OGH 13Os83/83

OGH13Os83/837.7.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 7. Juli 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Horak, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Kalivoda als Schriftführerin in der Strafsache gegen Herbert A u.a. wegen des Vergehens des Quälens eines Gefangenen nach § 312 Abs 1 StGB über die von den Angeklagten Herbert A, Engelbert B und Franz C gegen das Urteil des Landesgerichts Salzburg als Schöffengerichts vom 2. Dezember 1982, GZ 18 Vr 3383/81-22, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Felzmann, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Zitta und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Bassler, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen den Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Der am 9. April 1943 geborene Herbert A, der am 8. Mai 1943 geborene Engelbert B und der am 18. November 1937 geborene Franz C wurden des Vergehens des Quälens eines Gefangenen nach § 312 Abs 1 StGB schuldig erkannt. Darnach haben sie in der Nacht vom 14. August zum 15. August 1981 (im Urteilsspruch irrig: 1982) als diensthabende Justizwachebeamte des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Salzburg den Untersuchungshäftling Brahim D, nachdem dieser einen Selbstmordversuch unternommen hatte, mit Schlägen und Tritten mißhandelt, ihn anschliessend ca. zwei Stunden lang im unbekleideten Zustand und ohne Beistellung einer Decke und einer Urinflasche in das Gitterbett gesperrt und ihm hiedurch körperliche und seelische Qualen zugefügt.

Die Angeklagten erheben gemeinsam ausgeführte, auf § 281 Abs 1 Z 5 und 10 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerden.

Rechtliche Beurteilung

Den umfangreichen Ausführungen zur Mängelrüge ist grundsätzlich entgegenzuhalten, daß die in der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO. aufgezählten Begründungsmängel nur dann beachtlich sind, wenn sie die Richtigkeit der für die Entscheidung wesentlichen Tatsachenfeststellungen bei Berücksichtigung der Denkgesetze in Frage stellen können. Im Rahmen der Beweiswürdigung angestellte Erwägungen und herangezogene Indizien hat das Gericht in gedrängter Form darzulegen (§ 270 Abs 2 Z 5 StPO.), sie unterliegen aber im Rechtsmittelverfahren keiner überprüfung auf ihre Beweiskraft, weil dies auf ein unzulässiges Relevieren der überzeugung der Tatrichter im faktischen Bereich (§ 258 Abs 2 StPO.) hinausliefe. Im Licht dieses Grundsatzes sind alle, diverse Widersprüche in den einzelnen Beweisergebnissen behauptenden und damit deren Glaubwürdigkeit betreffenden Ausführungen der Nichtigkeitswerber (Punkte 3 bis 6 auf S. 213 bis 221) als unzulässige Angriffe auf die Beweiswürdigung anzusehen und bedürfen keiner weiteren Erörterung.

Diese prozeßordnungswidrige Ausführung der Nichtigkeitsbeschwerden leuchtet bereits aus der Diktion der ersten Absätze des Rechtsmittels hervor, das Urteil 'stehe und falle mit der Beurteilung der Glaubwürdigkeit' der Angeklagten und der Zeugen (S. 207) und das Erstgericht habe die gegen die Glaubwürdigkeit der Belastungszeugen sprechenden Umstände unrichtig beurteilt (S. 209). In Wahrheit hat das Schöffengericht aber die Vorfälle der Tatnacht genau und in ihrem zeitlichen Ablauf folgerichtig dargestellt und jeweils deutlich angeführt, auf Grund welcher Beweismittel es zu seinen Feststellungen gelangte und weshalb es die diesen Urteilsannahmen zuwiderlaufenden Verantwortungen der Angeklagten und der Aussage des Zeugen E keinen Glauben geschenkt hat.

