Spruch:
Der Revision wird nicht Folge gegeben.
Die Kläger haben der Erstbeklagten die mit 2.764,81 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 96 S Barauslagen und 197,69 S USt) zur ungeteilten Hand binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Text
Entscheidungsgründe:
Die Kläger, die insgesamt zu 7/8-Anteilen Miteigentümer des Hauses *****, sind, begehrten mit den zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbundenen Klagen die Räumung der in diesem Haus befindlichen Wohnungen Nr 9 von der Erstbeklagten und Nr 7 und 8 von der Zweitbeklagten.
Das Erstgericht wies dieses Begehren ab.
Das Berufungsgericht gab der Berufung der Klägerin (abgesehen vom Kostenpunkt) nicht Folge. Es sprach aus, dass der Wert des Streitgegenstands hinsichtlich einer jeden beklagten Partei 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision hinsichtlich der Erstbeklagten zulässig, hinsichtlich der Zweitbeklagten jedoch unzulässig sei.
Gegen das Urteil des Berufungsgerichts richtet sich die Revision der Kläger. Sie machen die Revisionsgründe der Mangelhaftigkeit des Berufungsverfahrens und der unrichtigen rechtlichen Beurteilung geltend und beantragen Abänderung dahin, dass dem Räumungsbegehren gegenüber der Erstbeklagten stattgegeben werde; hilfsweise wird die Aufhebung der Urteile der Vorinstanzen und die Zurückverweisung der Rechtssache an das Erstgericht beantragt.
Die Erstbeklagte beantragt, die Revision als unzulässig zurückzuweisen, hilfsweise ihr nicht Folge zu geben.
Entgegen der Ansicht der Erstbeklagten ist die Revision zulässig, weil der in der Klage angeführte und vom Berufungsgericht bei der Kostenentscheidung berücksichtigte Streitwert von 24.000 S auf § 10 Z 2 lit a RAT beruht und nur für die Kostenentscheidung von Bedeutung ist. Der Streitgegenstand, über den das Berufungsgericht entschied, bestand nicht in einem Geldbetrag, weshalb eine Bewertung gemäß § 502 Abs 2 ZPO vorzunehmen war. Aus dem Ausspruch, dass der Wert des Streitgegenstands 60.000 S, nicht aber 300.000 S übersteige und die Revision (hinsichtlich der Erstbeklagten) zulässig sei, ergibt sich die Zulässigkeit dieses Rechtsmittels.
Rechtliche Beurteilung
Die Revision ist jedoch nicht berechtigt.
Das Berufungsgericht legte seiner Entscheidung - nach Beweisergänzung - nachstehenden für die Entscheidung hinsichtlich der Erstbeklagten wesentlichen Sachverhalt zugrunde:
Hermine S***** war Alleineigentümerin des Hauses ***** und bewohnte die in diesem Haus befindliche Wohnung Nr 9. Bei ihr wohnten ihre Kinder Hermine (verehelichte A*****), die Erstklägerin, sowie Franz S*****. Als dieser 1936 die Erstbeklagte heiratete, erklärte ihm seine Mutter, er könne in die Wohnung Nr 10 einziehen, habe jedoch Zins zu zahlen. Der Erstklägerin, die im Jahre 1939 heiratete, wies die Mutter die Wohnung Nr 17 zu und erklärte auch ihr, dass sie Zins zahlen müsse. Beide Geschwister, die den ihnen von der Hausverwaltung vorgeschriebenen Mietzins bezahlten, waren der Ansicht, die ihnen von ihrer Mutter zugewiesenen Wohnungen gemietet zu haben. Als die Mutter 1946 starb, erbten die beiden Geschwister das Haus je zur Hälfte. Auf Wunsch der Mutter hätte nun die Erstklägerin die Wohnung Nr 9 bekommen sollen. Die Erstklägerin war der Meinung, dadurch würde sich außer der Wohnung nichts ändern, sie würde weiterhin Mieterin sein. Allerdings kam Franz S***** dem Vorhaben der Erstklägerin zuvor und übersiedelte mit der Erstbeklagten in die Wohnung Nr 9. Die Höhe des Mietzinses wurde an die Wohnungsgröße angepasst, sonst änderte sich aber nichts an der Zinszahlung. Die Erstklägerin nahm die Übersiedlung ihres Bruders in die Wohnung Nr 9 hin. An der Benützung der Wohnung Nr 9 durch Franz S***** änderte sich bis zu dessen Ableben nichts, abgesehen davon, dass diese Wohnung in der Folge auf Kosten einer Nachbarwohnung vergrößert und der Zins der Wohnungsgröße angepasst wurde. Die Erstklägerin wusste auch dies, unternahm dagegen aber nichts. Nach dem Ableben des Franz S***** am 28. Juli 1978 verblieb die Erstbeklagte allein in der Wohnung. Sie bezahlte regelmäßig den Mietzins, der ihr von der Hausverwaltung unter ihrem Namen vorgeschrieben wurde. Diese Mietzinszahlungen wurden von der Hausverwaltung bis zum Beginn der Auseinandersetzungen zwischen den Streitteilen (Ende 1980) unbeanstandet angenommen.
