OGH 13Os36/84

OGH13Os36/845.4.1984

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandstätter als Schriftführers in der Strafsache gegen Necdet A und ünal B wegen des Verbrechens der Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerden beider Angeklagten und die Berufungen der beiden Angeklagten und der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Kreisgerichts Korneuburg als Schöffengerichts vom 9.November 1983, GZ. 11 a Vr 388/83-70, den Beschluß

gefaßt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden zurückgewiesen.

Zur Entscheidung über die Berufungen beider Angeklagter und der Staatsanwaltschaft werden die Akten dem Oberlandesgericht Wien zugeleitet.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden die türkischen Gastarbeiter Necdet A, geboren 1.Dezember 1958, und ünal B, geboren 10.März 1941, des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1

StGB., ünal B als Gehilfe nach § 12 StGB., schuldig erkannt. Darnach hat Necdet A dem (ihm als langjährigen Arbeitskollegen bekannten, mit ihm aber verfeindeten) Nizamettin C durch Versetzen eines wuchtigen Schlags gegen den Kopf mit einem 1,3 m langen halbzölligen Metallrohr absichtlich eine schwere Körperverletzung (Eindrückungsbruch des Schädeldachs, eine 13 cm lange Rißquetschwunde im Bereich des linken Scheitels sowie einen Bluterguß über dem Scheitelbein) zugefügt (1) und ünal B zur Ausführung dieser Tat dadurch beigetragen, daß er Necdet A mit seinem Personenkraftwagen in Kenntnis von dessen Absicht an den Tatort beförderte (2).

Diesen Schuldspruch bekämpfen beide Angeklagten mit einer jeweils auf Par 281 Abs. 1 Z. 5 und 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, ünal B macht darüber hinaus auch den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z. 3 StPO.

geltend.

Beschwerde des Necdet A:

Mit der Mängelrüge wird der Versuch unternommen, aus der isolierten Zitierung einerseits der Feststellungen über den Standort des Täters rechts vor dem sich mit einem Rad annähernden Opfer und anderseits der sich aus der Lage der Verletzung ergebenden Schlagführung von vorne einen inneren Widerspruch der Urteilsbegründung zu konstruieren. Das muß aber - abgesehen davon, daß Necdet A niemals bestritten hat, dem ihm verhaßten C diese Verletzung mit dem Eisenrohr zugefügt zu haben - schon daran scheitern, daß einige Zeilen weiter dezidiert festgestellt wird, daß A den Schlag mit großer Wucht ausgeführt und den Kopf des C von vorne getroffen hat (S. 412).

Rechtliche Beurteilung

Aber auch die einen Schuldspruch (nur) nach §§ (83 Abs. 1) 84 StGB. reklamierende Rechtsrüge entfernt sich von den eindeutigen Urteilskonstatierungen, wonach der Beschwerdeführer das Eisenrohr, zur Vergrößerung der Schlagwirkung mit beiden Händen haltend und über seinen Kopf ausholend, gezielt auf den Kopf des Opfers schlug, weil er die Absicht hatte, C schwer zu verletzen (S. 412). Sie bringt daher diesen materiellen Nichtigkeitsgrund nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung.

Beschwerde des ünal B:

Zum Vorbringen, mangels Beeidigung des Schöffen Josef D sei in der Hauptverhandlung die unter Nichtigkeitssanktion stehende Verfahrensvorschrift des § 240 a StPO. verletzt worden (§ 281 Abs. 1 Z. 3 StPO.), genügt der Hinweis auf die zwischenzeitige Berichtigung des Hauptverhandlungsprotokolls (S. 381 in Verbindung mit ON. 87), wonach beide Schöffen ordnungsgemäß beeidet wurden. Eine unzureichende, teilweise aktenwidrige und unvollständige Begründung der Urteilsannahmen zur subjektiven Tatseite (S. 412) vermeint der Beschwerdeführer darin zu erblicken, daß das Gericht sich nicht mit allen Einzelheiten der Angaben beider Angeklagter und deren als Zeugen vernommenen Ehefrauen auseinandergesetzt habe. Diese Beweisergebnisse sprächen nämlich dagegen, daß er die Absicht hatte, C schwer zu verletzen oder ihm auch nur die Absicht AS bekannt gewesen sei; es stimme auch nicht, daß schon beim Fischen über dieses Vorhaben gesprochen wurde. Er habe nur gewußt, daß der Angeklagte A seinem Feind C einen 'Denkzettel' verabreichen und diesen 'erschrecken' wolle.

