OGH 13Os144/83

OGH13Os144/8313.10.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 13.Oktober 1983

unter dem Vorsitz des Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Schneider, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Reisenleitner, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kirchbacher als Schriftführers in der Strafsache gegen Youssef A wegen des Verbrechens des versuchten schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB. und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 18.Februar 1983, GZ 1 a Vr 2728/82-34, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung und über die Berufung der Privatbeteiligten X-Versicherungs-Aktiengesellschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Hauptmann, und der Ausführungen des Verteidigers Dr. Stern zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen des Angeklagten und der Privatbeteiligten X-Versicherungs-Aktiengesellschaft wird nicht Folge gegeben. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 1.September 1946 geborene Kaufmann Youssef A, ein ägyptischer Staatsbürger, wurde des Vergehens der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung nach § 298 Abs 1 StGB. (I) und des Verbrechens des versuchten schweren Betrugs nach §§ 15, 146, 147 Abs 3 StGB. (II) schuldig erkannt. Darnach hat er in Wien am 23.Jänner 1982 einem zur Entgegennahme von Anzeigen zuständigen Beamten der Bundespolizeidirektion Wien einen in der vorangegangenen Nacht durch Einbruch in sein Pelzgeschäft verübten Diebstahl von Pelzen und Bargeld vorgetäuscht (I) und am 29.Jänner 1982 Angestellte der X-Feuer- rungs-Ak Versicherungs-Aktiengesellschaft durch die übermittlung einer Schadensmeldung über diesen fingierten Einbruchsdiebstahl zur Schadensliquidation in der Höhe von 480.400 S zu verleiten getrachtet, welche die genannte Versicherung um den erwähnten Betrag schädigen sollte (II).

Rechtliche Beurteilung

Dagegen wendet sich der Angeklagte mit seiner auf § 281 Abs 1 Z. 5 und 9 lit a StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In den Feststellungen, daß der Angeklagte am 27.Jänner 1982 die Schadensmeldung bei der Versicherungsgesellschaft erstattet habe (S. 342) und daß die am 25.Jänner 1982

verfaßte Schadensmeldung am 27.Jänner 1982 bei der Versicherung eingelangt sei (S. 343) liegt, entgegen dem Beschwerdevorbringen, überhaupt kein Widerspruch, weil die Schadensmeldung schon nach dem natürlichen Verlauf der Dinge zuvor verfaßt sein muß, bevor sie beim Adressaten einlangen (= erstattet werden) kann.

Daß der Angeklagte den Schloßzylinder 'aus dem Geschäft an einen anderen Ort verbracht' hätte (S. 370 oben) wurde - dem Beschwerdevorbringen zuwider - vom Erstgericht gar nicht angenommen (und hätte nach der Aktenlage auch nicht konstatiert werden können); ebensowenig wurde festgestellt, daß er den Schloßzylinder der Geschäftseingangstür (offenbar gemeint:) ausgebaut hätte, bevor er die Pelze aus dem Geschäft an einen anderen Ort verbracht hätte ('... baute ... aus und verbrachte ...'; S. 340, worin nicht unbedingt eine zeitliche Reihung zum Ausdruck kommt), was übrigens auch gar keinen entscheidungsrelevanten Umstand beträfe. Gleiches gilt von der Freundschaft des Angeklagten zu seinem ehemaligen Geschäftspartner Theodor B, den er nicht bei der ersten sich bietenden Gelegenheit vom Einbruch informiert hatte (S. 344), ein Verhalten, das vom Erstgericht mit Fug als eigenartig bezeichnet wurde.

Keiner Erörterung bedürftig ist ferner die zur Verantwortung des Angeklagten und zu der Aussage seiner Gattin, der Zeugin Elisabeth A, im Widerspruch stehende Urteilsannahme, es habe nur ein einziger - im Besitz des Angeklagten befindlicher Schlüssel zum Geschäftslokal existiert (S. 340 unten). Wenn auch ein weiterer derartiger Schlüssel vorhanden gewesen sein sollte, so geht aus den bezüglichen Verfahrensergebnissen (S. 64 bzw. 174, in der letzten Hauptverhandlung verlesen laut S. 330) dazu hervor, daß der Zweitschlüssel nicht funktionsfähig war.

Abgesehen davon, daß nichts aus dem Akteninhalt dafür spricht, daß sich Unbefugte in den Besitz dieses Schlüssels zu setzen vermocht hätten, kann dessen Existenz auf sich beruhen, weil aus ihr Schlußfolgerungen für oder gegen die Fingierung eines Einbruchsdiebstahls nicht zu ziehen sind. Daß jedenfalls (auch) der Angeklagte einen Schlüssel zur Geschäftstür und damit die Zutrittsmöglichkeit zum Geschäftslokal besaß (und daher das Schloß von innen ausbauen konnte), ist unbestritten.

Gleichfalls erübrigte sich eine vom Beschwerdeführer vermißte Auseinandersetzung mit den auf geringfügige Deformationen am Schloßzylinder und Schloßkasten hinweisenden und auf die theoretische Möglichkeit des Aufbrechens der Eingangstür von außen Bezug nehmenden Angaben des Zeugen Franz C und des Sachverständigen Friedrich D.