Das Erstgericht führte in rechtlicher Hinsicht aus, dadurch, dass die Erstbeklagte seit dem Tod des Franz S***** den ihr vorgeschriebenen Mietzins bezahlt habe, sei schlüssig ein Bestandverhältnis zustandegekommen.
Das Berufungsgericht beurteilte den festgestellten Sachverhalt rechtlich dahin, in Lehre und Rechtsprechung werde zwischen Angehörigen einer Familie im Hinblick auf die bestehende Unterhaltsverpflichtung der Bestand familienrechtlicher Wohnverhältnisse anerkannt, welche durch Widerruf beendet werden könnten. Für das schlüssige Zustandekommen eines Bestandverhältnisses bleibe aber auch zwischen Familienangehörigen immer die aus den Erklärungen und dem Verhalten objektiv zu erschließende beiderseitige Rechtsgeschäftsabsicht entscheidend. Es komme also bei der Beurteilung des Verhaltens nach § 863 ABGB nicht darauf an, was der sich in einer bestimmten Weise Verhaltende allenfalls gewollt habe, sondern vielmehr darauf, welche Schlüsse der Partner daraus nach Treu und Glauben abzuleiten berechtigt gewesen sei. Im Normalfall müsse die unbeanstandete Annahme eines Entgelts für die Benützung von Räumen durch längere Zeit als konkludente Handlung im Sinne des stillschweigenden Abschlusses eines Mietvertrags angesehen werden. Dabei sei es rechtlich unerheblich, ob das Entgelt als Mietzins, als Benützungsentgelt oder als Benützungsentschädigung bezahlt werde. Weise aber die Mutter als Hauseigentümer zunächst ihrem Sohn und dann auch ihrer Tochter in dem ihr gehörenden Haus anlässlich der Eheschließung der Kinder eine eigene Wohnung zu (nachdem beide bis dahin in der elterlichen Wohnung in diesem Haus gewohnt hätten) und erkläre sie weiters, dass beide Zins zahlen müssten, lasse sie diesen Mietzins gleich den übrigen Mietern von der Hausverwaltung vorschreiben und seien die Kinder jeweils der Meinung, dass sie die Wohnung gemietet hätten, so sei dadurch zumindest ein schlüssiger (wenn nicht sogar ein ausdrücklicher mündlicher) Mietvertrag zustandegekommen. So gesehen hätten Franz S***** und die Erstklägerin bis zum Tod ihrer Mutter die ihnen zugewiesenen Wohnungen aufgrund eines Mietvertrags benützt. Wohl seien die beiden später Miteigentümer des Hauses geworden. Der Mieter, der einen Miteigentumsanteil erwerbe, bleibe aber trotz seiner Eigenschaft als Miteigentümer des Bestandobjekts auch dessen Mieter, wenn ein vernünftiger Grund für die Annahme fehle, dass er seine unter Umständen unkündbaren Benützungsrechte aufzugeben und sich wegen der weiteren Benützung einer erst abzuschließenden Vereinbarung mit den übrigen Mietern zu unterwerfen bereit sein sollte. Beide Hälfteeigentümer hätten nach dem Tod ihrer Mutter die Absicht gehabt, die von ihnen bis dahin aufgrund eines Mietvertrags benützte Wohnung gegen die Wohnung der Mutter einzutauschen, ohne dass sich an der Benützungsart (Mietvertrag) etwas hätte ändern sollen. Dass dann Franz S***** seiner Schwester bei der Übersiedlung zuvorgekommen sei, ändere daran nichts, denn sie habe ja in der Folge für den Bruder erkennbar diesen Wohnungswechsel in der Form hingenommen, wie sie ihn selbst beabsichtigt gehabt habe. Im vorliegenden Fall habe sich daher aufgrund der geschilderten Umstände im Einzelfall weder durch den Eigentumserwerb je zur Hälfte, noch durch den Wohnungswechsel seitens Franz S***** eine Änderung der Benützungsrechte ergeben. Demnach habe Franz S***** die Wohnung Nr 9 bis zu seinem Tod aufgrund eines Mietvertrags benützt, in den die im gemeinsamen Haushalt wohnende Erstbeklagte eingetreten sei.
Den Ausführungen zum Revisionsgrund der Mangelhaftigkeit des Verfahrens ist entgegenzuhalten, dass im Hinblick darauf, dass der Wert des Streitgegenstands 300.000 S nicht übersteigt, die Revision gemäß § 503 Abs 2 ZPO nur begehrt werden kann, weil das Urteil des Berufungsgerichts auf der unrichtigen Lösung einer Rechtsfrage des materiellen Rechts oder des Verfahrensrechts beruht, der zur Wahrung der Rechtseinheit, Rechtssicherheit oder Rechtsentwicklung erhebliche Bedeutung zukommt (§ 502 Abs 4 Z 1 ZPO). Verfahrensrechtliche Fragen, denen diese besondere Rechtserheblichkeit zukommt, werden in der Revision jedoch nicht aufgeworfen, sondern lediglich Fragen, die auf die Stoffsammlung des vorliegenden Falls Bezug haben, weshalb sie hier nicht geltend gemacht werden können (vgl Petrasch, ÖJZ 1983, 178).
