Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird Folge gegeben und die Freiheitsstrafe auf 16 (sechzehn) Jahre herabgesetzt.
Gemäß § 390a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 3. August 1934 geborene Hilfsarbeiter Milan A auf Grund des einstimmigen Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 5. März 1983 in Miklaushof, Gemeinde Sittersdorf, (seinen Stiefsohn) Leopold B durch vier wuchtige Hiebe mit einer Holzhacke gegen die linke Kopfseite vorsätzlich getötet. Die Geschwornen haben die im Sinne der Anklage gestellte Hauptfrage bejaht, die auf Begehung des Mordes im Zustand der vollen Berauschung (im Sinne des § 11 StGB) gerichtete Zusatzfrage verneint und demgemäß die auf Begehung des Vergehens nach § 287 (75) StGB gestellte Eventualfrage unbeantwortet gelassen.
Rechtliche Beurteilung
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf § 345 Abs. 1 Z 5 und 12 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch Berechtigung nicht zukommt.
Mit der Verfahrensrüge wird dem Schwurgerichtshof die ungerechtfertigte Abweisung des Antrages auf Beiziehung eines zweiten Sachverständigen aus dem Gebiet der Psychiatrie und Psychologie vorgeworfen, der zum Beweis des (zum Tatzeitpunkt beim Angeklagten vorgelegenen) Vollrausches dienen sollte, weil das Gutachten des Sachverständigen Dris. C bezüglich 'mehrerer Faktoren und Merkmale, die zur Feststellung der schuldausschließenden Volltrunkenheit notwendig sind', unvollständig sei (Seite 275). Die Beschwerde vermeint, daß der in der Hauptverhandlung vernommene Sachverständige Prim. Dr. C auf mehrere Beweisergebnisse, wonach der Angeklagte schon vor der Tat alkoholisiert, unmittelbar nach der Tat zeitlich und örtlich nicht orientiert war und sein Geständnis durch suggestive Fragestellung der Gendarmeriebeamten zustandekam, übergangen habe. Die Tat stehe überhaupt im Widerspruch zu seiner Persönlichkeit, zumal frühere Drohungen im Rausch nicht auf Aggressivität schließen lassen.
Dem ist entgegenzuhalten, daß der genannte Sachverständige bereits im Vorverfahren auf Grund der Ergebnisse der Gendarmerieehebungen, insbesondere aber der eigenen, die Tatereignisse im Detail schildernden Angaben des Beschwerdeführers zu dem Schluß gekommen ist, daß eine alkoholabhängige Bewußtseinsstörung, welche zum Tatzeitpunkt Unzurechnungsfähigkeit im Sinne des § 11 StGB bewirken hätte können, nicht vorlag (Seite 71); dies zu einem Zeitpunkt (17. März 1983), als der von der Gendarmerie erst gemeinsam mit der Vollanzeige am 29. März 1983 vorgelegte Befund über die Blutalkoholkonzentration (Seite 109) noch gar nicht bei den Akten war. Unter Mitberücksichtigung dieses Befundes kamen in der Folge die beiden medizinischen Sachverständigen Dr. D (ON 17) und Dr. E (ON 24) zu den übereinstimmenden Gutachten, daß der Angeklagte trotz der hohen Blutalkoholkonzentration von mindestens 2,55 %o bis höchstens 3,2 %o zum Tatzeitpunkt zurechnungsfähig war. Diese Gutachten wiederholten die Sachverständigen vor den Geschwornen in Gegenwart des Sachverständigen für Psychiatrie und Neurologie Prim. Dr. C (Seite 267, 268), der anschließend unter Berücksichtigung der Ergebnisse der Hauptverhandlung - die gegenteilige Beschwerdebehauptung ist daher aktenwidrig - und auch über Befragen durch den Verteidiger zu dem schlüssigen, widerspruchsfreien und ausführlich begründeten Resümee gelangte, daß auf GrundÖderÖVerfahrensergebnisse mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit trotz des beträchtlichen Blutalkohols Volltrunkenheit, pathologischer Rausch oder eine andere tiefgreifende Bewußtseinsstörung nach § 11 StGB auszuschließen ist (Seite 269 bis 274). Diesem Gutachten haben sich die Geschwornen unter Zugrundelegung der ihnen erteilten Rechtsbelehrung (Seite 284, 285) angeschlossen. Im Nichtigkeitsverfahren kann aber die sachliche Richtigkeit und überzeugungskraft eines dem Wahrspruch als unbedenklich zu Grunde gelegten Sachverständigengutachtens nicht mit Erfolg angezweifelt oder bestritten werden; die Schlüssigkeit des Gutachtens ist ebenso wie die Beurteilung, ob es ausreichend ist, eine Frage der nur den Geschwornen zustehenden Beweiswürdigung (EvBl 1959/128, 13 Os 114/79).
