Spruch:
Dem Revisionsrekurs wird Folge gegeben.
Der angefochtene Beschluss des Rekursgerichtes wird dahin abgeändert, dass der erstgerichtliche Beschluss wiederhergestellt wird.
Text
Begründung
Die Antragsteller, die Antragsgegnerin und die übrigen am Verfahren beteiligten Personen sind Miteigentümer der Liegenschaft EZ *****, auf der sich eine Wohnhausanlage ***** befindet. Mit den Miteigentumsanteilen der Antragsteller ist das Wohnungseigentum an der Wohnung Nr. 1 Stiege I (Zweitantragstellerin) und der Wohnung Nr. 2 Stiege I (Erstantragsteller) und mit jenen der Antragsgegnerin Christine T***** das Wohnungseigentum am Keller Stiege I und dem Geschäft Erdgeschoss I Stiege I untrennbar verbunden. Die Antragsteller begehrten die Feststellung, der Erstantragsteller sei berechtigt, an der Außenseite des Hauses Wien ***** "im Bereich des über dem Geschäftslokal der Antragsgegnerin befindlichen Fassadenteiles eine Hinweistafel mit der Aufschrift 'Röntgen' anzubringen, bzw die erfolgte Anbringung zu belassen; sowie der Antragsgegnerin aufzutragen, diese Änderung zu dulden". Zur Begründung dieses Antrages führte Dr. Franz K***** aus, er habe an der Außenfassade des Hauses ***** eine Hinweistafel für seine Ordination angebracht, weil die bisher angebrachte Tafel von der Mieterin der Antragsgegnerin durch Aufstellen von Waschtrommeln und Körben öfters verstellt worden und damit nicht mehr sichtbar gewesen sei. Dadurch sei sein Ordinationsbetrieb gestört worden. Die Neuanbringung der Tafel sei für die des öfteren intervenierende Rettung bzw Sanität und für seine Patienten notwendig. Da durch die Anbringung der Tafel weder schutzwürdige Interessen der Antragsgegenerin oder anderer Miteigentümer noch die äußere Erscheinung des Hauses beeinträchtigt würden und die Anbringung der Tafel der Übung des redlichen Verkehrs entspreche und seinen wichtigen Interessen zur reibungslosen Durchführung seines Ordinationsbetriebes diente, sei er zur Anbringung der Hinweistafel berechtigt gewesen.
Christine T***** bestritt ein berechtigtes Interesse des Erstantragstellers an der Anbringung des Schildes, weil an der Außenfassade ohnedies bereits ein gut leserliches Schild angebracht sei und sprach sich gegen den Antrag aus. Im Übrigen habe der Antragsteller rechtswirksam den Rechtsvorgängern der Antragsgegnerin gegenüber auf die Ausnutzung der Außenseite seines Balkones verzichtet. Demgegenüber brachte der Erstantragsteller ergänzend vor, dass er wohl Alfred F*****, dem Voreigentümer der Antragsgegnerin, das Recht eingeräumt habe, die Balkonaußenseite ohne Entschädigung für Werbezwecke zu verwenden, nicht aber auf die Anbringung irgendeines Plakates verzichtet habe. Im Übrigen sei Alfred F***** verstorben und damit dessen persönliches Recht erloschen. Das Erstgericht sprach aus, dass die Antragsteller berechtigt seien, an der Außenseite des Hauses *****, und zwar im Bereich des über dem Geschäftslokal der Wohnungseigentümerin Christine T***** befindlichen Fassadenteiles (Außenseite des zur Wohnung des Erstantragstellers gehörenden Balkones) eine Hinweistafel mit der Aufschrift "Röntgen" zu belassen bzw eine derartige Tafel anzubringen, die Antragsgegner seien verpflichtet, diese Hinweistafel zu dulden.
