehabilitationszentrum Häring immer wieder zu Harnweginfektionen kommen; solche werden immer wieder bei ihr auftreten. Der Endheilungszustand ist derzeit noch nicht erreicht, da der Blasenautomatismus von ihr noch nicht perfekt beherrscht wird. Aber selbst wenn sie denselben perfekt beherrschen wird, was zu erwarten ist, wird sich an ihrer Hilflosigkeit und Pflegebedürftigkeit nichts ändern und es wird bei ihr immer wieder zu unkontrollierten Harngängen kommen, weshalb sie auch weiterhin ständig Windeln anlegen muss. Trotz Intensivpflege verbreitet die Klägerin einen unangenehmen Geruch nach Harn, welche Geruchsverbreiterung sich nicht beherrschen lässt. Bei der Klägerin besteht weiterhin der Wunsch nach Kohabitation, ihr Hormonhaushalt ist nicht gestört, es fehlt jedoch im Genitalbereich jegliche Empfindung. Eine Schwangerschaft ist bei der Klägerin möglich, die Entbindung könnte jedoch nur künstlich (zB durch Kaiserschnitt erfolgen). Die beim Unfall erlittenen Verletzungen waren komprimiert auf den 24-Stunden-Tag, bis 4. 2. 1983 mit drei Tagen sehr starken qualvollen Schmerzen, 18-20 Tagen sehr starken Schmerzen, 40 Tagen mittleren Schmerzen und 60 Tagen leichten Schmerzen verbunden. Ab 4. 2. 1983 hat die Klägerin aufgrund der erlittenen Verletzungen täglich, komprimiert auf den 24-Stunden-Tag, leichte körperliche Schmerzen im Ausmaß von sechs Stunden, somit - soweit überschaubar - jährlich bis an ihr Lebensende 90 Tage leichte Schmerzen zu erdulden. Querschnittgelähmte haben derzeit eine Lebenserwartung zwischen 45 und 50 Jahren. Nach erfolgter Rehabilitation und Umschulung, die ungefähr zwei Jahre dauern wird, wird sie einen neuen Beruf erlernt haben. Sie wird immer nur eine ausschließlich sitzende Tätigkeit bei einem Behindertenverhältnisse aufweisenden Arbeitsplatz ausüben können, wobei der Weg zum und vom Arbeitsplatz problematisch sein wird.

Das Erstgericht hielt bei den festgestellten Verletzungen und Verletzungsfolgen ein Schmerzengeld von 1.300.000 S für angemessen und notwendig, um die Klägerin in die Lage zu versetzen, sich für das erlittene Ungemach auf andere Weise einen entsprechenden Ausgleich zu verschaffen.

Das Berufungsgericht erachtete das erstgerichtliche Verfahren als mängelfrei, gelangte jedoch zu einer teilweise anderen rechtlichen Beurteilung. Der vorliegende Fall sei gewiss von außergewöhnlicher Schwere und Tragik. Es sei aber darauf hinzuweisen, dass der Oberste Gerichtshof in vergleichbaren Fällen vor wenigen Jahren noch ein Schmerzengeld von 900.000 S für angemessen gehalten habe. In der Entscheidung 6 Ob 564/82 sei ein Schmerzengeld von 1.000.000 S für einen bei einem Narkosezwischenfall schwer geschädigten Mann, dessen Geisteszustand dem eines vier- bis fünfjährigen Kindes gleicht, für nicht überhöht gehalten worden, wenn dieser Zustand nicht besserungsfähig sei. Der vom Erstgericht zuerkannte Schmerzengeldbetrag von 1.300.000 S gehe beträchtlich über diesen vom Höchstgericht gezogenen Rahmen hinaus, andererseits könne aber mit dem von der Beklagten zugestandenen Betrag von 700.000 S das physisch wie psychisch besonders belastende verletzungsbedingte Ungemach der noch jungen Klägerin nicht als abgegolten angesehen werden. Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls, insbesondere auch des jugendlichen Alters der Klägerin, sowie unter Bedachtnahme auf die höchstgerichtliche Rechtsprechung und der seit den genannten Entscheidungen eingetretenen Geldwertminderung erscheine hier ein Schmerzengeld von 1.000.000 S notwendig, aber auch ausreichend zur angemessenen Abgeltung allen physischen und psychischen Ungemachs der Klägerin.

Die Klägerin vertritt in ihrer Revision die Auffassung, dass allein die leichten körperlichen Schmerzen von 6 Stunden täglich bzw 90 Tagen jährlich bei einer Lebenserwartung zwischen 45 und 50 Jahren ein Schmerzengeld von 2.700.000 S rechtfertigen würden, wobei die seelischen Schmerzen noch gar nicht berücksichtigt seien. Der vom Erstgericht zugesprochene Betrag von 1.300.000 S sei daher angemessen.