Ergibt sich doch aus der Gesamtheit dieser Depositionen, nämlich der erwähnten Zeugenaussage (S. 320 ff.) und dem Gutachten (S. 325 ff.), daß sowohl der Zeuge als auch der Sachverständige das - abstrakt mögliche - Eindringen durch Einbruch wegen des Fehlens hiedurch zwangsläufig verursachter typischer Schäden an Schloß und Tür im konkreten Fall ausgeschlossen haben (siehe insbesondere S. 321 oben, 323 Mitte, 325, 326 oben, 327, 329 und 330).

Im übrigen Vorbringen zur Mängelrüge kommt der Nichtigkeitsgrund nach § 281 Abs 1 Z. 5 StPO. nicht zur prozeßordnungsgemäßen Darstellung: Ein erheblicher Teil davon richtet sich nämlich gegen Annahmen und Schlußfolgerungen, die das Erstgericht in der vom Angeklagten bekämpften Form gar nicht getroffen hat. Daß der Angeklagte (obwohl im Besitz eines Schlüssels) die Eingangstüre mit einem Nachschlüssel oder einer Sperrnadel geöffnet habe, steht im Widerspruch zur Urteilsbegründung, wonach (ganz im Sinn des Sachverständigengutachtens S. 326) als Sperrwerkzeug auch ein Schlüssel in Betracht kommt (S. 344 unten und 345) und der Angeklagte den Originalschlüssel verwendet hat (S. 345 unten). Ebenso willkürlich wurde der im Urteil (S. 347) erwähnte Gegensatz zwischen der Verantwortung des Angeklagten in der Hauptverhandlung (S. 276, 277, verlesen laut S. 330) über die Schadensermittlung seitens der Polizei und dem Bericht des Polizeibeamten E (vom 27. Jänner 1982 betreffend die Erhebungen am 23.Jänner 1982; S. 32, nicht - wie auf S. 347 zitiert - S. 35) vom Beschwerdeführer in einen der Aktenlage nach nicht gegebenen Widerspruch zwischen den Angaben des Angeklagten vor der Polizei und jenem (diese Angaben betreffenden) Bericht umgedeutet.

Weitere Ausführungen zur Mängelrüge erschöpfen sich in der Bestreitung der Schlüssigkeit der vom Erstgericht angestellten Erwägungen zur Unwahrscheinlichkeit eines mit besonderer Lärmentwicklung verbundenen Einbruchsdiebstahls, zur Bedenklichkeit der Schadensaufstellung des Angeklagten (in welcher er zwar selbst die Kommissionsware gesondert angeführt, deren Anteil an der insgesamt vermißten Ware aber weitaus zu niedrig angegeben hat), zur Unglaubwürdigkeit des vom Angeklagten zunächst der Polizei gegenüber behaupteten völligen Informationsmangels in Ansehung des Diebstahlsschadens und zur Auffälligkeit des Unterbleibens einer Mitteilung über den Diebstahl an den ehemaligen Geschäftspartner B bei der ersten sich bietenden Gelegenheit. Mag auch die Tragfähigkeit einzelner dieser Argumente des Schöffengerichts, isoliert betrachtet, auf Bedenken stoßen (so etwa der aus der als 'befremdend' gewerteten Erklärung, den Schadensumfang nicht sofort absehen zu können, gezogene Schluß auf eine vorgeplante Tat, die, will man nicht besonderes Raffinement unterstellen, auch für das Gegenteil sprechen könnte).

In ihrer Gesamtheit betrachtet ist die Beweisführung des Gerichts, die sich ja insbesondere auf den objektiven Befund am Schloß der Eingangstür des Geschäftslokals und dessen sachkundige Auswertung stützen konnte und die Täterschaft des Angeklagten nicht allein aus seiner Verfügung über einen Türschlüssel und damit aus seiner Zutrittsmöglichkeit zum Geschäft, sondern auch aus dem Vorteil ableitete, der ihm bei Gelingen der Tat winkte (S. 345) - wenn auch nicht zwingend, so doch - weder unlogisch, noch mit der Lebenserfahrung im Widerstreit und daher mängelfrei (Gebert-Pallin-Pfeiffer, III/2, § 281 Abs 1 Z. 5 StPO., Nr. 70 c, cc, ccc). Damit, daß der Beschwerdeführer nach einem Nachsperrdiebstahl eines anderen den Einbruch nur fingiert haben könnte, um der Versicherung gegenüber einen an ihm begangenen Diebstahl beweisen zu können, brauchte sich der Schöffensenat als bloß hypothetischer Spekulation überhaupt nicht zu befassen.

