OGH 11Os36/84

OGH11Os36/8428.3.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 28.März 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandstätter als Schriftführer in der Strafsache gegen Richard A wegen des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach dem § 209 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 21. November 1983, GZ 7 b Vr 10.735/82-51, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mühl und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur Generalanwalt Dr. Strasser zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Es wird der Nichtigkeitsbeschwerde teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der Schuldspruchfakten I 1 und 2 als Verbrechen der (vollendeten) gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach dem § 209 StGB und demgemäß im Straf- und Kostenausspruch aufgehoben und nach dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:

Richard A hat durch das zu Punkt I 1 und 2 des Schuldspruches festgestellte Verhalten das Verbrechen der teils vollendeten, teils versuchten gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach den §§ 209 und 15 StGB begangen.

Richard A wird hiefür und für das ihm nach dem unberührt gebliebenen Teil des Schuldspruches weiterhin zur Last fallende Vergehen der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht des Erziehungsberechtigten nach dem § 195 Abs. 1 und Abs. 3 StGB gemäß dem § 209 StGB unter Bedachtnahme auf den § 28 StGB (und gemäß den §§ 31, 40 StGB auf das Urteil des Jugendgerichtshofes Wien vom 23. September 1983, AZ 18 U 84/83) zu einer (Zusatz-) Freiheitsstrafe in der Dauer von 3 (drei) Jahren verurteilt.

Der Kostenausspruch wird aus dem Ersturteil übernommen. Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7.Juli 1939 geborene Richard A des Verbrechens der gleichgeschlechtlichen Unzucht mit Jugendlichen nach dem § 209 StGB (Punkt I 1 und 2 des Schuldspruches) und des Vergehens der Entziehung eines Minderjährigen aus der Macht des Erziehungsberechtigten nach dem § 195 Abs. 1 und Abs. 3 StGB (Punkt II des Schuldspruches) schuldig erkannt, weil er zu I mit Jugendlichen gleichgeschlechtliche Unzucht getrieben hatte, und zwar 1.) in der Zeit von Feber 1980 bis August 1982 mit dem am 28.August 1964

geborenen Wolfgang Gottfried B durch gegenseitige Onanie, Mundverkehr 'etc' und 2./ in der Nacht zum 2.Feber 1983 mit dem am 19. Dezember 1966 geborenen Christian C durch 'Abgreifen' seines Gliedes sowie zu II dem zu I 1 genannten Wolfgang Gottfried B, sohin einer minderjährigen Person, um sie zur Unzucht zu mißbrauchen, durch Gewährung von Unterkunft und Verschaffung einer Arbeitsstelle unter einem falschen Namen Hilfe geleistet hatte, sich vor seinen Erziehungsberechtigten verborgen zu halten.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte im Schuldspruch mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe der Z 5, 9 lit. a bzw. 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde und im Strafausspruch mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt nur teilweise Berechtigung zu. In Ansehung der Schuldsprüche I 1 und II rügt der Angeklagte den im Urteilsspruch mit 'Februar 1980 bis August 1982' umschriebenen Begehungszeitraum als ungenau (I 1) bzw. als überhaupt fehlend (II). Zudem hätte der Angeklagte hinsichtlich des Zeitraumes 1.Feber 1980 bis 7.Feber 1980

sowohl von der Anklage nach dem § 209 StGB als auch von jener nach dem Par 195 Abs. 1 und Abs. 3 StGB freigesprochen werden müssen, weil er den Urteilsfeststellungen zufolge frühestens ab dem 7.Feber 1980 Kenntnis vom Alter und von der Abhängigkeit Wolfgang BS gehabt habe. In bezug auf das im Urteil mit August 1982 angenommene Ende des Tatzeitraumes zum Delikt nach dem § 209 StGB (I 1) habe das Erstgericht sich nicht mit der Aussage des Zeugen B auseinandergesetzt, daß er schon ab etwa Weihnachten 1981 zum Angeklagten keine sexuellen Beziehungen mehr unterhalten habe. Da B am 28.August 1982

das 18. Lebensjahr vollendete, wäre für die danach gelegene Zeit sowohl bezüglich des Deliktes nach dem § 209 als auch nach dem § 195 StGB, die beide als Deliktsobjekt - wie die Beschwerde vermeint - eine jugendliche Person voraussetzten, mit Freispruch nach dem § 259 Z 3 StPO vorzugehen gewesen.

Alle diese Einwände gehen fehl.

Zunächst entspricht die Annahme des Tatzeitraumes 'Februar 1980 bis August 1982' entgegen dem - sachlich im Sinn des Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 3 StPO erhobenen - Beschwerdevorwurf dem Tatkennzeichnungsgebot (§ 260 Abs. 1 Z 1 StPO), weil solcherart die - fortgesetzte Verwirklichung des Tatbildes der gleichgeschlechtlichen Unzucht des Angeklagten mit Wolfgang Gottfried B hinlänglich und in einer die neuerliche Verfolgung des Angeklagten wegen dieser Tat ausschließenden (ne bis in idem) Weise individualisiert ist. Dies gilt auch für den Schuldspruch Punkt II wegen des Vergehens nach dem § 195 Abs. 1 und Abs. 3 StGB. Mag hier zwar die gesonderte Anführung der Deliktszeit fehlen, so ergibt sich doch aus den (mit dem Urteilsspruch eine Einheit bildenden) Gründen, daß die Zeiträume der den minderjährigen B betreffenden Begehung einerseits des Verbrechens nach dem § 209 StGB und andererseits des Vergehens nach dem § 195 Abs. 1 und Abs. 3 StGB ident sind.

