OGH 2Ob529/84

OGH2Ob529/8427.3.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei C*****-Gesellschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Theodor Strohal, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Evelyne M*****, vertreten durch Dr. Peter Stark, Rechtsanwalt in Bruck an der Mur, wegen 75.800 S sA, infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Oberlandesgerichts Wien als Berufungsgericht vom 28. Oktober 1983, GZ 13 R 206/83-29, womit das Urteil des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien vom 20. Mai 1983, GZ 34 Cg 160/81-23, aufgehoben wurde, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben, der Beschluss des Berufungsgerichts aufgehoben und in der Sache selbst erkannt:

Das Klagebegehren, die beklagte Partei sei schuldig, der klagenden Partei einen Betrag von 70.800 S samt 4 % Zinsen seit 1. 8. 1980 zu bezahlen, wird abgewiesen.

Die klagende Partei hat der beklagten Partei die mit 20.985,30 S bestimmten Kosten des Verfahrens erster Instanz (darin enthalten 1.980 S Barauslagen und 1.407,80 S Umsatzsteuer), die mit 6.936,12 S bestimmten Kosten des Berufungsverfahrens (darin enthalten 900 S Barauslagen und 447,12 S Umsatzsteuer) sowie die mit 4.153,50 S bestimmten Kosten des Rekursverfahrens (darin enthalten 1.200 S Barauslagen und 268,50 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin begehrte für die Vermittlung eines Mietvertrags über eine Villa eine Provision in der Höhe von drei Monatsmieten á 20.000 S zuzüglich 18 % Umsatzsteuer (10.800 S), somit 70.800 S, weiters eine Konventionalstrafe von 5.000 S, weil die Beklagte der Klägerin den Vertragsabschluss nicht mitteilte. Aus dem Gesamtbetrag von 75.800 S wurden 12 % Zinsen seit 1. 8. 1980 begehrt.

Die Beklagte wendete ein, weder sie noch ein von ihr namhaft gemachter Dritter habe die Villa gemietet.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab.

Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin teilweise Folge. Es bestätigte die Abweisung eines Teilbetrags von 5.000 S samt 12 % Zinsen sowie weiterer 8 % Zinsen aus 70.800 S seit 1. 8. 1980, hob die Entscheidung hinsichtlich des Begehrens von 70.800 S samt 4 % Zinsen seit 1. 8. 1980 und im Kostenpunkt aber unter Rechtskraftvorbehalt auf und verwies die Sache an das Erstgericht zurück.

Gegen diesen Beschluss richtet sich der Rekurs der Beklagten mit dem Antrag auf Abänderung im Sinne der Abweisung des Klagebegehrens; hilfsweise wird ein Aufhebungsantrag gestellt.

Die Klägerin beantragt, dem Rekurs nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Der Rekurs ist berechtigt.

Folgender wesentlicher Sachverhalt steht fest:

Die Beklagte gab Annoncen in die Zeitung, weil sie und ihr Mann eine Wohnung mit Sauna mieten wollten. Die Klägerin meldete sich und bot der Beklagten eine Villa an. Es wurde ein Besichtigungstermin am 24. 7. 1980 vereinbart, bei welchem die Beklagte von ihrem Mann und Ing. Fritz S***** begleitet wurde. Die Besichtigung wurde durchgeführt und der Mitarbeiter der Klägerin ließ von der Beklagten einen sogenannten Besichtigungsschein unterfertigen, in welchem sich die Beklagte bei Zustandekommen des Mietvertrags verpflichtete, eine Provision in der Höhe von drei Monatsmieten zu bezahlen, welche mit 20.000 S angesetzt war. Die Beklagte übernahm weiters die Verpflichtung, der Klägerin binnen drei Tagen ab Zustandekommen eines Vertrags von diesem zum verständigen. Sie übernahm auch die Verpflichtung, die Adresse vertraulich zu behandeln, widrigenfalls sie für die Provision jener Personen hafte, an die sie die Adresse weitergebe. Eine solcher Vereinbarung wurde nur zwischen der Klägerin und der Beklagten getroffen. In der Folge entschied sich die Beklagte, die Villa nicht zu mieten. Am 1. 8. 1980 schloss Ing. Fritz S***** mit dem Eigentümer der Villa einen Mietvertrag. Dass die Beklagte zur Umgehung der Provisionszahlung die Villa durch Ing. S***** mieten ließ und sich selbst den daraus entspringenden Nutzen zuwendete, ist nicht erwiesen.

In rechtlicher Hinsicht führte das Erstgericht aus, die Verpflichtung der Beklagten, bei Weitergabe der Adresse an andere Personen für die Provision zu haften, könne sich nur auf die Zukunft und nicht schon auf bei der Besichtigung anwesende Personen beziehen, weil die Vereinbarung objektiv nur so verstanden werden könne, da bei Vertragsabschluss und Besichtigung schon bekannt gewesen sei, dass neben der Beklagten auch die anderen an der Besichtigung teilnehmenden Personen die Adresse kennen. Die gegenteilige Ansicht würde dazu führen, dass aus einer größeren Gruppe von Interessenten, welche ein Objekt gleichzeitig besichtigen, derjenige für alle Provisionen hafte und für alle anderen in Anspruch genommen werden könne, der die Vereinbarung über die Folgen einer Indiskretion schließe.

