OGH 1Ob523/84 (1Ob524/84)

OGH1Ob523/84 (1Ob524/84)14.3.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden und widerbeklagten Partei Firma E*****, vertreten durch Dr. Reinhold Glaser, Rechtsanwalt in Salzburg, wider die beklagte und widerklagende Partei Dr. Hartmut Ramsauer, Rechtsanwalt in Salzburg als Masseverwalter im Konkurs der Firma Georg F*****, wegen 332.682,37 S sA und 929.417,63 S sA, infolge Revisionen der klagenden und der beklagten Parteien gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 7. November 1983, GZ 1 R 190, 191/83-47, womit infolge Berufungen der klagenden und der beklagten Parteien das Urteil des Landesgerichts Salzburg vom 26. Juli 1983, GZ 8 Cg 430/82-40, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt und beschlossen:

 

Spruch:

1.) Der Revision der klagenden und widerbeklagten Partei wird nicht Folge gegeben.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens bleibt der Endentscheidung vorbehalten.

2.) Der Revision der beklagten und widerklagenden Partei wird Folge gegeben. Das angefochtene Urteil wird soweit die Abweisung eines Mehrbegehrens der beklagten und wiederklagenden Partei von 631.050 S sA bestätigt wurde und im Kostenpunkt aufgehoben und die Rechtssache in diesem Umfang an das Berufungsgericht zur neuerlicher Verhandlung und Entscheidung zurückverwiesen.

Die sich darauf beziehenden Kosten des Revisionsverfahrens sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Text

Entscheidungsgründe:

Aufgrund einer zwischen den Streitteilen am 3. April 1979 getroffenen Vereinbarung, hatte die beklagte und widerklagende Partei (im Folgenden kurz beklagte Partei genannt) für nach Großbritannien führende Transporte, die insbesondere von der Firma B***** AG in Auftrag gegeben worden waren, die Waren mit Lkws vom Ladeort nach Antwerpen zu bringen, die klagende und widerbeklagte Partei (im Folgenden kurz klagende Partei genannt) die Entladung, Verschiffung und Verzollung und Zustellung der Güter in Großbritannien durchzuführen. Die gegenseitige Abrechnung erfolgte kontokorrentmäßig. Der Erlös sollte im Verhältnis 1 : 1 geteilt werden. Zwischen der beklagten Partei und der Firma B***** AG war vereinbart, dass die beklagte Partei die Güter bis zum Empfänger in Großbritannien transportzuversichern habe. Ende April 1979 traten an Gütern der Firma B***** AG dadurch Schäden auf, dass die Güter zum Teil auf dem Schiff nicht richtig gestaut und zum Teil nach der Ankunft in London nicht sogleich auf Lkws verladen, sondern im Freien gelagert worden waren. Am 25. Juni 1979 kam es in Antwerpen zu einer Vereinbarung der Streitteile dahin, dass der durch Versicherungen nicht gedeckte Rest des Schadens zwischen ihnen im gleichen Verhältnis aufzuteilen ist. Bei den von der beklagten Partei geführten Verhandlungen mit den Versicherungen stellte sich heraus, dass einerseits von der klagenden Partei eine Transportversicherung nur bis London, nicht aber bis zu den Empfängern der Fracht abgeschlossen worden war und andererseits die SVS-Versicherung der beklagten Partei volle Deckung mit der Begründung ablehnte, die beklagte Partei sei in der mittels Fernschreibens an die Firma B***** AG übermittelten Auftragsbestätigung nicht von einer Transportversicherung ab Salzburg bis zum Kunden, sondern bloß von einer Versicherung ausgegangen. Mit Rechnung vom 29. Juli 1980 belastet die beklagte Partei die klagende Partei mit dem Betrag von 631.050 S, das ist unter Berücksichtigung ihr entstandener Rechtsanwaltskosten von 200.000 S die Hälfte des Betrags, den sie unter Berücksichtigung erhaltener Versicherungsleistungen der Firma B***** AG zu leisten hatte.