Abgesehen von dem bereits wiedergegebenen Sachverhalt traf das Erstgericht im Wesentlichen folgende Feststellungen:
Die Ordination wurde vom Erstantragsteller und seiner Gattin vor ca 20 Jahren gekauft. Zuerst sollte es eine Ordination mit einem Eingang in der ***** sein. Infolge eines Irrtums des Realitätenbüros wurde jedoch diese zunächst angekaufte Wohnung neuerlich verkauft, sodass die Antragsteller eine Wohnung mit Eingang ***** kauften. Wegen dieses Irrtums wurde den Antragstellern vom Verkäufer Alfred F*****, das Recht eingeräumt, so viele Hinweistafeln anzubringen, als sie nur wollten, weil der Ordinationseingang wegen des Einganges ***** von den Patienten nicht mehr so leicht zu finden war, wie es bei einem Ordinationseingang in der ***** der Fall gewesen wäre. Es wurde dann ein Schild neben dem nunmehrigen Eingang der V***** (Geschäftslokal der Christine T*****) angebracht und ein zweites Schild direkt beim Eingang in der *****. Mit der neben dem Eingang der V***** angebrachten Hinweistafel gab es jedoch immer Schwierigkeiten. Zum Teil war diese Tafel verstellt, zum Teil fehlte sie überhaupt, teils war sie in der ***** falsch montiert, teilweise stand sie im Schaufenster der V*****. Es kam daher zu vielen Beschwerden der Patienten und auch der Rettung, die die Ordination nicht sofort fanden. Einmal gab es in der Ordination einen schwerwiegenden Kontrastmittel- Zwischenfall, wobei die Rettung etwa 20 Minuten lang den Eingang in die Ordination suchte. Aus diesem Grund sahen sich die Antragsteller Veranlasst, im Mai 1981 auf der Außenseite des Balkones, der zu der Ordination führt, ein Hinweisschild anzubringen; dieses trägt die Aufschrift "Röntgen". Durch dieses Schild wird keine Aufschrift der V***** verdeckt. Vor der Montage dieses Schildes war die V*****, die Mieterin der Christine T*****, mehrmals darauf angesprochen worden, dass das neben dem Eingang zur Drogerie montierte Schild nicht verstellt oder weggenommen werden dürfe und auch von der Anbringung des neuen Schildes verständigt worden. Dem Voreigentümer des Geschäftslokales der Christine T*****, Alfred F*****, hatten die Antragsteller erlaubt, die Balkonaußenseite ohne Entschädigung für Werbezwecke zu benützen. Dies deshalb, weil Alfred F***** sein Geschäft an eine Elektrofirma vermietet hatte und diese Firma dort ein Schild montieren wollte. Es gab jedoch Schwierigkeiten, vor allem deshalb, weil diese Schilder durch den Balkon repariert werden mussten. Als der Mieter dann auszog, wurden die Schilder auch abmontiert.
Bei der rechtlichen Beurteilung dieses Sachverhaltes ging das Erstgericht davon aus, dass Anträge auf Duldung oder Unterlassung von Änderungen gemäß § 13 WEG 1975 im Verfahren außer Streitsachen durchzuführen seien. In diesem Verfahren sei lediglich zu prüfen, ob für das Anbringen der Hinweistafel die im § 13 WEG geforderten Voraussetzungen vorlägen. Verträge mit einzelnen Wohnungseigentümern seien in diesem Verfahren nicht zu prüfen. Eine Hinweistafel auf eine Ordination entspreche der Übung des redlichen Verkehrs, wobei auch Tafeln in solcher Höhe des öfteren angebracht seien. Dies zeige sich schon darin, dass die Mieterin der Antragsgegnerin, die im Übrigen als einzige das Recht zur Anbringung der Tafel bestritten habe, ein wesentlich größeres beleuchtetes Reklameschild in fast der gleichen Höhe angebracht gehabt habe. Darüber hinaus hätten die Antragsteller ein berechtigtes Interesse an der Anbringung dieser Tafel, weil eine Ordination leicht zu finden sein müsse und gerade durch die Mieterin der Christine T***** öfters verhindert worden sei, dass Patienten und die Rettung die Ordination gefunden hätten. Schutzwürdige Interessen der Wohnungseigentümer würden durch die Anbringung der Tafel nicht berührt. Auch eine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses sei nicht gegeben, weil ja bereits andere Schilder vorhanden seien und diese Schilder so üblich seien, dass von einer Beeinträchtigung nicht gesprochen werden könne. Auch eine Gefahr für die Sicherheit von Personen oder anderer Sachen sei nicht nachgewiesen worden. Die Antragsteller seien daher berechtigt, dieses Schild an der Außenseite ihres Balkons anzubringen; die übrigen Wohnungseigentümer seien damit verpflichtet, die Anbringung des Schildes zu dulden.