Im einzelnen ist zu den Ausführungen der Mängelrüge zu bemerken:

Die Behauptung, die einzelnen Feststellungen zur Art der Mißhandlungen und deren Zuordnung zu Taten der Angeklagten seien in sich widersprüchlich (S. 207-209), läßt sich dadurch leicht widerlegen, daß mit den bekämpften, isoliert herausgegriffenen Urteilskonstatierungen keineswegs das gesamte tatbestandsmäßige Verhalten der Angeklagten abschließend umschrieben ist; vielmehr wurde in der ersten Phase des Geschehens der Untersuchungshäftling sowohl in der Zelle als auch auf dem Weg zum Sonderhaftraum 'durch Schläge und Tritte' wiederholt mißhandelt (vgl. die diesbezüglichen Urteilsfeststellungen S. 161 unten, 162).

Folglich stehen die festgestellten einleitenden Tätlichkeiten der beiden Justizwachebeamten B und A gegen den eben vom Tode Erretteten zueinander nicht im Widerspruch, auch wenn das Erstgericht offen läßt, wer zuerst einen Fußtritt versetzt hat (S. 161). Beim Vorwurf, eine Würdigung der (angeblich) abweichenden Befunde Dris. F vom 15. August 1981 (S. 15) und Dris. G vom 17. August 1981 (S. 27) unterlassen zu haben (S. 209 bis 211), übersehen die Angeklagten, daß die beiden örzte - neben Strangulierungsspuren - übereinstimmend Verletzungen am rechten Oberarm und auf der rechten Thoraxseite des Untersuchungshäftlings feststellten. Dr. G hat aber darüber hinaus Prellungen am Rücken und Hautabschürfungen am rechten Unterschenkel (Schienbein) konstatiert sowie behauptete Schmerzen im Genitalbereich befundet. Diesem Beweisergebnis hat das Erstgericht durch Zitierung dieser Befunde (einschließlich der Feststellungen des Anstaltspsychologen Dr. Hermann H vom 17. August 1981: S. 45, 46) im Urteil (S. 166) hinreichend Rechnung getragen. Aus der Aktenlage ergibt sich, daß Dr. F, der primär wegen des Selbstmordversuchs des Brahim D gerufen worden war, diesen auf eine infolge des Strangulierungsversuchs bestehende Gefahr und nicht nur wegen Verletzung durch Mißhandlungen untersucht hatte (S. 18 oben und S. 46). Erörterungen über eine an sich mögliche Selbstbeschädigung des Untersuchungshäftlings konnten infolge Fehlens jedweden konkreten Anhaltspunkts in dieser Richtung entfallen. Der durch die Zuschrift des landesgerichtlichen Gefangenenhauses Salzburg vom 26. November 1982

(ON. 20) bestätigte Umstand, daß (auch) in Salzburg immer wieder Selbstbeschädigungen von Häftlingen vorkommen, indiziert noch nicht, daß sich D selbst beschädigt hat, um unliebsame Justizwachebeamte zu denunzieren.