Die klagende Partei begehrt mit der Behauptung, sie sei zum Ersatz dieses Betrags nicht verpflichtet, den sich aus dem Kontokorrentverhältnis zu ihren Gunsten ergebenden Saldo von 332.682,37 S samt Anhang, die beklagte Partei, die auf dem Standpunkt steht, die klagende Partei habe im Innenverhältnis den gesamten Schaden von 1,262.100 S zu tragen, mit Widerklage den Zuspruch des Betrags von 929.417,63 S samt Anhang.

Zur Gültigkeit der von den Parteien am 25. Juni 1979 getroffenen Vereinbarungen führte der Oberste Gerichtshof in seiner Entscheidung vom 19. Mai 1982, 1 Ob 562, 563/82 = JBl 1983, 160, auf deren nähere Begründung verwiesen wird aus, dass bei Abschluss der Vereinbarung vom 25. Juni 1979 es mangels gegenteiliger Vereinbarung als Geschäftsgrundlage, als geschäftstypische Voraussetzung, die jeder mit einer solchen Vereinbarung verbinde, angesehen werden müsse, dass die beklagte Partei nicht nur deshalb der Firma B***** AG einen Schaden ersetzen müsse, weil sie in auftragswidriger Weise die vom Versender angeordneten Transportversicherung nicht abgeschlossen hatte. Nur wenn Lothar E*****, der die Verhandlungen für die klagende Partei führte, bei Abschluss der Vereinbarung in Antwerpen schon gewusst hätte, dass die beklagte Partei vom Versender angeordneten Transportversicherungen nicht abgeschlossen hatte und aus diesem Grund ein dem Versender zu ersetzender Schaden eintrat und demnach mit der gleichteiligen Tragung auch dieses Schadens einverstanden gewesen wäre, könnte angenommen werden, die Vereinbarung hätte auch die Teilung eines solchen Schadens gedeckt.

Die beklagte Partei brachte im zweiten Rechtsgang ergänzend vor, zwischen den Streitteilen sei vereinbart worden, dass jede verpflichte sei, eine Transportversicherung für jenen Teil der Lieferstrecke abzuschließen, für den sie den Transport übernommen gehabt habe, die beklagte Partei also für die Strecke von Salzburg nach Antwerpen, die klagende Partei von Antwerpen bis zum jeweiligen Kunden in Großbritannien. Die klagende Partei habe aber die Transportversicherung nur bis zum Hafen London, nicht aber bis zum Kunden abgeschlossen. Die Schäden seien auf dem Weg von Antwerpen in den Hafen London oder dort eingetreten. Die Transportversicherung der klagenden Partei habe aber die Schäden deshalb nicht ersetzt, weil die klagende Partei die Schäden weder rechtzeitig gemeldet habe noch die beschädigten Güter habe besichtigen lassen. Vom Versicherer habe daher nur eine Kulanzzahlung von 10.000 Pfund erreicht werden können. Ihr eigener Fehler habe nur darin bestanden, dass zwischen ihr und der Firma B***** AG die Art der Versicherung nicht genau beschrieben worden sei. Dieser Fehler habe dazu geführt, dass sie von ihrer SVS-Versicherung eine Entschädigung erhalten habe, die ihr andernfalls nicht zugestanden wäre. Da der aus den Versicherungsleistungen nicht gedeckte Schaden an Gütern der Firma B***** AG allein durch das Verschulden der klagenden Partei entstanden sei, werde nun der Ersatz des gesamten nicht durch Versicherung gedeckten Schadens gefordert.

Die klagende Partei wendete ein, die beklagte Partei selbst sei von der Firma B***** AG beauftragt gewesen, eine Transportversicherung bis zum Kunden in Großbritannien abzuschließen.

