OGH 9Os197/83

OGH9Os197/8331.1.1984

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Spies als Schriftführer in der Strafsache gegen Alexander A wegen des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten sowie die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 1. August 1983, GZ 10 Vr 374/83-34, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch des Angeklagten Alexander A wegen Verbrechens des versuchten Raubes nach § 15, 142 Abs. 2 StGB (Punkt 2 des Urteilssatzes) und wegen Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt als Beteiligter gemäß § 12, 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB (Punkt 3 des Urteilssatzes) sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden der Angeklagte und die Staatsanwaltschaft auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der nunmehr 27-jährige Alexander

A des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs. 1 StGB, des Verbrechens des versuchten Raubes nach § 15, 142 Abs. 2 StGB und des Vergehens des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt als Beteiligter nach § 12, 15, 269 Abs. 1 erster Fall StGB schuldig erkannt. Darnach hat er am 6. September 1982 in Wien 1. Günter B durch die Äußerung: 'Dich werden wir betonieren und wennst Eier hast, haun wir dir die ein' gefährlich bedroht, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen;

2. dadurch versucht, durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben einem anderen eine fremde bewegliche Sache mit dem Vorsatz abzunötigen, durch deren Zueignung sich unrechtmäßig zu bereichern, daß er Günter B gegenüber äußerte: 'Räum einmal deine Brieftasche aus, dann hauen wir dir nicht den Schädel ein';

3. den abgesondert verfolgten Wilhelm C durch die Aufforderung, sich von Inspektor Harald D loszureißen und wegzulaufen, dazu bestimmt, daß dieser versuchte, einen Beamten mit Gewalt an einer Amtshandlung, nämlich seiner Festnahme, zu hindern. Mit seiner nominell auf die Z 5, 9 lit a und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde wendet sich der Angeklagte der Sache nach nur gegen die zu den Punkten 2 und 3 des erstgerichtlichen Urteilssatzes bezeichneten Schuldsprüche.

Rechtliche Beurteilung

Was zunächst den Schuldspruch wegen Verbrechens des versuchten Raubes nach § 15, 142 Abs. 2 StGB betrifft, so stellte das Erstgericht hiezu im wesentlichen fest, daß der inkriminierten Tat wörtliche Auseinandersetzungen zwischen dem Beschwerdeführer und seinem (abgesondert verfolgten) Bekannten Wilhelm C einerseits und Günter B andererseits in zwei Lokalen des Wiener Naschmarkts vorangegangen waren, wobei der Beschwerdeführer im zweiten Lokal den B auf die zu Punkt 1 des Schuldspruchs bezeichnete Art gefährlich bedroht hatte. Nachdem B das Lokal verlassen hatte, folgte ihm der Beschwerdeführer und äußerte sodann die ihm als Begehungsmittel zum versuchten Raub angelastete Drohung, die das Schöffengericht als eine solche mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben beurteilte (S 198, 201/202), wobei es weiters davon ausging, daß diese Drohung deshalb geäußert wurde, um B dessen Brieftasche abzunötigen (S 201). Keinerlei Feststellungen traf aber das Schöffengericht darüber, ob der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auch mit Bereicherungsvorsatz gehandelt hat, wie dies der subjektive Tatbestand des Raubes (auch in der Erscheinungsform des sogenannten 'minder schweren Raubes') verlangt. Das konstatierte, auf 'Ausräumen der Brieftasche' gerichtete Begehren des Beschwerdeführers impliziert vorliegend nach Lage des Falles noch keineswegs ein Handeln mit Bereicherungsvorsatz, sondern läßt - gerade unter den gegebenen Umständen - etwa auch den Schluß zu, daß der Beschwerdeführer den Inhalt der Brieftasche (oder die Brieftasche selbst) bloß wegwerfen wollte, um einen Bosheitsakt gegen B zu setzen, zumal der Schwerpunkt des Gesamtgeschehens eindeutig auf dem Streit zwischen den Männern lag und keinerlei Nebenumstände darauf hindeuten, daß es dem Beschwerdeführer um eine Bereicherung seiner oder einer anderen Person zu tun gewesen ist, abgesehen davon, daß B selbst in der Hauptverhandlung meinte, der Angeklagte habe nicht mit Raubvorsatz, sondern eher aus Wut gehandelt (vgl S 185). Schon aus den aufgezeigten Gründen haftet dem bekämpften Schuldspruch - wie der Beschwerdeführer zutreffend aufzeigt - ein Feststellungsmangel an, der es hindert, in der Sache selbst zu erkennen. Dazu kommt, daß sich das Erstgericht nicht damit befaßte, wie es dazu kam, daß B, der wegzulaufen versuchte, nach den Urteilskonstatierungen von dem erst nachträglich aus dem Lokal gekommenen und bei der dem Beschwerdeführer angelasteten räuberischen Drohung noch nicht anwesenden Wilhelm C verfolgt, eingeholt, (ohne Raubvorhaben) bedroht und geschlagen wurde, während sich der Beschwerdeführer zu diesem Zeitpunkt, als gleichzeitig der Polizeibeamte D herankam, bereits 'in Richtung Stadtbahn' entfernte (S 198, 199), was im Widerspruch zur (weiteren) Konstatierung steht, es sei 'lediglich dem Herannahen des Polizeibeamten D zu verdanken' gewesen, daß die Raubtat des Beschwerdeführers nur beim Versuch geblieben ist (S 202). Insoweit macht die Beschwerde zutreffend auch einen Begründungsmangel in der Bedeutung der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO geltend.

