OGH 13Os145/83

OGH13Os145/8322.12.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 22.Dezember 1983 unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Puschnig als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ronald A und Heinrich B wegen des Verbrechens des schweren Raubes nach §§ 142 Abs 1, 143 StGB. über die vom Angeklagten Heinrich B gegen das Urteil des Geschwornengerichts beim Landesgericht für Strafsachen Wien vom 21.Februar 1983, GZ 20 s Vr 8312/82-41, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung des Angeklagten Ronald A nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, der Ausführungen der Verteidiger Dr. Grois und Dr. Datzik und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Bassler, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 5.Juni 1949 geborene Ronald A und der am 24.Februar 1925 geborene Heinrich B wurden mit dem angefochtenen Urteil auf Grund des Wahrspruchs der Geschwornen des Verbrechens des schweren Raubes nach den §§ 142 Abs 1, 143 StGB. schuldig erkannt. Ihnen liegt zur Last, am 29.Juli 1982 in Wien in Gesellschaft als Beteiligte mit Gewalt gegen eine Person und Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib und Leben, nämlich dadurch, daß Heinrich B die Angestellten der C Payergasse 12 mit einem Revolver bedrohte und Ronald A das Pult überstieg und einen Geldbetrag von 230.000 S an sich nahm, einem anderen fremde bewegliche Sachen mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, wobei die Tat unter Verwendung einer Waffe verübt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte B bekämpft diesen Schuldspruch aus den Nichtigkeitsgründen des § 345 Abs 1 Z. 5 und Z. 8 StPO.

Unter dem erstangeführten Nichtigkeitsgrund rügt der genannte

Beschwerdeführer die Abweisung (I. Band, S. 418

und 425 sowie 447; II. Band, S. 18/19) folgender, von seinem Verteidiger in der Hauptverhandlung gestellter Anträge: Vorladung und Vernehmung der Krankenpflegerin des Wilhllminenspitals, die ihn betreute, sowie der Zeugen Brigitte B und Monika B zum Beweis dafür, wie die Zustände des Angeklagten während der letzten Wochen und Monate waren und wie überhaupt seine physische und psychische Lage vor der Tat war (II. Band, S. 416), welchen Zeugen aufgetragen werden wolle, 'alle eventuell vorhandenen Unterlagen und Beschlüsse sowie Bescheide in bezug auf die Entmündigung des Angeklagten ... (unter) Bekanntgabe der Geschäftszahl des Bezirksgerichts Hietzing oder Bezirksgerichts Innere Stadt zur Hauptverhandlung ..... mitzunehmen' (II. Band, S. 420); Vorladung und Vernehmung des diensthabenden Beamten des Gefangenenhauses I des Landesgerichts für Strafsachen Wien, der damals bei der Vernehmung zugegen war, Beischaffung der Krankengeschichte; Vernehmung des Anstaltsarztes D über seine Wahrnehmung unmittelbar nach der Einlieferung wegen der Entzugserscheinungen und über die laufende Behandlung, Beischaffung 'der Akten von Mauer-Öhling' (I. Band, S. 447).

Dieser Verfahrensrüge kommt keine Berechtigung zu.

Den Sachverständigen Prim.Dr. Heinrich E und Dr. Heinz F dienten als Grundlagen für die von ihnen erstatteten Befunde und Gutachten: die Untersuchung des Beschwerdeführers, der vorliegende Strafakt, die Krankengeschichten und die ärztlichen Befundberichte (siehe I. Band, S. 269; 345, 347, i.V.m. S. 418 f.; 451, 453, 507 und II. Band, S. 11 bzw. 12). Wie nun der Schwurgerichtshof in seinem (abweisenden) Zwischenerkenntnis zutreffend begründete, boten die Untersuchungen des Beschwerdeführers und das Studium der vorstehend angeführten Unterlagen eine ausreichende Basis für die Erstellung der Befunde und die Erstattung der aufgetragenen psychiatrisch-neurologischen Gutachten. Daß die Angehörigen des Beschwerdeführers, nämlich dessen Ehefrau und Tochter, das bei der Einlieferung in das Krankenhaus Dienst versehende (ärztliche oder) Pflegepersonal oder der den Beschwerdeführer bei der Vernehmung durch einen Kriminalbeamten im Krankenhaus bewachende Justizwachebeamte für die Beurteilung der Zurechnungsfähigkeit relevante Wahrnehmungen gemacht hätten, die den beiden Sachverständigen trotz der Untersuchung des Angeklagten und des Studiums der ihn betreffenden, vorstehend aufgezeigten Unterlagen verborgen geblieben wären, ergibt sich - wie auch das Erstgericht zutreffend ausführte (vgl. II. Band S. 18/19) - weder aus den Akten noch wurde solches bei der Antragstellung dargelegt (oder auch nur behauptet). Dies gilt auch für die in dem abweislichen Zwischenerkenntnis nicht ausdrücklich wiedergegebenen Beweismittel (Entmündigungsakt; Spitalsarzt Dr. D; Unterlagen der Anstalt Mauer-Öhling, soweit sie den beiden Sachverständigen nicht zur Verfügung standen).