Das Gericht zweiter Instanz gab dem Rekurs der Christine T***** Folge und änderte den erstgerichtlichen Beschluss im Sinne der Abweisung des Antrages ab. Es billigte die Ansicht des Erstgerichtes über die Zulässigkeit der Erwirkung einer nachträglichen Genehmigung des Außerstreitrichters für die von einem Wohnungseigentümer eigenmächtig vorgenommenen Veränderungen. Gemäß § 13 Abs 2 Z 1 WEG sei der Wohnungseigentümer zu Änderungen an der im Wohnungseigentum stehenden Wohnung oder sonstigen Räumlichkeiten auf seine Kosten berechtigt, wenn die Änderung weder eine Schädigung des Hauses noch eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer, besonders auch keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses und auch keine Gefahr für die Sicherheit von Personen des Hauses oder von anderen Sachen zur Folge habe. Wenn für eine solche Änderung auch gemeinsame Teile der Liegenschaft in Anspruch genommen würden, so müsse die Änderung gemäß § 13 Abs 2 Z 2 WEG (die Anführung des § 19 beruht auf einem offensichtlichen Schreibfehler) überdies entweder der Übung des Verkehrs entsprechen oder einem wichtigen Interesse des Wohnungseigentümers dienen. Die Anbringung einer solchen Hinweistafel auf der Außenseite des Balkones, der zur Ordination des Erstantragstellers gehöre, entspreche jedenfalls nicht der Übung des Verkehrs. Die Hinweistafel diene auch nicht einem wichtigen Interesse des Erstantragstellers als Wohnungseigentümer. Denn sowohl beim Hauseingang *****, wie auch beim Eingang zum Geschäftslokal der V***** befinde sich eine auf die Ordination hinweisende Tafel. Dass diese Tafel gelegentlich verstellt, entfert oder auch wo anders aufgestellt worden sei, könne ein wichtiges Interesse nicht begründen, weil dem Erstantragsteller in einem solchen Fall der Rechtsweg zur Durchsetzung seines Anspruches auf Unterlassung (der Entfernung oder des Verstellens der Hinweistafel) offen stünde. Der Rekurs erweise sich daher als berechtigt. Gegen diesen Beschluss des Rekursgerichtes richtet sich der Revisionsrekurs des Erstantragstellers, der berechtigt ist.
Rechtliche Beurteilung
Die Bestimmung des § 13 Abs 2 Z 1 WEG zählt demonstrativ Kriterien auf, die eine Änderung unzulässig machen, gleichgültig, welche Teile der Liegenschaft davon nachteilig betroffen werden (vgl. Faistenberger-Barta-Call, 327; MietSlg 30.561/28; EvBl 1982/60). Aus dem Hinweis auf die Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen der anderen Miteigentümer ergibt sich, dass auf den Einzelfall abzustellen ist und alle hier in Betracht kommenden Umstände der Interessensbeeinträchtigung zu berücksichtigen sind, wobei es nicht nur auf die Interessenlage einzelner Miteigentümer untereinander, sondern auf die Benützungssituation der Gesamtliegenschaft ankommen kann (MietSlg 30.561/28; EvBl 1982/60). Im vorliegenden Fall hat lediglich eine Wohnungseigentümerin der vom Erstantragsteller vorgenommenen Änderung widersprochen. Christine T***** hat ihre diesbezügliche Haltung lediglich auf die Behauptung gestützt, dass dem Erstantragsteller ein berechtigtes Interesse an der Anbringung des Schildes fehle und sich auf eine vertragliche Vereinbarung zwischen dem Erstantragsteller und ihrem Rechtsvorgänger berufen. Dass mit der Anbringung des Schildes eine Schädigung des Hauses oder eine Beeinträchtigung schutzwürdiger Interessen anderer Miteigentümer etwa im Sinne einer Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses oder irgendeiner Gefahr verbunden wäre, wurde von ihr nicht behauptet und ist im Verfahren auch nicht hervorgekommen. Auch aus dem von Christine T***** behaupteten Recht, die Balkonaußenseite zu Werbezwecke zu benützen, lässt sich noch nicht ableiten, dass durch die Anbringung der Tafel - wie aus dem Lichtbild Beilage /3 ersichtlich - ihr Interesse