Aus den Urteilsgründen (S 327, 330 d.A) geht ferner hervor, daß der Angeklagte das Alter und die Abhängigkeit BS aus seinem Elternhaus 'spätestens' bzw. 'schon zum' 7.Feber 1980 kannte. Da sohin das Erstgericht dem Angeklagten unzweifelhaft eine Verwirklichung der beiden genannten Delikte vor diesem Zeitpunkt ebensowenig anlastet wie nach dem 28.August 1982, als B sein 18. Lebensjahr vollendete, geht das entsprechende Beschwerdevorbringen ins Leere. In Ansehung des Vergehens nach dem § 195

StGB übersieht der Beschwerdeführer zudem, daß Objekt dieses Vergehens Minderjährige, d.h. solche Personen sind, die noch nicht das 19. (und nicht das 18.) Lebensjahr vollendet haben (§ 74 Z 3 StGB).

Letztlich waren die Angaben BS vor der Polizei, wonach er etwa ab der Weihnachtszeit 1981 mit dem Angeklagten keinen homosexuellen Verkehr mehr gehabt habe (S 22 d.A), schon deshalb nicht erörterungsbedürftig, weil der Zeuge in der Hauptverhandlung diese Aussagen weder ausdrücklich noch inhaltlich aufrecht erhielt, hingegen der Angeklagte sich im Sinn der (von einem Tatzeitraum bis August 1982 ausgehenden) Anklage schuldig bekannte und deponierte, daß die Beziehung zu B 'von 1980 bis August 1982' gewährt hatte (S 310 d.A).

Somit liegt keine der vom Angeklagten zu den Schuldsprüchen Punkt I 1 und II geltend gemachten Nichtigkeiten (§ 281 Abs. 1 Z 3, 5, 9 lit. a StPO) vor.

Teilweise berechtigt ist die Nichtigkeitsbeschwerde jedoch zum Schuldspruch I 2.

Vollendung des Delikts nach dem § 209 StGB setzt nämlich eine intensive, nicht bloß flüchtige Berührung von Körperteilen der Sexualsphäre voraus (Leukauf- Steininger 2 , RN 5 zu § 209 StGB; JBl. 1981, 550 u.a.). Ein solcher intensiver Körperkontakt in geschlechtlicher Beziehung war gegenständlich zufolge den erstgerichtlichen, auf den Angaben des Opfers (S 223, 319 f.d.A) beruhenden Feststellungen über ein (nach diesen Aussagen offensichtlich bloß kurzes und flüchtiges) Berühren des Geschlechtsteils Christian CS über der Unterhose (S 331 d.A) unbeschadet der im Urteilsspruch und an anderen Stellen der Urteilsgründe enthaltenen, wohl aber nur sprachlich verfehlten Urteilsausführungen über ein 'Abgreifen' des Gliedes (S 325, 329, 332 d.A), nicht gegeben. Die vom Schuldspruch I 2 erfaßte Tat stellt daher, wie die Beschwerde aus dem Nichtigkeitsgrund der Z 10 des Par 281 Abs. 1 StPO zutreffend aufzeigt, bloßen Versuch einer nach dem § 209

StGB tatbildlichen gleichgeschlechtlichen Unzucht dar. Die Beschwerde versagt aber wieder, soweit sie sachlich aus dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO Straflosigkeit des Versuches wegen freiwilligen Rücktrittes (§ 16 Abs. 1 StGB) reklamiert. Von Freiwilligkeit kann keine Rede sein, wenn der Angeklagte - keineswegs aus freien Stücken bei noch möglicher Deliktsvollendung - von weiteren gleichgeschlechtlichen Unzuchtshandlungen nur deshalb Abstand nahm, weil der ausersehene Partner sich hiezu nicht bereit fand (vgl. ähnlich bei Mayerhofer-Rieder 2 , ENr. 18, 22 zu § 16 StGB).

Sohin war über die Nichtigkeitsbeschwerde wie im Spruch zu erkennen. Bei der infolge Aufhebung des Ersturteiles (auch) im Strafausspruch erforderlichen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die einschlägigen Vorstrafen, den raschen Rückfall (innerhalb eines gegen ihn wegen einer gleichartigen Tat anhängigen Strafverfahrens), die Wiederholung der Verbrechenstat, den langen Tatzeitraum (zum Vergehensfaktum) und das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, als mildernd das Geständnis, das die Ausführung der Taten begünstigende entgegenkommende Verhalten des Wolfgang Gottfried B und den Umstand, daß die Verbrechenstat teilweise beim Versuch blieb. Wird zudem gemäß den §§ 31, 40 StGB Bedacht genommen auf das im Spruch bezeichnete Urteil des Jugendgerichtshofes Wien, mit dem über den Angeklagten wegen des § 198 Abs. 1 StGB eine viermonatige Freiheitsstrafe verhängt wurde, so erweist sich hier der Ausspruch einer dreijährigen (Zusatz-) Freiheitsstrafe als gerechtfertigt. Mit seiner durch die Strafneubemessung gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Verpflichtung des Angeklagten zum Ersatz der Verfahrenskosten erster und zweiter Instanz ergibt sich aus den §§ 389, 390 a StPO.

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