OGH 9Os108/83

OGH9Os108/8330.8.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 30. August 1983 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Dr. Hörburger, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Hirnschall als Schriftführerin in der Strafsache gegen Ernst A wegen des Verbrechens des Beischlafs mit Unmündigen nach § 206 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 26. April 1983, GZ 6 e Vr 770/83-36, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Felzmann, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Doczekal und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Scheibenpflug, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen (auch einen Verfolgungsvorbehalt gemäß § 263 Abs. 2 StPO und einen Teilfreispruch umfassenden) Urteil wurde der am 30. Oktober 1933 geborene Hilfsarbeiter Ernst A I./ des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten Beischlafs mit Unmündigen nach §§ 206 Abs. 1 und 15 StGB, II./ des Verbrechens der teils vollendeten, teils versuchten Unzucht mit Unmündigen nach §§ 207 Abs. 1 (1. Fall) und 15 StGB und III./ des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten Mißbrauchs eines Autoritätsverhältnisses nach §§ 212 Abs. 1 und 15 StGB schuldig erkannt.

Inhaltlich des Schuldspruchs hat er in Wien I./ im Herbst/Winter 1982 mit der am 30. März 1971

geborenen Monika B, sohin einer unmündigen Person, den außerehelichen Beischlaf 1. unternommen, indem er sein Glied mit ihrer Scheide in Berührung brachte;

2. zu unternehmen versucht, indem er ihr 100 S anbot, wenn er sein Glied in ihre Scheide einführen und ihr Jungfernhäutchen durchstoßen dürfe;

II./ unmündige Personen auf andere Weise als durch Beischlaf zur Unzucht 1. mißbraucht, indem er im Herbst/Winter 1982 drei Finger in die Scheide der am 30. März 1971 geborenen Monika B einführte;

2. zu mißbrauchen versucht, und zwar a) im Herbst/Winter 1982 die am 30. März 1971 geborene Monika B, indem er ihr 50 S anbot, wenn sie einen Oralverkehr durchführe;

b) am 18. Jänner 1982 die am 13. August 1973 geborene Sabine C, indem er sie aufforderte, nach Eintreffen in ihre Wohnung diese sofort zu verlassen und danach mit ihm den Keller aufzusuchen;

c) im Februar/März 1982 die am 28. April 1973 geborene Verginia D, indem er ihr in ihr Wohnhaus folgte, ihr den Arm um den Kopf legte und sie in ein Gespräch verwickelte;

III./ zugleich durch die zu den Punkten I./, II./1. und II./2.a) beschriebenen Handlungen unter Ausnützung seiner Stellung gegenüber einer seiner Aufsicht unterstehenden minderjährigen Person, diese zur Unzucht mißbraucht und zu mißbrauchen versucht. Der Angeklagte bekämpft diesen Schuldspruch mit einer auf die Z 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Den ersterwähnten Nichtigkeitsgrund erblickt er zunächst darin, daß seinen in der Hauptverhandlung gestellten Anträgen (Punkt 4. und 5., S 253, 254) auf Einholung eines ärztlichen Gutachtens und auf zeugenschaftliche Einvernahme des Dr. E (in der Nichtigkeitsbeschwerde Dr. F) nicht entsprochen wurde. Er wurde jedoch durch die Abweisung dieser (der Sache nach nur die Punkte I./1. und 2. des Schuldspruchs betreffenden) Beweisanträge, die (im wesentlichen) auf den Nachweis abzielten, daß der Angeklagte bereits seit September 1982 impotent war und deshalb keinen Samenerguß haben konnte, in seinen Verteidigungsrechten nicht beeinträchtigt. Vielmehr weist das Erstgericht in seinem abweislichen Zwischenerkenntnis (S 255, 258) zutreffend darauf hin, daß durch die Einvernahme des Dr. E - den der Angeklagte seinen eigenen Angaben zufolge erst im November 1982, somit nach dem ihm angelasteten (unternommenen und versuchten) Beischlaf mit Monika B (vgl S 270, 276) aufgesucht und der an ihm keine Untersuchung vorgenommen hat (S 218) - nichts zu gewinnen wäre und daß bei Berücksichtigung der Verantwortung des Angeklagten und der übrigen Beweisergebnisse auch durch die (nunmehrige) Einholung eines ärztlichen Gutachtens der Nachweis einer Impotenz des Angeklagten zu den (relativ lang zurückliegenden) Tatzeiten nicht erwartet werden kann, zumal der Angeklagte nach seiner eigenen Darstellung immerhin noch im September 1982 (S 218), nach den Angaben seiner Ehegattin sogar noch im Dezember 1982 (S 42; 246) Geschlechtsverkehr gehabt haben will. Das Erstgericht hat aber auch den vom Verteidiger des Angeklagten des weiteren gestellten Antrag auf Vornahme einer gynökologischen Untersuchung der Monika B (Punkt 6., S 254) mit der durchaus zutreffenden Begründung, daß Betastungen am Gechlechtsteil der Unmündigen keineswegs (bei einer gynäkologischen Untersuchung feststellbare) Verletzungen (die auch gar nicht behauptet wurden) zur Folge haben müssen, abgewiesen (S 259), welcher Argumentation die Beschwerde nichts entgegenzusetzen vermag.

