OGH 13Os2/84

OGH13Os2/842.2.1984

Der Oberste Gerichtshof hat am 2.Februar 1984 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. von der Thannen als Schriftführers in der Strafsache gegen Thomas A wegen des Verbrechens des versuchten Raubes nach § 15, 142 Abs. 1 und 2 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Jugendgerichtshofs Wien als Schöffengerichts vom 9.November 1983, GZ. 4 a Vr 1263/83-9, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Stöger, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Schöniger-Hekele zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 11.November 1967 geborene Schüler Thomas A wurde des Verbrechens des versuchten (minder schweren) Raubes nach § 15, 142 Abs. 1

und 2 StGB schuldig erkannt, weil er am 25.Juli 1983 in Wien mit Bereicherungsvorsatz sich bemüht hatte, dem neunjährigen Thomas B gewaltsam Bargeld abzunötigen. Er hat B gegen eine Wand gedrückt, ihn (unter Anwendung eines Griffes zwischen die Beine) festgehalten und die Herausgabe von Geld (10 S) gefordert (dabei griff er auch in die Hosentaschen des B und stülpte diese nach außen). Thomas A erhebt eine auf § 281 Abs. 1 Z. 5 und 9 lit. a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Soweit sich die Mängelrüge gegen den im angefochtenen Urteil als Straferschwerungsgrund angeführten Umstand wendet, daß der Beschwerdeführer bereits im strafunmündigen Alter durch Beteiligung an einem Raubversuch an einer achtzigjährigen Frau strafrechtlich in Erscheinung getreten sei (S. 39

und 42; siehe auch den Akt 9 Vr 900/81 des Jugendgerichtshofs Wien), berührt dies keine entscheidungswichtige Tatsache im Nichtigkeitsverfahren.

Strafzumessungsgründe haben nur im Rahmen der Berufung eine Bedeutung. Sonach liegt keine prozeßordnungsgemäße Ausführung des Nichtigkeitsgrunds der Z. 5

des § 281 Abs. 1 StPO vor. Die in der Beschwerde bekämpfte Urteilsfeststellung, daß der Angeklagte dem neunjährigen Thomas B auch in die Hosentaschen gegriffen und diese nach außen gestülpt hatte, konnte das Erstgericht auf die zeugenschaftlichen Angaben des Tatopfers in der Hauptverhandlung stützen (S. 31). Von einem formalen Begründungsmangel im Sinn des § 281 Abs. 1 Z. 5 StPO kann sohin auch in diesem Belang keine Rede sein.

Die Mängelrüge versagt aber auch, soweit der Beschwerdeführer die Annahme des Bereicherungsvorsatzes mit dem Argument bekämpft, es sei unberücksichtigt geblieben, daß er sich im Tatzeitpunkt im Besitze eines größeren Geldbetrags befunden habe. Abgesehen davon, daß der Beschwerdeführer nach seiner eigenen Verantwortung in der Hauptverhandlung damals nur 11 S bei sich hatte (S. 30), schließt der Umstand, daß sich der Täter im Besitz von Bargeld befand, ein Handeln mit Bereicherungsvorsatz keineswegs aus. Der Angeklagte will der Sache nach mit dem Hinweis auf den Besitz eines größeren Barbetrags zur Tatzeit nur den als erwiesen angenommenen Umstand in Frage stellen, daß sein Vorsatz auf unrechtmäßige Bereicherung gerichtet war. Damit unternimmt er aber lediglich einen unzulässigen und demnach unbeachtlichen Angriff auf die Beweiswürdigung des Schöffengerichts.

Auch die Rechtsrüge, mit welcher der Beschwerdeführer dem Erstgericht zum Vorwurf macht, sein sich angeblich nur in einer unwesentlichen Beeinträchtigung der Bewegungsfreiheit des Tatopfers erschöpfendes Verhalten rechtsirrtümlich als strafbare Gewaltanwendung im Sinn des § 142 Abs. 2

StGB beurteilt zu haben, ist nicht zielführend.

Nach den Urteilsfeststellungen bestand die vom Beschwerdeführer gegen den neunjährigen Schüler angewendete Gewalt darin, daß er diesen gegen eine Hausmauer drängte, ihn mit einem Griff zwischen die Beine festhielt, auf der Suche nach Geld in die beiden Hosentaschen BS griff, diese nach außen stülpte und erst von dem Knaben abließ, nachdem er sich überzeugt hatte, daß dieser kein Geld bei sich hatte (S. 39).

Dem Beschwerdeführer ist zwar einzuräumen, daß das Tatbestandsmerkmal der Gewalt im § 142 StGB den Einsatz einer gewissen Körperkraft zur überwindung eines geleisteten oder erwarteten Widerstands voraussetzt (SSt. 51/50). Einer besonderen Kraftanstrengung bedarf es aber hiebei nicht (Kienapfel, BT. II, RN. 26 und 29 zu § 142 StGB). Indes setzt gerade die vorliegend zur Anwendung gebrachte privilegierende Bestimmung des § 142 Abs. 2 StGB u. a.

voraus, daß der Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt verübt worden ist.