Entgegen der von den Beschwerdeführern vertretenen Ansicht (S. 211- 213) bedurfte die nur vom Angeklagten B ursprünglich gewählte, später nur mehr in abgeschwächter Form aufrecht erhaltene (S. 56 f., 135) Verantwortung, die (in der Bedrutung: alle) Verletzungen des D seien 'durch das Abschneiden und den damit verbundenen Fall entstanden' (S. 31), keiner besonderen Erörterungen. Der Angeklagte A spricht überhaupt nur von 'Vermutungen' (S. 60, 129). Das Erstgericht stützt seine, jede andere Verletzungsursache ausschließende Beweiswürdigung ersichtlich auf die als typische Mißhandlungsfolgen anzusehenden körperlichen Beschädigungen des Brahim D (vgl. Sachverständigengutachten S. 93), die allenfalls durch dessen angebliche Gegenwehr beim Transport in die Krankenabteilung entstanden sein könnten. Aus der gutächtlich erwiesenen Tatsache aber, daß der Häftling nach seinem Selbstmordversuch viel zu schwach war, um sich überhaupt zu wehren (S. 149), zieht das Gericht den logischen Schluß, daß die Verantwortungen insgesamt falsch und alle Verletzungen (außer den Strangulierungsspuren) ihre Ursache in den Mißhandlungen seitens der Angeklagten hatten (S. 173). Die Behauptung, daß gerade jene Verletzungen durch den Fall des D nach seinem Suizidversuch entstanden seien, die Dr. F in seinem Befund vom 15. August 1981 festgehalten hat, sodaß der Schluß auf eine spätere Selbstbeschädigung des D in Ansehung der weiteren Verletzungen 'naheliege', negiert diese begründete Urteilsannahme. Als offener Angriff auf die auf der Glaubwürdigkeit des Tatopfers aufgebaute Beweisbeurteilung stellt sich das Vorbringen dar, das Erstgericht setze sich mit seinen eigenen Konstatierungen in Widerspruch, weil es den Geisteszustand des Zeugen D mit Stillschweigen übergangen habe. Die Tatrichter haben sich nämlich mit der Persönlichkeit D (mit hinreichender Berücksichtigung der Vorverurteilung wegen §§ 15, 269 Abs 1 StGB ) und dessen physischer und psychischer Verfassung vor und nach den gegenständlichen Vorfällen ausführlich und eingehend auseinandergesetzt (S. 160, 167, 174, 175 f.). Den Angeklagten ist wohl zuzugeben, daß sie nicht erst (wie das Gericht vermeint) in der Hauptverhandlung (S. 173), sondern der Angeklagte B schon anläßlich seiner Vernehmung durch Oberstleutnant I (S. 31) und dann auch beim Untersuchungsrichter (S. 57) und der Angeklagte A erstmals in seiner Beschuldigtenvernehmung vor dem Untersuchungsrichter (S. 60) von einem Widerstand des D gegen dessen Verbringung in die Krankenabteilung berichtet haben. Dies vermag aber an der Denkrichtigkeit des Arguments des Schöffengerichts nichts zu ändern, wonach die Beschwerdeführer zunächst in ihrer Meldung vom 14. August 1981 (S. 21) nichts erwähnten, sondern diese Behauptung erstmals nach Kenntnis der Anschuldigungen durch D aufstellten, so daß die nunmehr hiefür gegebene Erklärung unglaubwürdig erscheine (S. 173). Dem weiteren Einwand, das Urteil lasse eine 'Auseinandersetzung mit den Persönlichkeiten der Zeugen J und K' vermissen (S. 255), ist entgegenzuhalten, daß das Gericht bei der Würdigung der Aussage eines von ihm persönlich vernommenen Zeugen (Alfred J, S. 141 f.) weder imstande noch verpflichtet ist, alle jene Umstände anzuführen, auf denen seine überzeugung von der Glaubwürdigkeit oder Unglaubwürdigkeit beruht, weil eben bei der Würdigung solcher Aussagen der persönliche Eindruck entscheidend ist und dieser sich in Worten nicht immer wiedergeben läßt. Auf die Vernehmung des Zeugen K in der Hauptverhandlung wurde aber verzichtet (S. 155) und damit von den Angeklagten zum Ausdruck gebracht, daß dessen Angaben im Vorverfahren akzeptiert werden.

