OGH 10Os160/83

OGH10Os160/8327.9.1983

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Friedrich, Dr. Hörburger, Dr. Lachner und Hon. Prof. Dr. Brustbauer als weitere Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Maresch als Schriftführerin in der Strafsache gegen Alfred A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1

StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Kreisgerichtes Korneuburg als Schöffengericht vom 7. Juli 1983, GZ 11 b Vr 17/83-18, nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen (Punkt I 2 des Urteilssatzes sowie hinsichtlich der von Punkt I 1 erfaßten Wolldecke und einer Natojacke im Wert von insgesamt 500 S) unberührt bleibt, im Schuldspruch zu Punkt I 1, soweit er sich auf den Diebstahl von '13 verschiedenen Schlauchkupplungen im Gesamtwert von 7.235 S' bezieht, ferner im Ausspruch über den Wert der (gesamten) gestohlenen Sachen von mehr als 5.000 S und in der darauf beruhenden rechtlichen Beurteilung der deliktischen Handlungsweise des Angeklagten (auch) als schwerer Diebstahl nach § 128 Abs 1 Z 4 StGB und im Schuldspruch zu Pkt II sowie demgemäß auch im Strafausspruch aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen. Mit seiner Berufung wird der Angeklagte darauf verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde Alfred A des Verbrechens des schweren Diebstahls durch Einbruch nach §§ 127 Abs 1, 128 Abs 1 Z 4, 129 Z 1 StGB (Punkte I 1 und 2 des Urteilssatzes) und des Vergehens der gefährlichen Drohung nach § 107 Abs 1 StGB (Punkt II) schuldig erkannt, begangen dadurch, daß er in Stockerau (zu I.) fremde bewegliche Sachen in einem 5.000 S übersteigenden Wert nachgenannten Eigentümern durch gewaltsames Aufschlagen der Vorhängeschlösser zu Bauhütten der Firma B, somit durch Einbruch in ein Gebäude mit dem Vorsatz wegnahm, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern, und zwar:

1. in der Zeit zwischen 22. und 27. Oktober 1982 in zwei Angriffen eine Wolldecke im Wert von 200 S der Firma C, 13 verschiedene Schlauchkupplungen im Gesamtwert von 7.235 S der Firma B und eine Natojacke im Wert von 300 S dem Adolf F;

2. am 31. Oktober 1982 Lebensmittel (Getränke, Speisen und Kaffee) in unbekanntem Wert der Firma B; sowie (zu II.) am 18. Februar 1983 den Kurt G (richtig: H) durch die Worte 'Jetzt erschlag ich dich', wobei er mit einem Sack voll Messer auf den Kopf des Genannten schlagen wollte, gefährlich bedrohte, um ihn in Furcht und Unruhe zu versetzen.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs 1 Z 9 lit b und 10 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten gegen dieses Urteil kommt Berechtigung zu.

Nach den wesentlichen Feststellungen zum Schuldspruch wegen Diebstahls betrug der Gesamtwert der im Urteilsspruch (unter Punkt I 1) bezeichneten '13 verschiedenen Schlauchkupplungen' (S 76), die in den Entscheidungsgründen als 'Saug- und Waggonkupplungen' bezeichnet werden (vgl S 78), 7.235 S.

Mit Recht rügt der Beschwerdeführer im Rahmen der Rechtsrüge (Z 10) - der Sache nach unter dem Aspekt einer Unvollständigkeit (auch) einen Begründungsmangel (Z 5) relevierend -, der vom Erstgericht angeführte (Gesamt-)Wert von 7.235 S sei einer überprüfung unzugänglich und lasse insbesondere unberücksichtigt, daß der Zeuge Adolf F bei der Gendarmerie (vgl S 199) den Neuwert der in Rede stehenden Kupplungen zwar mit insgesamt 7.235 S angab, jedoch zum Ausdruck brachte, daß ein Großteil der Kupplungen, nämlich 3 Waggonkupplungen, deren Neuwert je 1.585 S (zusammen daher allein schon 4.755 S) beträgt, eine Saugkupplung im Neuwert von 175 S, ein Blindverschluß für Schraubkupplungen im Neuwert von 252 S und ein Reduzierungsstück im Neuwert von 153 S bereits gebraucht war. Insoweit hätte sich daher das Erstgericht nicht - so wie dies im Endergebnis (ersichtlich) geschah - bloß auf den vom Zeugen F genannten Neuwert der bezüglichen Gegenstände stützen dürfen. Vielmehr hätte es sich ausdrücklich und schlüssig auch damit auseinandersetzen müssen, daß ein Teil der Kupplungen, die bereits gebraucht waren, mit dem Neuwert (der insgesamt 5.335 S beträgt) berechnet wurden. Solcherart mangeln aber dem Ersturteil Feststellungen über den Zeitwert der gebrauchten Kupplungen, zumal die Frage einer durch den vorangegangenen Gebrauch (allenfalls) bewirkten Wertminderung völlig unerörtert blieb (vgl auch Leukauf-Steininge Kommentar2

§ 128 RN 24, Kienapfel BT II RN 41 bis 43 zu § 128 StGB und die dort jeweils zitierte Judikatur). Der vom Beschwerdeführer gerügte Mangel betrifft deshalb eine entscheidungswesentliche Tatsache, weil die Feststellungen des Ersturteils nicht ausreichen, um prüfen zu können, ob die Tat mit Recht der davon betroffenen Diebstahlsqualifikation nach § 128 Abs 1 Z 4 StGB unterstellt wurde.

