Spruch:
I. Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.
II. Der Berufung gegen den Strafausspruch wird teilweise Folge gegeben und die Geldstrafe auf 120 (einhundertzwanzig) Tagessätze und demgemäß die Ersatzfreiheitsstrafe auf 60 (sechzig) Tage herabgesetzt. Im übrigen wird dieser Berufung nicht Folge gegeben.
III. Der Berufung gegen den Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche wird Folge gegeben und der Zuspruch an Rosina B und Johann
C aufgehoben.
Die beiden Privatbeteiligten werden mit ihren Ansprüchen auf den Zivilerechtsweg verwiesen.
IV. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.
Text
Gründe:
Der am 3.Februar 1965 geborene Landmaschinenmechanikerlehrling Johann A wurde des Vergehens der fahrlässigen Tötung nach § 80 StGB. schuldig erkannt. Darnach hat er am 20.September 1981 im Gemeindegebiet Dorfbeuern als Lenker eines Kleinmotorrads auf der Berndorfer Landesstraße (von Lamprechtshausen kommend) fahrlässig den Tod des Georg D-C herbeigeführt, indem er eine für das eingeschaltete Abblendlicht wesentlich überhöhte Geschwindigkeit von 70-80 km/h einhielt und den die Fahrbahn überquerenden Fußgänger Georg D-C übersah und niederstieß.
Rechtliche Beurteilung
Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In der Mängelrüge behauptet der Beschwerdeführer zunächst der Sache nach eine Undeutlichkeit und Unvollständigkeit der Urteilsbegründung zur Frage, wann er bei der Annäherung an die Unfallstelle an seinem Fahrzeug das Abblendlicht einschaltete. Die bezüglichen Urteilsausführungen (S. 269, 273, 274) lassen jedoch keinen Zweifel an der Überzeugung der Tatrichter, daß der Angeklagte das Abblendlicht spätestens bei der Begegnung mit einem Autobus (ca. 200-300 m vor der Unfallstelle) einschaltete und in der Folge bis zum Unfall (ohne zwischendurch auf Fernlicht zu wechseln) auch eingeschaltet ließ. Das Gericht gelangte zu dieser Feststellung unter Berücksichtigung aller wesentlichen Beweisergebnisse, auch der Darstellung des Angeklagten, der sich mit der Erklärung: 'Es ist sicher, daß es damals so war, weil es immer so ist' (S. 244) ungeachtet des von ihm ansonst behaupteten Erinnerungsverlustes, dahin verantwortet hatte, in der entscheidenden Phase das Fernlicht eingeschaltet gehabt zu haben. Im gegebenen Zusammenhang das kraftfahrtechnische Gutachten zu erörtern, erübrigt sich, weil der Sachverständige ausdrücklich erklärt hat, die Frage, wann das Abblendlicht eingeschaltet wurde, könne aus technischer Sicht nicht beantwortet werden (S. 247).
Einen weiteren Begründungsmangel erblickt der Beschwerdeführer darin, daß im Urteil zwar ein kurzes Verharren des Fußgängers in der Fahrbahmitte konstatiert, eine nähere zeitliche Eingrenzung aber als unmöglich bezeichnet wird (S. 269), obwohl sich aus dem schriftlichen Gutachten (S. 225) des kraftfahrtechnischen Sachverständigen ergebe, daß die Verweildauer mindestens 3 Sekunden betragen haben müsse. Dieser Umstand betrifft keine entscheidende Tatsache. Fahren auf Sicht (§ 20 Abs 1 StVO.) heißt, vor einem Hindernis anhalten können; der Fußgänger aber war vom Angeklagten einfach übersehen worden (S. 270).
Unter dem Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs 1 Z. 9
lit a StPO. vertritt der Beschwerdeführer allerdings die Ansicht, ein etappenweises überqueren der Fahrbahn durch den Fußgänger und dessen vorübergehendes Verharren in der Fahrbahnmitte sei unabhängig von der Wahrnehmbarkeit dieses Verhaltens durch den Angeklagten von Bedeutung. Es sei zulässig, mit höherer Geschwindigkeit an einem in der Fahrbahnmitte stehenden Fußgänger (im Sicherheitsabstand) vorbeizufahren und hätte der Angeklagte auch bei Einhalten einer seiner Sichtstrecke entsprechenden Geschwindigkeit von 40-50 km/h den Unfall nicht verhindern können.