Gesetzliche Voraussetzung für die Einholung eines Gutachtens eines weiteren Sachverständigen wäre gemäß § 126 Abs. 1 StPO in Verbindung mit § 125 StPO, daß das Gutachten des vernommenen Sachverständigen dunkel oder unbestimmt ist, mit sich selbst oder den erhobenen Tatumständen im Widerspruch steht oder Schlüsse enthält, die aus den angegebenen Vordersätzen nicht folgerichtig gezogen sind, sofern die dadurch entstandenen Bedenken nicht durch eine nochmalige Vernehmung des Sachverständigen zu beseitigen waren. Diesem Erfordernis entspricht aber die eingangs zitierte Antragstellung nicht, weil - wie der Schwurgerichtshof richtig ausführt - konkrete Mängel des Gutachtens gar nicht aufgezeigt wurden, was die Abweisung des Beweisantrages zur Folge haben mußte (13 Os 153/80).
Die Rechtsrüge, die Geschwornen hätten bei entsprechender Würdigung der vorliegenden Beweisergebnisse die Zusatzfrage auf volle Berauschung bejahen müssen und nur einen Schuldspruch nach § 287
(75) StGB fällen dürfen, bringt den angezogenen Nichtigkeitsgrund (§ 345 Abs. 1 Z 12 StPO) nicht zur gesetzmäßigen Darstellung. Ein Wahrspruch, mit dem die Geschwornen das Vorliegen eines Schuldausschließungsgrundes verneint haben, kann nämlich mangels einer dem § 281 Abs. 1 Z 9 lit b StPO analogen Bestimmung für das geschwornengerichtliche Verfahren aus einem materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund nicht angefochten werden (SSt 42/34, 9 Os 147/ 83). Dieses die subjektive Tatseite betreffende Tatbestandsmerkmal ist als essentielle Voraussetzung für die Beurteilung der Tat nach § 287 StGB allein der Entscheidung der Geschwornen anheim gestellt (§ 313, 314 Abs. 1 StPO). Der Begriff der vollen Berauschung wurde den Geschwornen in der Rechtsbelehrung zu der in diese Richtung gestellten Zusatzfrage zutreffend und hinreichend erläutert. Gegenteiliges wird nicht einmal von der Beschwerde behauptet. Die unbegründete, teilweise nicht gesetzmäßig ausgeführte Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Der Geschwornensenat verhängte über den Angeklagten nach § 75 StGB eine 18-jährige Freiheitsstrafe und wertete bei der Strafbemessung den heimtückischen Angriff auf seinen schlafenden und damit wehrlosen Stiefsohn als erschwerend, als mildernd hingegen seinen bisher unbescholtenen Lebenswandel und sein Tatsachen- und Schuldleständnis im Vorverfahren.
Dem Berufungsbegehren auf schuldangemessene Herabsetzung der Freiheitsstrafe kommt im eingeschränkten Ausmaß Berechtigung zu. Infolge des jahrelangen Alkoholmißbrauchs, der nach den Verfahrensergebnissen schon in der Vergangenheit zu häufigen verbalen, manchmal auch tätlichen familiären Auseinandersetzungen Anlaß bot, kann der alkoholbedingte, dem Berufungswerber vom Sachverständigen Dr. C zugestandene Abbau der Hemmschwellen (Seite 273) auf der Grundlage der Norm des § 35 StGB nicht als strafmildernd zugestanden werden. Das Geschwornengericht hat aber die von dem arbeitsscheuen trunksüchtigen und selbst aggressiven Mordopfer zumindest mitverschuldete sukzessive Steigerung der Aggressivität des Angeklagten keiner Würdigung unterzogen, obwohl gerade dieser erhebliche Affektstau die tatauslösende Komponente war (Gutachten Seite 69, 273).
Dieses Tatelement mildert die Schuld des Berufungswerbers doch etwas (zumal dieser an sich seinen Stiefkindern gegenüber eine positive Einstellung zeigte), vor allem wenn man es im Zusammenhalt mit dem bisherigen unbescholtenen Lebenswandel sieht. Dem Obersten Gerichtshof erscheint daher die vom Geschwornengericht nahe der Höchstgrenze der zeitlichen Freiheitsstrafe ausgemessene Unrechtsfolge doch etwas überhöht, weshalb sie wie aus dem Spruch ersichtlich gemildert wurde.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.
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