OGH 7Ob528/84

OGH7Ob528/848.3.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei A***** mbH, *****, vertreten durch Dr. Heinz Ortner, Rechtsanwalt in Gmunden, wider die beklagte Partei O*****, reg Genossenschaft mbH, *****, vertreten durch Dr. Gerhard Wildmoser, Rechtsanwalt in Linz, wegen Zustimmung zur Ausfolgung eines Gerichtserlags (Revisionsstreitwert 180.527,75 S sA), infolge Revision der beklagten Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 30. November 1983, GZ 5 R 158/83‑23, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Kreisgerichts Wels vom 14. April 1983, GZ 2 Cg 415/81‑18, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00528.840.0308.000

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Beklagte ist schuldig, der Klägerin die mit 7.358,70 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin 960 S Barauslagen und 581,70 S Umsatzsteuer) binnen 14 Tagen zu ersetzen.

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin hat für Dr. Fred D***** Bauarbeiten durchgeführt, wofür die Firma Fred D***** KG (im folgenden kurz Firma genannt) die Kosten zahlten sollte. Dr. Fred D***** ist der Forderung der Klägerin gegen die genannte Firma als Bürge und Zahler beigetreten. Sowohl über das Vermögen der Firma als auch über das Vermögen des Dr. Fred D***** wurde zu Sa 9/79 und Sa 10/79 des Kreisgerichts Wels am 14. 8. 1979 das Ausgleichsverfahren eingeleitet. Im Verfahren gegen die Firma meldete die Klägerin eine Forderung von 2.517.816,06 S, im Verfahren gegen Dr. Fred D***** eine Forderung von 2.382.889,60 S an, wobei sie darauf verwies, dass sie noch nicht wisse, in welchem Umfang ihre Forderung im Ausgleich gegen die Firma befriedigt werde, weshalb sie noch nicht angeben könne, in welchem Umfang eine Haftung des Dr. D***** als Bürge und Zahler offen bleibe. In beiden Ausgleichsverfahren wurde die klägerische Forderung vorerst bestritten, weshalb die Klägerin die beiden Ausgleichsschuldner klagte. In der Tagsatzung vom 29. 2. 1980 anerkannten Dr. Fred D***** und der Ausgleichsverwalter Dr. D***** die von der Klägerin gegen Dr. Fred D***** erhobene Forderung. In der Tagsatzung vom 9. 7. 1980 wurde daher das Begehren gegen Dr. Fred D***** auf Kosten eingeschränkt. Nachdem bezüglich der Firma ein vorerst abgeschlossener bedingter Vergleich vom 25. 11. 1980 widerrufen worden war, schlossen die Klägerin und die Firma später einen außergerichtlichen Vergleich dahin, dass sich die Firma zur Abgeltung ihrer gesamten Verpflichtungen gegenüber der Klägerin zu einer Zahlung von 1.000.000 S verpflichtete. Diesen betrag hat die Firma an die Klägerin geleistet. Der außergerichtliche Vergleich betraf allerdings nicht die Forderung der Klägerin gegen Dr. Fred D*****.

In der Ausgleichstagsatzung vom 18. 3. 1980 betreffend Dr. Fred D***** wurde dessen Ausgleichsvorschlag auf Befriedigung von 40 % der nicht bevorrechneten Forderungen innerhalb eines Jahres ab Annahme des Ausgleichs angenommen. Die Zahlung eines Viertels dieser 40 % hatte innerhalb der Frist des § 50 Z 4 AO zu erfolgen, wobei hiefür auch die Vorlage einer Garantieerklärung eines österreichischen Kreditinstitutes genügen sollte.

Im Ausgleichsverfahren betreffend die Firma wurde am 18. 3. 1980 ein Ausgleich derart geschlossen, dass die nicht bevorrechteten Forderungen innerhalb von zwei Monaten ab Rechtskraft der Bestätigung des Ausgleichs mit 60 % zu befriedigen waren.

