Spruch:
I. Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil unter Anwendung des § 289 StPO zur Gänze aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Andrea A und Maria B sind schuldig, sie haben am 12. März 1982 in Innsbruck fremde bewegliche Sachen der Ingeborg C als Verfügungsberechtigten des Kaufhauses 'Textilhof' mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, I. Maria B allein eine Damenhose im Wert von 398 S weggenommen, II. Andrea A und Maria B in Gesellschaft als Beteiligte ein Blouson im Wert von 398 S weggenommen und ein Blouson im Wert von 398 S wegzunehmen versucht.
Sie haben hiedurch das Vergehen des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und 2 Z 1 und 15 StGB begangen und werden hiefür wie folgt verurteilt:
Andrea A nach § 127 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB zu einer Geldstrafe von 50 (fünfzig) Tagessätzen, im Falle der Uneinbringlichkeit 25 (fünfundzwanzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe.
Die Höhe des Tagessatzes wird mit 150 (einhundertfünfzig) S bestimmt.
Gemäß § 43 Abs. 1 StGB wird bei Andrea A die ausgesprochene Geldstrafe unter Setzung einer Probezeit von einem Jahr bedingt nachgesehen.
Gemäß § 13 JGG werden bei Maria B der Ausspruch über die Strafe und der Vollzug für eine Probezeit von einem Jahr vorläufig aufgeschoben.
Die Aussprüche über den Ersatz der Kosten des Strafverfahrens und die Vorhaftanrechnung werden aus dem Ersturteil übernommen.
II. Die Nichtigkeitsbeschwerde der Andrea A wird verworfen.
III. Die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte Andrea A werden mit ihren Berufungen auf die Entscheidung I verwiesen.
IV. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden die am 23. November 1963 geborene Unterrichtshelferin Andrea A des Vergehens des versuchten Diebstahls nach §§ 15, 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1 StGB (Punkt II. des Urteilssatzes) und die am 10. August 1964 geborene, sohin zur Tatzeit (12. März 1982) noch jugendliche (zuletzt als Angestellte tätige) Maria B des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1; 15 StGB (Punkt I. und II. des Urteilssatzes) schuldig erkannt. Den beiden Angeklagten liegt zur Last, am 12. März 1982 in Innsbruck jeweils mit dem Vorsatz, sich oder einen Dritten durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, der Ingeborg C als Verfügungsberechtigten des Kaufhauses 'Textilhof' nachgenannte fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S nicht übersteigenden Werte, und zwar I./ Maria B als Alleintäterin eine Damenhose im Werte von 398 S weggenommen zu haben und II./ Andrea A und Maria B in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) zwei Blousons im Gesamtwert von 796 S wegzunehmen versucht zu haben. Gegen die rechtliche Beurteilung des Urteilsfaktums II. als ein insgesamt bloß beim Versuch gebliebener Gesellschaftsdiebstahl wendet sich die Staatsanwaltschaft mit ihrer auf den Nichtigkeitsgrund der Z 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, mit der sie eine Tatbeurteilung als Vergehen des teils (von den beiden Angeklagten in Gesellschaft als Beteiligte begangenen) vollendeten und teils versuchten Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1; 15 StGB anstrebt.
Die Angeklagte Andrea A ficht mit ihrer auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Beschwerde das Urteil mit dem Ziel an, sie unter Heranziehung des Strafausschließungsgrunds des § 42 StGB (gemäß Par 259 Z 4 StPO) freizusprechen.
