OGH 13Os25/84

OGH13Os25/8415.3.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 15.März 1984 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kießwetter, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Brandstätter als Schriftführers in der Strafsache gegen Helmut A wegen des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Erpressung nach §§ 144 Abs 1 und 15 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die von dem Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichts St. Pölten als Schöffengerichts vom 26.Juli 1983, GZ 15

Vr 629/82-45, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des (insbesondere auch eine Verlesung der Rechtsmittelausführungen umfassenden) Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Felzmann, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 8.April 1946 geborene Helmut A des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (I), des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4 StGB (II), des Vergehens des Betrugs nach § 146 StGB (III), des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Erpressung nach §§ 144 Abs 1 und 15 StGB (IV) und des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 (§§ 107 Abs 1; 314; 99 Abs 1) StGB (V) schuldig erkannt.

Darnach hat er am 13.April 1982 in Amstetten Helmut B durch Abgabe eines Schusses aus einem Tränengasrevolver in das Gericht aus einer Entfernung von cirka einem Meter, was eine Rötung der Augenbindehäute und Hautdefekte auf der rechten Gesichtshälfte zur Folge hatte, vorsätzlich am Körper verletzt (I); zwischen 25. und 27. Juni (in der Urteilsbegründung irrtümlich Juli) 1982 in Niederösterreich und in der Steiermark dem Laszlo C 20.000 S gestohlen (II); am 3.Juli 1982 in Gratkorn mit Bereicherungsvorsatz Emilie D durch das Versprechen, binnen drei Tagen Rückzahlung zu leisten, getäuscht und zur Auszahlung eines Darlehens von 1.500 S verleitet (III); in Amstetten mit Bereicherungsvorsatz Georg E durch die gefährliche Drohung, von seiner homosexuellen Veranlagung und seiner Beziehung zu seinem minderjährigen Sohn zu wissen und deshalb Anzeige zu erstatten, wenn er ihm nicht Bargeld übergebe, zu einer vermögensschädigenden Handlung, nämlich am 4.Februar 1983 zur übergabe eines Betrags von 10.000 S genötigt (IV 1) und am 10. Februar 1983 zur übergabe eines Betrags von 5.000 S zu nötigen versucht (IV 2) sowie sich schließlich am 1.März 1983 in Steyr fahrlässig durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt und im Rausch Ferdinand F durch Vorhalten einer Gaspistole und die öußerung: 'Ich hau dich in die Steyr hinunter' zumindest mit einer Verletzung am Körper gefährlich bedroht (V 1), dadurch, daß er sich gegenüber Ferdinand F als Polizist ausgab, sich die Ausübung eines öffentlichen Amts angemaßt (V 2) und Ferdinand F durch Vorhalten einer Gaspistole mindestens 20 Minuten am Weitergehen gehindert und ihm dadurch die persönliche Freiheit entzogen (V 3), mithin Handlungen begangen, die ihm außer diesem Zustand als die Vergehen der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB , der Amtsanmaßung nach § 314 StGB und der Freiheitsentziehung nach Par 99 Abs 1 StGB zugerechnet würden.

Der Angeklagte ficht diesen Schuldspruch mit einer auf die Gründe nach § 281 Abs 1 Z 4, 5 und 9 lit a StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde an.

Rechtliche Beurteilung

Eine Beeinträchtigung seiner Verteidigungsrechte im Sinn des erstgenannten Nichtigkeitsgrunds erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seines Beweisantrags auf Einholung eines gerichtspsychiatrischen Gutachtens zum Beweis dafür, daß auf Grund seelischer Störungen (neurotischer Art) zu den einzelnen Tatzeitpunkten bei ihm nur eine verminderte Zurechnungsfähigkeit bestanden habe, was bei der Strafzumessung zu berücksichtigen wäre (S. 245).

Schon diese Formulierung des Beweisantrags läßt keinen Zweifel offen, daß der Angeklagte nur einen (überdies vom Gericht zugestandenen: S. 252, 264) für die Strafzumessung bedeutsamen Umstand unter Beweis stellen wollte, somit den angezogenen Nichtigkeitsgrund gar nicht zur gesetzmäßigen Darstellung bringt (SSt 32/70).