Die Beklagte führt dagegen in ihrer Revision aus, unter Bedachtnahme auf Schmerzengeldbemessungen in vergleichbaren Fällen sei der Zuspruch eines Schmerzengeldes von 800.000 S gerechtfertigt.

Da beide Revisionen nur die Höhe des Schmerzengeldes betreffen, ist ihre gemeinsame Behandlung angezeigt.

Das Schmerzengeld ist die Genugtuung für alles Ungemach, das der Geschädigte infolge seiner Verletzungen und ihrer Folgen zu erdulden hat. Es soll den gesamten Komplex der Schmerzempfindungen unter Bedachtnahme auf die Dauer und Intensität der Schmerzen nach ihrem Gesamtbild, auf die Schwere der Verletzung und auf das Maß der physischen und psychischen Beeinträchtigung des Gesundheitszustands abgelten, die durch die Schmerzen entstandenen Unlustgefühle ausgleichen und den Verletzten in die Lage versetzen, sich als Ersatz für die Leiden und anstelle der ihm entzogenen Lebensfreude auf andere Weise gewisse Annehmlichkeiten und Erleichterungen zu verschaffen (E MGA ABGB31 § 1325/46 uva). Hieraus folgt einerseits, dass bei der Bemessung des Schmerzengeldes auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen, andererseits aber zur Vermeidung einer Ungleichmäßigkeit in der Rechtsprechung ein objektiver Maßstab anzulegen ist (vgl Jarosch-Müller-Piegler, Das Schmerzengeld in medizinischer und juristischer Sicht4 156 ff, insbesondere 160; ZVR 1982/392; 8 Ob 194/83 ua).

Ein Vergleich mit ähnlichen, an den Obersten Gerichtshof in letzter Zeit herangetragenen Fällen zeigt, dass dass das der Klägerin zugesprochene Schmerzengeld nach den dargelegten Grundsätzen nicht zu niedrig, sondern zu hoch bemessen wurde.

Bei der vom Berufungsgericht zitierten Entscheidung 6 Ob 564/82 handelt es sich um einen Aufhebungsbeschluss, in welchem der Oberste Gerichtshof zur Höhe des Schmerzengeldes noch nicht endgültig Stellung genommen hat. Die vom Berufungsgericht ebenfalls zitierte Entscheidung 8 Ob 211/81 = ZVR 1982/392 betraf einen 58jährigen, verheirateten Mann, dem ein Schmerzengeld von 900.000 S zuerkannt wurde, weil er nach einer Wirbelsäulenverletzung praktisch bewegungsunfähig ist; seine Lebenserwartung beträgt bei bestmöglicher Wartung und Pflege - deren er ständig bedarf - 15 Jahre. Der Verletzte leidet unter quälenden Muskelkrämpfen, die es bereits bewirkt haben, dass er aus dem Rollstuhl und aus dem Bett gefallen ist, und weist eine totale Blasen- und Mastdarmlähmung auf; es kommt zu erheblichen Steinkoliken. In sensiblen Zonen kommt es beim Verletzten zu einer Überempfindlichkeit der Haut, die zeitweilig das Ausmaß einer Kausalgie annimmt und dazu führt, dass schon der Druck der Decke oder eine bloße Berührung nicht mehr ertragen werden kann.

Die Entscheidung 7 Ob 25/78 (= SZ 51/63) betraf eine 18jährige Landwirtstochter, die neben zahlreichen Brüchen eine Querschnittslähmung erlitten hat. Sie kann die Gliedmaßen nicht bewegen, ist ständig an den Rollstuhl gefesselt, kann weder die Nahrungsaufnahme noch die Körperreinigung und -pflege selbst vornehmen. Es treten immer wieder Geschwüre auf, die operativ entfernt werden müssen, sodass auch in Zukunft ständig Spitalsaufenthalte notwendig sein werden. Die Verletzte leidet an spastischen Muskelkrämpfen, die sehr schmerzhaft empfunden werden. Auch bei ihr wurde ein Schmerzengeld von 900.000 S als angemessen angesehen.