I.NichtigkeitsbeschwerdederStaatsanwaltschaft:
Rechtliche Beurteilung
Die Rechtsrüge erweist sich als berechtigt:
Unter dem zur Verwirklichung des Tatbestandes des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 StGB erforderlichen 'Wegnehmen' einer fremden beweglichen Sache ist die Beseitigung des fremden Gewahrsams gegen bzw. ohne Willen des Gewahrsamsinhabers zu verstehen. Eine Sache ist weggenommen und der Diebstahl somit erst dann vollendet, sobald der Täter die tatsächliche Herrschaft über die Sache erlangt und der bisherige Gewahrsamsinhaber dadurch nicht mehr in der Lage ist, über die Sache zu verfügen (ÖJZ-LSK 1975/19-21, sowie 1977/9). Entscheidende Bedeutung kommt hiebei dem Umstand zu, daß auch ein Außenstehender die Zugehörigkeit einer Sache zu einer Person nach der räumlichen Beziehung und überdies auch nach der auf sozialen Gepflogenheiten beruhenden Verbundenheit von Sache und Person nicht mehr zu erkennen vermag (ÖJZ-LSK 1979/91). Bei der Abgrenzung des vollendeten vom versuchten Diebstahl ist stets auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Bei verhältnismäßig kleinen Sachen, die leicht in der Kleidung, am Körper oder in mitgeführten Taschen verborgen werden können, wird zwar in der Regel der Diebstahl schon mit dem Einstecken dieser Sachen durch den Täter am Tatort vollendet sein, soferne dieses Einstecken vom Gewahrsamsträger oder von dessen Vertreter (Angestellten oder sonstigen Bevollmächtigten) nicht bemerkt wird (SSt 46/9; LSK 1979/309). Da aber die Angeklagte A beim Verbergen des Blousons in ihrer Tasche von einer Angegestellten des Kaufhauses 'Textilhof' beobachtet und dann nach dem Passieren der Kasse dieses Kaufhauses, ohne dieses Kleidungsstück bezahlt zu haben, angehalten wurde (S 21 und 25), kann schon aus diesem Grund in Ansehung des von der Angeklagten A an sich gebrachten Blousons von einem vollzogenen Gewahrsamsbruch nicht gesprochen werden. Solange der Bestohlene - entweder selbst oder durch einen Angestellten oder sonstigen Beauftragten - in der Lage ist, die Verbringung der Sache aus seiner Machtsphäre rechtzeitig mit Erfolg zu verhindern, ist sein Gewahrsam an der Sache jedenfalls noch nicht verloren. Ein Gewahrsamsbruch und damit vollendeter Diebstahl kommt demnach, solange sich der (in der Folge ertappte) Täter mit der Beute im Warenhaus aufhält, nicht in Betracht (Steininger in RZ 1981, S 25; Burgsteller, Der Ladendiebstahl und seine private Bekämpfung, S 26 bis 30).
Bei dem von der Staatsanwaltschaft bekämpften, im Urteilsfaktum II festgestellten Teil des Tatgeschehens handelten die beiden Angeklagten aber nach dem gemeinsam am Tatort abgesprochenen Plan, je zwei ineinander gesteckte Blousons zum Ausprobieren in die Kabine mitzunehmen, dann jeweils nur ein Blouson zurückzugeben und das zweite Stück ohne Bezahlung in der Tasche verborgen aus dem Kaufhaus wegzubringen (S 101). Unter den somit festgestellten Voraussetzungen des Einverständnisses zur Tatbegehung und der Ortsanwesenheit beider Beteiligter genügt zur Annahme der Tatqualifikation als Gesellschaftsdiebstahl im Sinne des § 127 Abs. 2 Z 1 StGB bereits ein sonstiger Tatbeitrag im Sinne des § 12, dritter Fall, StGB, der auch jeweils (nur) in einer Bestärkung des Tatentschlusses des anderen, also in einer psychischen Unterstützung bestehen kann; liegt doch auch darin eine die Tatausführung des anderen konkret wirksam gewordene fördernde Tätigkeit (EvBl. 1977/242, LSK 1982/76). Handelten aber die beiden Angeklagten als Diebsgenossen, haben sie jeweils auch den von dem anderen Tatbeteiligten herbeigeführten Erfolg (neben dem durch das eigene Handeln bewirkten) strafrechtlich mitzuverantworten. Da der von der gemeinsamen Absprache umfaßte deliktische Vorgang zwei verschiedene Tatobjekte (zwei Blousons) betraf, liegen der Sache nach zwei durch die Qualifikation nach § 127 Abs. 2 Z 1 StGB beschwerte Zugriffe vor, wobei nur die Tat der Angeklagten B (welcher der Gewahrsamsbruch gelang, weil sie erst später auf der Straße mit dem von ihr unbemerkt aus dem Warenhaus verbrachten Blouson angehalten wurde) vollendet wurde, wogegen es in Ansehung des von der Angeklagten A in ihrer Tasche verwahrten Blousons beim Diebstahlsversuch geblieben ist. Es liegen daher - wie die Staatsanwaltschaft richtig aufzeigt - in Wahrheit zwei getrennte Diebstahlstaten vor, wobei die eine vollendet und die andere beim Versuch geblieben ist.
Es war daher wegen des engen zeitlichen und räumlichen und damit auch rechtlichen Zusammenhanges der in einem Warenhaus hintereinander begangenen Diebstähle gemäß § 289 StPO der Schuldspruch zur Gänze aufzuheben, gemäß § 288 Abs. 2 Z 3 StPO aber sogleich in der Sache selbst zu entscheiden und die Angeklagten im Urteilsfaktum II wegen des teils vollendeten, teils versuchten Diebstahls nach den §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z 1, 15 StGB schuldig zu erkennen.
