OGH 3Ob15/84

OGH3Ob15/8425.4.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofs Kinzel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Hule, Dr. Warta, Dr. Klinger und Mag. Engelmaier als Richter in der Exekutionssache der betreibenden Partei Republik Österreich (Finanzamt Graz-Stadt), vertreten durch die Finanzprokuratur, 1011 Wien, Singerstraße 17-19, wider die verpflichtete Partei Dr. Gerhard Pittner, Wirtschaftstreuhänder, 8010 Graz, Glacisstraße 37, als Masseverwalter im Anschlusskonkurs über das Vermögen der Firma T***** Gesellschaft mbH, nunmehr Firma T***** Handelsgesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Franz Gölles, Rechtsanwalt in Graz, wegen 1.343.295,91 S sA, infolge Revisionsrekurses der betreibenden Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz als Rekursgericht vom 19. Dezember 1983, GZ 2 R 278/83-4, womit der Beschluss des Bezirksgerichts für Zivilrechtssachen Graz vom 3. Oktober 1983, GZ 9 E 374/83-1, abgeändert wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

 

Spruch:

Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.

Der Beschluss des Gerichts zweiter Instanz wird dahin abgeändert, dass der Beschluss des Erstgerichts wiederhergestellt wird.

Die verpflichtete Partei hat die Kosten ihres Rekurses an die zweite Instanz selbst zu tragen und ist schuldig, der betreibenden Partei binnen 14 Tagen die mit 14.568 S als weitere Exekutionskosten bestimmten Kosten des Revisionsrekurses zu ersetzen.

Text

Begründung

Am 19. 9. 1983 langte beim Erstgericht, das gleichzeitig Grundbuchsgericht ist, ein Antrag der betreibenden Partei auf Bewilligung der zwangsweisen Pfandrechtsbegründung zur Hereinbringung einer Abgabenschuld von 1.343.295,91 S sA ein. Der angeschlossene Rückstandsausweis wies bestimmte Beträge an Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag, Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitabschnitt „1981“, bestimmte Beträge an Umsatzsteuer, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitabschnitt „1982“ und bestimmte Beträge an Umsatzsteuer, Gewerbesteuer, Vermögenssteuer, Erbschaftssteueräquivalent, Lohnsteuer, Dienstgeberbeitrag und Zuschlag zum Dienstgeberbeitrag für den Zeitabschnitt „1983“ aus, ist als „Anschluss-Rückstandsausweis vom 18. 5. 1983“ überschrieben und enthält eine Vollstreckbarkeitsbestätigung vom 9. 9. 1983.

Am 13. 9. 1983 war über das Vermögen der Verpflichteten zu 20 Sa 18/83 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz das Ausgleichsverfahren eröffnet worden. Mit Beschluss vom 29. 9. 1983 wurde das Ausgleichsverfahren wegen Zurückziehung des Ausgleichsantrags bei der Ausgleichstagsatzung eingestellt und gleichzeitig zu 20 S 41/83 des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Graz der Anschlusskonkurs eröffnet.

Mit Beschluss vom 3. 10. 1983 bewilligte das Erstgericht die beantragte Exekution.

Das Gericht zweiter Instanz änderte den Beschluss des Erstgerichts dahin ab, dass der Exekutionsantrag der betreibenden Partei abgewiesen wurde.

Das Gericht zweiter Instanz war der Auffassung, dass die Wirkungen der Konkurseröffnung gemäß § 2 Abs 2 KO mit dem Tag der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens eintraten, so dass aufgrund des erst danach gestellten Antrags gemäß § 10 KO kein richterliches Pfandrecht mehr erworben werden konnte. Dass es sich bei der Forderung der betreibenden Partei um eine Masseforderung handle, könne dem Rückstandsausweis nicht entnommen werden. Die betreibende Partei hätte für diesen Fall schon im Exekutionsantrag dartun müssen, dass die Exekution ungeachtet des eröffneten Ausgleichs bzw Anschlusskonkursverfahrens zulässig sei.

Gegen den Beschluss des Gerichts zweiter Instanz wendet sich der Revisionsrekurs der betreibenden Partei mit dem Antrag, ihn im Sinne einer Wiederherstellung des Beschlusses des Erstgerichts abzuändern.