Die erst in der Verfahrensrüge ausdrücklich zur Diskussion gestellte strafrechtliche Unzurechnungsfähigkeit des Angeklagten klang zwar in der zum Beweisantrag gegebenen 'Erläuterung' unter Hinweis auf ein zu einem Freispruch (gemeint: zur Einweisung in die Anstalt nach § 21 Abs 1 StGB ) führendes Gutachten des Sachverständigen Prim. Dr. G aus 1976 (richtig: 1975) an; das Gericht hat sich jedoch gerade zur Frage der strafrechtlichen Zurechnungsfähigkeit auf ein in der Hauptverhandlung verlesenes (S. 246) Gutachten dieses Sachverständigen aus 1980 (erliegend zu ON. 21 im Akt 15 E Vr 1576/79 des Kreisgerichts St. Pölten) gestützt, aus dessen Befund sich überdies ergibt, daß es dem Angeklagten in früheren Strafverfahren durch Simulation gravierender geistiger Störungen gelungen war, seine strafrechtliche Verfolgung hintanzuhalten (S. 157 des genannten Strafakts). Gegen die Richtigkeit dieses verlesenen Gutachtens wurde aber inhaltlich des Hauptverhandlungsprotokollcakein Einwand erhoben und der Beweisantrag auch nicht mehr konkretisiert (S. 246). Die Mängelrüge verweist zunächst zumFaktumI auf die Widersprüche zwischen der vom Zeugen Helmut B in der Hauptverhandlung bestätigten (S. 240) Verantwortung des Angeklagten, mit der Tränengaspistole aus einer Entfernung von zwei Metern auf B geschossen zu haben (S. 230), und der im Urteil festgestellten Schußdistanz von nur einem Meter und vermeint, daß bei Berücksichtigung der Alkoholisierung und des Umstands, daß der Beschwerdeführer von B provoziert worden war, eine ausreichende Begründung für die Annahme eines Verletzungsvorsatzes fehle.

Bei diesem Vorbringen übergeht der Beschwerdeführer jedoch sein in der Hauptverhandlung abgelegtes, bezüglich der Körperverletzung uneingeschränktes Geständnis (S. 230, 231), sodaß im Hinblick auf den diesbezüglich eindeutigen Anklagevorwurf (S. 135) der vom Erstgericht festgestellte Verletzungsvorsatz bereits durch dieses der d Beweiswürdigung primär zugrunde liegende (S. 257 unten) Geständnis gedeckt ist. Den geringfügigen Abweichungen in den Angaben über die Schußdistanz, die ersichtlich nur auf Schätzungen beruhen - der Zeuge B nannte in der Hauptverhandlung zwar zwei Meter, erklärte aber gleichzeitig, daß seine Angaben vor der Gendarmerie, wo er von einem Meter gesprochen hatte (S. 47 in ON. 18), aufrecht bleiben, die Zeugin H sprach sogar nur von einem halben Meter (S. 33 in ON. 18 in Verbindung mit S. 240, 246) -, kommt aber keine entscheidende Bedeutung zu. Die Entfernung wurde nämlich mit cirka einem Meter festgestellt (S. 249, 253) und der (auch) aus der geringen Schußdistanz abgeleitete Schluß auf den (vorhanden gewesenen) Verletzungsvorsatz verliert selbst bei einer zwei Meter erreichenden Entfernung nichts von seiner Denkrichtigkeit. Die mittelstarke (S. 253) Alkoholisierung des Angeklagten zur Tatzeit und (der Sache nach auch) die als Provokation deklarierte Vorgangsweise des Zeugen B hat das Erstgericht ohnedies in den Kreis seiner überlegungen einbezogen (S. 258).