Außerdem ist bei der Prüfung, welche Intensität die eingesetzte physische Kraft aufweisen muß, um noch dem Begriff der Gewalt zu entsprechen, unter Anlegung eines objektiv-individualisierenden Maßstabs auf die persönliche Beschaffenheit des überfallenen Bedacht zu nehmen und danach zu differenzieren. Was gegenüber Kindern oder alten und gebrechlichen Personen bereits eine ins Gewicht fallende Gewaltanwendung darstellt, kann gegenüber anderen noch unterhalb der für den Gewaltbegriff maßgebenden Erheblichkeitsschwelle liegen. Gegenüber Kindern oder hilfslosen Personen genügt daher regelmäßig schon ein göringeres Maß an Gewalt, um diese als relevant zu werten (Kienapfel, BT. II, RN. 110, Leukauf-Steininger 2 , RN. 35 je zu § 142 StGB; EvBl. 1978/215; 10 Os 26/78).

So gesehen kann nicht mit Recht behauptet werden, daß das festgestellte Verhalten des Beschwerdeführers, das neben dem Andrängen an eine Hausmauer und Festhalten des B auch die Anwendung des schon beschriebenen Griffs umfaßte, die Grenze der nach § 142 Abs. 2 StGB erforderlichen Gewalt ohne Erheblichkeitsgrund nicht überschritten habe.

Das Jugendschöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 142 Abs. 2 StGB unter Anwendung des § 11 Z. 1 JGG. eine Freiheitsstrafe in der Dauer von drei Monaten, welche es unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah.

Bei der Strafbemessung werteten die Jugendrichter den Umstand, daß der Angeklagte bereits im strafunmündigen Alter strafrechtlich einschlägig in Erscheinung getreten ist, als erschwerend, hingegen das teilweise Geständnis und das Gedeihen des Verbrechens nur bis ins Versuchsstadium als mildernd.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte die Herabsetzung der Freiheitsstrafe an, welche Maßnahme, wie zutreffend vorgebracht wird, nur im Fall der Gewährung der außerordentlichen Strafmilderung nach § 41 StGB möglich wäre.

Der Berufung kommt im Ergebnis keine Berechtigung zu. Zwar weist der Rechtsmittelwerber zutreffend darauf hin, daß der Vorfall am 5.Mai 1981, welcher den Gegenstand des Aktes 9 Vr 900/81 des Jugendgerichtshofs Wien bildet, nicht als Erschwerungsumstand herangezogen werden kann, weil dieses Verfahren im Grund des § 9 JGG., also wegen Strafunmündigkeit der Täter, gemäß § 90 StPO eingestellt worden ist. Wohl aber nimmt dieser Vorfall (laut Anzeige: versuchter Gesellschaftsraub zum Nachteil einer 84 Jahre alten Frau) dem gerichtlich bisher nicht vorbestraften Angeklagten den im § 34 Z. 2 StGB vorgesehenen Milderungsumstand schon deshalb, weil ein ordentlicher Lebenswandel in der Bedeutung dieser Gesetzesstelle zu verneinen ist. Darüber hinaus steht der vom Schuldspruch erfaßte Raub nicht in auffallendem Widerspruch mit dem sonstigen Verhalten des Angeklagten.

Daß der Berufungswerber kleingewachsen ist, aus diesem Grund überaus reizbar sein und an Migräne leiden soll, vermag - dem Rechtsmittelvorbringen zuwider - keinen (allgemeinen oder besonderen) Milderungsgrund zu bilden, weil die behauptete Reizbarkeit und Neigung zu Migräne bei Verübung eines (wenn auch minder schweren) Raubes, also eines Gewaltverbrechens, nicht schuldmildernd wirken kann. Dem vom Berufungswerber hervorgehobenen Umstand, daß durch seine Tat kein Schaden entstanden ist, wurde vom Schöffengericht durch die Zuerkennung des Milderungsgrunds nach § 34 Z. 13, zweiter Fall, StGB, Rechnung getragen. Der Rechtsmittelwerber übersieht, daß der erste Fall der Z. 13 leg.cit. nur bei - hier nicht gegebener - Tatvollendung den Nichteintritt eines Schadens als mildernd statuiert.

Auch der vom Angeklagten zusätzlich reklamierte Milderungsumstand des Par 34 Z. 16 StGB ist den Urteilsannahmen zufolge nicht gegeben, weil der Angeklagte vom Vater des Tatopfers aufgehalten wurde (S. 39). Das über Aufforderung nach einiger Zeit von sich gegebene Wort 'Entschuldigung' (S. 40) kann bei dem vorliegenden Gewaltdelikt gleichfalls nicht als Milderungsumstand in der Bedeutung der § 32 oder 34 StGB angesehen werden.

Zusammenfassend ergibt sich, daß auch den vom Obersten Gerichtshof korrigierten Strafzumessungsgründen ein dem Gewicht nach beträchtliches überwiegen der Milderungsumstände gegenüber den Erschwerungsgründen nicht zu entnehmen ist. Darüber hinaus kann - wie das Jugendschöffengericht zutreffend erkannte - im Hinblick auf das Vorleben des Angeklagten und die gegenständliche Gewalttat eine günstige Prognose, wie sie § 41 StGB neben dem schon erörterten überwiegen der Milderungsgründe verlangt, nicht gestellt werden. Die Gewährung der vom Berufungswerber angestrebten außerordentlichen Strafmilderung ist daher ausgeschlossen.

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