Begründeter Anlaß zur Einholung eines (gleichfalls beantragten) kinderpsychologischen Gutachtens in bezug auf Monika B (Punkt 3., S 253) hätte nur dann bestanden, wenn im Verfahren objektive, gegen die Glaubwürdigkeit der jugendlichen Zeugin sprechende Umstände (Hinweise auf psychische oder charakterliche Abartigkeiten, Entwicklungsstörungen oder sonstige Defekte) hervorgekommen wären (ÖJZ-LSK 1977/138). Die bloße Behauptung, die Zeugin sage die Unwahrheit (S 253) genügte hiezu nicht, zumal die Beurteilung der Glaubwürdigkeit von (auch jugendlichen) Zeugen stets der freien Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes vorbehalten ist (EvBl 1983/18).

Ebensowenig war die Einholung eines den Angeklagten betreffenden psychiatrischen Gutachtens (Punkt 2., S 253) geboten. Das bei der Antragstellung angegebene Beweisthema (nämlich 'daß Ernst A keine Abartigkeit aufweist, insbesondere keine Abartigkeit gegenüber Kindern oder sonstiges abnormes Verhalten') ist irrelevant. Das Vorliegen einer (allenfalls) den Zustand der Zurechnungsunfähigkeit im Sinne des § 11 StGB bewirkenden Abartigkeit hat der Angeklagte weder selbst behauptet, noch haben sich dafür, (wie das Erstgericht zutreffend ausführt, S 257) im Verfahren irgendwelche objektiven Anhaltspunkte ergeben. Die Beurteilung der Frage aber, ob der Angeklagte von der Norm in krimineller Weise abgewichen ist, oblag erneut ausschließlich dem erkennenden Gericht.

