OGH 1Ob512/84

OGH1Ob512/8422.2.1984

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Schragel als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schubert, Dr. Gamerith, Dr. Hofmann und Dr. Schlosser als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Hilde J*****, vertreten durch Dr. Ludwig Gassner, Rechtsanwalt in Bludenz, wider die beklagte Partei Sepp W*****, vertreten durch Dr. Gert Kastner und Dr. Hermann Tscharre, Rechtsanwälte in Innsbruck, wegen 621.251,63 S sA, infolge Revision der klagenden Partei gegen das Urteil des Oberlandesgerichts Innsbruck als Berufungsgericht vom 11. November 1983, GZ 6 R 236/83-17, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Landesgerichts Innsbruck vom 12. Juli 1983, GZ 6 Cg 630/82-12, bestätigt wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die Klägerin ist schuldig, dem Beklagten die mit 15.299,25 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (davon 1.281,75 S Umsatzsteuer und 1.200 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.

Text

Entscheidungsgründe:

Die Klägerin ließ in den Jahren 1978 und 1979 in Lech das „C*****" errichten. Sie übertrug der Bauunternehmung Heinz W*****, bei der der Beklagte beschäftigt ist, die mit der Herstellung dieses Hauses verbundenen Baumeisterarbeiten. Nach Fertigstellung der Arbeiten traten im Raum unter dem Hallenbad und den anschließenden Naßräumen (Sauna, Dusche, WC) starke Feuchtigkeitsschäden auf. Die Klägerin behauptet, sie habe der Firma Heinz W***** den Auftrag zur Durchführung der Baumeisterarbeiten unter der ausdrücklichen Bedingung erteilt, dass der Beklagte persönlich die örtliche Bauleitung und Bauüberwachung (zusätzlich) übernehme. Dem Beklagten hätte es als Bauleiter und bauaufsichtsführenden Fachmann auffallen müssen, dass der mit der Durchführung der Feuchtigkeitsisolierung des Schwimmbades beauftragte Spenglermeister Erich S***** eine nach der einschlägigen Ö-NORM unzureichende Isolierung angebracht habe. Auch habe es der Beklagte als örtlicher Bauleiter unterlassen, dafür zu sorgen, dass unter den übrigen Naßräumen eine Isolierschicht angebracht werde. Die zur Sanierung der entstandenen Schäden erforderlichen Arbeiten hätten insgesamt einen Betrag von 621.251,53 S sA erfordert, dessen Ersatz die Klägerin vom Beklagten begehre. Der Beklagte beantragte Abweisung des Klagebegehrens und wendete ein, dass er bei der Durchführung der Arbeiten am Neubau der Klägerin ausschließlich als Dienstnehmer der Baufirma Heinz W***** und nie im eigenen Namen aufgetreten sei. Er habe das Ansinnen der Klägerin, die Bauleitung zu übernehme, abgelehnt und darauf hingewiesen, dass er nicht jeden Tag auf der Baustelle sein könne, wie dies eine komplizierte Bauleitung und Bauaufsicht erfordere. Er habe aber schließlich erklärt, dass die Baufirma Heinz W***** der Klägerin helfen werde, soweit sich das mit den Baumeisterarbeiten verbinden lasse und soweit es im technischen Wissen des Beklagten stehe. Auch diese zusätzlichen Hilfeleistungen habe er nur als Dienstnehmer der Bauunternehmung Heinz W***** zugesagt.

