OGH 11Os29/84

OGH11Os29/8421.3.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. März 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Wrabetz als Schriftführers in der Strafsache gegen Kurt A wegen des Verbrechens der versuchten Schändung nach den §§ 15, 205 Abs. 1 StGB und des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Geschwornengerichtes beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 17.

Jänner 1984, GZ 20 m Vr 8.749/83-28, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Walenta, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Wilhelm Philipp und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Strasser, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der Angeklagte Kurt A auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens der versuchten Schändung nach den §§ 15, 205

Abs. 1 StGB sowie des Verbrechens des Mordes nach dem § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 2. August 1983 in Wien 1. die Monika B, die wegen ihrer Volltrunkenheit, sohin wegen einer tiefgreifenden Bewußtseinsstörung, unfähig war, die Bedeutung des Vorganges einzusehen und nach dieser Einsicht zu handeln, zum außerehelichen Beischlaf zu mißbrauchen versuchte und 2. sie durch mehrere Stiche in die Brust unter Verletzung lebenswichtiger Organe, insbesondere des Herzens, vorsätzlich tötete.

Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte mit einer auf die Z 6 und 8 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Eine Verletzung von Vorschriften über die Fragestellung (Z 6) wendet der Angeklagte mit der Behauptung ein, es wären zur Hauptfrage wegen Mordes Eventualfragen nach Totschlag (§ 76 StGB) und Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§§ 83, 86 StGB) zu stellen gewesen.

Die Rüge versagt, weil keine dieser beiden Schuldfragen indiziert war:

Die vorsätzliche Tötung eines Menschen ist durch das Tatbild des Totschlages nach dem § 76 StGB dann privilegiert, wenn sich der Täter in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung dazu hinreißen läßt, einen anderen zu töten. Die allgemeine Begreiflichkeit der Gemütsbewegung setzt eine unter Anlegung eines objektiv- normativen Maßstabes zu beurteilende Verhältnismäßigkeit zwischen Anlaß und psychischer Ausnahmesituation in dem Sinn voraus, daß sich auch ein rechtstreuer Durchschnittsmensch vorstellen kann, unter den gegebenen Umständen, auch psychologischer Natur, in eine solche heftige Gemütsbewegung zu geraten. Es muß die heftige Gemütsbewegung sittlich verständlich sein und sie darf nicht in einem psychisch-abnormen Persönlichkeitsbild des Täters, demnach nicht in seinem Charakter oder in seinen allenfalls vorhandenen verwerflichen Leidenschaften oder Neigungen liegen, sondern muß in äußeren Umständen begründet sein (vgl. zu § 76 StGB Kienapfel, BT I, RN 47 ff;

Leukauf-Steininger 2 , RN 5 ff u.a.).

Diese Kriterien für die allgemeine Begreiflichkeit der Gemütsbewegung verkennt der Beschwerdeführer, wenn er die Stellung der Eventualfrage nach § 76 StGB mit der Begründung reklamiert, daß er sich aus Zorn über das Zerschlagen der Windschutzscheibe seines PKW durch Monika B, als sie beim Abbremsen mit dem Kopf gegen das Glas stieß / Band I/S 484 d.A / ), sowie über die völlige Apathie der genannten Frau, als er sich ihr sexuell näherte, und sein hiedurch bewirktes eigenes sexuelles Unvermögen zur Tat habe hinreißen lassen.