Als zwar prozeßordnungsgemäß ausgeführt, sachlich jedoch unbegründet erweist sich die Rechtsrüge des Angeklagten, in welcher er das den Betrug vorbereitende Vergehen der Vortäuschung einer mit Strafe bedrohten Handlung als nachbestrafte und daher nicht gesondert zu ahndende Vortat zum Betrug bezeichnet. Die Konsumtion der Vortat setzt nämlich voraus, daß diese gegen dasselbe Rechtsgut gerichtet ist und ihre Folgen ganz in jenen der Haupttat aufgehen (Leukauf-Steininger2, RN. 49 zu § 28 StGB.). Hievon kann vorliegend nicht die Rede sein, weil sich das Vergehen nach § 298 Abs 1 StGB. gegen die Strafrechtspflege, mithin gegen ein anderes Rechtsgut richtet als der auf die Schädigung am Vermögen abzielende Betrug (Leukauf-Steininger2, RN. 14; Pallin im WK. Rz 11, je zu § 298 StGB.). Die Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Youssef A war mithin zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach §§ 28 Abs 1, 147 Abs 3 StGB. eine Freiheitsstrafe von 15 Monaten, die es unter Bestimmung einer Probezeit von drei Jahren bedingt nachsah. Dabei waren erschwerend das Zusammentreffen eines Verbrechens mit einem Vergehen, mildernd der bisher ordentliche Lebenswandel des Angeklagten und, daß es im Fall des Betrugs (II) beim Versuch geblieben war. Ferner wurde gemäß § 366 Abs 2 StPO. die Privatbeteiligte X-Versicherungs-Aktiengesellschaft mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg verwiesen.

Mit seiner Berufung wendet sich der Angeklagte gegen das Strafmaß; ihr ist kein Erfolg beschieden.

Das Schöffengericht hat eine Freiheitsstrafe geschöpft, die bei einem gesetzlichen Strafrahmen von einem Jahr bis zehn Jahren (§ 147 Abs 3 StGB.) ohnehin nur drei Monate über der Untergrenze liegt. Für eine außerordentliche Strafmilderung gebricht es an einem beträchtlichen überwiegen der Milderungs- über die Erschwerungsgründe (§ 41 StGB.). Das Ausmaß der verhängten Strafe ist auf der Grundlage der vom Schöffengericht zutreffend angenommenen (besonderen) Strafzumessungsgründe und der allgemeinen Strafbemessungsnormen (§ 32 StGB.), in deren Rahmen insbesondere zu berücksichtigen ist, daß der Schädigungsvorsatz auf einen die strafbestimmende Wertgrenze mehrfach übersteigenden Betrag gerichtet war, angemessen. Die Privatbeteiligte X-Versicherungs-Aktiengesellschaft hatte den Zuspruch eines Betrags von 33.936,12 S an Kosten für die Bearbeitung des (fingierten) Schadensfalls beantragt. Sie wurde vom Erstgericht damit auf den Zivilrechtsweg verwiesen (§ 366 Abs 2 StPO.), weil der Angeklagte diesen Betrag nicht anerkannt hatte und eine überprüfung der Angemessenheit des geforderten Betrags den Rahmen des Strafverfahrens überschritten hätte (S. 349).

Gegen diese Verweisung auf den Zivilrechtsweg hat die Privatbeteiligte Berufung angemeldet, ohne daß diese Anmeldung Berufungsgründe enthalten hätte (S. 357, 358) oder nachfolgend eine Berufungsausführung eingebracht worden wäre.

Auch die Berufung der Privatbeteiligten, die im Gerichtstag vor dem Obersten Gerichtshof nicht vertreten war, schlägt fehl. Die X-Versicherungs-Aktiengesellschaft hatte den Wirtschaftstreuhänder Dkfm. Dr. Gernot F am 2.März 1982 beauftragt, den Betrieb des Versicherungsnehmers A u. Co., Ges.m.b.H., buchsachverständig zu begutachten, insbesondere die Versicherungssumme mit den am Schadenstag tatsächlich vorhandenen Werten zu prüfen, weil für kaufmännisch-betriebliche Einrichtungen 200.000 S, für 'Waren aller Art, eigenes und fremdes Gut' 1,000.000 S versichert waren, sodaß eine allfällige Unterversicherung anzunehmen sei (S. 61). Der Sachverständige erstattete demgemäß am 9. August 1983 einen 'Kurzbericht in Protokollform' (S. 241 ff.), für den er eine Honorarnote über 33.036,12 S legte (S. 239). Die Privatbeteiligte hat den Zuspruch dieses Betrags begehrt (S. 330), den der Angeklagte nicht anerkannt hat (S. 349). Die Angemessenheit dieser Forderung, die in der Honorarnote u.a. mit einer 'Zeitgebühr gemäß Gebührenordnung der Kammer der Wirtschaftstreuhänder' von 28.600 S nicht weiter aufgeschlüsselt ist, würde Feststellungen tatsächlicher Natur voraussetzen, die ohne unnötige Verfahrensverzögerung nicht zu treffen gewesen wären. Eine solche Verfahrensergänzung wäre auch im Berufungsverfahren zu einer verläßlichen Klarstellung dieser Ansprüche erforderlich. Eine förmliche Beweisaufnahme ist aber ungeachtet der Statthaftigkeit des Vorbringens von Neuerungen im Berufungsverfahren unzulässig (JBl. 1981, 275 = SSt. 51/54).

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