OGH 13Os151/83

OGH13Os151/836.10.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 6.Oktober 1983

unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Horak, Dr. Schneider und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kirchbacher als Schriftführers in der Strafsache gegen Johann Karl A wegen des Verbrechens des Raubs nach § 142 Abs 1 StGB über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten und die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts Innsbruck als Schöffengerichts vom 5.Mai 1983, GZ 28 Vr 4521/82-26, nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Harramach und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Bassler, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Das Schöffengericht erkannte den am 18.November 1961 geborenen, zuletzt beschäftigungslos gewesenen Johann Karl A des Verbrechens des Raubs nach § 142 Abs 1

StGB schuldig. Darnach hat er am 10.Dezember 1982 auf der Straße zwischen Lienz und Amlach der Tamara B dadurch, daß er sie in den Straßengraben zog, sie zu Boden riß, ihr den Mund zuhielt und sie aufforderte, sich, weil er sie sonst umbringen werde, ruhig zu verhalten und alles Geld herauszugeben, ihre Geldtasche mit einer Barschaft von 621,50 S weggenommen bzw. abgenötigt. Der Angeklagte bekämpft dieuen Schuldspruch mit einer auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, weil die Tat als minderschwerer Raub nach § 142 Abs 2 StGB zu beurteilen sei. Tamara B sei nicht verletzt worden, weshalb in seinem Vorgehen kein vehementer Einsatz physischer Kraft zu erblicken sei. Die Beute von 621,50 S sei gering, denn seit 1976 - in diesem Jahr sei die Grenze der Geringwertigkeit mit 500 S angenommen worden - habe sich der Index der Verbraucherpreise von 100 auf 137,4 erhöht, sodaß dem Betrag von 500 S im Jahr 1976 zur Tatzeit ein Wert von 687 S entspreche.

Rechtliche Beurteilung

Die Rechtsrüge schlägt nicht durch.

Minderschwerer Raub nach § 142 Abs 2 StGB liegt nur dann vor, wenn ein Raub ohne Anwendung erheblicher Gewalt an einer Sache geringen Werts begangen wird, die Tat nur unbedeutende Folgen nach sich gezogen hat und es sich um keinen schweren Raub (§ 143 StGB ) handelt.

Von diesen Voraussetzungen ist nur die letztgenannte (daß nämlich die Tat nicht nach § 143 StGB qualifiziert ist) gegeben. An den übrigen Voraussetzungen, die, wie der Gesetzeswortlaut klar zeigt, kumulativ vorliegen müssen, fehlt es aber.

Hat doch der Angeklagte die Zeugin B während der Dunkelheit (10.Dezember 1982, ca. 18,30 Uhr) auf einer Freilandstraße an den Schultern erfaßt, sie von der Straße gedrängt und in einem angrenzenden Feld zu Boden gerissen, ihr dann den Mund zugehalten, ihren Kopf stark gegen den Boden gepreßt und ihren Körper niedergedrückt, sodaß sie schließlich keine Möglichkeit mehr zum Widerstand hatte.

Dabei drohte er ihr wiederholt mit dem Umbringen (S. 107). In einer solchen Vorgangsweise liegt die Anwendung erheblicher Gewalt, denn gegen das 17-jährige Mädchen wurde in Verbindung mit Morddrohungen beachtliche physische Kraft in vehementer Weise eingesetzt. Daß Tamara B dabei nicht verletzt wurde, ist irrelevant, weil selbst erhebliche Gewalt nicht zu einer Verletzung des Opfers führen muß (LSK. 1975/189), demnach der Erfolg der Gewaltanwendung für die Beurteilung ihrer Erheblichkeit (§ 142 Abs 2 StGB ) kein Kriterium darstellt.

Mit der Beschwerdebehauptung, der Angeklagte habe B 'lediglich an den Schultern erfaßt und (sie) von der Straße weggedrückt' (S. 120), wird die Rechtsrüge nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil damit die eine wesentlich weiterreichende Gewalttätigkeit des Angeklagten annehmenden Urteilsfeststellungen (S. 107) außer acht bleiben. Nach dem Gesagten braucht auf die Frage des geringen Werts nicht mehr eingegangen werden.

Dem Erstgericht ist somit bei der Beurteilung des Raubüberfalls nach § 142 Abs 1 StGB kein Rechtsirrtum unterlaufen, weshalb die Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 142 Abs 1 StGB eine Freiheitsstrafe von einem Jahr. Dabei waren erschwerend zwei einschlägige Vorstrafen und ein relativ rascher Rückfall, mildernd hingegen das (weitreichende) Geständnis, die Tatbegehung unter Alkoholeinfluß und die (objektive) Schadensgutmachung. Mit ihren Berufungen begehren die Staatsanwaltschaft eine Erhöhung der Freiheitsstrafe, der Angeklagte ihre bedingte Nachsicht. Keiner der beiden Berufungen ist ein Erfolg beschieden. Die Staatsanwaltschaft, die richtig festgestellte Strafzumessungsgründe einräumt, weist auf das belastete Vorleben des Angeklagten, seine durch die Tat bewiesene kaltblütige Art der Behebung finanzieller Schwierigkeiten und die massive Gewaltanwendung hin. Jedoch: Ist auch der Raub, wie schon in Erledigung der Nichtigkeitsbeschwerde dargelegt, nicht ohne Anwendung erheblicher Gewalt (§ 142 Abs 2 StGB ) begangen worden, so kann schon angesichts der fehlenden Gegenwehr des Opfers deshalb noch nicht von einer massiven Gewaltanwendung gesprochen werden. Des weiteren verträgt sich die Annahme der Kaltblütigkeit nicht mit der vom Schöffengericht zu Recht als für die Tat mitbestimmend angesehenen mittelgradigen Alkoholisierung des Angeklagten, die einer ruhigen überlegung sicher nicht förderlich war. Schließlich sind seine Vorstrafen nicht so gravierend, daß auch bei kritischer Beurteilung seiner Persönlichkeit die gesetzliche Mindeststrafe nicht noch vertretbar wäre.

Allerdings sind zwei der Vorstrafen (nämlich die wegen § 88 Abs 3/§ 81 Z 2 StGB und § 83 Abs 1 StGB ) entgegen dem Berufungsvorbringen des Angeklagten, der bei Tatbegehung übrigens schon das einundzwanzigste Lebensjahr vollendet hatte, durchaus einschlägig, weil der Raub nicht nur eine Mißachtung fremden Vermögens, sondern auch der körperlichen Integrität anderer erkennen läßt. Insofern manifestiert sich in ihm dieselbe schädliche Neigung wie bei vorsätzlichen oder auch nur fahrlässigen Körperverletzungen. Weil bei der solcherart wiederholt offenbar gewordenen Tendenz zu aggressivem Verhalten die bloße Androhung der Freiheitsstrafe nicht ausreichen wird, um das künftige Wohlverhalten des Angeklagten zu gewährleisten, wurde ihm zutreffend die Gewährung der bedingten Strafnachsicht versagt.

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