Die Tatrichter haben sich aber gerade mit diesem Teil der Verantwortung des (im Tatsächlichen geständigen) ünal B eingehend auseinandergesetzt und kamen auf Grund der von ihnen als wahrheitsgetreu beurteilten Verantwortung des - zunächst leugnenden, dann aber weitgehend geständigen Angeklagten A vor der Gendarmerie (S. 23, 27) zum Ergebnis, daß dem Beschwerdeführer schon beim Gespräch anläßlich des Fischens bewußt wurde, A werde gegen C tätlich vorgehen (S. 414). Aus dem auf Grund der Aussagen des Ehepaars A über die in der Wohnung geführten Gespräche, über die dort getroffenen Tatvorbereitungen und der sich hieraus ergebenden Kenntnis von Art und Aussehen der in Aussicht genommenen Tatwaffe abgeleiteten Wissensstand gewann das Schöffengericht die überzeugung (§ 258 Abs. 2 StPO.), daß ünal B spätestens ab diesem Zeitpunkt jedenfalls aber vor Antritt der Fahrt zum Tatort bereits genau wußte, daß A die Absicht hatte, C mit dem 1,30 m langen Eisenrohr schwer zu verletzen (S. 411, 415, 416). Diese Feststellung steht in keinem logischen Widerspruch zu der Umschreibung des kriminellen Vorhabens mit 'Erteilung eines Denkzettels', weil sich die denkmögliche Bandbreite dieses sprachlichen Ausdrucks sowohl auf die (bedingt) vorsätzliche als auch auf die absichtliche Zufügung von Verletzungen jedweden Grads erstreckt. Auf die - aus dem Vorbringen insgesamt herausleuchtende -

Meinung, daß aus diesen Einlassungen der beiden Angeklagten auch günstigere Schlüsse auf ihr Vorhaben hätten gezogen werden können, kann aber der angerufene Nichtigkeitsgrund der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO. nicht gestützt werden. Der Urteilsbegründung haftet daher kein formaler Begründungsmangel an;

die Beschwerdeausführungen stellen sich vielmehr als im schöffengerichtlichen Rechtsmittelverfahren unzulässiger Versuch dar, der von den Tatrichtern bereits als unglaubwürdig beurteilten Verantwortung des Beschwerdeführers doch noch zum Durchbruch zu verhelfen.

Geht man aber bei der Prüfung der auf § 281 Abs. 1 Z. 10 StPO. gestützten Rechtsrüge von diesen eindeutigen Feststellungen zur subjektiven Tatseite aus, gehen sämtliche rechtlichen Einwände am tatsächlichen Inhalt des Schuldspruchs vorbei, weil es sich bei dem allein festgestellten und dem Angeklagten zur Last gelegten Tatbestand des § 87 StGB. zufolge seiner besonderen Schuldform der Absicht (§ 5 Abs. 2 StGB.) um ein Delikt sui generis handelt (SSt. 47/5, EvBl. 1976/242). Es beziehen sich damit die Ausführungen zum Tatbestand nach §§ 83, 84 Abs. 1 und 2 Z. 1 StGB. auf eine dem Urteil fremde rechtliche Subsumtion und sind bereits deshalb verfehlt. Die Erörterung des Aussehens und der Wirkungsweise des verwendeten Tatwerkzeugs sind zweifelsfrei - wie bereits erwähnt - als denkrichtige Untermauerung der Konstatierung der Verletzungsabsicht anzusehen (S. 417), so daß auch diese Ausführungen in Wahrheit weder einen in diesem Strafverfahren aktuellen Subsumtionsmangel noch einen Begründungsmangel darzustellen vermögen. Ebenso verläßt der auf §§ 12, 13 StGB. gegründete Einwand, A sei über das dem Beschwerdeführer bekannte Vorhaben hinausgegangen, den Boden der zitierten Urteilskonstatierung, wonach ünal B der gesamte Tatplan bewußt war, als er seinen Freund mit dem Kraftwagen zum Tatort brachte und auch wieder abholte.

Darnach erweisen sich beide Nichtigkeitsbeschwerden zur Gänze als nicht prozeßordnungsgemäß ausgeführt und waren daher gemäß § 285 d Abs. 1 Z. 1

StPO. in Verbindung mit § 285 a Z. 2 StPO. schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zurückzuweisen.

Die überweisung der Akten zur Entscheidung über die gegen den Strafausspruch ergriffenen Berufungen beider Angeklagter und auch der Staatsanwaltschaft an das Oberlandesgericht Wien beruht darauf, daß eine die ausnahmsweise Zuständigkeit des Obersten Gerichtshofs für die Berufungserledigung (§ 296 StPO.) begründende Sachentscheidung über die Nichtigkeitsbeschwerde entfällt (siehe RiZ. 1970 S. 17, 18; 1973 S. 70 u.v.a.).

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