OGH 9Os143/83

OGH9Os143/8320.12.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 20. Dezember 1983 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Spies als Schriftführer in der Strafsache gegen Ferdinand A wegen des Verbrechens der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z. 3, Abs. 2 Z. 1 und 2 StGB und einer weiteren strafbaren Handlung über die von der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15. Dezember 1982, GZ. 3 a Vr 8579/82-40, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und die vom Angeklagten erhobene Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, nach Verlesung der Rechtsmittelschrift der Staatsanwaltschaft sowie nach Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Hauptmann, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Emmer-Reissig, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in seinem freisprechenden Teil sowie in seinem gesamten Strafausspruch aufgehoben und die Sache an das Erstgericht zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 1. August 1954 geborene beschäftigungslose Ferdinand A schuldig erkannt, seit Sommer 1981 in Wien unbefugt eine Faustfeuerwaffe, nämlich einen Revolver, besessen und hiedurch das Vergehen nach § 36 Abs. 1 lit. a WaffG. begangen zu haben. Hingegen wurde der Angeklagte von dem weiters wider ihn erhobenen Vorwurf, auch das Verbrechen der schweren Erpressung nach §§ 144 Abs. 1, 145 Abs. 1 Z. 1 (letzter Fall), Abs. 2 Z. 1 und 2

StGB begangen zu haben, gemäß § 259 Z. 3 StPO freigesprochen. Die Anklage hatte ihm diesbezüglich zur Last gelegt, in der Zeit von Frühjahr 1975 bis 3. August 1982 in Wien mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten des Genötigten unrechtmäßig zu bereichern, den Religionsprofessor Dr. Franz B, einen römisch-katholischen Geistlichen, durch die Ankündigung, seine früheren gleichgeschlechtlichen Beziehungen zum Angeklagten der Öffentlichkeit bekanntzugeben und ihn dadurch unmöglich zu machen, sohin durch (gefährliche) Drohung mit der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung, zu überweisungen von Geldbeträgen in der Gesamthöhe von 856.000 S, die Dr. Franz B am Vermögen schädigten, genötigt zu haben, wobei er die Erpressung gewerbsmäßig verübte und gegen den Genannten längere Zeit hindurch fortsetzte. Laut den diesem Freispruch zugrundeliegenden Tatsachenfeststellungen kam es im Jahre 1974 in Wien und anläßlich eines gemeinsamen Urlaubs am Mondsee zwischen dem Angeklagten und Dr. B zu gleichgeschlechtlichen Handlungen. Bei weiteren Begegnungen, die zwischen den Genannten wiederholt in Wien jeweils nach fernmündlich getroffener Vereinbarung stattfanden, wurden die homosexuellen Beziehungen nicht wieder aufgenommen. Der Angeklagte erbat jedoch von Dr. B wiederholt finanzielle Unterstützungen in beträchtlicher Höhe, welche Ersuchen er nachdrücklich damit unterstrich, daß er dem Geistlichen für den Fall der Weigerung die Bekanntgabe seiner homosexuellen Veranlagung in der Öffentlichkeit in Aussicht stellte.

Der im Lehrberuf tätige Dr. B fürchtete, daß der Angeklagte diese Ankündigungen wahrmachen werde und stellte ihm mehrmals hohe Geldbeträge zur Verfügung: Insbesondere überwies er im Jahre 1975 einen Betrag von 50.000 S an den Angeklagten (der telefonisch 400.000 S verlangt hatte), bezahlte in den folgenden Jahren u.a. 210.000 S für Reisen des Angeklagten und überwies 90.000 S bis 100.000 S an dessen Freundin. Für den Fall der Verweigerung dieser Beträge hatte der Angeklagte Dr. B mit der 'Veröffentlichung' ihrer Beziehung gedroht, ohne konkrete Angaben über die Form der Bekanntgabe zu machen. Dr. B seinerseits hat zwar spätestens im Jahre 1975 erkannt, daß der Angeklagte ihn wegen seiner Veranlagung als Geldquelle benützte, hat aber die Kontakte trotzdem nicht abgebrochen und nie 'etwas Zielführendes gegen die Forderungen des Angeklagten unternommen'.

Aus diesen Feststellungen folgerte das Erstgericht (in tatsächlicher Hinsicht), daß die Befürchtungen des vom Angeklagten bedrohten Dr. B hinsichtlich der Bekanntgabe seiner homosexuellen Veranlagung in der Öffentlichkeit nicht alleinige Ursache für die Hingabe derart hoher Beträge durch einen so langen Zeitraum gewesen sein könnten; in rechtlicher Hinsicht verneinte es die Eignung der Drohung, dem Bedrohten angesichts seiner Intelligenz und Lebenserfahrung sowie des Unterbleibens homosexueller Kontakte nach dem Jahre 1974 'derartige Besorgnisse durch einen langen Zeitraum einzuflößen, welche die wirtschaftliche Existenz zur Gänze erschütterten'.

Rechtliche Beurteilung

Gegen diesen Teilfreispruch richtet sich die auf den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft, welcher Berechtigung zukommt.

