OGH 11Os192/83

OGH11Os192/8321.12.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 21.Dezember 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Helige als Schriftführer in der Strafsache gegen Helmar A wegen des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1 und Abs. 3 StGB über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 19.April 1983, GZ 8 Vr 418/81-34, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Beru fung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Kurbos und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird teilweise Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt 1 des Urteilssatzes und demgemäß auch im Strafausspruch und im Adhäsionserkenntnis zugunsten der B aufgehoben, und es wird gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO im Umfang der Aufhebung in der Sache selbst erkannt:

Helmar A wird von der Anklage, er habe im Juni 1979 in Graz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Verfügungsberechtigte der B durch Täuschung über Tatsachen, nämlich die Richtigkeit und Echtheit des Kreditgeschäftes mit Werner C, zur Ausfolgung der Kreditsumme von 150.000 Schilling verleitet und (auch) hiedurch das Verbrechen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 3 StGB begangen, gemäß dem § 259 Z 3 StPO freigesprochen.

Helmar A wird für die ihm gemäß den Punkten 2

und 3 des Schuldspruches weiterhin zur Last liegenden Straftaten (Verbrechen des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 3 StGB) gemäß dem § 147 Abs. 3 StGB zu einer Freiheitsstrafe von 1 (einem) Jahr verurteilt.

Gemäß dem § 43 Abs. 1 StGB wird die Strafe unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachgesehen.

Der Ausspruch über die Kostenersatzpflicht wird aus dem Ersturteil übernommen.

Gemäß dem § 369 StPO ist Helmar A schuldig, an die Privatbeteiligte B den Betrag von 300.000 S zu zahlen.

Mit ihrem Mehrbegehren wird die Privatbeteiligte B gemäß dem § 366 Abs. 1 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Im übrigen wird die Nichtigkeitsbeschwerde verworfen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß dem § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 4.Mai 1943 geborene ehemalige Leiter einer Zweigstelle der B Helmar A (im 2. Rechtsgang neuerlich) des Verbrechens des schweren Betruges nach den §§ 146, 147 Abs. 1 Z 1, Abs. 2 (überflüssig zitiert) und Abs. 3 StGB schuldig erkannt.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat er in Graz mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Nachgenannte durch Täuschung über Tatsachen zu Handlungen verleitet, die sie am Vermögen schädigten, wobei durch die Taten ein 100.000 S übersteigender Schaden herbeigeführt wurde, und zwar:

1./ im Juni 1979 Verfügungsberechtigte der B durch Täuschung über die Richtigkeit und Echtheit des Kreditgeschäftes mit Werner C zur Ausfolgung der Kreditsumme von 150.000 S, 2./ im Juni 1980 einen Angestellten der B, Zweigstelle Waltendorf, durch die Vorlage eines rückbehaltenen und verfälschten Auszahlungsbeleges, sohin einer verfälschten Urkunde, zur Auszahlung eines Betrages von 300.000 S aus dem Konto des Friedrich E, 3./ im Juli 1980 durch Vorspiegelung seiner Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit den Kurt F zur Gewährung eines Darlehens von 20.000 S.

Rechtliche Beurteilung

Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer ausdrücklich auf die Nichtigkeitsgründe der Z 4, 9 lit. a und 9 lit. b des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der nur teilweise Berechtigung zukommt.

Den ersterwähnten Nichtigkeitsgrund macht er unter Bezugnahme auf seine in der Hauptverhandlung gestellten Anträge (S 164) geltend, die Zeugen Ing. Franz G und Mag. Kurt H zum Beweis dafür zu vernehmen, 'daß der Angeklagte im Juni, Juli 1980 aus einer Geschäftsbeziehung zur W***-GesmbH damit rechnen konnte, 1 bis 2 Millionen Schilling an Provision zu erzielen und daß ein Bereicherungsvorsatz ausgeschlossen werden muß', sowie einen Grundbuchauszug beizuschaffen und einen Realitätensachverständigen zum Beweis dafür zu bestellen, 'daß der Angeklagte zum Tatzeitpunkt Juni-Juli 1980 über eine Eigentumswohnung in der Körösistraße 170 verfügte, die zum damaligen Zeitpunkt einen wahrscheinlichen Erlös von 800.000 S im Falle der Veräußerung abgeworfen haben dürfte'. Er wurde jedoch durch die Abweisung dieser Beweisanträge (vgl. S 164, 165 in Verbindung mit S 185, 186) in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt.