Im Recht ist der Beschwerdeführer aber auch, soweit er in Ansehung des Schuldspruchs wegen versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt als Beteiligter nach § 12 (zweiter Fall), 15, 269 Abs. 1 StGB hinsichtlich der ihm angelasteten Aufforderung zur Gewaltanwendung seitens C gegen den Polizeibeamten D einen Feststellungsmangel im Sinn der Z 9 lit a des Par 281 Abs. 1 StPO geltend macht. Das Schöffengericht hat zwar festgestellt, daß der Beschwerdeführer den von D festgenommenen (und auch festgehaltenen; vgl S 190 unten) C aufgefordert hat, sich vom genannten Polizisten 'loszureißen' und 'abzuhauen', was C auch tat, worauf er jedoch vom Beamten eingeholt und neuerlich ergriffen werden konnte (S 199). Der Begriff des 'Losreißens' muß aber nicht in jedem Fall und ausnahmslos dem normativen Begriff 'Gewalt' im Sinn des § 269 Abs. 1 StGB entsprechen, welcher zwar keine besondere Kraftanstrengung voraussetzt, aber immerhin doch die Aufbietung einiger Körperkraft (vgl Leukauf- Steininger, Kommentar 2 § 269 RN 12 und die dort zit Judikatur). Ob das vom Beschwerdeführer nach den Urteilskonstatierungen initiierte 'Losreißen' nach den Vorstellungen des Beschwerdeführers dem Begriff der Gewalt im Sinn § 269 Abs. 1 StGB entsprechen sollte, ließ das Schöffengericht aber unerörtert, wiewohl Feststellungen in dieser Richtung schon im Hinblick auf die dem (in der Hauptverhandlung gegen den Beschwerdeführer verwerteten) Strafakt gegen Wilhelm C (AZ 10 E Vr 10.724/82 des Landesgerichtes für Strafsachen Wien, ON 31 des vorliegenden Strafakts) zu entnehmenden Konstatierungen (die zum Freispruch des C vom Vorwurf des versuchten Widerstands gegen die Staatsgewalt in zweiter Instanz führten) unerläßlich gewesen wären. Mithin zeigt sich, daß in Ansehung der bekämpften Schuldsprüche infolge der dem Ersturteil insoweit anhaftenden Mängel die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist und eine Entscheidung des Obersten Gerichtshofes in der Sache selbst mithin noch nicht einzutreten hat; in Stattgebung der zum Vorteil des Angeklagten ergriffenen Nichtigkeitsbeschwerde war darum gemäß § 285 e StPO schon bei der nichtöffentlichen Beratung spruchgemäß zu erkennen.

Mit ihren Berufungen waren der Angeklagte und der öffentliche Ankläger auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

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