OGH 12Os100/83

OGH12Os100/8310.11.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 10.November 1983

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon.Prof.

Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. von der Thannen als Schriftführer in der Strafsache gegen Gerald A und andere wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 1, 128

Abs. 1 Z. 4, 129 Z. 1, 2, 3 und 15 StGB. sowie anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten Ernst Herbert B gegen das Urteil des Kreisgerichtes Wels als Schöffengericht (in Jugendstrafsachen) vom 18.Mai 1983, GZ. 15 Vr 1986/82-81, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Lachner, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Mondel und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs. 1 StPO. wird das angefochtene Urteil dahin ergänzt, daß dem Angeklagten die in der Zeit vom 22.November 1982, 11,45 Uhr, bis 17,15 Uhr des genannten Tages erlittene Vorhaft gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1

StGB. auf die Strafe angerechnet wird.

Gemäß § 390 a StPO. fallen ihm auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen Teilfreispruch umfassenden) Urteil wurde (neben anderen Angeklagten) der am 14.Mai 1965 geborene Kellnerlehrling Ernst Herbert B außer anderen strafbaren Handlungen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 2, 84 Abs. 1 StGB. (Punkt J des Urteilssatzes) schuldig erkannt, weil er am 24.März 1983 in Wels Peter C vorsätzlich am Körper mißhandelte und dadurch verletzte, daß er ihm eine Ohrfeige und zwei Fußtritte versetzte sowie ihn mit beiden Händen mit voller Wucht wegstieß, wobei die Tat eine schwere Verletzung und zwar einen offenen Unterschenkelbruch rechts, verbunden mit einer mehr als 24 Tage dauernden Gesundheitsschädigung, zur Folge gehabt hatte. Der Angeklagte bekämpft das Urteil lediglich im bezeichneten Schuldspruch mit einer auf die Z. 9 lit. a des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Das Erstgericht stellte hiezu im wesentlichen fest, daß der Angeklagte am 24.März 1983 gegen 20,30 Uhr auf dem Parkplatz vor dem 'X' in Wels zunächst dem Bernhard D eine Ohrfeige gab und sodann, als er von Peter C aufgefordert wurde, aufzuhören, diesem mit Mißhandlungsvorsatz mehrere Tritte gegen die Unterschenkel, eine Ohrfeige und schließlich mit beiden Händen einen Stoß versetzte, wodurch es C, der gerade den rechten Fuß belastet hatte, seitlich drehte, sodaß er einen offenen Drehbruch des Schien- und Wadenbeines erlitt (S. 101 ff./IV).

Der Beschwerdeführer rügt, daß ihm das Erstgericht die schwere Tatfolge zugerechnet habe, ohne die Frage der Fahrlässigkeit (§ 7 Abs. 2 StGB.) zu prüfen. Eine solche müsse, zumal das Urteil keine Feststellungen darüber enthalte, ob er subjektiv und objektiv in der Lage war, die Möglichkeit des inkriminierten Erfolgseintritts zu erkennen, vor allem deshalb verneint werden, weil die schwere Verletzung 'offensichtlich auf Grund einer Verkettung von unglücklichen Umständen' eingetreten sei und er jedenfalls nicht vorhersehen konnte, daß der Peter C versetzte (keineswegs heftige) Stoß zu einem Drehbruch führen werde.

Rechtliche Beurteilung

Entgegen der vom Beschwerdeführer vertretenen Ansicht reichen jedoch die Urteilsfeststellungen zur Beantwortung der (vom Erstgericht richtig - vgl. S. 107/IV - gelösten) Rechtsfrage, ob dem Beschwerdeführer in Ansehung der ihm zugerechneten Tatfolge Fahrlässigkeit zur Last fällt, aus.