Denn einerseits gab der Angeklagte im Zuge seiner Vernehmung in der Hauptverhandlung ausdrücklich zu, daß das Projekt, von dessen Verwirklichung die behaupteten Provisionsansprüche abhingen, 'noch nicht fix' war (S 157), und daß er die erhofften Provisionen (selbst wenn sie fällig geworden wären) zur Bezahlung seiner Spielschulden (und daher nicht zur Abdeckung des mit den angelasteten Tathandlungen verbundenen Schadens) verwenden wollte (S 156 unten), und andererseits verlieh das Erstgericht - wie der Beschwerdeführer selbst ausführt -

seiner überzeugung Ausdruck, daß auch eine Verfügungsmöglichkeit des Angeklagten über erhebliche finanzielle Mittel (insbesondere auch aus dem allfälligen Verkauf seiner Eigentumswohnung) am Bereicherungsvorsatz nichts geändert hätte. Dies bedeutet jedoch der in der Beschwerde vertretenen Ansicht zuwider keine zum Nachteil des Angeklagten 'vorweggenommene' (vorgreifende) Beweiswürdigung, sondern die zulässige Beurteilung des Sachverhaltes unter der zu Gunsten des Angeklagten getroffenen Annahme, die mit den erwähnten Anträgen unter Beweis gestellten Umstände seien bereits tatsächlich erwiesen (Bertel, Strafprozeßrecht, S 120).

Nimmt man hinzu, daß beim Betrug nicht einmal ein (hier bei richtiger Wertung der eigenen Behauptungen des Beschwerdeführers gar nicht gegebener) präsenter Deckungsfonds von Bedeutung wäre (vgl. ÖJZ-LSK 1977/210), weiters, daß die vom Täter gewollte Bereicherung beim Betrug keine dauernde sein muß (ÖJZ-LSK 1977/142) und daß, selbst wenn man das erwähnte eigene Zugeständnis des Angeklagten, er hätte allfällige zu seiner Verfügung stehende Geldmittel zur Bezahlung seiner Spielschulden verwendet (S 156), vernachlässigen würde, das bezügliche Beschwerdevorbringen im Ergebnis nur auf den Nachweis abzielt, der Angeklagte hätte zu einem noch ungewissen Zeitpunkt Gelder erwarten oder flüssig machen können und diese Mittel in der Folge zur Gutmachung des (bereits eingetretenen) Schadens verwendet, dann muß die Verfahrensrüge in jeder Beziehung versagen.

Hingegen kommt der Nichtigkeitsbeschwerde insoweit Berechtigung zu, als darin in Ausführung des weiters geltend gemachten Nichtigkeitsgrundes des § 281 Abs. 1 Z 9 lit. b StPO behauptet wird, daß in bezug auf die im Punkt 1 des Schuldspruches beschriebene Tat der Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue vorliege, weil der Angeklagte, bevor die Behörde von seinem bezüglichen Verschulden erfahren hatte, durch sein Einverständnis zum Verkauf von Silbermünzen im Verkaufswert von 176.000 S freiwillig den ganzen aus dieser Tat entstandenen Schaden gutgemacht habe.

In diesem Zusammenhang wurde im Urteil zwar festgestellt, daß der Angeklagte zum Zeitpunkt seines Ausscheidens aus der B (nämlich im August 1980, als wegen der im Punkt 1 des Schuldspruchs bezeichneten Tat, die der Behörde damals gänzlich unbekannt war, noch keinerlei Gendarmerieerhebungen geführt wurden) in einem Safe Silbermünzen im Nominalwert von 180.000 bis 190.000 S verwahrt hatte, über die er frei verfügen konnte, daß der damalige Vorgesetzte des Angeklagten Dir. Alfred I zwecks Schadensabdeckung die Herausgabe dieser Münzen verlangte und daß sich der Angeklagte zu einem Verkauf, der in der Folge 176.000 S erbrachte (S. 177), auch sofort bereit erklärte (S 186), doch vermeinte das Erstgericht, daß dem Angeklagten ungeachtet dieser ersichtlich im Sinn des § 167 StGB rechtzeitigen und auch freiwilligen Vorgangsweise deshalb keine tätige Reue zuzubilligen sei, weil die B den Erlös aus dem Münzverkauf zur Abdeckung eines noch offenen älteren Personalkreditrestes und zur Finanzierung ihrer Zinsenansprüche verwenden 'mußte' (vgl. S 177 und 187). Demgegenüber ist jedoch mangels einer ausdrücklich dahin getroffenen Abrede, worauf eine geleistete Zahlung anzurechnen sei, bei Verbindlichkeiten aus verschiedenen deliktischen (und nicht deliktischen) Handlungen die - wie vorliegend - nicht auf einem einheitlichen Willensentschluß beruhen, die Schadensgutmachung im Zweifel in sinngemäßer Anwendung des § 1416 ABGB für die beschwerlichste Schuld, d.h. für jene Schuld anzunehmen, bei der tätige Reue möglich ist (vgl. EvBl. 1973/316; SSt.