Das Erstgericht wies das Klagebegehren ab und traf folgende wesentliche Feststellungen: Nachdem die Klägerin Anbote der Firma Heinz W***** und eines weiteren Bauunternehmens für die Durchführung der Baumeisterarbeiten am „C*****" eingeholt hatte, habe sie erklärt, den Auftrag der nicht weit über dem Anbot des Konkurrenzunternehmens liegenden Firma Heinz W***** (mit der sie schon 20 Jahre zusammengearbeitet hätte) zu erteilen, wenn diese zusätzlich auch die Bauleitung übernehme. Der Beklagte habe die in Bausachen unerfahrene Klägerin darauf hingewiesen, dass er nicht immer an Ort und Stelle sei, ihr aber mit Rat und Tat zur Seite stehen werde. Beiden Teile sei klar gewesen, dass der Beklagte auch diese Tätigkeit in seiner Eigenschaft als Angestellter der Firma W***** verrichten sollte. Aus dieser Bauleitungstätigkeit seien vereinbarungsgemäß die Sanitär-, Heizungs-, Lüftungs- und Elektroinstallationsarbeiten ausgenommen worden. Aufgrund dieser Vereinbarungen habe die Klägerin der Baufirma Heinz W***** den Auftrag erteilt. Die einzelnen Professionisten seien teilweise von der Klägerin direkt und teilweise vom Beklagten im Namen der Klägerin nach Besprechung ihrer Auswahl beauftragt worden. Der Beklagte habe deren Tätigkeit so weit als möglich überwacht, da er nur jeweils am Montag, Mittwoch und Freitag jeder Woche auf der Baustelle gewesen sei. Es sei ihm nicht aufgefallen, dass der Naßraumbereich nicht isoliert worden sei. Mit Erich S***** habe der Beklagte vereinbart, aus Zeitmangel nur eine Lage des Isoliermaterials aufzubringen. Der Beklagte habe bei diesem Bauvorhaben keine Tätigkeit in Eigenverantwortlichkeit als von der Klägerin persönlich Beauftragter ausgeführt, sondern sei lediglich als Angestellter der Bauunternehmung Heinz W***** tätig geworden. Das Erstgericht war der Ansicht, dass ein Vertragsverhältnis zwischen den Streitteilen nie begründet worden sei, sodass die Klägerin den geltend gemachten Schadenersatzanspruch nicht auf die behaupteten vertraglichen Verpflichtungen des Beklagten stützen könne. Eine deliktische Haftung des Beklagten sowie eine Haftung des Beklagten gemäß § 1300 ABGB habe die Klägerin nicht behauptet. Letztere komme zwischen den Streitteilen auch nicht zum Tragen, weil der Beklagte keine „Belohnung" erhalten habe.

Das Berufungsgericht bestätigte das Ersturteil. Es übernahm die erstgerichtlichen Feststellungen als Ergebnis einer unbedenklichen Beweiswürdigung. Nach den unbedenklichen Feststellungen sei auch die Bauleitung und die Bauüberwachung durch das Bauunternehmen Heinz W***** übernommen worden. Der Beklagte sei nicht als persönlicher Beauftragter der Klägerin, sondern nur als Angestellter des beauftragten Bauunternehmens tätig geworden. Es sei daher zu prüfen, ob und inwieweit der Beklagte als Erfüllungsgehilfe des Vertragspartners des Gläubigers von diesem unmittelbar zur Haftung herangezogen werden könne. Die Haftung des Geschäftsherrn nach den §§ 1313a und 1315 ABGB für die vom Gehilfen verursachten Schäden schließe zwar eine eigene Haftung des Gehilfen gegenüber dem Geschädigten nicht aus. In den Fällen des § 1313a ABGB träfen jedoch die Pflichten aus dem Schuldverhältnis nur den Geschäftsherrn. Den Gehilfen träfen Pflichten aus diesem Verhältnis nicht. Die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens könne daher nicht aus der rechtlichen Sonderverhinderung zwischen Schuldner und Gläubiger abgeleitet werden. Der Erfüllungsgehilfe hafte dem Gläubiger nur dann, wenn sein Verhalten unabhängig von den Pflichten aus dem Schuldverhältnis rechtswidrig sei, wenn er also gegenüber dem Gläubiger deliktisch handle. Eine solche deliktische Haftung habe die Klägerin nicht geltend gemacht.

Rechtliche Beurteilung

Die gegen das Urteil des Berufungsgerichts wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung und Mangelhaftigkeit des Verfahrens erhobene Revision der Klägerin ist nicht berechtigt.

