Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28.Mai 1958 geborene Tapezierergeselle Hubert Rudolf A des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf nach § 202 Abs 1 StGB.
schuldig erkannt und zu einer Freiheitsstrafe verurteilt. Gemäß § 21 Abs 2 StGB. wurde überdies seine Einweisung in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet. Ihm liegt zur Last, in der Nacht zum 6.August 1983 in Wien die 18-jährige Martina B mit Gewalt und durch gefährliche Drohung zum außerehelichen Beischlaf genötigt zu haben, indem er sie zunächst in einen Hauseingang drängte, dort gewaltsam festhielt, an den Brüsten und am Geschlechtsteil abtastete, mit beiden Händen würgte, bis sie kaum mehr Luft bekam und gänzlich eingeschüchtert war, mit ihr sodann einen Geschlechtsverkehr vollzog, sie weiters unter der Androhung, er werde sie erschießen, dazu zwang, mit ihm durch einige Gassen im 8. Wiener Gemeindebezirk herumzugehen, wobei er sie an den Hüften festhielt und schließlich abermals in denselben Hausflur drängte, wo er sie teilweise auszog und neuerlich einen Geschlechtsverkehr durchführte.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte Hubert Rudolf A bekämpft das Urteil mit einer auf die Z. 3, 4 und 11 des § 281 Abs 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.
Einen Verfahrensmangel (Z. 3) erblickt der Beschwerdeführer in der Verletzung der Vorschriften der §§ 429 Abs 2 Z. 1, 436 Abs 2 StPO., denen zufolge in der im Verfahren zur Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher zwingend vorgesehenen Voruntersuchung der Beschuldigte durch einen Verteidiger vertreten sein muß. Die Nichtbeachtung dieser Bestimmung steht jedoch - zum Unterschied von jener des § 439 Abs 1 StPO., welche die Anwesenheit eines Verteidigers während der ganzen Hauptverhandlung vorsieht - nicht unter ausdrücklicher Nichtigkeitssanktion, sodaß eine erst nach Abschluß der Voruntersuchung erfolgende Verteidigerbestellung (vgl. S. 3 a verso, 164) keine Nichtigkeit gemäß § 281 Abs 1 Z. 3 StPO. bewirkt.
Durch die Ablehnung seines (schriftlich gestellten und in der Hauptverhandlung wiederholten) Antrags, aus diesem Grund die Akten an den Untersuchungsrichter rückzuleiten (vgl. S. 168 ff., 188), sind auch Verteidigungsrechte des Angeklagten im Sinne der Z. 4 des § 281 Abs 1 StPO. nicht verletzt worden, konnte doch von der Beschwerde in keiner Weise dargetan werden, daß infolge Nichtbeiziehung eines Verteidigers schon während der Voruntersuchung zum Nachteil des Angeklagten bestimmte Beweiserhebungen über für die Wahrheitsfindung wesentliche Tatumstände unterblieben wären.
In Bekämpfung des Ausspruchs gemäß § 21 Abs 2 StGB. macht der Beschwerdeführer aus dem Nichtigkeitsgrund der Z. 11 des § 281 Abs 1 StPO geltend, er habe die ihm angelastete Tat nicht unter dem Einfluß einer geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad begangen;
diese sei vielmehr durch seine (mittelgradige) Alkoholisierung zur Tatzeit ausgelöst worden.
Auch die Rechtsrüge versagt.
Die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher setzt (u.a.) voraus, daß der Täter, ohne zurechnungsunfähig zu sein, unter demÖEinfluß seiner geistigen oder seelischen Abartigkeit von höherem Grad eine mit einer ein Jahr übersteigenden Freiheitsstrafe bedrohte Tat begeht, d.h. daß zwischen dem Zustand ausgeprägter psychischer Abartigkeit und der Tatbegehung eine Kausalität bestehen muß (vgl. SSt. 50/28 = LSK. 1979/222). § 21 Abs 2 StGB. verlangt jedoch nicht, daß dieser außerhalb der Variationsbreite des Normalen liegende, die Willensbildung wesentlich beeinflussende Zustand die einzige Ursache der Tatverübung ist; es genügt, wenn er die Begehung der Tat maßgeblich beeinflußt hat (vgl. LSK. 1979/135, 1979/1 = SSt. 49/52). Im vorliegenden Fall stand sohin der Annahme einer unter dem Einfluß einer höhergradigen geistigen oder seelischen Abartigkeit erfolgten Begehung des Delikts der Nötigung zum Beischlaf nicht entgegen, daß der Angeklagte, wie auf Grund des Gutachtens des gerichtspsychiatrischen Sachverständigen Dr. C festgestellt wurde, zum Tatzeitpunkt durch Alkoholeinwirkung enthemmt gewesen ist und die Tathandlung ohne die durch den vorangegangenen Alkoholgenuß eingetretene Enthemmung mit hoher Wahrheitscheinlichkeit unterblieben wäre (S. 195). Nach den Konstatierungen des Schöffengerichts liegen die Wurzeln des abweichenden Sexualverhaltens des Angeklagten in einer Persönlichkeitsstörung und erhöhten Triebstärke (vgl. S. 194, 197). Ein solcher Zustand stark verminderter Hemmfähigkeit, der sich in Sexualattentaten manifestiert, stellt aber, wie das Erstgericht - auch insoweit dem Gutachten folgend zutreffend erkannt hat, eine seelische Abartigkeit höheren Grades dar und bildete, wie der Beschwerdeführer selbst einräumen muß, eine wesentliche Komponente des Tatgeschehens. Daß dieses nicht durch die abnorme Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten allein, sondern in Verbindung mit einer beträchtlichen Alkoholisierung ausgelöst worden ist, schließt nach dem Gesagten die Anwendung des § 21 Abs 2 StGB. nicht aus.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war sohin zu verwerfen.
Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 202 Abs 1 StGB. zu drei Jahren Freiheitsstrafe; überdies wurde gemäß § 21 Abs 2 StGB. seine Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher angeordnet.
Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend die (zwei) einschlägiann Vorstrafen und den raschen Rückfall, als mildernd hingegen das Geständnis.
Mit seiner Berufung wendet sich der Angeklagte sowohl gegen das Strafmaß als auch gegen die Anordnung der Unterbringung in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher, wobei er die Herabsetzung der Strafe und die Ausschaltung des Ausspruchs über die Anstaltsunterbringung (mangels der geforderten Gefährlichkeitsprognose) begehrt.
Der Berufung kommt keine Berechtigung zu.
Ihr ist zwar einzuräumen, daß die vom Schöffengericht konstatierte seelische Abartigkeit höheren Grades des Angeklagten als Milderungsgrund (§ 34 Z. 1 StGB.) zu berücksichtigen gewesen wäre. Diesem Umstand kommt jedoch deshalb kein allzu großes Gewicht zu, weil gerade aus dieser abnormen Veranlagung die Gefährlichkeit des Angeklagten resultiert. Andererseits hätte das Erstgericht die besondere Intensität der Tathandlung (die sich über eine längere Zeitspanne erstreckte und in der wiederholten Durchführung des außerehelichen Beischlafs manifestierte) als weiteren Erschwerungsumstand werten müssen. Die Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit hinwieder kann deshalb keinen Milderungsgrund darstellen, weil ihm aus seiner bisherigen (kriminellen) Erfahrung bekannt war (vgl. S. 81, 87, 97, 133 sowie S. 59 im Vorstrafakt 2 a Vr 4230/81 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien), daß er unter dem Einfluß von Alkohol zu (sexuellen Entgleisungen und damit im Zusammenhang stehenden) strafbaren Handlungen neigt. Hinweise auf andere Strafsachen sind in diesem Zusammenhang mit Rücksicht auf die Besonderheiten jedes einzelnen Falles von vornherein nicht zielführend.
Der Berufungswerber weist zwei einschlägige Vorstrafen auf; er ist knapp drei Wochen nach Verbüßung einer über ihn (auch) wegen des Verbrechens der Nötigung zum Beischlaf verhängten achtzehnmonatigen Freiheitsstrafe abermals in massiver Weise einschlägig straffällig geworden, wobei die Verhängung einer Freiheitsstrafe bis zu siebeneinhalb Jahren möglich gewesen wäre, weil die Voraussetzungen des § 39 StGB. gegeben sind. Angesichts der Wirkungslosigkeit der vorangegangenen Abstrafungen und des Gewichts der (nunmehr korrigierten) Strafzumessungsgründe kann das vom Erstgericht festgesetzte Strafmaß jedenfalls nicht als überhöht angesehen werden.
Dem Begehren auf Strafminderung konnte daher kein Erfolg beschieden sein.
Es liegen aber auch die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung des Berufungswerbers in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs 2 StGB. vor, weil auf Grund der Ausführungen des psychiatrischen Sachverständigen konkret zu befürchten ist, daß nach der Person und dem Zustand des Angeklagten sowie nach der Art der Anlaßtat die eminente Gefahr der Begehung weiterer strafbedrohter Handlungen mit gravierenden Auswirkungen der in Rede stehenden Art naheliegt. Da bei abartigen Triebtätern die Gefahr einer Eskalation der ausgeübten Gewalttätigkeit bis zu einem Ausmaß, das schwerste körperliche Schäden beim Opfer herbeiführt, notorisch ist, hat das Erstgericht auch in diesem Belang, dem Sachverständigengutachten folgend, die Gefährlichkeitsprognose zutreffend im bejahenden Sinn beantwortet. Unzuchtsdelikte der in Rede stehenden Art, wie sie der Angeklagte auch weiterhin befürchten läßt, sind entgegen dem Berufungsvorbringen Straftaten mit schweren Folgen i.S. § 21 Abs 2
StGB., wobei diese nicht nach dem tatbildlichen Erfolg (allein), sondern nach allen konkreten Tatauswirkungen, also nach Art, Ausmaß und Wichtigkeit aller effektiven Nachteile sowohl für das Opfer als auch für die Gesellschaft zu beurteilen sind (LSK. 1977/72 = EvBl 1977/180
u. a.). Daher versagt auch dieser Einwand des Berufungswerbers. Es war sohin auch der Berufung ein Erfolg zu versagen und insgesamt wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.
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