Die Entscheidung 8 Ob 245/82 betrifft einen Medizinstudenten, dessen Rumpf, untere Gliedmaßen und Hände durch einen Unfall vollständig bewegungsunfähig wurden; er erlitt überdies einen Oberschenkelschaftsbruch, der eine offene Marknagelungsoperation erforderlich machte. Der Verletzte litt an außergewöhnlichen körperlichen Schmerzen und konnte nicht einmal die einfachsten Verrichtungen des täglichen Lebens selbständig durchführen. Es bestand Blasen- und Mastdarmlähmung. Die psychische Belastung führte zu einer depressiven Reaktion; er verübte wegen der Unfallsfolgen nach zwei Jahren Selbstmord. Auch in diesem Fall wurde ein Schmerzengeld von 900.000 S zugesprochen.

800.000 S wurden in der Entscheidung 4 Ob 31/82 einem 20jährigen Mann zugesprochen, der eine Querschnittlähmung vom Nabel abwärts erlitten hat und dem eine Niere entfernt werden musste. Es besteht Mastdarm- und Blasenlähmung. Durch die Verletzungsfolgen bedingt kam es zu übermäßigem Alkoholgenuss, der zwei Entziehungskuren erforderlich machte. Wiederholt mussten Druckgeschwüre durch Hauttransplantationen und Harninfekte behandelt werden. Die Lebenserwartung ist stark reduziert. Der Verletzte kannte seine Eltern nicht; seine Zieheltern wollen ihn seit dem Unfall nicht mehr kennen. Er ist in seinen zwischenmenschlichen Beziehungen schwerstens beeinträchtigt.

Im Verfahren 8 Ob 157/81 wurden 800.000 S Schmerzengeld einer 19jährigen Büroangestellten zugesprochen, die nach einem Unfall von der Brust abwärts gänzlich gelähmt und an einen Rollstuhl gefesselt ist; sie hat bei der Blasen- und Mastdarmentleerung größte Komplikationen, ihre Lebenserwartung ist mindestens um ein Drittel herabgesetzt, die Verletzte ist völlig arbeitsunfähig und hilflos, zumal sie auch in den Armen kraftlos ist; sie bedarf zum Anziehen, Klosett führen, Baden in der Badewanne, Ankleiden am Unterkörper, Herbeischaffen von Medikamenten und Lebensmittel und teilweise auch zur Nahrungsaufnahme fremder Hilfe und ist auf ständige Wartung angewiesen.

Im Verfahren 3 Ob 568/83 setzte der Oberste Gerichtshof das von den Vorinstanzen einem zur Unfallszeit 22jährigen Kläger, der eine dauernde Querschnittslähmung der unteren Extremitäten mit vollständiger Harninkontinenz und teilweiser Stuhlinkontinenz erlitten und 4 bis 5 Wochen starke, 6 Wochen mittelstarke und gerafft etwa 1 Jahr leichte Schmerzen zu erdulden hatte sowie an Harnweginfektionen, Krämpfen und Sympathikusschmerzen litt, von den Vorinstanzen zugesprochene Schmerzengeld von 800.000 S auf 700.000 S sA herab.

Soll im vorliegenden Fall auch das besonders tragische Schicksal der jugendlichen Klägerin in keiner Weise verkannt werden, lässt die vergleichsweise Darstellung der Schmerzengeldzusprüche durch das Höchstgericht, die zum Teil aus jüngster Zeit stammen, doch erkennen, dass die Fälle, in denen Beträge von 900.000 S an Schmerzengeld zuerkannt wurden, noch schwerere Dauerfolgen als bei der Klägerin, vor allem Lähmungen auch der oberen Extremitäten, betrafen. Der vom Berufungsgericht zugesprochene Betrag von 1.000.000 S muss deshalb bei Anlegen eines objektiven Maßstabs als überhöht beurteilt werden. Unter Berücksichtigung aller Umstände des vorliegenden Falls erscheint dem Obersten Gerichtshof vielmehr 850.000 S an Schmerzengeld ausreichend.

Soweit die Klägerin in ihrer Revision offenbar unter Anwendung von „Tagessätzen“ auf die künftig zu erwartenden leichten Schmerzen einen Betrag von 2.700.000 S errechnet, ist ihr zu erwidern, dass das Schmerzengeld grundsätzlich nach § 273 ZPO als Globalentschädigung unter Berücksichtigung der körperlichen und seelischen Schmerzen festzusetzen ist, nicht aber unter Anwendung bestimmter „Tagessätze“ oder dergleichen (vgl E MGA ABGB31 § 1325/61 uva).

Der Revision der Klägerin musste daher ein Erfolg versagt werden, während sich jene der Beklagten als teilweise gerechtfertigt erwies.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz beruht auf § 43 Abs 2 ZPO, wobei der Kostenbemessung der ersiegte Betrag zugrundezulegen war, jene über die Kosten des Rechtsmittelverfahrens auf den §§ 43 Abs 1, 50 ZPO.

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