Mit der Behauptung, die Feststellung, die Temperatur in der Nacht vom 14. August zum 15. August 1981 im Sonderhaftraum habe 'nicht mehr als höchstens 20 Grad Celsius' betragen (S. 163), finde in den Beweisergebnissen keine Deckung (S. 225 bis 227), setzen sich die Angeklagten über die insoweit bedeutsamen, die Außentemperatur am Flughafen Salzburg zur fraglichen Zeit betreffenden Urteilskonstatierungen hinweg. Aus diesen Prämissen konnte denkrichtig auf die Innentemperatur im Sonderhaftraum geschlossen werden (S. 163). Das Schöffengericht ist überdies bei der weiteren Beurteilung des Sachverhalts in übereinstimmung mit der Verantwortung der Angeklagten von einer Raumtemperatur von ca. 20 Grad Celsius ausgegangen (S. 167, 176) und hat die Erkennbarkeit der Unterkühlung des Häftlings auch auf dessen kauernde Haltung gestützt (S. 178), so daß der dieser Konstatierung von den Beschwerdeführern unterlegte Sinn, das Gericht gehe von einer Temperatur von unter 20 Grad aus, dem Urteil tatsächlich nicht zu entnehmen ist. Die Beschwerdeführer meinen, das Erstgericht hätte bezüglich der geöffneten Fensterklappe (S. 162, 170, 176) nicht den Angaben des Brahim D, sondern ihren Verantwortungen, insbesondere der des Angeklagten B Glauben schenken müssen, der ein Schließen dieser Klappe ausdrücklich behauptet hatte (S. 135). Hier sind die Rechtsmittelwerber neuerlich darauf zu verweisen, daß das Gericht seine entgegenstehenden Tatsachenfeststellungen auf Grund der übrigen unbedenklichen Beweisergebnisse getroffen hat und ausdrücklich davon ausgeht, daß die Angeklagten die Maßnahmen bewußt als Strafsanktion gegen einen unliebsamen Ausländer gesetzt haben (S. 184).

Die geforderte Urteilskonstatierung, 'daß eine Unterkühlung mit allen möglichen Krankheitsfolgen grundsätzlich auch in der wärmeren Jahreszeit erst bei einer mehrstündigen nackten Unterbringung eines Menschen möglich ist, also nicht bei einer bloß zweistündigen' (S. 229), war ebenfalls entbehrlich, weil sie weder für die Unterstellung der Tat unter den § 312 Abs 1 StGB noch für die Wahl des Strafsatzes von Bedeutung sein könnte. Die vom Erstgericht zur Widerlegung der Verantwortung des Angeklagten C, er habe gar nicht daran gedacht, daß D frieren könnte, herangezogene Lebenserfahrung, derzufolge bei derartigen Verhältnissen in einem Raum eine leichtbekleidete Person bei sitzender Beschäftigung bereits nach gewisser Zeit an Händen und Füßen zu frieren beginnt (S. 179), ist im Gutachten des Sachverständigen durchaus begründet (S. 149). Unter Berücksichtigung der konkreten Umstände (Unterbringung des Häftlings im unbekleideten Zustand in einem keine Bewegung ermöglichenden Gitterbett bei geöffnetem Fenster und durchströmender kühler Zugluft) ist die Bezugnahme auf die Lebenserfahrung zur Widerlegung der geschilderten Verantwortung ausreichend.

Schließlich geht auch der Vorwurf der unlogischen Urteilsbegründung hinsichtlich der möglichen Simulation des D ins Leere (S. 229 bis 231). Das aus der Widersprüchlichkeit der Verantwortungen der Angeklagten (siehe deren Aussagen S. 128, 130, 133, 136) zusätzlich abgeleitete Indiz für deren Unglaubwürdigkeit ist durchaus denkrichtig und eine andere Deutungsmöglichkeit ihres Verhaltens stellt noch keinen Begründungsmangel im Sinn des angezogenen Nichtigkeitsgrunds dar.

Der Mängelrüge kommt daher keine Berechtigung zu.

