Spruch:
Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
Der Berufung wird nicht Folge gegeben.
Dem Angeklagten fallen gemäß § 390 a StPO die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen, auf dem Wahrspruch der Geschwornen beruhenden Urteil wurde der am 31.Jänner 1944 (oder 1946; vgl. Band I, S. 81 b d. A.) geborene, zuletzt ohne Beschäftigung gewesene türkische Staatsbürger Osman A des Verbrechens des Mordes nach § 75 StGB schuldig erkannt, weil er am 27.Februar 1983 in Wien (seine Ehegattin) Anakadin A durch wiederholtes Einstechen mit einem Fixiermesser vorsätzlich getötet hat.
Die Geschwornen hatten die anklagekonform an sie gerichtete Hauptfrage 1
nach dem vorerwähnten Verbrechen stimmeneinhellig bejaht, die Eventualfragen 2
bis 4 nach dem Verbrechen des Totschlages (§ 76 StGB), dem Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung (mit Todesfolge; § 87 Abs. 1 und Abs. 2, zweiter Strafsatz StGB) und nach dem Verbrechen der Körperverletzung mit tödlichem Ausgang (§ 83 Abs. 1, 86 StGB) folgerichtig unbeantwortet gelassen, ferner die Zusatzfragen 5 und 6 nach dem Vorliegen des Rechtfertigungsgrundes der Notwehr (§ 3 StGB) und nach Notwehrüberschreitung (§ 3 Abs. 2 StGB) jeweils stimmeneinhellig verneint, sodaß die Beantwortung der daran geknüpften weiteren Eventualfrage nach einer fahrlässigen Notwehrüberschreitung und somit nach dem Vergehenstatbestand der fahrlässigen Tötung im Sinne des § 80 StGB gegenstandslos wurde und entfiel.
Dieses Urteil bekämpft der Angeklagte Osman A mit einer auf die Z. 8 und 12 des § 345 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. Eine einer Unrichtigkeit gleichkommende Unvollständigkeit der den Geschwornen gemäß § 321 StPO zur Eventualfrage nach dem Verbrechen des Totschlages (§ 76 StGB) erteilten (schriftlichen) Rechtsbelehrung (Z. 8) erblickt der Beschwerdeführer darin, daß jeder Hinweis auf seine Zugehörigkeit zu einem fremden Kulturkreis und damit auf seine andersartige Mentalität, sowie auf die von den Vorschriften des Korans geprägten, vom europäischen Kulturkreis abweichenden Vorstellungen über die soziale Stellung der Ehefrau in der Türkei fehle; dieser komme dort nur ein weitaus geringerer und praktisch einer Rechtlosigkeit gleichkommender gesellschaftlicher Stellenwert zu. Die Frage, ob eine Gemütsbewegung allgemein begreiflich ist, sei aber (nur) unter Berücksichtigung aller konkreter Tatumstände und psychologischer Zusammenhänge zu beantworten.
Rechtliche Beurteilung
Im vorliegenden Falle sind in der vom Vorsitzenden verfaßten Rechtsbelehrung die Erfordernisse des Tatbestandes des Totschlages nach § 76
StGB über die wörtliche Anführung der Legaldefinition hinaus klar, eindeutig und sachlich richtig wiedergegeben. Es wird auch zutreffend ausgeführt, daß eine Gemütsbewegung dann allgemein begreiflich ist, wenn das Verhältnis zwischen dem sie herbeiführenden Anlaß und dem eingetretenen psychischen Ausnahmezustand (des Täters) allgemein verständlich ist, wenn sich also ein Durchschnittsmensch vorstellen kann, auch er wäre unter den gegebenen Umständen des Einzelfalles in eine solche Gemütsverfassung geraten (vgl. S. 2 und 3 der schriftlichen Rechtsbelehrung, I, Beilage C zu ON. 94). Dadurch wurde den Geschwornen die Gewinnung einer richtigen Vorstellung von der auf Grund der Fragestellung in Betracht kommenden Rechtslage ermöglicht.
Gegenstand der Rechtsbelehrung können aber nur rechtliche, nicht auch tatsächliche Umstände sein, die vor allem für die Beweiswürdigung in Betracht kommen; auf den Sachverhalt des Anlaßfalles ist daher in der Rechtsbelehrung grundsätzlich nicht einzugehen. Entgegen der in der Beschwerde vertretenen Auffassung war daher eine Erörterung der dort angeführten konkreten Tatumstände, insbes. des Verhaltens der (getöteten) Gattin des Angeklagten vor der Tat und deren sozialen Stellung im Heimatland des Beschwerdeführers, nicht angebracht. Im übrigen bot die im Anschluß an die Rechtsbelehrung abgehaltene Besprechung des Vorsitzenden mit den Geschwornen gemäß § 323 Abs. 2 StPO noch Raum zu weiteren Erörterungen über die Anwendung der schriftlich erläuterten Rechtsbegriffe auf den den Fragen zugrundeliegenden Sachverhalt.
Der geltend gemachte Nichtigkeitsgrund liegt daher nicht vor. Der weitere vom Beschwerdeführer behauptete materiellrechtliche Nichtigkeitsgrund der Z. 12 des § 345 Abs. 1 StPO entbehrt einer gesetzmäßigen Ausführung, weil der Beschwerdeführer seiner eine Tatbeurteilung als Verbrechen des Totschlages nach dem § 76 StGB anstrebenden Rechtsrüge - insoweit wahrspruchsfremd - unterstellt, seine Ehegattin in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung getötet zu haben. Im geschwornengerichtlichen Verfahren ist nämlich im Rahmen einer Rechtsrüge die Richtigkeit der Gesetzesanwendung unter Zugrundelegung des Inhaltes des Wahrspruchs und der darin getroffenen Feststellungen (zur objektiven und subjektiven Tatseite) zu prüfen. Die Rechtsrüge kann daher nicht mit Erfolg auf Umstände gestützt werden, die, so wie die vom Beschwerdeführer nunmehr behauptete Vornahme der Tötungshandlung in einer allgemein begreiflichen heftigen Gemütsbewegung, im Wahrspruch keinen Eingang gefunden haben.
Der Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Osman A war sohin ein Erfolg zu versagen.
Das Geschwornengericht verurteilte den Angeklagten nach § 75 StGB zu zwanzig Jahren Freiheitsstrafe. Dabei wertete es das Teilgeständnis und eine gewisse Erregung im Tatzeitpunkt als mildernd, hingegen die einschlägige Vorstrafe als erschwerend.
Der Berufung des Angeklagten, mit welcher er eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe anstrebt, kommt keine Berechtigung zu. Entscheidende Argumente für ein anderes Strafmaß vermag der Berufungswerber nicht aufzuzeigen. Die in der Berufung hervorgehobenen Mängel des Angeklagten im emotionalen Bereich wurden vom Erstgericht ohnedies durch die Annahme einer Erregung zur Tatzeit berücksichtigt; die von ihm zugegebene, in der Türkei wegen Verbrechens des Mordes erfolgte Abstrafung wurde -
ungeachtet der nunmehr behaupteten Hintergründe - mit Recht als erschwerend gewertet.
Auf der Basis der vom Geschwornengericht festgestellten Strafzumessungsgründe und der allgemeinen Strafzumessungsvorschriften (§ 32 StGB) wird die über den Angeklagten verhängte Freiheitsstrafe seiner tat- und persönlichkeitsbezogenen Schuld vollauf gerecht.
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