II.Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Andrea A:
Der Auffassung der Beschwerdeführerin, daß das Jugendschöffengericht bei dem (nach dem Vorgesagten teils vollendeten, teils beim Versuch gebliebenen) Gesellschaftsdiebstahl rechtsirrtümlich die Bestimmung des § 42 StGB nicht angewendet habe, kann nicht beigepflichtet werden.
Zunächst versagt die Mängelrüge schon deshalb, weil ein Nichtigkeit bewirkender Begründungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) gar nicht dargestellt, sondern nur gerügt wird, daß das Erstgericht Feststellungen und eine rechtliche Wertung des Sachverhalts in Richtung der mangelnden Strafwürdigkeit unterlassen habe, womit aber inhaltlich lediglich der materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO behauptet wird.
Der reklamierte Strafausschließungsgrund setzt - kumulativ mit den übrigen in dieser Gesetzesstelle angeführten, hier ebenfalls problematischen Voraussetzungen - eine geringe Schuld des Täters voraus (§ 42 Abs. 1 Z 1 StGB). Davon kann aber nur bei einem erheblichen Zurückbleiben des tatbildmäßigen Verhaltens des Täters hinter dem in der betreffenden Strafdrohung typisierten Unrechts- und Schuldgehalt gesprochen werden. Mangelnde Strafwürdigkeit liegt daher nur in jenen Fällen vor, die sowohl nach dem Grad der Schuld des Täters als auch nach der mit der Tat verbundenen Sozialschädlichkeit und ihrem Störwert für die Umwelt deutlich unter der Norm liegen (Leukauf-Steininger 2 RN 9 zu § 42 StGB). Dies trifft aber im vorliegenden Fall auf die Angeklagte A nicht zu, hat sie doch nach den bezüglichen Urteilsfeststellungen die Tatbegehung mit der Angeklagten B nicht nur abgesprochen, sondern einen (von gewiegten Ladendieben gerne angewendeten) Trick vereinbart, der die Kontrolle des Verkaufspersonals ausschalten sollte. Ein derartiges planmäßiges Vorgehen, das auf eine erhöhte deliktische Intensität hinweist, steht aber der Annahme einer geringen Schuld entscheidend entgegen (Steininger in RiZ 1981 S 31).
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Angeklagten Andrea A war sohin der Erfolg zu versagen.
II.Strafneubemessung:
Bei der zufolge gänzlicher Aufhebung des Schuldspruchs erforderlich gewordenen Neubemessung der Strafen wurde als erschwerend bei A kein Umstand, bei B zwei diebische Angriffe und als mildernd bei beiden Angeklagten ihre bisherige Unbescholtenheit, ihr vollständiges, auch die Gesellschaftsqualifikation offenlegendes reumütiges Geständnis, die volle Schadensgutmachung und der Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, sowie bei A darüber hinaus das Alter unter 21 Jahren gewertet.
Auch unter Zugrundelegung der nunmehr richtig gestellten rechtlichen Qualifikation der der Angeklagten A zur Last liegenden Tat genügt die Androhung einer Geldstrafe, um den Strafzweck in spezial und generalpräventiver Richtung zu erreichen (§ 37 Abs. 1, § 43 Abs. 1 StGB), wobei bei der Ausmessung der Zahl der Tagessätze dem Umstand vermehrt Rechnung zu tragen war, daß A zur Tatzeit knapp über 18 Jahre alt war und ihr daher - im Gegensatz zu B - nicht mehr die Bestimmungen des Jugendgerichtsgesetzes zugute kamen, insgesamt a ber etwas geringer beteiligt war. Das verhängte Strafausmaß entspricht daher diesen korrigierten Strafzumessungsgründen, wobei die Höhe des einzelnen Tagessatzes der Leistungsfähigkeit der Angeklagten angepaßt wurde (SSt. 46/18).
Bei Maria B bejaht auch der Oberste Gerichtshof das Vorliegen der Voraussetzungen des § 13 JGG, so daß von einem Strafausspruch vorläufig abgesehen werden konnte.
Im Hinblick auf die lange Dauer des Strafverfahrens und das - auch nach den neuerdings eingeholten Strafregisterauskünften - straffreie Verhalten der beiden Angeklagten seit der zwei Jahre zurückliegenden Tat erscheint eine Probezeit von einem Jahr ausreichend. Auf diese Strafneubemessung waren die Staatsanwaltschaft und die Angeklagte A mit ihren Berufungen zu verweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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