Hiebei übersieht der Beschwerdeführer, daß sich der Fußgänger, als er niedergestoßen wurde, nach den auf das in der letzten Hauptverhandlung verlesene Sachverständigengutachten (S. 247, 259) gestützten Urteilsannahmen bereits knapp am rechten Rand der 6,20 Meter breiten Fahrbahn befand (S. 270). Daraus ergibt sich rechnerisch, daß er sich bei erster Sichtmöglichkeit durch den Angeklagten bereits auf dem Weg von der Fahrbahnmitte über die rechte Fahrbahnhälfte zur Anstoßstelle befunden hat. Der Angeklagte wäre daher verpflichtet gewesen, bei erster Erkennbarkeit des die Fahrbahn von links nach rechts (aus der Fahrtrichtung des Beschwerdeführers gesehen) überquerenden Fußgängers durch eine sofortige Ausweich- oder Bremsreaktion eine Kollision hintanzuhalten, wobei er, zumal es dem Fußgänger sogar unter den gegebenen Verhältnissen (Geschwindigkeit des Angeklagten ca. 70-80 km/h) fast gelungen wäre, den rechten Straßenrand zu erreichen, bei einer relativ zulässigen (§ 20 Abs 1 StVO.) Geschwindigkeit in der Lage gewesen wäre, den Unfall zu verhindern. Der Einwand, daß der Erfolg in gleicher Weise auch bei rechtmäßigem Alternativverhalten eingetreten wäre, geht daher an den festgestellten Bewegungsabläufen vorbei.
In weiterer Ausführung seiner Rechtsrüge vermeint der Beschwerdeführer, das Jugendschöffengericht habe rechtsirrig einen Kausalnexus zwischen dem Unfallsgeschehen und dem Tod des Fußgängers angenommen.
Die in diesem Zusammenhang vom medizinischen Sachverständigen geäußerte Ansicht (S. 25 in Verbindung mit S. 259 ff.), die Unfallverletzungen hätten (einerseits wegen der Traumatisierung und andererseits wegen der dadurch notwendig gewordenen operativen Öffnung des Bauchraums) mit 'höchster Wahrscheinlichkeit' zum Darmverschluß und sodann zur Lungenentzündung und zum Tod geführt, lasse die Möglichkeit and%neb letaler Bedingungen offen. Dem ist zunächst zu erwidern, daß die Beweiswürdigung des Strafgerichts gemäß § 258 Abs 2 StPO. keiner Beschränkung durch gesetzliche Beweisregeln unterliegt. Wo - wie im gegenständlichen Zusammenhang - eine mathematisch-exakte Beweisführung nicht in Betracht kommt, binden die Grenzen des menschlichen Erkenntnisvermögens die gerichtliche Wahrheitsfindung lediglich an die Erfahrungssätze und an die Beobachtung der Denkgesetze. Insoweit muß dem Gericht ein empirisch-historischer Beweis genügen, wobei auch eine hohe Wahrscheinlichkeit die überzeugung von der Richtigkeit der wahrscheinlichen Tatsache zu begründen vermag (SSt. 45/23).
Hieraus folgt, daß der Gerichtshof, dem Gutachten des medizinischen Sachverständigen folgend, zu der Tatsachenfeststellung gelangen konnte, zwischen dem Unfallgeschehen und dem späteren Tod des Fußgängers bestehe ein Ursachenzusammenhang. Geht man von dieser Tatsachengrundlage aus, dann wurde der Kausalzusammenhang auch in rechtlicher Beziehung zutreffend bejaht. Ist doch kausal im Sinn der herrschenden öquivalenztheorie jede Handlung, bei deren Wegfall auch der Erfolg in seiner konkreten Gestalt nicht mehr vorstellbar ist (Eliminationsmethode: Malaniuk I S. 85, Nowakowski Grundzüge S. 48 f.; 13 Os 168/81). Das Hinzukommen weiterer, zum Erfolgseintritt beitragender Bedingungen ist folglich für den Kausalzusammenhang belanglos (siehe statt vieler Kienapfel BT. I § 75 RN. 16, § 80 RN. 136 und die dort zitierte Judikatur).
Da zudem einerseits der Tod des Fußgängers innerhalb des Risikozusammenhangs, hier abgesteckt vom § 20 Abs 1 StVO., andererseits der Kausalverlauf nicht außerhalb der Lebenserfahrung lag, muß die objektive Erfolgszurechnung (13 Os 23/83, 13 Os 150/83) insgesamt bejaht werden.
Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.
Das Jugendschöffengericht verurteilte den Angeklagten nach § 80 StGB. unter Anwendung des § 11 Z. 1 JGG. und des § 37 Abs 1 StGB. zu einer Geldstrafe von 150
Tagessätzen, im Fall der Uneinbringlichkeit zu 75 Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, und bestimmte den Tagessatz mit 100 S. Den Privatbeteiligten Rosina B und Johann C (den Kindern des Opfers) wurde gemäß § 369 Abs 1 StPO.
je ein Betrag von 1.000 S (jeweils 500 S für Schmerzengeld und 500 S für Begräbniskosten) zugesprochen. Bei der Strafbemessung wurde kein Umstand als erschwerend, als mildernd wurden hingegen der bisherige ordentliche Lebenswandel, die eigene schwere Verletzung und das Wohlverhalten des Angeklagten seit der (zwei Jahre zurückliegenden) Tat gewertet.
Sowohl gegen den Strafausspruch als auch gegen den Zuspruch an die Privatbeteiligten wendet sich der Angeklagte mit Berufung und beantragt die Herabsetzung der Geldstrafe oder deren bedingte Nachsicht und die Verweisung der Privatbeteiligten auf den Zivilrechtsweg.
Der Berufung kommt (bezüglich des Strafausspruches nur teilweise) Berechtigung zu.
