Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Hermann A ist schuldig, am 18.April 1983 in Markt Allhau die Maria B dadurch, daß er sie am Rücken und an der Brust erfaßte, sie schüttelte und ihr eine Ohrfeige versetzte, wodurch es zu einer Blutung unter der harten Hirnhaut kam, am Körper mißhandelt und dadurch fahrlässig verletzt zu haben, wobei die Tat zufolge Einschwemmung von Blutgerinnseln in die Lungenschlagader den Tod der Geschädigten zur Folge hatte.
Hermann A hat hiedurch das Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach § 83 Abs. 2, 86 StGB begangen und wird hiefür nach § 86 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 15 (fünfzehn) Monaten verurteilt.
Gemäß § 43 Abs. 2 StGB wird die Freiheitsstrafe für eine Probezeit von 3 (drei) Jahren bedingt nachgesehen.
Gemäß § 389, 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Verfahrens erster und zweiter Instanz zur Last.
Text
Gründe:
Hermann A wurde von dem aus dem Spruch zu ersehenden Anklagevorwurf gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen. Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen kam es am 18.April 1983 zwischen dem alkoholisierten, keineswegs aber voll berauschten Angeklagten und seiner 73-jährigen Schwiegermutter Maria B zu einer wörtlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf er der Greisin eine Ohrfeige versetzte, sie am Rücken und an der Brust erfaßte und schüttelte, sodaß sie sich in die Unterlippe biß und, um einen Sturz zu vermeiden, an einem Ofen festhalten mußte. Das Erstgericht hielt zwar eine Feststellung der Heftigkeit der Ohrfeige und des Schüttelns für unmöglich, nahm aber als erwiesen an, daß es sich jedenfalls nicht um ein ganz leichtes Schütteln gehandelt hat. Dieses und die Ohrfeige verursachten Einrisse an den Brückenvenen (Blutgefäße zwischen der harten Hirnhaut und der Hirnoberfläche), die eine Gehirnblutung nach sich gezogen haben, weshalb noch am Tag der Verletzung ein neurochirurgischer Eingriff erforderlich war. Die Verletzung der Brückenvenen ist auf das überschreiten der bei B infolge ihres Alters herabgesetzten Elastizitätsgrenze der Gefäßwände im Zug der Gewalteinwirkung zurückzuführen. Am 9.Mai 1983 trat der Tod der Maria B durch Einschwemmung von Blutgerinnseln in die Lungenschlagaderäste ein. Er stand in ursächlichem Zusammenhang mit der Schädelhirnverletzung, weil die Blutgerinnsel durch das wegen dieser Verletzung notwendig gewordene Krankenlager hervorgerufen wurden.
In subjektiver Beziehung ging das Gericht davon aus, daß der Angeklagte bei seinen Tätlichkeiten zwar nicht mit Verletzungsvorsatz, aber in Mißhandlungsabsicht (für § 83 Abs. 2 StGB genügt Mißhandlungsvorsatz) gehandelt hat. Hätte er gewußt, daß die Tätlichkeiten Verletzungen nach sich ziehen würden, hätte er sie nicht gesetzt. Vorhersehbar war, der Urteilsannahme zufolge, für eine durchschnittlich begabte, nicht alkoholisierte Person, daß eine Tätlichkeit wie die gegenständliche zu allenfalls auch schweren Verletzungen führen kann. Die Voraussehbarkeit der Todesfolge für den Angeklagten wurde mit der Begründung verneint, daß der Täter keinesfalls mit erheblicher Gewalt vorgegangen und überdies alkoholisiert gewesen ist.
Rechtliche Beurteilung
Die Staatsanwaltschaft ficht den Freispruch aus § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO an. Die Rechtsrüge greift durch.
Voraussetzung für die Zurechnung einer Erfolgsqualifikation ist deren fahrlässige Herbeiführung (§ 7 Abs. 2 StGB). Die objektive und subjektive Sorgfaltswidrigkeit ist bereits in der Verwirklichung des Tatbestands des § 83 Abs. 2 StGB verkörpert. Die Gewaltanwendung gegen die alte, demgemäß mit geschwächtem Widerstand und erhöhter Komplikationsbereitschaft ausgestattete Frau erreichte dabei eine solche Intensität, daß die Angegriffene sich eine Bißverletzung in der Unterlippe selbst zufügte und, um einen Sturz zu vermeiden, sich an einem Ofen festhalten mußte (S. 142). Die damit hinreichend als massive Gewalteinwirkung gekennzeichnete Tat war aber nicht nur gemäß den wohlbegründeten Urteilsfeststellungen für die Todesfolge kausal;
diese letztere lag auch innerhalb des Risiko- und Adäquanzzusammenhangs des vom Angeklagten gesetzten Verhaltens.
Weiters: Der Tod der betagten Frau war für den Täter als einen intellektuell durchschnittlich begabten Menschen voraussehbar. Entgegen der Auffassung der Tatrichter kommt es dabei nicht darauf an, ob der Angeklagte den Kausalverlauf im einzelnen, nämlich die Gefäßläsion im Gehirn und schließlich die Lungenembolie, vorhersehen konnte. Es genügt, daß jeder Durchschnittsmensch einzusehen vermag, daß eine derartige Gewaltanwendung (siehe oben) gegen einen Menschen höheren Alters tödlich ausgehen kann (siehe LSK. 1983/36). Die soeben gezogene Grenze des subjektiven Qualifikatsionserfordernisses (§ 7 Abs. 2, 86 StGB) schließt die durch gewollten Alkoholkonsum herbeigeführte Berauschung des Angeklagten (welche nach den Urteilsannahmen die sonst gegebene Vorhersehbarkeit der Todesfolge verhindert haben soll) wie jeden Mangel im emotionellen Bereich von der rechtlichen Beurteilung des Sachverhalts aus.
Aus dem Gesagten folgt, daß in Stattgebung der Beschwerde der Staatsanwaltschaft der Freispruch zu kassieren und gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO sogleich anklagekonform zu erkennen war, ohne daß auf die Mängelrüge eingegangen werden mußte.
Bei der nach § 86 StGB vorzunehmenden Strafbemessung war erschwerend nichts, mildernd war die bisherige Unbescholtenheit des Angeklagten. Unter diesen Umständen konnte mit einer nahe der gesetzlichen Untergrenze liegenden Strafe das Auslangen gefunden werden. Das bisherige Wohlverhalten des Angeklagten und der Umstand, daß der Tat ein länger schwelender Streit zwischen ihm und seiner Schwiegermutter vorangegangen war, sprechen dafür, daß die strafbare Handlung eine einmalige Entgleisung war. Das wiederum bietet hinreichend Gewähr (§ 43 Abs. 2 StGB), daß schon die Strafandrohung genügen wird, um den Angeklagten zu künftig rechtschaffenem Betragen zu veranlassen.
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