OGH 9Os142/83

OGH9Os142/8325.10.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 25. Oktober 1983

unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hirnschall als Schriftführerin in der Strafsache gegen Franz A wegen des Vergehens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 4

StGB. über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 14. Juli 1983, GZ 8 Vr 2176/83-12, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Cyganek und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Erster Generalanwalt Dr. Nurscher, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Gemäß § 290 Abs 1 StPO. wird jedoch aus deren Anlaß das angefochtene Urteil, das in seinem Schuldspruch zu den Punkten 1. und 2. des Urteilssatzes unberührt bleibt, in der rechtlichen Beurteilung der dem Angeklagten zur Last liegenden Diebstahlstaten als Vergehen des schweren Diebstahls und als Verbrechen des versuchten Diebstahls durch Einbruch sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und im Umfang der Aufhebung gemäß § 288 Abs 2 Z. 3

StPO. in der Sache selbst erkannt:

Franz A hat durch das nach dem unberührt gebliebenen Schuldspruch zu den Punkten 1. und 2. des Ersturteils festgestellte Verhalten das Verbrechen des teils versuchten, teils vollendeten schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, Abs 2 Z. 3, 128 Abs 1 Z. 4, 129 Z. 1 und § 15 StGB. begangen und wird hiefür nach § 129 StGB. zu einer Freiheitsstrafe von 18 (achtzehn) Monaten verurteilt. Die Aussprüche über die Verpflichtung zum Kostenersatz, die Anrechnung der Vorhaft und die Verweisung des Privatbeteiligten Rupert B mit seinen Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg werden aus dem Ersturteil übernommen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 19. Jänner 1942 geborene beschäftigungslose Franz A 'des Vergehens des schweren Diebstahls nach den §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 4 StGB. und des Verbrechens des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach den §§ 15, 127 Abs 1, Abs 2 Z. 3, 129 Z. 1 StGB.'

schuldig erkannt (Punkte 1. und 2. des Urteils). Darnach hat er in Graz fremde bewegliche Sachen 1. am 14. Juni 1983 in einem 5.000 S übersteigenden Wert dem Rupert B mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, weggenommen, und zwar eine blaue Jeanshose, ein Paar Sportschuhe, ein Gasfeuerzeug der Marke Cartier, eine Herrenarmbanduhr, ein Armband aus Gold, sowie zwei Halsketten aus Gold in einem nicht näher bekannten, etwa 15.000 S betragenden Gesamtwert;

2. am 19. Juni 1983 eine Gürtelkette aus Messing im Wert von 500 S durch Einbruch in ein Gebäude, nämlich durch Aufdrücken eines Fensterflügels und Einsteigen in ein Wirtschaftsgebäude unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit geschaffen worden ist, seinem Dienstgeber Georg C mit dem Vorsatz, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, wegzunehmen versucht, wobei die Vollendung der Tat nur unterblieben ist, weil er bei der Tatausführung betreten wurde.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch - der Sache nach freilich nur seinen Punkt 1. - bekämpft Franz A mit einer auf die Gründe des § 281 Abs 1 Z. 4 und 5 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Zum erstgenannten Nichtigkeitsgrund führt er aus, der fundamentale Grundsatz der Erforschung der materiellen Wahrheit sei in einer Weise verletzt worden, die seine Verteidigungsrechte beeinträchtige. Das Schöffengericht hätte nämlich prüfen müssen, ob dem Beschwerdeführer die weißen Schuhe und die Jeanshose, deren Diebstahl ihm angelastet wird, überhaupt gepaßt hätten; dies hätte durch Befragung des Zeugen B ebenso geklärt werden müssen wie der gegen die Annahme eines Diebstahls durch den Beschwerdeführer sprechende Umstand, daß B den Beschwerdeführer schon längere Zeit, zuletzt auch dem Namen nach gekannt habe; schließlich wäre der Zeuge auch noch über die Sperrverhältnisse an seiner Wohnung und den Aufbewahrungsort der verschwundenen Kleidungsstücke zu befragen gewesen; auch hätte durch Vernehmung einer Kellnerin des Lokals, in dem der Beschwerdeführer und der Zeuge B zusammengetroffen seien, geklärt werden müssen, welche Kleidung der Beschwerdeführer am Abend vor der Tat getragen habe.

All dieses Vorbringen geht allerdings deshalb fehl, weil der Beschwerdeführer schon aus formellen Gründen zur Geltendmachung des angerufenen Nichtigkeitsgrundes nicht berechtigt ist. Voraussetzung hiefür wäre nämlich, daß über einen in der Hauptverhandlung gestellten Antrag des Beschwerdeführers nicht oder abschlägig entschieden worden wäre. Nun hat der Beschwerdeführer, der in der Hauptverhandlung anwaltlich vertreten war, überhaupt keine Beweisanträge gestellt (S. 60), sodaß es an einer essentiellen Voraussetzung für die Geltendmachung eines Verfahrensmangels im Sinne der Z. 4 des § 281 Abs 1 StPO.

fehlt. Im übrigen wäre es dem Beschwerdeführer oder seinem Vertreter freigestanden, die nunmehr für verfahrenswesentlich erachteten Fragen an den in der Hauptverhandlung vernommenen Zeugen Rupert B zu stellen.

Dies ist jedoch gleichfalls nicht geschehen.

Als Begründungsmangel im Sinn der Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO. macht die Beschwerde geltend, das Schöffengericht habe seinen Schuldspruch darauf gestützt, daß der Zeuge B den Angeklagten als Täter vermute, ohne sich jedoch damit auseinanderzusetzen, ob B diese Vermutung wohl auch begründen könne. Der Zeuge Georg C, bei dem der Beschwerdeführer am Tag nach der ihm angelasteten Tat beschäftigt gewesen sei, habe die gestohlenen Kleider beim Angeklagten nicht wahrgenommen, was dafür spreche, daß der Angeklagte auch die Wertgegenstände nicht gestohlen habe, zumal das Schöffengericht davon ausgehe, daß ein- und derselbe Dieb sämtliche Gegenstände an sich gebracht habe.