Soweit die Klägerin die Haftung des Beklagten damit zu begründen versucht, dass er von ihr persönlich beauftragt worden sei, die Bauleitung und Bauüberwachung zu übernehmen und daher entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts ihr Vertragspartner gewesen sei, weicht sie von den Feststellungen der Vorinstanzen, dass der Beklagte bei diesem Bauvorhaben keine Tätigkeit als von der Klägerin persönlich Beauftragter ausgeführt habe, sondern lediglich als Angestellter des Bauunternehmens Heinz W***** gehandelt habe, ab und führt damit die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig aus. Soweit sie aus der Aussage des Zeugen Heinz W***** andere Tatsachen abzuleiten versucht, bekämpft sie die Beweiswürdigung der Vorinstanzen, was im Revisionsverfahren unzulässig ist.

Die Klägerin bringt schließlich vor, sie habe ohnehin ein schuldhaftes (gemeint wohl: deliktisches) Verhalten des Beklagten behauptet, wonach er im Zuge der Aufgaben als Bauleiter schwerwiegende Fehler begangen habe, für die er als Sachverständiger gemäß § 1299 ABGB persönlich hafte. Mit der Bezugnahme auf seine Aufgaben als Bauleiter wirft die Klägerin dem Beklagten eine Schädigung durch Schlechterfüllung von Vertragspflichten vor und verkennt, dass der Beklagte auch bei dieser Tätigkeit nur als Erfüllungsgehilfe der Bauunternehmung auftrat. Der Erfüllungsgehilfe steht aber, wie das Berufungsgericht zutreffend erkannte, zum Gläubiger in keinem Schuldverhältnis, sodass ihn die Pflichten aus diesem Verhältnis nicht treffen. Die Rechtswidrigkeit seines Verhaltens kann nicht aus der rechtlichen Sonderverbindung zwischen Schuldner und Gläubiger abgeleitet werden. Deshalb kommt auch eine Haftung des Erfüllungsgehilfen wegen Verletzung der Pflichten aus dem Schuldverhältnis nicht in Betracht. Der Erfüllungsgehilfe haftet dem Gläubiger nur dann, wenn sein Verhalten unabhängig von der Existenz des Schuldverhältnisses rechtswidrig ist, er also gegenüber dem Gläubiger deliktisch das heißt außerhalb des Schuldverhältnisses des anderen, für den er als Erfüllungsgehilfe tätig ist, handelt (SZ 51/97 und 176; JBl 1978, 208; SZ 49/47; Koziol, Haftpflichtrecht2 II 349 f; Ehrenzweig2 II/1, 298; Wolff in Klang2 VI 89; Koziol-Welser6 I 362; Welser, Haftung für Rat, Auskunft und Gutachten, 72; ähnl. 1 Ob 722/83).

Dass der Beklagte unabhängig vom Bestand des Schuldverhältnisses (zwischen der Klägerin und der Bauunternehmung Heinz W*****) rechtswidrig in geschützte Güter der Klägerin eingegriffen habe, behauptete sie nicht. Da der Schaden durch Unterlassungen verursacht wurde, eine generelle Pflicht, Schädigungen anderer durch Tätigwerden zu verhinden, aber nicht besteht (SZ 50/100; SZ 39/170; Koziol, Haftpflichtrecht2 I 100, II 58) und auch besondere gesetzlich auferlegte Handlungspflichten des Beklagten gegenüber der Klägerin vorliegend nicht in Frage kommen, ergibt sich die Rechtswidrigkeit der Schadenszufügung nur aus der dem Beklagten als Erfüllungsgehilfen des Vertragspartner der Klägerin nicht zuzurechnenden Vertragsverletzung. Damit versagt auch der Hinweis der Revisionswerberin auf § 1299 ABGB, weil diese Norm einen (andere) haftungsbegründenden Tatbestand - sei es durch Übertretung einer Vertragspflicht oder ohne Beziehung auf einen Vertrag - voraussetzt und nur den Maßstab der Beurteilung der vom Sachverständigen anzuwendenden Sorgfalt normiert (JBl 1972, 426; SZ 35/130 ua; Koziol aaO II 182; Welser aaO 26). Da die Vorinstanzen den Sachverhalt rechtlich richtig beurteilten, liegt auch der geltend gemachte Verfahrensmangel (richtig: Feststellungsmangel) nicht vor. Der Revision ist ein Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung stützt sich auf §§ 41, 50 ZPO.

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