Aber auch mit der zumFaktumII behaupteten Widersprüchlichkeit der Aussage des Zeugen Laszlo C bringt die Beschwerde einen formalen Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs 1 Z 5 StPO nicht zur Darstellung. Das Vorbringen des Angeklagten, dieser Zeuge hätte ihm später nicht noch 1.000 S geborgt, hätte er diesem bereits vorher einen Betrag von 20.000 S gestohlen, zielt nämlich ausschließlich darauf ab, die dem Zeugen C von den Tatrichtern ausdrücklich zuerkannte Glaubwürdigkeit (S. 258, 259) in Zweifel zu ziehen. Ebensowenig zielführend wie die Verfahrens- und Mängelrüge ist schließlich auch die Rechtsrüge (§ 281 Abs 1 Z 9 lit a StPO.) zum FaktumIII. Die unter Zitierung der einen anders gelagerten Sachverhalt betreffenden Entscheidung SSt 37/7 aufgestellte Behauptung, einem einfachen Zahlungs und Leistungsversprechen fehle selbst bei vorgefaßter Absicht, es nicht erfüllen zu wollen, die Tatbestandsmäßigkeit im Sinn des § 146 StGB , geht fehl. Denn schon die von der Beschwerde übergangenen Feststellungen, wonach der Angeklagte zwecks Täuschung über seinen Rückzahlungswillen der Emilie D vorspiegelte, Magister zu sein und den als Darlehen erbetenen Geldbetrag von 1.500 S verdoppelt innerhalb von drei Tagen zurückzuzahlen, und eine entsprechende Urkunde unterfertigte, verbieten die Qualifikation dieser Vorgangsweise als 'gewöhnliches Zahlungsversprechen'. Dazu kommt, daß derjenige, der einÖDarlehen aufnimmt, schon nach den Regeln und Gewohnheiten des redlichen Verkehrs schlüssig (stillschweigend) seine Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit behauptet und daher, wenn sie ihm tatsächlich mangeln, sehr wohl den Vertragspartner im Sinn des § 146 StGB täuscht (LSK. 1978/121).

Die teilweise nicht gesetzmäßig ausgeführte und im übrigen unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen. Das Erstgericht verurteilte den Angeklagten nach § 144 Abs 1 StGB unter Anwendung des § 28 StGB zu einer zweieinhalbjährigen Freiheitsstrafe. Es wertete als erschwerend die zahlreichen, überwiegend einschlägigen Vorstrafen, das Zusammentreffen mehrerer strafbarer Handlungen derselben und verschiedener Art und die Verleitung seines unmündigen (13-jährigen) Stiefsohns zur (unbewußten) Mithilfe bei der Erpressung (IV), als mildernd hingegen das Teilgeständnis, eine gewisse seelische Abartigkeit und den Umstand, daß es beim Faktum IV 2 beim Versuch geblieben war. Dem Berufungsbegehren auf weitgehende Herabsetzung der Freiheitsstrafe kommt keine Berechtigung zu.

Bei der Beurteilung der die Grundlage der Strafzumessung bildenden Schuld (§ 32 StGB ) fällt der bisherige, durch anhaltende (teilweise schwere), zuletzt wieder ansteigende Kriminalität gekennzeichnete Lebenswandel des Berufungswerbers ins Gewicht, zumal ihn weder die Maßnahmen der Strafgerichte (Freiheitsstrafen, Behandlung im Maßnahmenvollzug, bedingte Entlassung, Bewährungshilfe) noch die Eheschließung mit einer offensichtlich um ihn bemühten Frau dazu bringen konnten, seine Lebensweise nachhaltig zu ändern. Vor allem die strafsatzbestimmenden Erpressungen, die durch keinerlei äußeren Umstände veranlaßt wurden, sondern offensichtlich in der zu jeder Art von Vermögens- und Gewaltdelinquenz neigenden charakterlichen Grundeinstellung des Angeklagten wurzeln, werfen ein bezeichnend schlechtes Licht auf Helmut A.

Neben den vom Erstgericht ohnehin gewerteten Milderungsumständen des im wesentlichen abgelegten Geständnisses und der sich aus dem verlesenen Sachverständigengutachten ergebenden geistigen Abartigkeit kann weder die bloße Anerkennung des Schadens (LSK. 1978/276), noch die Sorgepflicht (LSK. 1975/118) als strafmildernd anerkannt werden.

Die mit der Hälfte der im § 144 Abs 1 StGB angedrohten Höchststrafe maßvoll verhängte Unrechtsfolge für die Vielzahl der sich fast durch ein Jahr hinziehenden Straftaten erscheint daher einer Ermäßigung nicht zugänglich.

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