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung bekämpfen die Revisionswerber die Ansicht des Berufungsgerichts, dass die Erstklägerin und Franz S***** von ihrer Mutter Mietrechte an den Wohnungen Nr 10 und 17 erworben hätten sowie, dass nach dem Tod der Mutter Franz S***** Mieter der Wohnung Nr 9 wurde.
Die Revisionsausführungen, wenn ein Liegenschaftseigentümer verfüge, dass eine bestimmte Person eine bestimmte Wohnung in seinem Haus bekomme, beanspruche er damit nur eine Benützungsbefugnis an dieser Wohnung, die er dann durch einen Dritten ausüben lassen wolle, sind verfehlt, da gemäß § 1090 ABGB ein Mietvertrag zustandekommt, wenn eine Wohnung gegen ein Entgelt überlassen wird. Der Hinweis der Revisionswerber auf die vom Berufungsgericht stammende Entscheidung MietSlg 32.077 zeigt, dass sie zur Stützung ihrer Ansicht Fälle heranziehen wollen, in denen ein Miteigentümer eine Wohnung, an der ihm ein Benützungsrecht zustand, weitergab. Im vorliegenden Fall war die Mutter der Erstklägerin und des Franz S***** jedoch Alleineigentümerin. Als solche räumte sie der Erstklägerin und Franz S***** das Recht ein, je eine bestimmte Wohnung gegen Bezahlung des Mietzinses zu benützen. Auch wenn die Mutter sich im Sinne der Revsionsausführungen gemäß § 915 ABGB „nicht die schwerste Last auferlegen wollte“, entstanden dadurch, dass Wohnungen gegen Bezahlung des Mietzinses an die Erstklägerin und Franz S*****, die damals nicht Miteigentümer des Hauses waren, überlassen wurden, Mietverhältnisse. Nach ständiger Rechtsprechung und Lehre erlischt mangels gegenteiliger Vereinbarung ein Bestandrecht durch den Erwerb eines Miteigentumsanteils durch den Bestandnehmer nicht (Gamerith in Rummel, ABGB, Rdz 5 zu § 834; MietSlg 31.166 ua).
Zu prüfen bleibt, ob Franz S***** dadurch, dass er anstelle der gemieteten Wohnung Nr 10 nach dem Tod seiner Mutter die Wohnung Nr 9 in Benützung nahm, Mieter dieser Wohnung wurde, oder ob er diese Wohnung nur aufgrund seines Miteigentumsrechts benützte. Nach ständiger Rechtsprechung stellt die bloße Gebrauchsregelung unter Miteigentümern den Regelfall und die Begründung eines Bestandverhältnisses eine Ausnahme dar (vgl Gamerith aaO; MietSlg 27.087, 30.168 uva), doch liegt hiebei stets eine Frage des Einzelfalls vor (Klang in Klang 2 III 1092; MietSlg XXXIII/22). Obwohl zwischen den Miteigentümern nicht ausdrücklich vereinbart wurde, Franz S***** sei Mieter der Wohnung Nr 9, rechtfertigen die besonderen Umstände dieses Falls doch die Annahme eines Bestandverhältnisses. Hiebei ist davon auszugehen, dass Franz S***** schon vorher Mieter einer Wohnung war. Die andere Miteigentümerin hatte ebenfalls die Absicht, anstelle der bisher von ihr gemieteten Wohnung nach dem Tod der Mutter in die von der Mutter benützte Wohnung zu übersiedeln, wobei sie der Meinung war, Mieterin dieser Wohnung zu werden. Da sie es hinnahm, dass nicht sie Mieterin dieser Wohnung wurde, sondern Franz S*****, der anstelle der bisher von ihm gemieteten Wohnung Nr 10 die von der Mutter benützte Wohnung Nr 9 übernahm und ab diesem Zeitpunkt den auf diese Wohnung entfallenden Mietzins bezahlte, muss davon ausgegangen werden, dass Franz S***** Mieter der Wohnung Nr 9 wurde. Nach seinem Tod trat dann seine mit ihm im gemeinsamen Haushalt wohnende Ehegattin, die Erstbeklagte, in die Mietrechte ein, weshalb das gegen dieses gerichtete Räumungsbegehren nicht berechtigt ist.
Aus diesem Grund braucht auf die Revisionsausführungen zur Frage der schlüssigen Begründung eines Mietverhältnisses mit der Erstbeklagten durch Bezahlung und Annahme des Mietzinses nach dem Tod des Franz S***** nicht eingegangen zu werden.
Der Revision war daher ein Erfolg zu versagen.
Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41, 50 ZPO.
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