Da die Grundtat die (objektive und subjektive) Sorgfaltswidrigkeit in bezug auf die qualifizierende Tatfolge grundsätzlich bereits in sich trägt (vgl. Burgstaller im WK., § 7 Rz. 20; Leukauf-Steininger, Komm.2 § 7 RN. 32; Kienapfel BT I RN. 335), läuft die Fahrlässigkeitsprüfung bei der vorliegenden Fallgestaltung auf die Frage hinaus, ob der Beschwerdeführer den schweren Verletzungserfolg vorhersehen konnte. Insoweit ist aber davon auszugehen, daß für den Täter ein (qualifizierender) Erfolg jedenfalls dann voraussehbar und ihm deshalb (auch subjektiv) zuzurechnen ist, wenn dieser Erfolg nach den Erfahrungen des täglichen Lebens eintreten konnte, mithin nicht atypisch (oder doch wenigstens nicht ganz außergewöhnlich und deshalb außerhalb der menschlichen Erwartung gelegen), sondern dem Tatverhalten 'adäquat' war und daher innerhalb des vom Täter durch die Tatverübung eingegangenen Gefahrenrisikos lag. Nicht erforderlich ist hingegen, daß der Täter auch alle Einzelheiten des Kausalablaufs und des Erfolgseintritts vorauszusehen vermochte. Vielmehr genügt die Vorhersehbarkeit eines solchen Verlaufes im allgemeinen (vgl. SSt. 47/58; 13 Os 136/80, 13 Os 196/81 u.a.). Im vorliegenden Fall hat der Angeklagte nach den Urteilskonstatierungen, an denen bei Prüfung der Rechtsrüge festgehalten werden muß, seinem Opfer u.a. mit voller Wucht (vgl. S. 42/IV) einen (also keineswegs leichten) Stoß versetzt, wodurch der Körper des Peter C - dessen rechter Fuß zu diesem Zeitpunkt belastet war und durch die Reibung der Gummisohle des Schuhs nicht entsprechend mitdrehen konnte (S. 104/IV) - eine derart starke Verdrehung erfuhr, daß der bezeichnete Drehbruch des rechten Unterschenkels entstand (S. 102/IV).

Daß aber ein derartheftiger, mit weiteren Mißhandlungen (Ohrfeigen, Fußtritte) einhergehender Stoß die Gefahr in sich birgt, daß das Opfer - sei es durch Sturz, sei es (wie hier) durch die starke seitliche Verdrehung -

schwere Verletzungen (insbesondere Knochenbrüche) erleiden könne, ist für jedermann und daher auch für den Beschwerdeführer einsehbar. Die eingetretene (Verletzungs-) Folge war weder atypisch, noch bieten die Verfahrensergebnisse Anhaltspunkte dafür, daß der Angeklagte nach seinen individuellen (geistigen) Fähigkeiten - Mängel im emotionellen Bereich (etwa in Form besonderer Aggressivität) müssen hiebei außer Betracht bleiben (vgl. RZ. 1983/48) - nicht in der Lage gewesen wäre, die Tatfolge bzw. ihre Herbeiführung in einer den Anforderungen des Adäquanz- und Risikozusammenhanges entsprechenden Weise vorherzusehen. Der durch die Tat konkret verursachte Erfolg kann vielmehr nach allgemeiner Lebenserfahrung weder als geradezu außergewöhnlich, noch außerhalb jeder menschlichen Erwartung gelegen bezeichnet werden. Da dem erstgerichtlichen Urteil demnach ein Feststellungsmangel auch in diesem Zusammenhang nicht anhaftet, war die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.

Aus deren Anlaß hat sich der Oberste Gerichtshof davon überzeugt, daß das angefochtene Urteil zum Nachteil des Angeklagten mit einer (von diesem nicht geltend gemachten) materiellrechtlichen Nichtigkeit nach § 281 Abs. 1 Z. 11 StPO. behaftet ist, weil er während der im Spruch angeführten Zeit in Verwahrungshaft angehalten worden war (vgl. S. 43, 48 in Bd. II).

Das Urteil war daher durch Anrechnung dieser Vorhaft (gemäß § 38 Abs. 1 Z. 1 StGB.) wie aus dem Spruch ersichtlich zu ergänzen.

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