Schließlich konnte auch die beantragte Einvernahme des Zeugen Alfred A (Punkt 1., S 253) ohne Verletzung von Grundsätzen, deren Beobachtung durch das Wesen eines die Verteidigung sichernden Verfahrens geboten ist, unterbleiben. Entgegen den Beschwerdebehauptungen wurde dieser Zeuge nicht zum Beweis dafür beantragt, daß die Zeugin Monika B den Angeklagten der inkriminierten Handlungen nur 'infolge einer Revanche für die damalige Züchtigung' beschuldigt habe, sondern a) zum Beweis dafür, daß er (nämlich Alfred A) damals verletzt worden ist, daß eine aggressive Handlung seitens Monika B gesetzt wurde und eine friedliche Lösung nicht möglich war, und b) zum Beweis dafür, daß Michaela G und Natalie H selbst den Wunsch für dieses Spiel, insbesondere des Ausziehens, hatten. Der Beweisantrag betraf daher nach der für die Beurteilung seiner Relevanz allein maßgeblichen Antragstellung in der Hauptverhandlung nicht die vom Schuldspruch umfaßten Fakten oder die Richtigkeit der von Monika B hinsichtlich dieser Fakten gemachten Angaben, sondern (wie sich auch aus den der Stellung des Beweisantrages unmittelbar vorangegangenen Protokollstellen ergibt) ausschließlich jenes Körperverletzungsfaktum (vgl die Anklageausdehnung S 253 oben), in bezug auf das dem öffentlichen Ankläger gemäß § 263 Abs. 2 StPO die selbständige Verfolgung vorbehalten wurde, sowie das dem Angeklagten laut Punkt II./1./a) der Anklage (S 164) angelastete Verbrechen der Unzucht mit Unmündigen, begangen an Natalie H und Michaela G, in bezug auf das in der Hauptverhandlung aber ein Freispruch erfolgte.

Vermag der Beschwerdeführer somit einerseits keinen Verfahrensmangel aufzuzeigen, so gelingt es ihm andererseits auch nicht, einen Begründungsmangel (§ 281 Abs. 1 Z 5 StPO) des angefochtenen Urteils darzutun:

Mit der behaupteten Impotenz hat sich das Erstgericht im Urteil ebenso auseinandergesetzt, wie mit der Frage, wann (nämlich vor dem November 1982) sich die in den Punkten I./

1. und 2. des Schuldspruchs bezeichneten Vorfälle mit Monika B ereignet haben (S 276). Darauf, daß die Einvernahme des Zeugen Alfred A - deren Relevanz auf dem Umweg über die Mängelrüge im übrigen nicht neuerlich aufgerollt werden kann - entbehrlich war, wurde bereits hingewiesen.

Die gegen die Beweiskraft der Angaben der Zeugin Monika B erhobenen Beschwerdeeinwände aber stellen lediglich einen unzulässigen Angriff auf die freie Beweiswürdigung des erkennenden Gerichtes dar. Die Aussage der Monika B wurde im Urteil ohnedies ausführlich erörtert (S 271, 277), wobei das Erstgericht auch den Vorfall, bei dem Monika B verletzt wurde, in den Kreis seiner Erwägungen einbezog (S 276). Inwieweit im Zusammenhang mit diesem (keinen Gegenstand des Schuldspruchs darstellenden) Vorfall ein Feststellungsmangel im Sinne der Z 9 lit a oder 10 des § 281 Abs. 1

StPO vorliegen sollte, ist überhaupt nicht zu ersehen. Schließlich wird im Urteil mit denkrichtiger Begründung auch dargelegt, warum Monika B bei jenen Tathandlungen, die der Angeklagte an ihr vornahm, während sie schlief, keineswegs erwachen mußte (S 277).

Die Rüge, das Erstgericht habe bei den zu den Punkten II./2.b) und

c) (in der Nichtigkeitsbeschwerde irrig II./1. b) und c)) getroffenen Feststellungen mangels Auseinandersetzung mit den bezüglichen Beweisergebnissen nicht begründet, warum es annahm, daß der Vorsatz des Angeklagten auf Tathandlungen im Sinne des § 207 Abs. 1 StGB und nicht (wie in den Fällen der Punkte I./1. und 2. des Schuldspruchs) auf solche im Sinne des § 206 Abs. 1 StGB gerichtet gewesen sei, läuft auf eine dem Angeklagten verwehrte Bekämpfung des Schuldspruchs zu seinem Nachteil hinaus (§ 282 Abs. 2 StPO). Im übrigen legt das Erstgericht im Urteil unter Anführung der (vollständig) verwerteten Verfahrensergebnisse sehr wohl auch in dieser Beziehung denkrichtig und lebensnah dar, aus welchen Erwägungen es zu der Konstatierung gelangte, daß der Angeklagte 'zumindest' (S 268) sexualbezogene, nicht bloß flüchtige Betastungen der Geschlechtsteile der Mädchen vornehmen wollte (S 279). Soweit aber der Beschwerdeführer unter Berufung auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 9 lit a StPO die Ansicht vertritt, die zu den Punkten II./2./b) und c) des Schuldspruchs festgestellten Tathandlungen seien mangels Bestimmtheit noch als straflose Vorbereitungshandlungen zu beurteilen, ist ihm entgegenzuhalten, daß das ihm angelastete Verhalten nicht isoliert für sich allein, sondern unter Bedachtnahme auf sämtliche Begleitumstände und im Rahmen des Handlungsplans des Täters zu betrachten ist (SSt 46/24).

