Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Strafe unter Anwendung des § 41 StGB auf vier Jahre herabgesetzt.
Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden angefochtenen Urteil wurde Nureddin A, ein türkischer Staatsangehöriger, des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs 1, 143 erster Fall StGB schuldig erkannt. Ihm liegt zur Last, nachts zum 15. Juli 1982 in Wien in Gesellschaft mit den abgesondert verfolgten Jugendlichen Mustafa B, Ali C, Salih D und Mehmet E als Beteiligte (§ 12 StGB) mit Gewalt gegen Personen, nachgenannte fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz, sich oder die Mittäter durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen zu haben, und zwar 1./ dem Wolfgang F eine Herrenarmbanduhr Marke 'Jaquet Cobur' mit Metallarmband im Wert von 1.000 S sowie 470 S Bargeld und eine Pfennigmünze, wobei Nureddin A den Wolfgang F vom Fahrrad stieß, den Gestürzten sodann am Boden festhielt, während D aus der Brieftasche FS das Bargeld und ein weiterer Mittäter die Armbanduhr vom Arm FS nahm und die übrigen Mittäter als Eingreifreserve bereitstanden und Aufpasserdienste leisteten; 2./ einem unbekannt Gebliebenen eine Armbanduhr Marke 'Casio Casiotron' Nr 63079, wobei D den Unbekannten festhielt, während C dem Unbekannten die Armbanduhr abnahm und die übrigen Beteiligten, also auch Nureddin A, als Eingreifreserve und zur Leistung von Aufpasserdiensten daneben standen.
An die Geschwornen waren zwei (anklagekonforme) Hauptfragen gerichtet worden; die erste Hauptfrage (Raub an F) bejahten sie stimmeneinhellig, die zweite (Raub an einem Unbekannten) beantworteten sie im Verhältnis von fünf Jazu drei Nein-Stimmen. Sie fügten dieser stimmenmehrheitlichen Fragebejahung die Einschränkung (§ 330 Abs 2 StPO) hinzu, daß die von der Anklagebehörde angenommene Verwendung einer Waffe (Gaspistole) nicht erwiesen sei und Nureddin A an der Tat nur als 'Eingreifreserve' und Aufpasser mitgewirkt habe.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 6, 8 und 12 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund führt er aus, es fehle in beiden Fragen ein Hinweis auf den für das Verbrechen des Raubes notwendigen Bereicherungsvorsatz. Den Geschwornen sei dadurch in beiden Fällen die Möglichkeit genommen worden, ihrer allfälligen überzeugung von einer rechtlich anderen Gestaltung der Tat, nämlich einer Wegnahme der Sachen ohne Bereicherungsvorsatz, Ausdruck zu verleihen.
Rechtliche Beurteilung
Die Rüge schlägt nicht durch.
Es ist dem Beschwerdeführer zwar zuzugeben, daß in den - insoweit von der Anklage abweichenden - Fragen der für einen Raub notwendige Bereicherungsvorsatz des oder der Täter nicht erwähnt wird, obgleich nach § 312 Abs 1 StPO alle gesetzlichen Merkmale der strafbaren Handlung in Frage aufzunehmen sind und der Bereicherungsvorsatz ein Tatbestandsmerkmal des Verbrechens des Raubes bildet. Der durch die fehlerhafte Formulierung der an die Geschwornen gerichteten Fragen an sich formell verwirklichte Nichtigkeitsgrund der Z 6 des § 345 Abs 1 StPO kann aber hiernachLagedes deshalb nicht zum Vorteil des Angeklagten geltend gemacht werden, weil durch die Verwendung der Wörter 'wegnehmen' und 'abnehmen' der Raubbeute in den beiden Hauptfragen in Verbindung mit der Erläuterung des Begriffes des Bereicherungsvorsatzes in der Rechtsbelehrung eine Bereicherung des Angeklagten und seiner Mittäter und ein darauf gerichteter Vorsatz zum Ausdruck kommt. Auch beriefen sich die Geschwornen in der Niederschrift (§ 331 Abs 3 StPO) ausdrücklich auf die Ergebnisse des gegen die jugendlichen Mittäter geführten Verfahrens, die übereinstimmend zugaben, daß sie mit dem von ihnen als Anführer bezeichneten Angeklagten (S 231 in 5 c Vr 1194/82 des Jugendgerichtshofs Wien) im Wiener Prater Raubüberfälle verübten, um Bargeld und andere verwertbare Sachen zu erbeuten (S 231 und 288 in 5 c Vr 1194/82 JGH Wien), sodaß auch aus dieser eindeutig zu erkennen ist, daß die an sich richtig aufgezeigte Formverletzung keinen dem Angeklagten nachteiligen Einfluß üben konnte (§ 345 Abs 3 StPO).