In der Folge fanden sich Interessenten für Dr. D***** gehörige Liegenschaften. Diese erbrachten die im Ausgleich des Dr. D***** genannte Bankgarantie der Beklagten für die erste Rate der nicht bevorrechteten Ausgleichsforderungen, und zwar bis zu einem Betrag von 3.000.000 S. Nach dem Willen sämtlicher Beteiligter sollte die Garantie ein Viertel der Quote bzw ein Zehntel der nicht bevorrechteten Forderungen umfassen. Dr. D***** nahm für die erste Rate der Quoten die Garantie in Anspruch. Nachdem die Beklagte die Auszahlung vorerst von der Übersendung einer genauen Aufstellung der Forderungsberechtigten und der Überprüfung dieser Liste abhängig machen wollte, zahlte sie schließlich im April 1981 auf den Hinweis Dris D*****, dass der Beklagten eine solche Überprüfung nicht zustehe, 1.350.000 S an den Ausgleichsverwalter. Da die Forderung der Klägerin bestritten worden war, hinterlegte Dr. D***** den auf die Klägerin entfallenden Teil der Garantiesumme, das sind 238.288,96 S, zu 10 Nc 704/81 des Bezirksgerichts Wels, wobei als Erlagsgegner nicht nur Dr. D*****, sondern auch die Beklagte angeführt wurde. Nachdem sich alle Beteiligten überzeugt hatten, dass der mit der Firma abgeschlossene Vergleich nicht auch Dr. D***** befreit hatte, erteilten sowohl Dr. D***** als auch der Ausgleichsverwalter ihre Zustimmung zur Ausfolgung des Erlags an die Klägerin. Lediglich die Beklagte verweigert eine solche Zustimmung, weshalb die Klägerin mit der vorliegenden Klage begehrt, die Beklagte schuldig zu erkennen, diese Zustimmung zu erteilen.

Das Erstgericht hat dem Klagebegehren rechtskräftig bis zu einem Betrag von 57.761,21 S stattgegeben, jedoch das Mehrbegehren bezüglich einer Zustimmung zur Ausfolgung weiterer 180.527,75 S abgewiesen. Es hat den Standpunkt vertreten, Dr. D***** habe nur als Bürge gehaftet, weshalb der Abschluss eines Vergleichs mit der Firma auch eine Reduktion der Forderung gegen ihn bewirkt habe. Da die Firma verpflichtet gewesen wäre, 60 % der Forderungen gegen sie zu zahlen, ergebe eine Aufwertung des Betrags von 1.000.000 S eine Gesamtforderung von 1.577.612,11 S. Infolge Zahlung der 1.000.000 S durch die Firma verbleibe eine offene Forderung von 577.612,11 S. Da die Garantie nur 10 % dieser Forderung decke, sei nur ein entsprechender Betrag zuzusprechen.

Das Berufungsgericht sprach der Klägerin die gesamte Forderung zu, wobei es darauf verwies, dass durch die Bankgarantie eine vom Deckungsverhältnis unabhängige Forderung entstehe. Die Bank könne lediglich missbräuchliche Inanspruchnahme der Garantie einwenden, wobei der Missbrauch geradezu evident sein müsse. Derartiges sei hier nicht der Fall. Da der gesamte Erlag durch die Garantie gedeckt sei und nur ein Viertel der Quote betreffe, müsse die Beklagte die Zustimmung zur Ausfolgung des Gesamterlags erteilen.

Das Berufungsgericht hat die Revision gemäß § 502 Abs 4 Z 1 ZPO für zulässig erklärt.

Die von der Beklagten gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung erhobene Revision ist nicht gerechtfertigt.