Der Anklagebehörde ist darin beizupflichten, daß vom Erstgericht die Rechtsfrage, ob die gegenständliche Drohung mit einer Verletzung an der Ehre geeignet war, dem Bedrohten mit Rücksicht auf die Verhältnisse und seine persönliche Beschaffenheit oder die Wichtigkeit des angedrohten übels gegründete Besorgnisse einzuflößen (§ 74 Z. 5 StGB), unrichtig gelöst worden ist. Bei Beurteilung dieser Eignung ist ein Durchschnittsmaßstab anzulegen: Es kommt darauf an, ob der Bedrohte bei unbefangener Betrachtung der Situation den Eindruck gewinnen konnte, der Täter sei in der Lage und willens, das angedrohte übel tatsächlich herbeizuführen (Leukauf-Steininger 2 RN 18 zu § 74

StGB). Unter diesem Gesichtspunkt erscheint aber die öffentliche Bekanntgabe der homosexuellen Veranlagung eines (noch dazu im Lehrberufe stehenden) römisch-katholischen Geistlichen objektiv geeignet, dessen Wertschätzung in den Augen des für ihn maßgeblichen Personenkreises erheblich herabzusetzen, mag auch die letzte nachweisbare gleichgeschlechtliche Betätigung bereits Jahre zurückliegen. Der gegenständlichen Drohung, insbesondere der Ankündigung, den Bedrohten 'unmöglich zu machen', kann auch von einem durchschnittlich besonnenen (weder besonders ängstlichen noch außergewähnlich mutigen) Angehörigen des erwähnten Standes die ernstzunehmende Absicht des Täters entnommen werden, die Wertschätzung des Betreffenden in der sozialen Umwelt völlig zu zerstören, mithin dessen gesellschaftliche Stellung zu vernichten. Ob die angedrohte Bloßstellung zudem wirtschaftliche Beeinträchtigungen befürchten ließ, die bis zur Vernichtung der wirtschaftlichen Existenz des Bedrohten zu führen geeignet waren, bleibt - der Ansicht des Erstgerichtes zuwider - sowohl für die Eignung der erpresserischen Drohung im Sinne des Grundtatbestandes (§§ 144 Abs. 1, 74 Z. 5 StGB) als auch für die Qualifikation nach § 145 Abs. 1 Z. 1 letztemFall StGB ohne Belang. Bejahendenfalls träte nur noch ein weiterer Qualifikationsumstand (§ 145 Abs. 1 Z. 1 vorletzterFall StGB) hinzu, der allerdings schon von der Anklagebehörde gar nicht angenommen worden ist.

Bedeutungslos erscheint in diesem Zusammenhang auch, ob die Furcht des bedrohten Geistlichen vor der Verwirklichung der Ankündigung alleinige Ursache seiner Zuwendungen an den Angeklagten gewesen ist:

Wie schon oben ausgeführt wurde, kommt es bei Beurteilung der Eignung einer Drohung im Sinne des § 74 Z. 5 StGB auf die bei Anlegung eines Durchschnittsmaßstabes zu erwartende, nicht aber auf die vom Bedrohten tatsächlich gesetzte Reaktion, ja nicht einmal darauf an, ob bei jenem wirklich Besorgnis erweckt worden ist (vgl. Leukauf-Steininger a.a.0.

und die dort angeführte Rechtsprechung). Ist diese Eignung objektiv gegeben, und bleibt der vom Erpresser angestrebte Erfolg dennoch aus, oder tritt er lediglich aus anderer, mit der Tat in keinem Zusammenhang stehender Ursache ein, dann bleibt die Tat als versuchte Erpresssung strafbar. Im übrigen genügt es aber nach der herrschenden öquivalenztheorie für die Annahme eines Kausalzusammenhanges zwischen Täterverhalten und Erfolg, wenn die Tat für den Erfolgseintritt mitursächlich (im Sinne einer conditio sine qua non) gewesen ist; daß sie die einzige Ursache war, wird - der vom Erstgericht ersichtlich vertretenen Auffassung zuwider - nicht vorausgesetzt.

Da das Erstgericht in Verkennung dieser Rechtslage den Tatbestand der schweren Erpressung schon in objektiver Richtung als nicht erfüllt angesehen hat, hat es von entsprechenden Sachverhaltsfeststellungen zur subjektiven Tatseite überhaupt Abstand genommen. Wegen dieses (Nichtigkeit im Sinne des Par 281 Abs. 1 Z. 9 lit. a StPO bewirkenden) Feststellungsmangels ist die Anordnung eines zweiten Rechtsganges unvermeidlich, in dem Konstatierungen nachzuholen sein werden, welche die Beurteilung zulassen, ob der (wenigstens bedingte) Vorsatz des Angeklagten auch die Eignung der Drohung, Dr. B mit Rücksicht auf die Verhältnisse und dessen persönliche Beschaffenheit sowie die Wichtigkeit der angedrohten Verletzung an der Ehre begründete Besorgnisse einzuflößen, eine Schädigung des Genannten am Vermögen durch die ihm solcherart aufgezwungenen Handlungen und in Verbindung damit eine unrechtmäßige Bereicherung des Angeklagten umfaßt hat; bejahendenfalls wird überdies festzustellen sein, ob der Angeklagte auch die Eignung seiner Drohung, als Ankündigung der Vernichtung der gesellschaftlichen Stellung ernstgenommen zu werden, sowie die Fortsetzung der Erpressung gegen Dr. B durch längere Zeit in seinen Vorsatz aufgenommen hat, und ob er in der Absicht (§§ 5 Abs. 2, 70, 145 Abs. 2 Z. 1 StGB) gehandelt hat, sich durch wiederkehrende Begehung von erpresserischen Handlungen eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen.

Nach dem Gesagten war mithin der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft Folge zu geben und spruchgemäß zu erkennen. Im zweiten Rechtsgang wird auch zu beachten sein, daß der Angeklagte die zweite ihm gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB anzurechnende Vorhaft nicht erst seit 25., sondern bereits seit 15. August 1982, 8.00 Uhr, erlitten hat (S. 140 unten). Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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