Zu der vom Beschwerdeführer vermißten Frage nach entfernter Mitschuld am Tatgeschehen (gemeint offenbar nach der Leistung eines Tatbeitrages im Sinne des § 12, dritter Fall, StGB) bestand kein Anlaß. Das Gesellschaftsverhältnis beim Raub (§ 143 erster Fall StGB) verlangt nämlich - ebenso wie jenes beim Diebstahl (§ 127 Abs 2 Z 1
StGB) - nicht, daß der an der Tat Beteiligte auch selbst Ausführungshandlungen setzt. Unter der Voraussetzung gleichzeitiger Anwesenheit am Tatort (bzw. in dessen Nähe) zur Tatzeit und des Einverständnisses mit dem (oder den) unmittelbaren Täter(n) genügt vielmehr bei dieser Sondertäterschaftsform zur Annahme unmittelbarer Täterschaft (§ 12 erster Fall StGB) eine die Raubausführung bloß fördernde Tätigkeit im Sinn eines sonst bloß als Tatbeitrag nach § 12 dritter Fall StGB zu beurteilenden Verhaltens (Leukauf- Steininger 2 , RN 7 zu § 143, RN 74 ff zu § 127 StGB). Eben darauf aber waren die in Rede stehenden Hauptfragen gerichtet.
Aber auch eine Eventualfrage nach dem Verbrechen der Hehlerei (§ 164 Abs 1 Z 2 und Abs 3 StGB) war entgegen der Meinung des Beschwerdeführers im Hinblick darauf, daß keinerlei Verfahrensergebnisse in diese Richtung deuten und der Beschwerdeführer die übernahme (eines Teils) der Beute sogar ausdrücklich bestritten hat (vgl. S 258, 281 bis 283), nicht indiziert.
Der Fragestellung haftet somit ein Mangel nicht an. Soweit der Angeklagte in seiner auf Z 8 des § 345 Abs 1 StPO gestützten Rüge auf seine Ausführungen zum Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 6 StPO Bezug nimmt, ist er auf die vorstehenden Ausführungen zu verweisen. Im übrigen räumt der Beschwerdeführer selbst ein, daß die bezüglichen Einwendungen gegen das Urteil nur eine Bemängelung der Fragestellung, nicht aber der Rechtsbelehrung bedeuten.
Wenn ferner der Beschwerdeführer in der Rechtsbelehrung Erörterungen darüber vermißt, daß die beim Raub ausgeübte Gewalt nicht in einer bloß ganz unwesentlichen Beeinträchtigung der körperlichen Integrität bestehen darf, so übergeht er die Ausführungen auf Seite 2
der Rechtsbelehrung, in der die Geschwornen darauf hingewiesen werden, daß für den Raub Gewalt von gewisser Schwere erforderlich ist. Entgegen der Meinung des Beschwerdeführers kommt im Wahrspruch zur Hauptfrage II auch das von den Geschwornen angenommene Gesellschaftsverhältnis i.S.
des § 143 erster Fall StGB im oben dargestellten Sinn zum Ausdruck, das darin besteht, daß der Beschwerdeführer mit den übrigen Beteiligten am Tatort als Eingreifreserve zur weiteren Einschüchterung des Opfers und zur Leistung von Aufpasserdienst anwesend war, woraus sich ergibt, daß die Geschwornen die ihnen erteilte Rechtsbelehrung auch verstanden haben.
Der Rechtsbelehrung haftet somit ein Mangel nicht an. Unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund nach § 345 Abs 1 Z 12 StPO behauptet der Beschwerdeführer, die Beantwortung der beiden Fragen durch die Geschwornen lasse auch eine Beurteilung des Täterverhaltens als Hehlerei oder als gefährliche Drohung nach § 107 StGB zu, führt jedoch damit den angerufenen Nichtigkeitsgrund nicht dem Gesetz gemäß aus, weil nicht vom Inhalt des Wahrspruchs der Geschwornen ausgegangen, sondern auf vermeintliche Verfahrensergebnisse Bezug genommen wird, die in den Wahrspruch nicht aufgenommen worden sind (Mayerhofer-Rieder, § 345 Abs 1 Z 12 StPO, E Nr 8, 15). Auf dieses nicht dem Gesetz entsprechende Vorbringen braucht somit nicht weiter eingegangen zu werden. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB zu sechs Jahren Freiheitsstrafe. Bei deren Bemessung waren das Vorliegen einer einschlägigen Vorstrafe, die Wiederholung der Raubüberfälle sowie der Umstand, daß Wolfgang F durch den gegen ihn gerichteten räuberischen Angriff Verletzungen davontrug, erschwerend; hingegen das Alter unter 21 Jahren, die teilweise Zustandebringung der Raubbeute sowie die untergeordnete Beteiligung an der zu Faktum 2 des Urteilssatzes angeführten Tat mildernd.
Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Strafe an.
Die Berufung ist berechtigt.
Im Gegensatz zu der vom Erstgericht vertretenen Auffassung ist im vorliegenden Falle die Anwendung des außerordentlichen Milderungsrechtes nach § 41 StGB gerechtfertigt. Diese Bestimmung stellt u.a. darauf ab, ob die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe beträchtlich überwiegen. Dabei kommt es aber nicht allein auf die im § 34 StGB beispielsweise aufgezählten 'besonderen' Milderungsgründe an; es sind vielmehr auch der Unrechtsgehalt der Tat und alle sonst nach den allgemeinen Grundsätzen für die Strafbemessung gemäß § 32 Abs 2 und 3 StGB bedeutsamen Momente zu berücksichtigen (vgl. 10 0s 116/79). Geht man nun im vorliegenden Falle davon aus, daß im Hinblick auf das Alter des Angeklagten und sein Vorleben nicht gesagt werden kann, daß die Tat auf eine gegenüber den rechtlich geschützten Werten gleichgültige oder gar ablehnende Einstellung zurückzuführen ist, bei Würdigung der Schuldgehalt der Tat auch seine nur untergeordnete Beteiligung bei dem zweiten überfall zu seinen Gunsten ins Gewicht fällt, demgegenüber aber nach Lage des Falles weder die Vorstrafe (Vergehen der versuchten Entwendung nach § 15, 141 Abs 1 StGB) noch die Verletzung des Raubopfers Wolfgang F, der eine ärztliche Untersuchung ablehnte (vgl. S 47), bei der Strafbemessung von erheblichem Einfluß sind, dann kann mit Recht angenommen werden, daß die Milderungsgründe die Erschwerungsgründe ihrer Bedeutung nach beträchtlich überwiegen. Da der Angeklagte weiters in Anbetracht seines Alters noch grundsätzlich resozialisierungsfähig und seine Zukunftsprognose daher günstig ist, erachtet der Oberste Gerichtshof die Voraussetzungen für die Anwendung des § 41 StGB als gegeben.
In Abwägung der tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld des Angeklagten war die Strafe auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß zu reduzieren.
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