Mit diesen Ausführungen wird jedoch lediglich in unzulässiger und damit unbeachtlicher Weise die freie Beweiswürdigung des Schöffengerichtes (§ 258 Abs 2 StPO.) bekämpft. Das Schöffengericht hat den bezüglichen Schuldspruch lebensnah und im Akteninhalt gedeckt mit dem Hinweis auf die den Angeklagten belastende Aussage des Zeugen B begründet, wobei es noch auf die Tatsache verwies, daß auch nach der Verantwortung des Angeklagten dieser die Nacht in der Wohnung des Zeugen B verbracht hat (S. 67). Einen formellen Begründungsmangel vermag der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang nicht darzutun.

Der Zeuge Georg C, auf dessen Areal der Angeklagte rund 5 Tage nach der Tat zum Nachteil des Rupert B gestellt und festgenommen wurde, hat vor der Polizei (S. 12/13) keinerlei Angaben über die Bekleidung des Beschwerdeführers gemacht, die Schlußfolgerungen darauf zulassen würden, ob er Sachen getragen hat, die aus dem Diebstahl bei Rupert B stammten. Das Gericht mußte sich daher mit seiner für den Diebstahl bei B nicht erheblichen Aussage nicht weiter auseinanderzusetzen. Soweit das bezügliche Vorbringen aber dahin zu verstehen sein sollte, daß der Beschwerdeführer eine ergänzende (gerichtliche) Vernehmung des Zeugen Georg C für nötig erachtet, macht er damit keinen Begründungsmangel, sondern erneut den Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z. 4 StPO. geltend, wofür es ihm mangels entsprechender Antragstellung in der Hauptverhandlung an der prozessualen Legitimation fehlt.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Aus deren Anlaß hat sich der Oberste Gerichtshof jedoch davon überzeugt, daß das Urteil an einer nicht geltend gemachten Nichtigkeit im Sinn der Z. 10 des § 281 Abs 1 StPO. leidet, die sich für den Angeklagten (bei der Strafzumessung) nachteilig ausgewirkt haben kann und deshalb gemäß § 290 Abs 1 StPO. von Amts wegen aufzugreifen war.

Das Schöffengericht hat nämlich die beiden Diebstähle, die dem Angeklagten zur Last liegen, als Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 4 StGB.

(Punkt 1. des Urteils) und als Verbrechen des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs 1, Abs 2 Z. 3, 129 Z. 1 StGB. (Punkt 2. des Urteils) beurteilt. Zufolge der Bestimmung des § 29 StGB. sind jedoch u.a. in einem Verfahren demselben Täter angelastete Diebstähle, mögen sie auch weder örtlich noch zeitlich zusammenhängen und jeder für sich rechtlich verschiedener Art sein, bei ihrer rechtlichen Beurteilung zu einer Einheit zusammenfassen (ÖJZ-LSK 1978/58 und § 29 StGB.). Nach diesem Zusammenrechnungsprinzip, das die Selbständigkeit der einzelnen Straftaten nicht berührt, bestimmt sich die maßgebende Strafdrohung (ÖJZ-LSK 1976/377 zu § 29 StGB.), sodaß die genannte Bestimmung eine Strafvorschrift für den Bereich gleichartiger Realkokurrenz wert- oder schadensqualifizierter Delikte darstellt (ÖJZ-LSK 1978/56 zu § 29

StGB.). Daran ändert auch die Tatsache nichts, daß eine qualifikationsbegründende Zusammenrechnung nur innerhalb eines und desselben Urteils stattfinden darf (ÖJZ-LSK

1977/259 zu § 29 StGB.; EvBl 1983/78).

Im Hinblick auf den klaren Wortlaut des Gesetzes und die einheitliche Judikatur ist somit das Schöffengericht einem Rechtsirrtum unterlegen, wenn es die dem Angeklagten zur Last liegenden beiden Diebstähle sowohl als Vergehen des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z. 4 StGB. (Punkt 1. des Urteils) als auch als Verbrechen des versuchten Diebstahls durch Einbruch nach §§ 15, 127 Abs 1, Abs 2 Z. 3, 129 Z. 1 StGB. (Faktum 2.) beurteilte.

Dieser Rechtsirrtum war gemäß § 290 Abs 1 StPO. zu korrigieren. Bei der hiedurch erforderlich gewordenen Neubemessung der verwirkten Strafe wertete der Oberste Gerichtshof als erschwerend die zahlreichen einschlägigen Vorstrafen des Angeklagten, den raschen Rückfall, die Wiederholung der diebischen Angriffe und die mehrfache Qualifikation des Diebstahls, als mildernd hingegen das Geständnis in Ansehung des versuchten Diebstahls zum Nachteil des Georg C und den Umstand, daß es in diesem Fall beim Versuch geblieben ist. Ausgehend von diesen Strafzumessungsgründen und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung erschien eine Freiheitsstrafe in dem aus dem Spruch ersichtlichen Ausmaß als tatschuldangemessen und täterpersönlichkeitsgerecht, wobei zu Lasten des Angeklagten vor allem ins Gewicht fiel, daß er trotz mehrfacher Abstrafungen wegen Eigentumsdelikten abermals sehr rasch rückfällig geworden ist.

Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf die getroffene Entscheidung zu verweisen.

Die Kostenentscheidung fußt auf der bezogenen Gesetzesstelle.

Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)

Stichworte