Rechtliche Beurteilung

Die Beklagte bestreitet gar nicht die Richtigkeit der Rechtsansicht des Berufungsgericht, dass die Bankgarantie auch aufrecht bleibt, wenn die Verbindlichkeit des Hauptschuldners nicht zum Entstehen kommt oder später weggefallen ist (EvBl 1976/191 ua). Mit der Bankgarantie werden dem Anspruchsberechtigten selbständige Rechte zuerkannt, die grundsätzlich vom Deckungsverhältnis unabhängig sind (SZ 50/66, EvBl 1983/3, EvBl 1982/57 ua). Die gemachte Einschränkung bezüglich eines Leistungsverweigerungsrechts der Bank wegen rechtsmissbräuchlicher Inanspruchnahme, auf die in der Revision verwiesen wird, geht auf die Lehre ( Schlegelberger in HGB 5 IV Anh zu § 365 Anm 286) zurück. Hier wird gefordert, dass die Inanspruchnahme offensichtlich ungerechtfertigt sein muss. Dies muss geradezu evident sein (SZ 50/66 und die dort zitierte Literatur, EvBl 1982/23 ua). Aufschlussreich sind in dieser Beziehung die in SZ 50/66 angeführten Beispiele eines Rechtsmissbrauchs, nämlich etwa betrügerische Inanspruchnahme der Garantie oder rechtskräftige Aberkennung der Forderung, für deren Befriedigung die Garantie beansprucht wird. Im Übrigen darf aber der Zweck der Garantie, nämlich die Sicherung unabhängig von einer Prüfung des Deckungsverhältnisses, auch nicht auf Umwegen umgangen werden (SZ 50/32, EvBl 1982/57 ua). Etwas anderes besagen auch die in der Revision zitierten Literaturstellen nicht. Ein Rückforderungsanspruch der Bank gegenüber demjenigen, dem aufgrund der Garantie geleistet wurde, wäre auch nur bei missbräuchlicher Inanspruchnahme der Garantie gegeben.

Im vorliegenden Fall kann von einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Garantie durch die Klägerin keine Rede sein. Die Klägerin hat einen rechtskräftigen Titel auf Zahlung des geforderten Betrags als erste Rate für ihre Ausgleichsforderung erlangt. Die Garantie wurde für die Begleichung der ersten Raten der nicht bevorrechteten Ausgleichsforderungen gegeben. Demnach war die Beklagte aufgrund der Garantie verpflichtet, die Beträge zur Begleichung der ersten Raten dieser Forderungen zu zahlen. Dass der Ausgleichsverwalter den auf die Klägerin entfallenden Teil dieser Zahlung vorerst wegen der noch ungeklärten Rechtslage gerichtlich hinterlegt hat, ändert an der Verpflichtung der Beklagten nichts. Durch die Aufgabe der Bestreitung der klägerischen Forderung ist die zwischen der Klägerin und Dr. D***** ursprünglich strittige Rechtslage geklärt worden, sodass die Garantiesumme auch für die Befriedigung dieser klägerischen Teilforderung, als von der Garantie umfasst, zu verwenden war. Die Klägerin hatte diese Teilforderung bereits mit dem Ablauf der für ihre Berichtigung im Ausgleich festgesetzten Frist. Spätestens mit dem Fallenlassen der Bestreitung der klägerischen Forderung durch Dr. D***** war die für die erste Rate der nicht bevorrechteten Forderungen gezahlte Garantiesumme auch für die Befriedigung der eingeklagten Forderung zu verwenden. Dem hat der Schuldner durch Zustimmung zur Ausfolgung des Erlags an die Klägerin Rechnung getragen. Der Widerspruch der Beklagten gegen die Ausfolgung widersprach der Garantie. Daran änderte auch nichts der Umstand, dass die Klägerin später im Prozess gegen den Hauptschuldner in einem Vergleich ihre Forderung gegen den Hauptschuldner reduziert hat. Dies bewirkte keine Aberkennung der rechtskräftigen Forderung der Klägerin gegen Dr. D*****, für den die Garantie abgegeben worden war. Durch die hinterlegte Summe erhält die Klägerin auch unter Berücksichtigung des ihr von der Hauptschuldnerin aufgrund des Vergleichs gezahlten Betrags nicht mehr als ihr ursprünglich zustand. Demnach ist die Inanspruchnahme der Garantie durch die Klägerin nicht offensichtlich unberechtigt und auch nicht rechtsmissbräuchlich erfolgt.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte