Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil im Schuldspruch des Hubert B (B) und in dem ihn betreffenden Strafausspruch aufgehoben sowie die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht verwiesen. Der Berufung wird Folge gegeben und die über Rosalinde A verhängte Geldstrafe auf 180 (einhundertachtzig) Tagessätze, für den Fall der Uneinbringlichkeit 90 (neunzig) Tage Ersatzfreiheitsstrafe, erhöht. Im übrigen bleibt das angefochtene Urteil unberührt. Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten Hubert B und Rosalinde A die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Die am 13.Mai 1940 geborene Versicherungsangestellte Rosalinde A wurde des Vergehens der Geschenkannahme durch Beamte nach Par 304 Abs. 1 StGB als Anstifterin nach § 12 StGB sowie des Vergehens der Geschenke an Beamte und leitende Angestellte nach § 307 Abs. 1 StGB als Gehilfin nach § 12 StGB, weiters der am 14.September 1938 geborene Vertragsbedienstete der Finanzlandesdirektion für Steiermark Hubert B des Vergehens der Geschenke an Beamte und leitende Angestellte nach § 307 Abs. 2 StGB und schließlich die am 12. Oktober 1956 geborene (nunmehrige) Hausfrau Waltraud C der Vergehen der Geschenkannahme durch Beamte nach § 304 Abs. 1 StGB und der Urkundenunterdrückung nach § 229 Abs. 1 StGB schuldig erkannt. Inhaltlich des Schuldspruchs haben in Graz Waltraud C als Beamtin der Bundespolizeidirektion Graz, Kraftfahrzeugzulassungsstelle, für die pflichtwidrige Vornahme von Amtsgeschäften von anderen für sich Vermögensvorteile angenommen, nämlich vom Herbst 1982 bis 8.April 1983
durch die wiederholte Entgegennahme von Geldgeschenken zwischen 50 S und 500 S für die Zuweisung von Kennzeichen mit niedrigen Nummern (A 1
a); am 17.März 1983 durch die Entgegennahme eines Geldbetrags von 5.000
S vom Angeklagten Hubert B auf Vermittlung der Angeklagten Rosalinde
A für die Zuweisung des Kennzeichens mit der Nr. G 1.790 (A 1 b); am 17.März 1983 die das Kennzeichen G 1.790 betreffende, bei der Bundespolizeidirektion Graz gemäß § 47 KFG. bestehende Karteikarte, somit eine Urkunde, über die sie nicht verfügen durfte, mit dem Vorsatz vernichtet, zu verhindern, daß sie im Rechtsverkehr zum Beweis der darin beurkundeten Tatsachen gebraucht werde (A 2); Hubert B am 17.März 1983 der Angeklagten Waltraud C als Beamtin der Bundespolizeidirektion Graz, Kraftfahrzeugzulassungsstelle, für die Zuweisung des Kennzeichens mit der Nr. G 1.790 einen Geldbetrag von 5.000 S, somit für die pflichtgemäße Vornahme eines Amtsgeschäfts einen nicht bloß geringfügigen Vermögensvorteil gewährt (B); Rosalinde A im März 1983 durch Vermittlung des erwähnten zwischen den Angeklagten Waltraud C und Hubert B abgeschlossenen illegalen Geschäfts vorsätzlich die Angeklagte Waltraud C zur Ausführung der zu A 1 b angeführten Entgegennahme von 5.000 S von Hubert B bestimmt und zur Ausführung der zu B genannten Straftat des Angeklagten Hubert B beigetragen (C).
Dieser Schuldspruch wird von der Staatsanwaltschaft, und zwar insoweit bekämpft, als er den Angeklagten Hubert B betrifft. Gestützt auf § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO strebt die Staatsanwaltschaft eine Beurteilung des dem Angeklagten B angelasteten Verhaltens nach § 307
Abs.Ö1 StGB (anstatt nach § 307 Abs. 2 StGB) an, wobei sie im wesentlichen die Ansicht vertritt, daß es das Erstgericht, resultierend aus einer verfehlt eingeschränkten Auslegung des Begriffs 'Pflichtwidrigkeit' unterlassen habe, ausreichende Feststellungen zur subjektiven Tatseite des B zu treffen.
Rechtliche Beurteilung
Die Staatsanwaltschaft ist im Recht: 'Pflichtwidrig' wird ein Amtsgeschäft vorgenommen, wenn dabei gegen die normierten Amts und Dienstpflichten, also gegen Gebote oder Verbote verstoßen wird. Da es zu den Geboten pflichtgemäßer Amtsführung gehört, sich bei der Besorgung der Amtsgeschäfte ausschließlich von sachlichen und rechtlichen Gründen, nicht aber von Rücksichten des Wohlwollens oder der Ungunst gegenüber einer Partei leiten zu lassen, ist damit insbesondere auch die Parteilichkeit erfaßt. Ebenso kann im Fall von Ermessensentscheidungen pflichtwidrig vorgegangen werden, und zwar nicht nur bei einem Mißbrauch und bei einer überschreitung des Ermessens, sondern auch schon dann, wenn der Beamte dem Vermögensvorteil einen Einfluß auf seine - sei es auch innerhalb des Ermessens getroffene - Entscheidung einräumt (Leukauf-Steininger 2 § 304 StGB, RN. 5; LSK. 1981/29, 1983/149).
Im vorliegenden Fall hat das Gericht - insoweit in freier Beweiswürdigung und daher unbekämpfbar - lediglich angenommen, daß der Angeklagte Hubert B die mangelnde interne Berechtigung der Waltraud C zur Zuweisung von Kennzeichen nicht kannte (S. 292, 293). Der Schöffensenat vermeinte ersichtlich, der Angeklagte B könne, wenn er C zur Kennzeichenzuweisung für berechtigt hielt, nicht mit dem Vorsatz gehandelt haben, den Vermögensvorteil für die pflichtwidrige Vornahme eines Amtsgeschäfts zu gewähren (S. 294). Dabei blieb außer Betracht, daß, wie dargelegt, pflichtwidriges Vorgehen auch bei einem Handeln im Rahmen des zugewiesenen Wirkungskreises möglich ist. In diesem Fall kann der Beamte dennoch gegen Dienstvorschriften verstoßen, parteilich handeln, sein Ermessen mißbrauchen oder (hier für B besonders naheliegend) dem gewährten Vermögensvorteil einen Einfluß auf seine Ermessensentscheidung einräumen.
Daraus folgt: Auch wenn der Angeklagte B im Zusammenhang mit den von ihm an C bezahlten 5.000 S eine nur in dem zuletzt erwähnten Sinn pflichtwidrige Vorgangsweise der Genannten ernstlich für möglich gehalten und sich damit abgefunden hätte (§ 5 Abs. 1, zweiter Halbsatz, StGB), wären die subjektiven Voraussetzungen des § 307 Abs. 1 StGB erfüllt. Für diesen Tatbestand genügt mangels anderweitiger gesetzlicher Anordnung bedingterVorsatz. Von der unrichtigen Rechtsansicht ausgehend, B hätte nur dann vorsätzlich handeln können, wenn er von der fehlenden polizeiinternen Berechtigung der C zur Kennzeichenzuweisung Kenntnis gehabt hätte, hat der Gerichtshof keine Feststellungen zur subjektiven Tatseite des § 307 Abs. 1 StGB getroffen. Dieser Mangel macht eine Aufhebung des angefochtenen Urteils in dem den Angeklagten Hubert B betreffenden Schuldspruch und demgemäß im bezüglichen Strafausspruch unumgänglich.
Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft war mithin Folge zu geben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Urteilsaufhebung an das Landesgericht zurückzuverweisen. Das Schöffengericht verhängte über Rosalinde A nach § 304 Abs. 1 StGB unter Bedachtnahme auf § 28 StGB und in Anwendung des § 37 Abs. 1 StGB eine Geldstrafe von sechzig Tagessätzen, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von dreißig Tagen.
Den Tagessatz setzte es mit neunzig Schilling fest. Bei der Strafbemessung waren erschwerend das Zusammentreffen zweier Vergehen, mildernd hingegen das umfassende und reumütige Geständnis und die Unbescholtenheit in Verbindung mit dem nicht nachteiligen Leumund, die eher untergeordnete Beteiligung an den strafbaren Handlungen, daß sie aus diesen keinen Vorteil gezogen und nur aus Unbesonnenheit gehandelt hatte. Das Erstgericht betonte dazu ausdrücklich, daß es das Ausmaß dieser Strafe im Hinblick auf die Strafzumessungsgründe und zur Sicherstellung des weiteren beruflichen Fortkommens der Angeklagten unter Bedachtnahme auf § 6 Tilgungsgesetz (Beschränkung der Auskunft) für angemessen halte (S. 296).
Gegen diesen Strafausspruch wendet sich die Berufung der Staatsanwaltschaft mit dem Antrag, die Anzahl der Tagessätze schuldangemessen zu erhöhen. Dazu wird vorgebracht, daß die Angeklagte A auch bei einer höheren Strafe weiterhin als Versicherungsangestellte tätig sein könne, durch fortgesetzte Kontakte mit der Bundespolizeidirektion Graz bei der Anmeldung von Fahrzeugen auch künftighin Gelegenheit zur Begehung gleichartiger Delikte haben werde und nur durch eine empfindliche Geldstrafe von einem Rückfall abgehalten werden könne. Auch gebiete die Generalprävention (Korruptionsbekämpfung) eine fühlbarere Sanktion. Das hier verfehlte Strafmaß ergebe sich schon daraus, daß (unter rechtsirriger Zugrundelegung des Tatbestands nach § 307 Abs. 2 StGB mit einer Strafdrohung bis zu sechs Monaten Freiheitsstrafe) über den Mitangeklagten Hubert B eine Geldstrafe von gleichfalls sechzig Tagessätzen wie auch über die Angeklagte Rosalinde A verhängt worden sei, obwohl deren Strafe aus einem strengeren, nämlich bis zu drei Jahren reichenden Strafsatz (§ 304 Abs. 1 StGB) geschöpft wurde. Wie die Anklagebehörde zu Recht hervorhebt, ist die über Rosalinde A verhängte Strafe zu mild ausgefallen. Das Schöffengericht hat zu dieser Strafbemessung ausgeführt, daß die Genannte 'aus rein freundschaftlichen Erwägungen und ohne aus der Sache einen Nutzen ziehen zu wollen', gehandelt und 'auch tatsächlich kein Entgelt für ihre Vermittlertätigkeit' erhalten hat (S. 289, 290). Konnte der Schöffensenat aus diesen Umständen und aus den angeführten Strafzumessungsgründen Rückschlüsse auf das Ausmaß der Schuld ziehen und damit Anhaltspunkte für die Strafbemessung, die sich an der Schuld des Täters zu orientieren hat (§ 4, 13 und 32 Abs. 1 StGB), gewinnen, so kann dies für die Argumentation aus der Bestimmung des Par 6 Tilgungsgesetz, die auf eine nicht aus der Schuld abgeleitete Strafmilderung abzielt, sondern von den Auswirkungen der Unrechtsfolge ausgeht, nicht gelten.
Zutreffend wird vom Erstgericht im Fall der Waltraud C auf das Erfordernis einer generalpräventiven Wirkung der Strafe in Fällen der Korruption im Bereich der staatlichen Verwaltung hingewiesen (S. 296), eine überlegung, die angesichts deren rechtlichen Gleichwertigkeit auf jegliche Form der Täterschaft (§ 12 StGB) zutrifft. Nicht zuletzt deshalb, aber auch aus den übrigen, in der Berufung der Staatsanwaltschaft ins Treffen geführten Gründen wurde die Geldstrafe bei Rosalinde A verdreifacht.
Die Höhe des Tagessatzes wurde nicht bekämpft und bleibt davon unberührt.
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