Das Berufungsgericht vertrat die Ansicht, die Weitergabe oder Bekanntgabe einer Adresse könne nicht nur mündlich oder schriftlich, sondern auch dadurch erfolgen, dass man andere Personen zum Objekt mitnehme. Zeige ein Vermieter verschiedenen, voneinander unabhängigen Interessenten ein Objekt, dann könne sicher von einer Weitergabe der Adresse durch einen Interessenten an einen anderen keine Rede sein, weil ihnen allen gleichzeitig der Vermittler das Objekt bekanntgegeben habe. Wenn aber eine als Interessent gegenüber dem Vermittler auftretende Person ihr zugehörige, als Begleiter oder Berater, nicht aber als selbständige Interessenten auftretende Personen zur Besichtigung mitnehme, gebe sie und nicht der Vermittler diesen Personen durch das Mitnehmen die Adresse bekannt. Ein solcher Fall sei daher nicht anders zu beurteilen als die Weitergabe der Adresse an andere Personen nach der Besichtigung. Entscheidend für eine die Provisionspflicht auslösende Weitergabe der Adresse sei es aber, ob diese Weitergabe oder Bekanntgabe nach der diesbezüglichen vertraglichen Verpflichtung erfolgt sei, weil vorher eine solche Verpflichtung nicht bestanden habe und die Provisionspflicht nach § 9 Abs 1 Z 5 lit a Immobilienmaklerverordnung eine vertragliche Vereinbarung voraussetze. Es sei daher von ausschlaggebender Bedeutung, ob der Besichtigungsschein vor, bei oder erst nach der Besichtigung unterschrieben worden sei und wann somit die darin festgelegten Verpflichtungen übernommen worden seien. Wurde die Vereinbarung erst bei oder nach der Besichtigung, bei welcher Ing. S***** als Bekannter der Beklagten anwesend war, geschlossen, dann läge keine Weitergabe der Adresse an Ing. S***** durch die Beklagte nach Übernahme der diesbezüglichen Verpflichtung vor. Die Provisionspflicht der Beklagten wäre aber gegeben, wenn die Vereinbarung noch vor der Besichtigung geschlossen wurde, weil dann die Beklagte nach dem Eingehen der Verpflichtung Ing. S***** durch seine Mitnahme die Adresse weitergegeben habe. Sei allerdings im Zeitpunkt des Abschlusses der Vereinbarung für die klagende Partei bzw deren Vertreter die Mitnahme der beiden Begleiter durch die Beklagte zur Besichtigung schon klar gewesen, müsse eine Aufklärung der Beklagten durch die Klägerin dahin verlangt werden, dass auch dies eine Weitergabe der Adresse im Sinne der Vereinbarung darstelle und eine Provisionspflicht bei Abschluss durch einen der Begleiter auslöse, weil ohne eine solche nach den Umständen geboten gewesene Aufklärung über den Inhalt der Vereinbarung die Beklagte den Vertragstext und das Verhalten der klagenden Partei gemäß den §§ 914 und 915 ABGB nicht dahin habe verstehen können und müssen. Aus den Feststellungen des Erstgerichts sei die zeitliche Reihenfolge hinsichtlich der Bekanntgabe der Adresse und der Besichtigung des Objekts sowie des Abschlusses der Vereinbarung nicht näher zu erkennen. Daher sei eine abschließende Beurteilung der Provisionspflicht der Beklagten derzeit nicht möglich. Der Anspruch auf die Konventionalstrafe bestehe aber nicht zu Recht, weil es sich hiebei um ein unzulässiges zusätzliches Entgelt handle.

Die Rekurswerberin hält dem entgegen, der Text des Besichtigungsscheins stamme von der Klägerin, sodass sich allfällige Unklarheiten zu ihrem Nachteil auswirken müssten. Unter „Weitergabe“ sei nur ein aktives Tun zu verstehen, von dem der Partner keine Kenntnis gehabt habe. Im vorliegenden Fall könne von einer „Weitergabe“ in diesem Sinne keine Rede sein, weil die Beklagte gleichzeitig mit den beiden Begleitern bei der Klägerin erschienen sei. Habe die Klägerin es unterlassen, der Beklagten zureichende Mitteilung darüber zu machen, dass unter „Weitergabe“ auch ein passives Verhalten, nämlich die gutgläubige Mitnahme von zwei Personen als Begleiter zu verstehen sei, so habe sie standeswidrig gehandelt. Es sei sittenwidrig, wenn sie aus dem standeswidrigen Verhalten nun noch Kapital schlagen wolle. Das Gleiche gelte auch für die geforderte strenge Diskretion, die gegenüber zwei Personen, die sich in der Begleitung einer dritten Person befinden, weder zu verlangen noch einzuhalten sei, wenn die Begleiter unmittelbar am Geschehen teilhaben und ohne jeden Widerspruch der Klägerin von dieser zur Besichtigung mitgenommen würden. Eine diskrete Behandlung wäre aber auch deshalb nicht möglich gewesen, weil bereits vor dem Durchlesen des Besichtigungsscheins durch die Beklagte die handschriftlich eingesetzte Anschrift auch für die Begleitperson sichtbar gewesen sei. In diesem Fall könne unter keinen Umständen von einer Weitergabe gesprochen werden. Für das Durchlesen des Besichtigungsscheins sei eine gewisse Zeit erforderlich, insbesondere bis man zum vierten Absatz des Scheins komme, wo die „strenge Diskretion“ verlangt werde. In dieser Zeit könne die Begleitperson längst die handschriftlich eingesetzte Anschrift zur Kenntnis genommen haben. Es sei Sache des Vermittlers, sein Interesse dadurch zu schützen, dass er den Besichtigungsschein von allen jenen unterfertigen lasse, welche „besichtigen“.