Das Erstgericht wies (dem Ergebnis nach) das Begehren der Klage ab, der Widerklage gab es mit einem Betrag von 298.367,63 sA statt, das Mehrbegehren von 631.050 S samt Anhang wies es ab. Es stellte ergänzend zum ersten Rechtsgang fest, zwischen den Streitteilen sei auch vereinbart worden, dass bei Durchführung der Transporte nach Großbritannien jeder Teil für seinen Aufgabenbereich eine Transportversicherung abzuschließen gehabt hätte. Die beklagte Partei sei ihrer gegenüber der Firma B***** AG eingegangenen Verpflichtung, eine Transportversicherung abzuschließen, dadurch nachgekommen, dass sie mit der klagenden Partei vereinbart habe, dass diese die Transportversicherung für den Transport von der Übernahme in Antwerpen bis zur Ablieferung beim Kunden in abzuschließen habe. Rechtlich beurteilte es diesen Sachverhalt dahin, die klagende Partei könne sich nicht darauf berufen, dass die beklagte Partei verpflichtet gewesen sei, eine Transportversicherung abzuschließen, weil die Schäden im Verantwortungsbereich der klagenden Partei eingetreten seien. Die beklagte Partei ihrerseits habe den Vergleich in Kenntnis des Sachverhalts abgeschlossen. Jeder Teil habe daher die Hälfte des eigetretenen Schadens zu tragen.

Das Berufungsgericht gab den von beiden Streitteilen erhobenen Berufungen nicht Folge. Es übernahm die vom Erstgericht getroffenen Feststellungen und ergänzte diese dahin, dass die beklagte Partei erst im Jahre 1980 in Erfahrung gebracht habe, die klagende Partei sei ihrer Verpflichtung, eine Transportversicherung (nicht nur bis zum Hafen London, sondern) bis zum Empfänger abzuschließen, nicht nachgekommen. In rechtlicher Beziehung ging das Berufungsgericht davon aus, die beklagte Partei habe nicht den gesamten Schaden zu tragen, weil ihrer der Firma B***** AG gegenüber eingegangenen Verpflichtung zum Abschluss einer Transportversicherung die Verpflichtung der klagenden Partei gegenübergestanden sei, für den Seetransport die Güter versichern zu lassen. Aber auch dem Standpunkt der beklagten Partei, die klagende Partei habe den Schaden allein zu tragen, könne nicht gefolgt werden. Durch die Vereinbarung vom 25. Juni 1979 sei man von einer Schadenstragung nach Verwantwortungsbereichen abgegangen. Sei die beklagte Partei trotz Schadenseintritt im Verantwortungsbereich der klagenden Partei und obwohl sie damals gewusst habe, dass eine Transportversicherung bestehen sollte, allerdings nicht, ob sie tatsächlich abgeschlossen worden sei, bereit gewesen, den Schaden zur Hälfte zu tragen, müsse dieser Grundsatz auch dann Platz greifen, wenn der Fehler nicht unmittelbar bei der Ausführung der Transportleistung, sondern durch die Wahl einer unzureichenden Versicherung entstanden sei. Schließlich habe die beklagte Partei mit dem Vergleichsabschluss vom 25. Juni 1979 das Risiko auf sich genommen, dass die Haftung schon von vornherein geteilt werde, ohne dass damals Ursachen und Berechnungskomponenten im Einzelnen bekannt gewesen seien.

Rechtliche Beurteilung

Von den von beiden Streitteilen erhobenen Revisionen ist nur die der beklagten Partei berechtigt.