Den Rechtsmittelausführungen zuwider konnte demnach der Schwurgerichtshof von der Vernehmung der Zeugen Brigitte und Monika B, des genannten Krankenhausund Justizpersonals und der Beischaffung des Entmündigungsakts sowie von Unterlagen der Anstalt Mauer-Öhling ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten des Angeklagten B Abstand nehmen.

Für die in der Verfahrensrüge geltend gemachte Unterlassung von folgenden Beweiserhebungen bzw. Verfügungen des Schwurgerichtshofs fehlt es inhaltlich der ungerügt gebliebenen Hauptverhandlungsprotokolle (ON. 35, 37 und 40) an den formalen Erfordernissen einer erfolglosen Antragstellung in der Hauptverhandlung:

(weitere) Verlesungen aus den Vorstrafakten; nur teilweise Anwesenheit der Sachverständigen Dr. E und Dr. F in den Hauptverhandlungen; Befragung eines 'halben Dutzend Wirte', die der Rechtsmittelwerber B in den Stunden vor der Tat aufgesucht hatte. Eine - wie der Beschwerdeführer behauptet -

unterbliebene Protokollierung des vom Sachverständigen Dr. E zur Filmvorführung gegebenen Kommentars kann im Nichtigkeitsverfahren nicht mehr gerügt werden. Zum Gegenstand eines Protokollberichtigungsantrags ist dieser Umstand nicht gemacht worden.

Das auf § 345 Abs 1 Z. 8 StPO. gestützte Vorbringen entbehrt einer prozeßordnungsgemäßen Ausführung, weil nicht aufgezeigt wird, inwieweit bzw. in welchen Punkten die den Geschwornen erteilte Rechtsbelehrung (Beilage C zu ON. 40) unrichtig sein soll. Vielmehr erschöpft sich das diesbezügliche Beschwerdevorbringen in der Vermutung, den Geschwornen sei die Beantwortung der an sie gerichteten Fragen nicht leicht gefallen und in der Behauptung, die zu § 11 StGB. gegebene Rechtsbelehrung 'wird noch einer entsprechenden überprüfung bedürfen'. Letzteres Vorbringen ist völlig substanzlos und daher ebenso wie eine (vom Beschwerdeführer vermutete) Schwierigkeit bei der Fragenbeantwortung nicht geeignet, den geltend gemachten oder einen anderen der im § 345 Abs 1 StPO. (taxativ) angeführten Nichtigkeitsgründe darzustellen. Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Geschwornengericht verhängte nach dem ersten Strafsatz des § 143 StGB. über den Angeklagten B eine Freiheitsstrafe von zehn Jahren und über den Angeklagten A eine solche von fünf Jahren. Es wertete die zweifache Qualifikation des § 143 StGB. sowie die lange, reifliche Vorbereitung des Verbrechens, bei B außerdem die zahlreichen, teils mit empfindlichen Freiheitsstrafen verbundenen, auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden Vorverurteilungen als erschwerend. Hingegen berücksichtigte es den Umstand, daß die Beute sichergestellt werden konnte, überdies bei B das langjährige Wohlverhalten nach der letzten Strafvollstreckung, bei A einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung als mildernd. Mit ihren Berufungen streben beide Angeklagten die Herabsetzung der Freiheitsstrafen an.