So gesehen stand bei Berücksichtigung sämtlicher vom Erstgericht in diesem Zusammenhang getroffenen Feststellungen (die der Beschwerdeführer großteils übergeht) die Vorgangsweise jedoch mit der geplanten Tat in einem derart sinnfälligen Zusammenhang, daß sie direkt auf diese ausgerichtet war und nach den Zielvorstellungen des Angeklagten in unmittelbarer Folge (ohne ins Gewicht fallende Zwischenstufen) in die Ausführung übergehen sollte. Sie war nach den Urteilsannahmen dem Beginn der Unzuchtshandlungen nicht nur aktionsmäßig unmittelbar vorgelagert, sondern auch zeitlich nahe. Die Feststellungen zu den bekämpften Fakten (II.2/b) und c) lassen auch keinen Zweifel offen (S 267-269), daß die Tathandlungen - objektiv - zumindest im unmittelbaren Vorfeld der Tatbildverwirklichung lagen und daß - subjektiv - das verbrecherische Tätervorhaben bereits in ein Stadium getreten war, in dem der Täter die entscheidende Hemmstufe vor der Tatbegehung schon überwunden hatte (vgl ÖJZLSK 1982/22; Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2 RN 6 und 8 ff zu § 15 und die dort zitierte Judikatur). Die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten Ernst A war mithin zu verwerfen.

Das Erstgericht verhängte über den Angeklagten nach § 206 (zu erg: Abs. 1) StGB unter Anwendung des § 28 StGB eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 15 Monaten und wertete hiebei als erschwerend das Zusammentreffen verschiedener Delikte und deren (teilweise) mehrfache Begehung, als mildernd hingegen die Unbescholtenheit des Angeklagten und den Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte sowohl die schuldangemessene Herabsetzung der Freiheitsstrafe als auch deren bedingte Nachsicht an; dies jedoch zu Unrecht.

Die Behauptung, die mj Monika B habe ihn zu den Unzuchtshandlungen 'provoziert', läßt sich mit der Tatsache, daß der Angeklagte das Mädchen zum Teil im Schlaf mißbraucht hat und im übrigen durch Versprechen von Geld (erfolglos) zu sexueller Betätigung veranlassen wollte, nicht in Einklang bringen, ebensowenig wie die bis zuletzt leugnende Verantwortung als Beitrag zur Sachverhaltsaufklärung zu werten ist.

Die richtig aufgezeigten Strafzumessungsgründe hat das Erstgericht aber auch zutreffend gewichtet und im Hinblick auf das Fehlen von (ungetilgten) Vorstrafen trotz der wiederholten, auf einer einschlägigen Neigung beruhenden sexuellen Angriffe auf mehrere Mädchen nur eine geringfügig über der gesetzlichen Mindeststrafe liegende Sanktion ausgesprochen, die durchaus schuldangemessen ist. Die aus der Tatwiederholung ersichtlichen und in der aktenkundigen Persönlichkeitsstruktur des Angeklagten liegenden kriminogenen Momente schließen aber auch eine bedingte Strafnachsicht aus. Es war daher der Berufung der Erfolg zu versagen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die bezogene Gesetzesstelle.

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