Der Sachlage nach wurzelte die Gemütsbewegung im abnormen Charakterbild des Angeklagten, für den wegen seiner mangelnden Fähigkeit, Frustrationen zu ertragen (vgl. das Gutachten, Band I/S 494 d.A), das Mißlingen seines Vorhabens, mit einer volltrunkenen Frau geschlechtlich zu verkehren, und die vorausgegangene Beschädigung der Windschutzscheibe seines Autos bereits genügten, sein reaktions- und wehrloses Opfer durch eine Mehrzahl von Messerstichen zu töten. Zudem hat der Angeklagte noch in der Hauptverhandlung seine Gemütsbewegung zum Teil auch damit motiviert, daß er befürchtete, B würde ihn wegen der vorausgegangenen versuchten Schändung anzeigen (Band I/S 487 f d.A). Somit lagen - wie die Generalprokuratur zutreffend herausstellt - keinerlei Beweisergebnisse vor, welche auf eine allgemein begreifliche Gemütsbewegung des Angeklagten im erläuterten Sinn (zur Tatzeit) hingewiesen hätten, weshalb die relevierte Eventualfrage nach Totschlag gemäß dem § 76 StGB nicht indiziert war. Den Verfahrensergebnissen zufolge versetzte der Angeklagte seinem Opfer im Bewußtsein, daß es wehrlos sei, insgesamt zwölf Messerstiche, darunter sieben in den Brustbereich, wovon vier zur Eröffnung der Brusthöhle und zu tödlichen Verletzungen der Lunge und des Herzens führten, während von drei Bauchstichen zwei in die Bauchhöhle eindrangen und Leber, Gallenblase sowie Blinddarm verletzten (Band I/S 363 ff, 512 d.A). Sohin war eine Mehrzahl von Stichen an sich lebensbedrohend. Im Zusammenhang damit, daß der Angeklagte, der sich im Sinn der Anklage des Mordes schuldig bekannte, den ihm angelasteten Tötungsvorsatz in keinem Stadium des Verfahrens bestritten hatte (Band I/S 127, 136 f, 477, 485 ff, 513 d. A) - denn seine Behauptung, aus Zorn gehandelt zu haben, bezieht sich nur auf den Affekt, nicht aber auf den Vorsatz -, bestand daher dem weiteren, auf einen bloßen Mißhandlungsvorsatz abstellenden Beschwerdevorbringen (Z 6) zuwider auch kein Anlaß zu einer Eventualfrage wegen Körperverletzung mit tödlichem Ausgang nach den §§ 83, 86 StGB.

Gleichermaßen wie die Verfahrensrüge erweist sich schließlich die den Nichtigkeitsgrund der Z 8 des § 345 Abs. 1 StPO behauptende Rüge als nicht stichhältig, mit welcher der Beschwerdeführer eine seiner Meinung nach einer Unrichtigkeit gleichkommende Unvollständigkeit der Rechtsbelehrung geltend macht, weil die Geschwornen darin nicht über die Voraussetzungen der außerordentlichen Strafmilderung (§ 41 Abs. 1 Z 1 StGB) aufgeklärt worden seien.

Der Beschwerdeführer übersieht, daß die von ihm vermißte Erläuterung nicht zu dem vom Gesetz (§§ 316, 321 Abs. 2 StPO) geforderten Inhalt einer schriftlichen Rechtsbelehrung der Geschwornen gehört (vgl. auch Mayerhofer- Rieder, E Nr 71 zu § 345 Z 8 StPO), in der (mit Berufung bekämpfbare) Fragen der Strafbemessung grundsätzlich keiner Erörterung zuzuführen sind.

Somit war die in keiner Richtung begründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über Kurt A nach dem § 75 StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von zwanzig Jahren.

Bei der Strafbemessung wertete es das Zusammentreffen zweier Verbrechen und die besondere Brutalität im Zusammenhang mit dem Schändungsversuch als erschwerend. Als mildernd berücksichtigte es demgegenüber das Geständnis des Angeklagten, den bisher ordentlichen Lebenswandel und den Umstand, daß es in einem Faktum beim Versuch blieb.

Mit seiner Berufung strebt Kurt A eine Herabsetzung des Strafmaßes

an.

Die Berufung ist nicht begründet.

Das Erstgericht stellte die Strafzumessungsgründe im wesentlichen richtig fest und würdigte sie auch zutreffend. Der Angeklagte vermag keine weiteren Umstände darzutun, die sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen ließen. Das in erster Instanz gefundene Strafmaß erweist sich bei der gegebenen Fallgestaltung nicht als zu hoch.

Der Berufung des Angeklagten konnte daher kein Erfolg beschieden sein.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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