an einer entsprechenden Werbung beeinträchtigt - würde. Die Berechtigung, an dieser Fassadenfläche Werbeankündigungen anzubringen, lässt im Zweifel nicht das ausschließliche Benützungsrecht in der Weise zu, dass der Antragsteller von der Benützung der gesamten Fläche für einen notwendigen Hinweis, dass er in diesem Haus seine Ordination habe, ausgeschlossen wäre. Im Zweifel muss nämlich angenommen werden, dass der Antragsteller sich nur zu einer geringeren Leistung verpflichtet habe (§ 915 ABGB). Ausgehend von dem Erscheinungsbild des Geschäftslokales der Antragsgegnerin Christine T*****, wie es den von den Vorinstanzen den Feststellungen zugrundegelegten Bildern zu entnehmen ist, kann in der vom Erstantragsteller angebrachten Tafel - wie das Erstgericht zutreffend erkannte - keine Beeinträchtigung der äußeren Erscheinung des Hauses erblickt werden. Kriterien im Sinne des § 13 Abs 2 Z 1 WEG 1975, die die Anbringung der gegenständlichen Tafel unzulässig machen würden, sind daher nicht gegeben. Da die Fassade nicht im Wohnungseigentum steht, sondern zu den allgemeinen Teilen der Liegenschaft im Sinne des § 1 Abs 3 WEG 1975 gehört (vgl Meinhart, WEG 1975, 60), die Außenfläche einer Balkonbrüstung somit von den Verwaltungsbefugnissen am Anteil nicht erfasst wird (vgl Meinhart, WEG 1975, 133 f; Faistenberger-Barta-Call 554) hängt die vom Erstantragsteller in Anspruch genommene Berechtigung außerdem noch davon ab, dass die Anbringung der Tafel der Übung des Verkehrs entspricht oder seinem wichtigen Interesse dient (§ 13 Abs 2 Z 2 WEG 1975). Bei Prüfung der Frage, ob die Anbringung der Tafel der Übung des Verkehrs entspricht, hat das Erstgericht mit Recht auch auf die bisher schon tatsächlich erfolgte Verwendung der Balkonbrüstung zu Werbezwecken des früheren Mieters der Antragsgegnerin Bedacht genommen, zumal es bei Dauerschuldverhältnissen nicht auf die Umstände zur Zeit des Vertragsabschlusses, sondern die jeweiligen Verhältnisse ankommt (vgl für den Fall von Änderungen am Mietgegenstand Klang in Klang2 V 54; MietSlg 17.334 ua). Da Tafeln, wie die vom Erstantragsteller angebrachten, nach der den Tatsachenbericht zugehörigen Annahme des Erstgerichtes öfters auch in einer dem vorliegenden Fall entsprechenden Höhe angebracht sind, erscheint die Annahme des Erstgerichtes, die Anbringung der Tafel durch den Erstantragsteller im Bereich der Balkonbrüstung entspreche der Übung des Verkehrs, unbedenklich. Der Oberste Gerichtshof vermag daher der nicht weiter begründeten gegenteiligen Ansicht des Rekursgerichtes nicht zu folgen. Ausgehend von den besonderen Umständen des vorliegenden Falles, dient aber die Anbringung der Tafel auch einem wichtigen Interesse des Erstantragstellers; wenn nämlich die Antragsgegnerin nicht gewillt oder außerstande ist, die Mieterin ihres Geschäftslokales zu bewegen, die vorübergehende Entfernung und Falschmontage der im Bereiche des Geschäftslokales angebrachten Hinweistafel des Erstantragstellers oder eine Verstellung der Tafel mit Waren derart, dass der Hinweis auf die Ordination des Erstantragstellers von Patienten und der Rettung nicht wahrnehmbar ist, zu unterlassen, so erscheint es doch nicht vertretbar, den Erstantragsteller zur Beseitigung dieser Behinderungen auf die Einleitung gerichtlicher Schritte zu verweisen. Die Anbringung einer Hinweistafel, die von der Mieterin der Antragsgegnerin weder entfernt noch verstellt werden kann, dient daher dem wichtigen Interesse des Erstantragstellers an der reibungslosen Durchführung seines Ordinationsbetriebes. Der Revisionsrekurs erweist sich damit als berechtigt, weshalb ihm Folge zu geben und die angefochtene Entscheidung des Rekursgerichtes im Sinne der Stattgebung des Antrages abzuändern war.
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