OGH 7Ob506/84

OGH7Ob506/8426.1.1984

Der Oberste Gerichtshof hat durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Flick als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Petrasch, Dr. Wurz, Dr. Warta und Dr. Egermann als Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Anna P*****, vertreten durch Dr. Werner Schwind, Rechtsanwalt in Wien, wider die beklagte Partei Ali ***** T*****, vertreten durch Dr. Wolfgang Emberger, Rechtsanwalt in Wien, wegen Unterhalt (Streitwert 1.080.000 S), infolge Rekurses der beklagten Partei gegen den Beschluss des Landesgerichts für Zivilrechtssachen Wien, als Berufungsgericht vom 17. November 1983, GZ 43 R 2111/83‑30, womit die Berufung der beklagten Partei gegen das Versäumungsurteil des Bezirksgerichts Döbling vom 1. März 1983, GZ 1 C 3/83‑4, zurückgewiesen wurde, folgenden

Beschluss

gefasst:

European Case Law Identifier: ECLI:AT:OGH0002:1984:0070OB00506.840.0126.000

 

Spruch:

Dem Rekurs wird Folge gegeben.

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben und die Rechtssache an das Berufungsgericht zur Entscheidung über die Berufung zurückverwiesen.

Die Kosten des Rekurses sind weitere Kosten des Berufungsverfahrens.

Begründung

Infolge eines Widerspruchs des Beklagten hat das Erstgericht ein von ihm erlassenes Versäumungsurteil (ON 4) aufgehoben. Die Nichtigkeitsberufung des Beklagten gegen dasselbe Versäumungsurteil wurde vom Berufungsgericht mit der Begründung zurückgewiesen, dass infolge der Aufhebung des Versäumungsurteils keine anfechtbare Entscheidung mehr vorliege.

Rechtliche Beurteilung

Der vom Beklagten gegen den Beschluss des Berufungsgerichts erhobene Rekurs ist gerechtfertigt.

Richtig ist zwar, dass Voraussetzung für ein Rechtsmittel das Vorliegen einer Beschwer des Rechtsmittelwerbers ist, die auch noch zum Zeitpunkt der Entscheidung über das Rechtsmittel gegeben sein muss (EvBl 1975/267, EvBl 1971/165 ua). Die Beschwer liegt dann vor, wenn der Rechtsmittelwerber in seinem Rechtsschutzbegehren durch die angefochtene Entscheidung beeinträchtigt wird, also ein Bedürfnis auf Rechtschutz gegenüber der angefochtenen Entscheidung hat ( Fasching IV, 13). Die Beschwer kann auch durch mögliche verfahrensrechtliche Nachteile begründet werden (4 Ob 536/76, 3 Ob 82/74 ua).

Im Allgemeinen wird an der Beseitigung einer bereits aufgehobenen Entscheidung kein Rechtsschutzbedürfnis mehr bestehen. Dies gilt allerdings nur dann, wenn diese Entscheidung tatsächlich in ihrer gesamten Wirkung behoben wurde, nicht aber, wenn sie nach wie vor, wenn auch beschränkte Wirkungen auszuüben geeignet ist. Nun sieht § 373 EO in der nunmehr geltenden Fassung vor, dass Exekutionshandlungen zur Sicherung von Geldforderungen aufgrund eines Versäumungsurteils, gegen das Widerspruch nach den §§ 397a, 442a der ZPO erhoben worden ist, auch dann zu bewilligen sind, wenn das Versäumungsurteil zwar infolge des Widerspruchs aufgehoben, aber die Geldforderung dem Gläubiger noch nicht aberkannt oder deren Erlöschen noch nicht festgestellt worden ist. Die Aufhebung des Versäumungsurteils nach § 397a ZPO entkleidet sohin dieses nicht sämtlicher Wirkungen. Vielmehr kann es nach wie vor die Grundlage für Sicherungsmaßnahmen gegen den Verurteilten sein. Demnach ist der Verurteilte, trotz der Aufhebung des Versäumungsurteils aufgrund eines Widerspruchs nach § 397a ZPO, nach wie vor durch dieses Urteil beschwert, weshalb eine trotz der Aufhebung gegen das Versäumungsurteil erhobene Nichtigkeitsberufung nicht unter Hinweis auf die bereits erfolgte Aufhebung zurückgewiesen werden darf. Die gegenteilige Auffassung Meiers (ÖJZ 1981, 95) übersieht, dass die Aufhebung eines Versäumungsurteils aufgrund eines Widerspruchs einerseits nicht das gesamte Begehren der Berufung (nach Nichtigerklärung des bisherigen Verfahrens) erledigt und dass andererseits durch diese Aufhebung nicht alle möglichen Nutzteile für den Rechtsmittelwerber im Sinne der obigen Ausführungen weggefallen sind, sodass nach wie vor eine Beschwer aufrecht bleibt.

Inwieweit diese Erwägungen auch für Berufungen aus einem anderen Grund als dem der Nichtigkeit gelten, muss hier nicht unterstellt werden. Die Rechtslage könnte hier deshalb verschieden sein, weil das Ziel des Widerspruchs (Erweiterung der Entscheidungsbasis) mit dem Ziel der Berufung wegen unrichtiger rechtlicher Beurteilung (Entscheidung aufgrund der derzeitigen Aktenlage) unvereinbar ist.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf § 52 ZPO.

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