Bei Beurteilung der Frage, ob der Klägerin gegen die Beklagte, die das Objekt nicht gemietet hat, ein Provisionsanspruch zusteht, ist von § 9 Abs 1 Z 5 lit a Immobilienmaklerverordnung auszugehen. Nach dieser Bestimmung darf der Immobilienmakler für den Fall, dass die Vermittlung trotz seiner zweckentsprechenden auf eine Vermittlung gerichteten Tätigkeit nicht als erfolgreich anzusehen ist, eine Provision nur dann vorsehen, wenn das im Vermittlungsauftrag bezeichnete Rechtsgeschäft mit einer anderen Person zustandekommt, weil der Auftraggeber die ihm vom Immobilienmakler mitgeteilte Möglichkeit zum Abschluss eines Rechtsgeschäfts dieser dritten Person bekanntgegeben hat. Das Wort „vorsehen“ in dieser Bestimmung bedeutet nach ständiger Rechtsprechung, dass eine Provision in einem solchen Fall nur verlangt werden darf, wenn dies ausdrücklich vereinbart wurde. Entscheidend ist daher, welche Vereinbarung die Parteien getroffen haben. Bei Auslegung der Vereinbarung ist davon auszugehen, dass sie auf einem von der Klägerin stammenden Formular geschlossen wurde, sodass gemäß § 915 ABGB eine undeutliche Äußerung zum Nachteil der Klägerin geht. Die hier maßgebende Vereinbarung hat folgenden Wortlaut: „Ich verpflichte mich, diese Adresse(n) streng diskret zu behandeln, da ich bei Weitergabe derselben an andere Personen für ihre Provision hafte.“ An der Spitze der Vereinbarung steht somit die Diskretionspflicht der Beklagten. Die im selben Satz enthaltene Haftung der Beklagten für die Provision bei Weitergabe an andere Personen erweckt den Anschein, es handle sich bei dieser Haftung um eine Folge der Verletzung der Diskretionspflicht. Dass die Haftung auch besteht, wenn ohne Verletzung dieser Pflicht die Adresse weitergegeben wird, kann der Vereinbarung nicht eindeutig entnommen werden. Daher ist gemäß § 915 ABGB davon auszugehen, dass die Beklagte nur bei einer Verletzung der Pflicht, die Adresse streng diskret zu behandeln, haftet. Von einer Verletzung dieser Pflicht kann bei einem Verhalten, mit dem die Klägerin einverstanden war, nicht gesprochen werden. Die Klägerin war aber damit einverstanden, dass die Beklagte zur Besichtigung zwei Personen mitnimmt. Daher kann ihr nicht vorgeworfen werden, ihre Pflicht zur streng diskreten Behandlung verletzt zu haben. Daraus folgt, dass die Klägerin aus der Vereinbarung einen Provisionsanspruch gegen die Beklagte nicht ableiten kann. Aus diesem Grund ist der zeitliche Ablauf der Vorgänge hinsichtlich der Bekanntgabe der Adresse, der Besichtigung des Objekts und der Unterfertigung des Besichtigungsscheins ohne Bedeutung, weshalb es der vom Berufungsgericht aufgetragenen Verfahrensergänzung nicht bedarf.

Dem Rekurs war daher Folge zu geben und gemäß § 519 Abs 2 ZPO in der Sache dahin zu erkennen, dass das Klagebegehren, soweit darüber noch nicht mit Teilurteil rechtskräftig entschieden wurde, abgewiesen wird.

Die Entscheidung über die Kosten des Verfahrens erster Instanz gründet sich auf § 41 ZPO, jene über die Kosten des Berufungs- und des Revisionsverfahrens überdies auf § 50 ZPO. Für die Berufungsverhandlung waren nur 50 % Einheitssatz zuzusprechen, weil es zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig war, dass die in Wien wohnende Beklagte einen Rechtsanwalt mit dem Sitz in Bruck an der Mur mit ihrer Vertretung betraut.

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