Die betreibende Partei vertritt die Ansicht, dass eine zwangsweise Pfandrechtsbegründung nach der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens möglich sei. Gemäß § 2 Abs 2 KO seien im Falle eines Anschlusskonkurses nur die nach der Konkursordnung vom Tage der Konkurseröffnung zu berechnenden Fristen vom Tage der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens zu berechnen. Die sonstigen Wirkungen des Konkurses würden hingegen nicht zurückgezogen. Maßgebend für die Zulässigkeit des Exekutionsantrags sei nicht der Tag der Entscheidung des Erstgerichts, sondern der Tag des Einlangens des Gesuchs beim Grundbuchsgericht. Die betriebene Forderung sei nach § 23 Abs 1 AO alte Fassung eine bevorrechtete Forderung, was sich aus dem Exekutionsantrag und dem Rückstandsausweis klar ergebe.

Rechtliche Beurteilung

Dem Rekurs kommt Berechtigung zu.

Da sowohl das Ausgleichsverfahren als auch der Anschlusskonkurs im Jahr 1983 eröffnet wurden, gelten zwar schon die Bestimmungen des am 1. 1. 1983 in Kraft getretenen Insolvenzrechtsänderungsgesetzes 1982. Gemäß den Übergangs- und Schlussbestimmungen nach Art XI § 2 Abs 2 Z 1 IRÄG sind aber die bisher geltenden Bestimmungen über bevorrechtete Forderungen nach § 23 AO in der Fassung vor dem IRÄG anzuwenden.

Gemäß § 10 Abs 1 AO kann zwar von der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens an kein richterliches Pfand- oder Befriedigungsrecht erworben werden. Gemäß § 10 Abs 4 AO werden aber Forderungen, die ein Vorrecht iSd § 23 AO genießen, vom Ausgleichsverfahren nicht berührt. Ein Vorrecht genießen im Ausgleichsverfahren gemäß § 23 Z 1 AO (idF gemäß Art XI § 2 Abs 2 Z 1 IRÄG) unter anderem Steuern und öffentliche Abgaben, die während des Ausgleichsverfahrens fällig werden oder nicht früher als drei Jahre vor der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens fällig geworden sind.

Diese Voraussetzung wird aber durch die im Rückstandsausweis genau umschriebene Abgabenschuld - da die einzelnen Zeiträume angegeben sind, steht fest, dass alle Posten vor der Ausgleichseröffnung fällig wurden, aber nicht früher als drei Jahre davor fällig geworden sein konnten - erfüllt (vgl dazu EvBl 1977/30). Säumniszuschläge und Nebengebühren teilen den Rang der Hauptforderung (SZ 17/148).

§ 2 Abs 2 KO sagt zwar, dass bei Eröffnung des Anschlusskonkurses die nach der Konkursordung nach dem Tag der Konkurseröffnung oder vom Tag der Konkurseröffnung zu berechnenden Fristen vom Tag des Ausgleichsantrags oder vom Tag der Eröffnung des Ausgleichsverfahrens zu berechnen sind. Dies bedeutet aber nicht, dass zwischen der Zeit der Ausgleichseröffnung und der Zeit der Eröffnung des Anschlusskonkurses § 10 Abs 1 AO nicht mehr anwendbar ist, dass also sozusagen die Wirkungen des Konkurses in der Weise zurückgezogen werden müssten, dass ein zulässigerweise begründetes Pfandrecht nachträglich seine Gültigkeit verlöre oder eine noch im zulässigen Zeitraum beantragte zwangsweise Pfandrechtsbegründung nicht mehr bewilligt werden dürfte (Heller-Berger-Stix 131, Entscheidungen wie SZ 20/20, JBl 1966, 378 EvBl 1977/30). Es gilt vielmehr § 12 Abs 1 KO, dass Absonderungsrechte, die in den letzten 60 Tagen vor der Konkurseröffnung (beim Anschlusskonkurs: vor der Ausgleichseröffnung) erworben worden sind, durch die Konkurseröffnung mit Ausnahme der für öffentliche Abgaben erworbenen Absonderungsrechte erlöschen.

Gemäß §§ 13 AO, 13 KO, richtet sich aber die Bewilligung des strittigen Exekutionsantrags nach dem Tag des Einlangens des Gesuchs.

Es war daher der Beschluss des Erstgerichts wiederherzustellen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 74, 78 EO, §§ 50, 40, 41 ZPO.

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