Auch diesen Rechtsmitteln ist kein Erfolg beschieden. Der Meinung des Berufungswerbers B zuwider ist die vom Erstgericht angenommene reifliche überlegung der Tat sehr wohl bei der Strafbemessung als erschwerender Umstand zu werten (§ 32 Abs 3 StGB.). Daß generalpräventive Erwägungen bei der Strafbemessung zu berücksichtigen sind, wurde vom Obersten Gerichtshof wiederholt ausgesprochen (LSK. 1981/3; EvBl 1983/96;

zuletzt u.a. 13 Os 60/83; zur Generalprävention überhaupt insbesondere Harbich ÖJZ. 1967, 376). Aus den vom Geschwornengericht angeführten Gründen, nämlich wegen der Häufigkeit von Raubüberfällen (u.a.) auf Geldinstitute, wurden generalpräventive überlegungen bei der Strafbemessung zutreffend angestellt.

Zu Unrecht nahm das Erstgericht das 'langjährige Wohlverhalten B` S seit der letzten Strafverbüßung' als mildernd an. Der (besondere) Milderungsumstand des § 34 Z. 2 StGB. setzt (u.a.) einen ordentlichen Lebenswandel voraus. Dieser ist angesichts der oftmaligen, zum Teil empfindlichen Vorabstrafungen B` S zu verneinen. Wie das Erstgericht insoweit zutreffend annahm, stellen die (auf gleicher schädlicher Neigung beruhenden) Vorstrafen einen Erschwerungsgrund dar (§ 33 Z. 2 StGB.). Dieser ist im vorliegenden Fall allerdings durch das Verstreichen eines längeren Zeitraums seit der letzten Strafverbüßung in seinem Gewicht gemindert. Darauf wies der Beschwerdeführer zutreffend hin. Ebenso wie darauf, daß die Verantwortung des Angeklagten B durch einen wesentlichen Beitrag zur Wahrheitsfindung den Milderungsumstand des § 34 Z. 17 StGB. und sein (allgemeiner) geistiger und seelischer Zustand jenen der Z. 1 leg. cit. begründen. Auch die im Zusammenhang mit dem Einschreiten der Polizei nach der Tat erlittene schwere Körperverletzung kann als (allgemeiner) Milderungsgrund herangezogen werden.

Aber auch auf der Grundlage der mithin richtiggestellten allgemeinen (§ 32 StGB.) und besonderen (§§ 33, 34 StGB.) Strafzumessungsgründe erachtet der Oberste Gerichtshof die vom Geschwornengericht ausgemessene Freiheitsstrafe als angemessen. Der bewaffnete, in Gesellschaft begangene Raubüberfall eines wiederholt Vorbestraften verlangt - wie schon angeführt, auch aus Gründen der Generalprävention -

eine strenge Bestrafung.

Der Angeklagte A ist infolge zwischenzeitig eingetretener Tilgung seiner Vorstrafe wegen des Vergehens der versuchten Täuschung als unbescholten zu betrachten, sodaß ihm (nunmehr) der Milderungsumstand des § 34 Z. 2

StGB. zukommt. Der reklamierte Milderungsgrund des § 34 Z. 17 StGB. wurde zugunsten des Angeklagten A wegen seines wesentlichen Tatbeitrages zur Wahrheitsfindung ohnehin angenommen. Die von dem Genannten vorgebrachten, zu Depressionen führenden familiären Enttäuschungen und Schicksalsschläge vermögen die mit der Begehung eines schweren Eigentums- und Gewaltdelikts verbundene Schuld nicht zu mildern. Daß der Berufungswerber A - wie er in seinem Rechtsmittel behauptet - mit B den Raub nicht verabredet und mit der Waffe nicht das geringste zu tun gehabt hätte, widerspricht dem Wahrspruch der Geschwornen.

Zu einer Herabsetzung der über den genannten Angeklagten verhängten Freiheitsstrafe, die übrigens nur im Fall der Gewährung der außerordentlichen Strafmilderung § 41 StGB.) möglich wäre, fehlt trotz der mittlerweile eingetretenen Tilgung der Vorstrafe jede Handhabe, zumal die Milderungsgründe die Erschwerungsumstände keinesfalls beträchtlich überwiegen.

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