46/60). Der Erlös aus dem erwähnten Münzverkauf wäre daher dem Angeklagten, der ihn (allgemein) zur Schadensabdeckung zur Verfügung gestellt hatte (S 186), richtigerweise mit strafaufhebender Wirkung auf den von ihm gemäß dem Punkt 1

des Schuldspruchs der B zugefügten Schaden von 150.000 S gutzubringen gewesen, weil nach Lage des Falles (nur) in bezug auf diese Tat tätige Reue möglich war.

Da der Angeklagte demnach in diesem Umfang (Punkt 1 des Schuldspruchs) wegen tätiger Reue jedenfalls freizusprechen ist, erübrigt es sich, auf die in der Beschwerde mit Beziehung auf den Nichtigkeitsgrund des Par 281 Abs. 1 Z 9 lit. a (richtig Z 10) StPO aufgeworfene Frage einzugehen, ob das bezügliche Tatverhalten rechtsrichtig allenfalls nicht als Betrug, sondern als Untreue zu werten gewesen wäre.

Die dem Angeklagten lt. Punkt 2 des Schuldspruchs angelastete Tat aber wurde vom Erstgericht entgegen der in der Beschwerde vertretenen Ansicht rechtlich zutreffend als Betrug (und nicht als Untreue) beurteilt. Denn der Angeklagte mißbrauchte hiebei weder eine ihm von Wilhelm J (dem Unterfertiger des zur Vernichtung bestimmten Abhebungsauftrages vom Konto des Friedrich E über 300.000

S) noch eine ihm von der B eingeräumte Befugnis, sondern er

veranlaßte einen Kassenbeamten der B, ihm einen Betrag von 300.000 S auszufolgen, indem er ihm den erwähnten (zur Vernichtung bestimmten, statt dessen jedoch vom Angeklagten behaltenen und im Datum verfälschten) Abhebungsauftrag vorlegte und auf diese Weise vortäuschte, Wilhelm J wolle im Juni 1980 (weitere) 300.000 S abheben.

Mithin war über die Nichtigkeitsbeschwerde wie aus dem Spruch ersichtlich zu erkennen.

Bei der infolge der Aufhebung des angefochtenen Urteils in einem Teil des Schuldspruches und im Strafausspruch notwendig gewordenen Neubemessung der Strafe wertete der Oberste Gerichtshof den zweifachen Angriff auf fremdes Vermögen und die Tatsache, daß der Angeklagte als Leiter einer Bankfiliale das in ihn gesetzte Vertrauen gröblich mißbrauchte, als erschwerend, wogegen der bisher ordentliche Lebenswandel (auch seit der letzten Tat - § 34 Z 2 und Z 18 StGB), die teilweise Wiedergutmachung des Schadens und das Geständnis als mildernd berücksichtigt wurden.

Eine einjährige Freiheitsstrafe erscheint somit schuldangemessen. Da der Angeklagte ein untadeliges Vorleben aufweist, einer geregelten Beschäftigung nachgeht, um die Tilgung seiner finanziellen Verbindlichkeiten bemüht ist und sich seit den nun schon mehr als drei Jahre zurückliegenden Tathandlungen wohlverhielt, ist anzunehmen, daß die Androhung des Vollzuges der Freiheitsstrafe ausreicht, ihn in Zukunft von der Begehung weiterer strafbarer Handlungen abzuhalten.

Auch Gründe der Generalprävention stehen - insbes. mit Rücksicht auf das längerfristige Wohlverhalten nach der Tat - einer bedingten Strafnachsicht nicht (mehr) entgegen.

Gemäß dem § 369 StPO konnte der Privatbeteiligten B - gegründet auf das Anerkenntnis des Angeklagten - ein Betrag von 300.000 S wieder zugesprochen werden. Hinsichtlich des Mehrbetrages von 150.000 S, welcher der Schadenssumme im Faktum 1 des angefochtenen Urteils entspricht, war allerdings mit Rücksicht auf das freisprechende Erkenntnis eine Verweisung auf den Zivilrechtsweg erforderlich. Nicht unerwähnt bleibe, daß der Angeklagte im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof zwar eine Bestätigung über die vollständige Begleichung seiner (deliktischen) Darlehensschuld gegenüber Kurt F vorlegte, doch konnte insoweit das erstgerichtliche Adhäsionserkenntnis schon deshalb nicht abgeändert werden, weil seine Anfechtung durch Berufung unterblieb. (Die einzige darauf beziehbare Passage in den Anträgen zur Nichtigkeitsbeschwerde ist nur als Hinweis auf die Rechtsfolge einer Urteilsaufhebung zu deuten.) Mit seiner durch die Strafneubemessung gegenstandslosen Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen. Die Kostenentscheidung stützt sich auf die angeführte Gesetzesstelle.

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