Der Berufungswerber weist zu Recht darauf hin, daß die primäre Unfallsursache im Verhalten des (beim Unfall verletzten, später verstorbenen) Fußgehers zu suchen ist, weil dieser das sich auf der weit einsehbaren, unbeleuchteten Straße mit abgeblendetem Scheinwerfer nähernde Kleinmotorrad sehen konnte. Dieses ins Gewicht fallende Mitverschulden des Unfallopfers hat das Gericht sichtlich nicht als mildernd gewertet. Es hat den zufolge der Umwandlung der angedrohten sechsmonatigen Freiheitsstrafe in eine Geldstrafe maximal zur Verfügung stehenden Strafrahmen von 360 Tagessätzen (SSt. 47/70) fast zur Hälfte ausgenützt, was aber unter Bedachtnahme auf die weiteren gewichtigen Milderungsumstände der Unbescholtenheit und der am eigenen Leib verspürten Unrechtsfolgen etwas überhöht erscheint. Die Anzahl der Tagessätze war deshalb auf das im Spruch ersichtliche Ausmaß zu reduzieren. Die Höhe des Tagessatzes entspricht unter Zugrundelegung des eigenen Einkommens des Angeklagten und seiner sonstigen wirtschaftlichen Verhältnisse (Wohnung bei den Eltern, Besitz eines Motorrads) seiner Leistungsfähigkeit, gegen welche Beurteilung auch die Berufung keine substantiellen Einwände vorzubringen vermag.
Der (alternativ beantragten) bedingten Nachsicht der Geldstrafe konnte der Oberste Gerichtshof nicht nähertreten, weil neben dem nicht zu bagatellisierenden Schuld- und Unrechtsgehalt der strafgesetzwidrigen Verhaltensweisen junger Verkehrsteilnehmer auch generalpräventive Erwägungen gegen die Anwendung des Par 43 Abs 1 StGB. ins Treffen zu führen sind. Alle Untersuchungen des Kuratoriums für Verkehrssicherheit und anderer Institutionen lassen die Tatsache nicht übersehen, daß gerade die Altersgruppe der unter 24 Jahre alten Männer überproportional viele Verkehrunsfälle mit schweren Folgen verschuldet.
Die Berufung bemängelt aber auch zutreffend die Zusprüche an die beiden Privatbeteiligten mit dem Hinweis, daß die Beweisergebnisse nicht ausreichen, um über die Ersatzansprüche verläßlich urteilen zu können (§ 366 Abs 2 StPO.). Das Jugendschöffengericht begründet das Adhäsionserkenntnis lapidar mit dem Satz, die Stellung der Privatbeteiligten als Kinder und Erben des Getöteten sei vom Angeklagten und seinem Verteidiger unwidersprochen geblieben, weshalb der Zuspruch in dieser (gemeint: geringen) Höhe unbedenklich ergehen könne (S. 276, 277). Hiebei stützt sich das Gericht offensichtlich nur auf den im Schlußvortrag des Privatbeteiligtenvertreters erhobenen (entgegen der Vorschrift des § 365 Abs 2 StPO. aber nicht genügend dargetanen) Anspruch, den der Angeklagte nicht anerkannt hat (S. 264). Indes ist aus dem Umstand, daß der Angeklagte nicht ausdrücklich auch die Stellung der Privatbeteiligten als (durch Einwantwortung feststehende ?) Erben bekämpft hat, deren unbestrittene Legitimation zur Erhebung zivilrechtlicher Ansprüche aus dem Unfall nicht zwingend abzuleiten. Es ist vielmehr ständige Judikatur, daß in der Bestreitung des Klagsanspruchs auch die Bestreitung der Sachlegitimation zu erblicken ist (vgl. u.a. SZ. XXXXIV 186, XLII 105). Da die Privatbeteiligten als (gesetzlich erbberechtigte) Nachkommen des Unfallopfers grundsätzlich einen Anspruch auf Ersatz der ihnen tatsächlich erwachsenen und nicht von einem Dritten übernommenen Begräbniskosten nach § 1327 ABGB., § 12 Abs 1 Z. 5 EKHG. haben und gegen den Angeklagten als Kraftfahrzeughalter auch dann einen Anspruch auf Schmerzengeld durchsetzen können (nach § 12 Abs 1 Z. 4 EKHG.), wenn der Erblasser selbst diesen Anspruch nicht mehr geltendgemacht hat (vgl. hiezu ZVR. 1983/327 und die dort zitierte Rechtsprechung und Literatur), hätte das Landesgericht die für die verläßliche zivilrechtliche Beurteilung erforderlichen einfachen Erhebungen durchführen und auf dieser Basis entsprechende Feststellungen treffen müssen. Da die vorliegenden Ergebnisse des erstgerichtlichen Verfahrens nicht ausreichen, auch über die zivilrechtlichen Ansprüche zu entscheiden, dem Berufungsgericht aber auch eine diesbezügliche Beweisergänzung nicht zukommt (LSK. 1979/201), war der Zuspruch an die beiden Privatbeteiligten aufzuheben, was deren Verweisung auf den Zivilrechtsweg zur Folge hatte.
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