Aber auch die auf § 281 Abs 1 Z 10 StPO gestützte, eine Verurteilung nach § 83 Abs 1 StGB in Verbindung mit § 313 StGB anstrebende Rechtsrüge vermag nicht durchzugreifen. Wenn die Beschwerdeführer mittels eines Vergleichs der das Zufügen von (besonderen) Qualen oder das Quälen bedrohenden Strafnormen mit den Sanktionen der allgemeinen Körperverletzungsdelikte den Beweis abzuleiten suchen, daß Qualen einer 'beträchtlichen, näher bei einer schweren Körperverletzung liegenden Schädigung der körperlichen und geistigen Gesundheit' gleichzuhalten seien (S. 237), ist ihnen nicht zu folgen. Idealkonkurrenz des Vergehens nach § 312 Abs 1 StGB und einer vorsätzlichen Körperverletzung ist zwar nur anzunehmen, wenn das Verletzungsdelikt mit strengerer Strafe bedroht ist (Leukauf-Steininger2 RN 8 zu § 312 StGB in Verbindung mit RN 14 zu § 92 StGB - 12 0s 10/78). Leichte Körperverletzungen sind somit nicht gesondert zu bestrafen. Indes kann aus dem Vergleich der Strafdrohungen des Sonderdelikts des § 312 StGB mit denen der Verletzungsdelikte noch keineswegs das Erfordernis einer besonderen Intensität der Qualen, d.h. die Notwendigkeit einer Differenzierung innerhalb des Bereichs (oder Begriffs) der Qual, abgeleitet werden. Der dem Quälen eiees Gefangenen vom Gesetzgeber zugeordnete Unwert orientiert sich (neben den möglichen Folgen für das Opfer) vor allem an dem aus der Eigenschaft der Täter als Beamte und aus deren Willkür gegenüber ihnen ausgelieferten, zwangsweise angehaltenen Menschen resultierenden hohen Unrechtsgehalt derartiger übergriffe (Dok. S. 238). Demgemäß ist beim Eintritt (zumindest fahrlässig herbeigeführter) qualifizierter Verletzungsfolgen auch eine höhere Strafdrohung vorgesehen (§ 312 Abs 3 StGB ).

Der Begriff der 'Qual' ist allgemein verständlich und darum dem gewöhnlichen Sprachgebrauch zu entnehmen. Er ist dahin zu verstehen, daß es sich um (auch durch Unterlassung bewirkbare - § 2 StGB ) einen gewissen Zeitraum andauernde oder sich wiederholende Schmerzen, Leiden, aber auch Angstzustände handelt, die mit einer erheblichen Beeinträchtigung des psychischen oder physischen Wohlbefindens verbunden sind (ähnlich Leukauf-Steininger2 RN 5 zu § 92 StGB ; 12 ns 101, 102/82). Hiebei kommt es nicht darauf an, ob der qualvolle Zustand durch Mißhandlungen herbeigeführt oder erst durch solchen Mißhandlungen nachfolgende, deren Auswirkungen verschlimmernde Handlungen und Unterlassungen bewirkt wird. Die Angeklagten haben nach den Urteilsfeststellungen in gemeinsamer Durchführung einer (zumindest stillschweigend) gebilligten Strafaktion gegen den Untersuchungshäftling D, von dem sie wußten, daß er durch Selbstmord aus dem Leben scheiden wollte und gegen seinen Willen gerettet worden war, diesen zunächst beschimpft und schwer mißhandelt und zwar geschlagen und mit Fußtritten gepeinigt. Schließlich brachten sie ihn nackt in einem im Sonderhaftraum aufgestellten Gitterbett unter, verweigerten ihm zudem jeden Kälteschutz trotz kühler Zugluft und ermöglichten ihm nicht einmal die menschenwürdige Verrichtung der Notdurft. In der Herbeiführung und Aufrechterhaltung dieser durch die vorhergegangenen mannig& cxen Erschütterungen und Körperverletzungen noch verschärften psychischen und physischen Leiden durch eineinhalb bis zwei Stunden wurde rechtsrichtig der Tatbestand des § 312 Abs 1 StGB erblickt. Es schlägt aber auch der weitere Einwand nicht durch, den Angeklagten sei ihr Verhalten aus rechtlichen Gründen nicht vorzuwerfen (es sei gerechtfertigt), weil die getroffenen Maßnahmen den gesetzlichen Anordnungen des § 103 Abs 1 und 2 StVG. entsprächen (S. 237-239).