Begründet ist aber auch die weitere Rechtsrüge (Z 9 lit b), mit welcher der Angeklagte in Ansehung des Schuldspruchs wegen des Vergehens nach § 107 Abs 1 StGB (Punkt II) ins Treffen führt, das Erstgericht habe Konstatierungen darüber unterlassen, ob die im Urteil genannte 'Stichwunde, welche der Angeklagte bei diesem Vorfall erlitten hat, von seinem Kontrahenten Kurt H stammt'. Das Schöffengericht stellte insoweit fest, daß es am 18. Februar 1983 zwischen dem Angeklagten und Karl H, dem Kellner einer Stockerauer Gaststätte, zu einer wörtlichen Auseinandersetzung kam, in deren Verlauf H den Angeklagten zum Verlassen der Gastwirtschaft aufforderte und gleichzeitig den Inhalt dessen Weinglases auf den Boden schüttete. Als der Angeklagte dieser Aufforderung nachkam und zu seinem Motorfahrrad ging, folgte ihm H, wobei es im Bereich der Kreuzung Eduard Röschstraße-Heidstraße zu Tätlichkeiten kam, 'welche damit änderten (gemeint: endeten), daß der Angeklagte vom Gepäckträger seines Fahrzeuges einen Plastiksack nahm, in welchem sich mehrere Messer befanden, (und) versuchte, auf Kurt H mit den Worten 'jetzt erschlage ich dich', einzuschlagen' (S 79). Darüber hinaus konstatierte das Erstgericht lediglich, daß der Angeklagte, als er gegen 21 Uhr des genannten Tages - um diese Zeit war es nach den Gendarmerieerhebungen (vgl ON 10) zur Auseinandersetzung mit Kurt H gekommen - in die Wohnung des Zeugen Leopold I (richtig: J, vgl S 5, 25 in ON 10) kam, wo er auch die Zeugin Anna K antraf, am linken Oberschenkel eine geringfügige (nach der Verletzungsanzeige des Krankenhauses der Stadt Stockerau - S 29 in ON 10 - von einem Messerstich stammende 2 cm tiefe) Stichwunde aufwies sowie daß 'wegen dieses Vorfalles' vom Bezirksanwalt gegen Kurt H beim Bezirksgericht Stockerau ein Bestrafungsantrag wegen § 83 Abs 1 StGB gestellt wurde.

Das Schöffengericht hat jedoch (ausdrückliche) Konstatierungen insbesondere darüber unterlassen, ob überhaupt, bejahendenfalls in welcher Phase der Auseinandersetzung mit H dem Angeklagten die Stichverletzung am Oberschenkel zugefügt wurde. Der von der Beschwerde zu Recht aufgezeigte Feststellungsmangel ist für die Beurteilung der Frage, ob dem Angeklagten, der in seiner die Tat an sich zwar in Abrede stellenden Verantwortung immerhin zum Ausdruck brachte, daß ihm H beim Verlassen des Lokals gefolgt und auf der Straße gegen ihn tätlich vorgegangen sei (vgl S 3, 5, 7, 20 in ON 10 und S 599), der Rechtfertigungsgrund der Notwehr zustatten kommt, von wesentlicher Bedeutung. Insoweit gilt es zu beachten, daß im Fall der Anwendung der Gewalt oder gefährlichen Drohung zu einem anderen strafrechtlich verpönten Zweck als jenem, das Opfer in Furcht und Unruhe zu versetzen, § 107 StGB als subsidiäres Delikt zurücktritt.

Ist demnach der Vorsatz des Täters darauf gerichtet, einen anderen zu einem bestimmten Verhalten - hier allenfalls zur Abstandnahme von (weiteren) tätlichen Angriffen - zu zwingen, so kommt das Tatbild der Nötigung (§ 105 Abs 1 StGB) zum Tragen, wobei es jedoch nach Lage des Falles einer Prüfung bedarf, ob der Einsatz von Gewalt oder gefährlicher Drohung durch Notwehr bzw allenfalls durch den speziellen Rechtfertigungsgrund nach § 105 Abs 2 StGB gerechtfertigt war (SSt 40/31, Kienapfel BT I RN 812, 857, 858, Leukauf-Steininger Kommentar2 § 105 RN 19, § 107 RN 8 - 10). Die vom Beschwerdeführer (im Kern) zutreffend aufgezeigten Begründungs- und Feststellungsmängel machen eine Erneuerung des Verfahrens (im bezeichneten Umfang) in erster Instanz unumgänglich, sodaß nach Anhörung der Genralprokuratur schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen war (§ 285 e StPO).

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