Entgegen den Ausführungen der klagenden Partei wurde erst im zweiten Rechtsgang von der beklagten Partei behauptet und von den Tatsacheninstanzen aufgrund des ergänzten Verfahrens festgestellt, zwischen den Streitteilen sei vereinbart worden, dass bei Durchführung der Transporte nach Großbritannien jeder Teil für seinen Aufgabenbereich eine Transportversicherung abzuschließen gehabt hätte. Traf daher - entgegen dem Vorbringen im ersten Rechtsgang - die klagende Partei im Innenverhältnis die Verpflichtung, für den Abschluss einer Transportversicherung Sorge zu tragen, liegt gegenüber dem Aufhebungsbeschluss eine Änderung des vom Obersten Gerichtshof zu beurteilenden Sachverhalts vor. Nicht die beklagte Partei, sondern die klagende Partei unterließ es, die vom Versender angeordnete Transportversicherung bis zum Kunden in Großbritannien ordnungsgemäß abzuschließen, sodass ihr Versicherer nur bereit war, eine Kulanzzahlung zu leisten. Selbst wenn im noch zu ergänzenden Verfahren zugunsten der beklagten Partei keine Feststellung getroffen werden könnte, aus der sich der Schluss ergäbe, die Geschäftsgrundlage der Vereinbarung vom 25. Juni 1979 wäre weggefallen, ist die klagende Partei auf jeden Fall aufgrund dieser geschlossenen Vereinbarung zum Ersatz des halben der beklagten Partei entstandenen Schadens verpflichtet.

Der Revision der klagenden Partei ist der Erfolg zu versagen. Zutreffend führt aber die beklagte Partei aus, dass die im Aufhebungsbeschluss vom 19. Mai 1982 dargelegte Rechtsansicht für den Fall, dass die klagende Partei es unterließ, für ihren Aufgabenbereich den gesamten Schaden deckende Transportversicherung abzuschließen, nunmehr zugunsten der beklagten Partei ausschlagen könnte. Dazu fehlt es aber an Feststellungen darüber, von welcher Geschäftsgrundlage die Streitteile bei Abschluss der Vereinbarung vom 25. Juni 1979 ausgingen. Das Erstgericht stellte zwar fest, die Vereinbarung sei „in Kenntnis des Sachverhalts" erfolgt, stellte aber nicht fest, um welche Kenntnis - nur des eingetretenen Schadens oder auch die seiner Ursachen - es sich gehandelt hat. Es bedarf noch der Klärung von welcher denkbaren Schadensursache die Streitteile bei Abschluss der Vereinbarung vom 25. Juni 1979 ausgingen und ob sie etwa ihre Absicht dahin erklärten, nicht nur von der Grundvereinbarung, dass jeder Teil für seinen Verantwortungsbereich verantwortlich sein sollte, abzugehen, sondern auch unabhängig davon, ob einen der Vertragsteile ein Verschulden am Deckungsfall träfe, einen der Firma B***** AG zu ersetzenden Schaden zu teilen. Im Zweifel wird, zumal bereits festgestellt wurde, dass die beklagte Partei vom vereinbarungswidrigen Verhalten der klagenden Partei bei Abschluss der Vereinbarung vom 25. Juni 1979 keine Kenntnis hatte, wie der Oberste Gerichtshof bereits zur Bindung der klagenden Partei in seinem Aufhebungsbeschluss ausführte, es als Geschäftsgrundlage angesehen werden müssen, dass auch die beklagte Partei nicht einen Schaden mittragen wollte, der dadurch entstanden war, dass die klagende Partei vereinbarungswidrig für den Abschluss einer ausreichenden Transportversicherung nicht Sorge getragen hatte. An welche Schadensursache die Streitteile bzw ihre Representanten dann aber bei der Vereinbarung vom 25. Juni 1979 gedacht haben oder zumindest nach dem, wie es der andere Teil verstehen musste, gedacht haben müssen, ist ungeklärt.

Der Revision der beklagten Partei ist daher Folge zu geben. Gemäß § 510 Abs 1 ZPO ist das angefochtene Urteil in dem im Spruch angeführten Umfang zwecks Ergänzung des Verfahrens dahin, an welchen Schaden die Streitteile bei der Vereinbarung vom 25. Juni 1979 dachten und welche Bedeutung sie daher haben sollte, aufzuheben und die Rechtssache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 496 Abs 3 ZPO). Die Entscheidung über die Verfahrenskosten gründet sich auf §§ 392 Abs 2, 52 ZPO bzw § 52 ZPO.

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