OGH 13Os18/84

OGH13Os18/8415.3.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.März 1984 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kießwetter, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandstätter als Schriftführers in der Strafsache gegen Leopold A wegen des Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG., teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB., und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts Klagenfurt als Schöffengerichts vom 23.August 1983, GZ. 12 Vr 1399/83-12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Brustbauer, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Philipp und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Kodek, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, welches im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch I B 3 und im Strafausspruch gemäß § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. sowie gemäß § 290 Abs. 1

StPO. auch im Schuldspruch hinsichtlich einer Teilmenge von mindestens 50

Gramm Heroin (teilweise Schuldspruch II), weiters in der rechtlichen Beurteilung zu den Schuldsprüchen I und II, ferner in den Aussprüchen über die Verhängung einer Verfallsersatz- und Ersatzfreiheitsstrafe gemäß § 12 Abs. 4

SuchtgiftG. und des Verfalls gemäß § 12 Abs. 3 SuchtgiftG., nämlich einer Balkenwaage mit den Gewichten und eines angerußten Teelöffels, aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß § 288 Abs. 2 Z. 3 StPO. in der Sache selbst erkannt:

Leopold A ist schuldig, er hat im November 1982 in Mailand unberechtigt Suchtgift, nämlich Heroin, zu erwerben gesucht.

Er hat hiedurch und durch den ihm weiterhin zur Last fallenden

Erwerb und Besitz einer Menge von mindestens 50 Gramm Cannabisharz

(insoweit aufrecht gebliebener Teil des Schuldspruchs II) das

Vergehen nach § 16 Abs. 1 Z. 2

SuchtgiftG., teilweise in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach §

15

StGB., und durch die unberührt gebliebenen Schuldsprüche I A 1 bis 3

und I B 1

und 2 sowie I C das Verbrechen wider die Volksgesundheit nach § 12

Abs. 1

SuchtgiftG., teils ebenfalls in der Entwicklungsstufe des Versuchs

nach § 15

StGB., begangen und wird hiefür und für das ihm weiterhin zur Last

fallende Verbrechen der Verleumdung nach § 297 Abs. 1 StGB. (III)

nach § 12 Abs. 1

SuchtgiftG. unter Anwendung des § 28 StGB. zu einer Freiheitsstrafe

von 16 (sechzehn) Monaten und gemäß § 12 Abs. 4

SuchtgiftG.

zu einer Verfallsersatzstrafe von 9.000 (neuntausend) Schilling,

für den Fall ihrer Uneinbringlichkeit zu einer Ersatzfreiheitsstrafe

von 3 (drei) Wochen, verurteilt.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der österreichische Staatsangehörige Leopold A wurde des teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB. gebliebenen Verbrechens wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. (I A und B), des Vergehens nach § 16 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. (II) und des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs. 1, zweiter Fall, StGB. (III) schuldig erkannt. Er hat von Juli oder August bis Mitte Oktober 1982 dreimal insgesamt 50 Gramm Heroin nach Österreich eingeführt (I A 1 bis 3);

von Juli bis November 1982 dreimal insgesamt 34 Gramm Heroin nach Österreich zu bringen versucht (I B 1 bis 3);

vom 29.September bis Mitte Oktober 1982 in Klagenfurt mindestens 7 bis 8

Gramm Heroin an teils bekannte, teils namentlich nicht festgestellte Personen überlassen (I C);

vom Sommer 1978 bis November 1982 in Wien und Klagenfurt mindestens 50

Gramm Cannabisharz und mindestens 50 Gramm Heroin erworben und besessen (II) und am 21.Dezember 1982 Heinz B vor Beamten der Bundespolizeidirektion Klagenfurt fälschlich bezichtigt, daß er ihn (den Angeklagten) im Juli oder August 1982 von Klagenfurt nach Mailand geführt, dort mit ihm von italienischen Suchtgifthändlern 10 Gramm Heroin gekauft und dieses mit ihm über Thörl-Maglern nach Österreich eingeführt hätte (III).

Der Angeklagte wurde gemäß § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. zu einer Freiheitsstrafe und zu einer Geldstrafe, ferner gemäß § 12 Abs. 4 SuchtgiftG. zu einer Verfallsersatzstrafe verurteilt. Gemäß § 12 Abs. 3

SuchtgiftG. wurden die sichergestellte Balkenwaage samt den Gewichten sowie ein angerußter Teelöffel für verfallen erklärt. Die Schuldsprüche sowie die Verfallsersatzstrafe gemäß § 12 Abs. 4 SuchtgiftG. bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 281 Abs. 1 Z. 5, Z. 9 lit. a und b, Z. 10 und (der Sache nach auch) Z. 11 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Das Fehlen (im Urteilsspruch zu I A und B) eines oder mehrerer der Tätigkeitsworte des Tatbestands des § 12 Abs. 1 SuchtgiftG., aus denen die deliktsspezifische Erfolgsverwirklichung als Wirkung hervorgeht, kann mit dem angezogenen, ausschließlich die Urteilsgründe treffenden Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO. nicht gerügt werden (LSK. 1978/342). Soweit aber der Sache nach damit der durch Verstoß gegen die Vorschrift des § 260 Abs. 1 Z. 1 StPO. verwirklichte Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z. 3

StPO. geltend gemacht wird, haftet dieser dem Urteil deshalb nicht an, weil aus den - mit dem Spruch eine Einheit bildenden - Urteilsgründen eindeutig hervorgeht, daß zu I A drei durch Einfuhr des Suchtgifts nach Österreich vollendete Straftaten, zu I B aber jene genannt sind, bei denen es in dieser Hinsicht beim Versuch geblieben war.

Entgegen den Beschwerdeausführungen ist auch in den Gründen die Verantwortung des Angeklagten berücksichtigt und festgestellt worden, daß von der insgesamt eingeführten Heroinmenge ein Teil von mindestens 7 bis 8 Gramm an Suchtgifthändler weitergegeben wurde (S. 327, 329).

Dieses (zu I C ausdrücklich genannte) Heroinquantum umfaßt sogar mehrfach die 'Grenzmenge' (LSK. 1977/149) und reicht demnach durchaus zur Herbeiführung einer Gemeingefahr nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. aus. Auch den zugehörigen Vorsatz des Angeklagten hat das Schöffengericht festgestellt (S. 329), sodaß die einen solchen negierende Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO.) nicht zur gesetzmäßigen Darstellung gelangt.

Verfehlt ist ferner die der Sache nach auf § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. gestützte Rüge des Beschwerdeführers, das Erstgericht habe im Rahmen der Ausmessung der (offenbar gemeint: nach § 12 Abs. 4 SuchtgiftG. verhängten) Geldstrafe nicht die Gestehungskosten in Anschlag gebracht. Auch diese Ausführungen sind nicht gesetzmäßig, weil die Verfallsersatzstrafe mangels einer Feststellung des Erlöses - zutreffend - nach dem Wert des nicht ergriffenen Suchtgifts bemessen wurde (S. 331). Sollte sich das Beschwerdevorbringen aber auf die nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. verhängte Geldstrafe beziehen, so stellt es die Bekämpfung einer reinen Ermessensentscheidung dar, die nur mit Berufung möglich ist.

Die von einer Anhängigkeit dieser Strafsache per 1.April 1983 ausgehende Verjährungseinrede (§ 281 Abs. 1 Z. 9 lit. b StPO.) ignoriert das im Schuldspruch II mit November 1982 festgestellte Tatzeitende, das sie statt dessen urteilsfremd mit Sommer 1981 annimmt. Dazu kommt, daß der Angeklagte nach den Urteilsfeststellungen von 1978 bis August 1982 von unbekannten Händlern in Wien in mehreren Zugriffen mindestens 50 Gramm Cannabisharz, das er teilweise selbst, teilweise mit Heinz B verrauchte, erwarb (S. 326), eine Konstatierung, die in den polizeilichen Angaben des Beschwerdeführers (S. 71), auf die er sich in der Hauptverhandlung - lediglich die Menge des erworbenen Suchtgifts korrigierend - ersichtlich bezog (S. 314), wonach der Besitz (Verbrauch) des Suchtgifts bis August 1982 währte, ihre Deckung findet.

Letztlich irrt der Beschwerdeführer, wenn er (zu III) meint, daß die falsche Bezichtigung wegen einer (zusätzlichen) Tat eine Person dann nicht mehr treffen könne, wenn diese wegen einer gleichartigen Tat bereits in Untersuchung steht. Droht doch in diesem Fall eine (zusätzliche) behördliche Verfolgung wegen der neuen Straftat (vgl. auch LSK. 1976/181), dies auch ungeachtet dessen, daß die hier gegen den Verleumdeten tatsächlich eingeleitete behördliche Verfolgung nur 'kurzfristig ausgedehnt' wurde, bis der Angeklagte nach Gegenüberstellung mit dem Verleumdeten seine falschen Anschuldigungen fallen ließ.

Insoweit war daher die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen. Richtig ist allerdings der Beschwerdeeinwand, daß zu I B 3 kein strafbarer Versuch des Verbrechens nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. vorliegt. Denn selbst unter der Annahme der - von der Generalprokuratur bezweifelten, demgegenüber vom Beschwerdeführer jedoch in keinem der drei Versuchsfakten (I B 1 bis 3) bekämpften und vorliegend auch nach seinen Plänen und nach Lage des Falls nicht in Frage zu stellenden - Ausführungsnähe der Handlungen, konnte doch (zu I B 3 allein) unter keinen Umständen (§ 15 Abs. 3 StGB.) durch eine Einfuhr von Kakaopulver (das der beim Ankauf getäuschte Beschwerdeführer ursprünglich für Heroin gehalten hatte) schon mit Rücksicht auf die mangelnde Eignung des Begehungsmittels für auch nur einen einzigen Menschen, geschweige denn für mindestens 30 Personen, eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit entstehen (RZ. 1975 Nr. 13). Allerdings begründet die Kontaktsuche des Beschwerdeführers zu Händlern zwecks Drogenbeschaffung als solche schon dessen Strafbarkeit (§ 65 Abs. 1 Z. 1 StGB.) wegen versuchten unberechtigten Erwerbs von Suchtgift (§ 16 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG., § 15 StGB.; JBl. 1983

S. 103). Demgemäß hatte daher der Schuldspruch zu erfolgen. Darüber hinaus ist aber das angefochtene Urteil mit weiteren, vom Beschwerdeführer nicht geltend gemachten, wohl aber von Amts wegen wahrzunehmenden (§ 290 Abs. 1 StPO.) und von der Generalprokuratur auch zutreffend aufgezeigten Nichtigkeitsgründen behaftet:

1. Unter Mißachtung der Subsidiaritätsklausel des § 16 Abs. 2 SuchtgiftG. wurden nämlich die bereits von der strengeren Norm des § 12

SuchtgiftG. (I A) erfaßten 50 Gramm Heroin abermals zum Gegenstand des Schuldspruchs nach § 16 SuchtgiftG. (teilweise II) gemacht, der daher aus dem Urteil zu eliminieren war.

2. Ferner war die Verhängung einer Verfallsersatzstrafe nach § 12 Abs. 4

SuchtgiftG. für das bloß vom Vergehen des § 16 SuchtgiftG. betroffene Haschisch verfehlt. Demgemäß waren, ausgehend von dem vom Erstgericht zugrundegelegten Mindestwert des Heroins von 900 S pro Gramm und unter Abzug der (lt. Erhebung durch den Obersten Gerichtshof) den Mittätern (C und B) bereits (rechtskräftig) auferlegten Verfallsersatzstrafen (für insgesamt 40 Gramm Heroin), die für den Beschwerdeführer verbleibende Verfallsersatzstrafe und die zugehörige Ersatzfreiheitsstrafe für die restliche Menge von 10 Gramm Heroin nach Aufhebung der auf § 12 Abs. 4

SuchtgiftG. beruhenden Strafaussprüche neu mit 9.000 S bzw. mit drei Wochen festzusetzen.

3. Letztlich war auch der Verfallsausspruch der nur dem Genuß von Suchtmitteln dienenden Gegenstände (Balkenwaage samt den Gewichten, Teelöffel) verfehlt (LSK. 1977/5, 1978/227 u.a.) und damit aufzuheben.

Sonach waren aber auch die auf § 12 Abs. 1 SuchtgiftG. beruhende Geldund Freiheits- sowie Ersatzfreiheitsstrafen, denen die Grundlage entzogen ist, zu kassieren.

Nach Aufhebung auch des Ausspruchs über die rechtliche Beurteilung zu den Schuldsprüchen I A 1 bis 3, I B 1 bis 3, I C und II war das den Schuldsprüchen I A 1 bis 3, I B 1 und 2, I C unterfallende Verhalten rechtlich als Verbrechen wider die Volksgesundheit nach § 12 Abs. 1 SuchtgiftG., teils in der Entwicklungsstufe des Versuchs nach § 15 StGB., das zu II als Vergehen nach § 16 Abs. 1 Z. 2 SuchtgiftG. zu beurteilen. Bei der in diesem Umfang und für das Verbrechen der Verleumdung (III) erforderlichen Neubemessung der nach Par 12 Abs. 1 SuchtgiftG., § 28 StGB. zu verhängenden Strafe waren erschwerend die Begehung mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art und die Vorverurteilung nach § 88 StGB., weil diese gleichfalls gegen dasselbe Rechtsgut der körperlichen Unversehrtheit gerichtet war, mildernd hingegen das Geständnis und, daß es teilweise beim Versuch geblieben war. Eine Freiheitsstrafe von sechzehn Monaten entspricht der tatbezogenen Schuld des Angeklagten. Die zusätzliche Verhängung einer Geldstrafe nach Par 12 Abs. 1 SuchtgiftG. erschien vorliegend nicht geboten. Allerdings fehlt es angesichts des geplanten Vorgehens und der geradezu professionellen Manier des Angeklagten bei der Beschaffung der Drogen auch im Ausland an besonderen Gründen (§ 43 Abs. 2 StGB.), welche ohne Strafvollstreckung eine hinreichende Gewähr für künftiges Wohlverhalten böten. Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die Neubemessung der Strafe zu verweisen.

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