Dem ist zunächst entgegenzuhalten, daß das Erstgericht die Anordnung solcher besonderen Sicherheitsmaßnahmen nicht für erforderlich erachtete (S. 184), sodaß es bereits an der Grundvoraussetzung für die Anordnung dieser Maßnahmen (§ 103 Abs 1 StVG.) gebricht. Es bedarf aber auch des weiteren Hinweises, daß die nach § 103 Abs 2 Z 3 bis 5 StVG. grundsätzlich zulässigen Sicherheitsmaßnahmen (Entziehung der Bekleidung, Unterbringung in einer besonders gesicherten Zelle, Festhalten in einem Gitterbett) immer nur nach den Grundsätzen der Verhältnismäßigkeit angeordnet und aufrechterhalten werden dürfen (Abs 5), insbesondere aber einer alsbaldigen medizinischen (Abs 3) und aufsichtsbehördlichen überprüfung (Abs 6) zugeführt werden müssen. Gerade in der Unterlassung der durch die §§ 68, 70 StVG. vorgeschriebenen sofortigen Verständigung des Anstaltsarztes (oder eines anderen Arztes) ist zu ersehen, daß es den Angeklagten nicht um eine dem Gesetz entsprechende Diensterfüllung ging, daß sie sich vielmehr eines vorsätzlichen rechtswidrigen übergriffs unter Mißachtung ihrer Dienstpflichten schuldig gemacht haben.

Es war daher den Nichtigkeitsbeschwerden insgesamt der Erfolg zu

versagen.

Alle drei Angeklagten wurden nach § 312 Abs 1 StGB

unter Anwendung des § 37 StGB zu einer Geldstrafe von je 180 Tagessätzen, im Nichteinbringungsfall zu neunzig Tagen Ersatzfreiheitsstrafe, verurteilt. Die jeweilige Höhe des Tagessatzes wurde der Leistungsfähigkeit entsprechend unterschiedlich festgesetzt. Bei der Strafzumessung wurde allen Angeklagten als erschwerend angelastet, daß der Häftling verletzt wurde, als mildernd ihr bisher ordentlicher Wandel und eine nicht auszuschließende Erregung zur Tatzeit wegen zweier, in dieser Nacht vorgefallener Selbstbeschädigungen (S. 133).

Mit ihren Berufungen streben die Angeklagten die bedingte Nachsicht

der über sie verhängten Geldstrafen an;

dies jedoch zu Unrecht.

Wohl sieht § 43 Abs 1 StGB ausdrücklich die bedingte Nachsicht von Geldstrafen vor. Allein der Strafausspruch hat in seiner Gesamtheit einerseits darauf Bedacht zu nehmen, welcher Unwert in der Tat verwirklicht wurde, d.h. welche rechtlich geschützten Werte zuschanden geworden sind (siehe §§ 32 Abs 2, 43 Abs 1, vorletzter Satz, StGB : 'Art der Tat'); die Unwertbedeutung des Verhaltens der drei Rechtsbrecher darf weder bagatellisiert noch beschönigt werden, soll unser Land als Rechtsstaat glaubwürdig bleiben. Andererseits ist von Gesetzes wegen die überlegung anzustellen, welche Sanktion am ehesten geeignet ist, die Wiederholung dieser oder ähnlicher Straftaten durch die Delinquenten oder andere Beamten hintanzuhalten (§ 43 Abs 1 StGB ). Die rückfallhemmende Wirkung einer (wenn auch nur angedrohten) Freiheitsstrafe ist jedenfalls höher zu bewerten, weil deren Folgewirkungen in den sozialen Status des Täters nachhaltiger eingreifen als die Bezahlung einer Geldstrafe; das spricht schon § 37 StGB klar aus ('wenn es nicht der Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe bedarf ...';

vgl. EBRVStGB 1971 S. 130: 'Fälle denkbar, in denen eine Geldstrafe

... den Rechtsbrecher nicht hinreichend beeindrucken könnte ... die

Verhängung einer Geldstrafe von der Allgemeinheit nicht so ernst

genommen würde ... wenn der bedingte Ausspruch einer Freiheitsstrafe

spezialpräventiv notwendig scheint, um den Rechtsbrecher während der Probezeit entsprechend beeinflussen zu können'). Folglich ist die verhängte Strafart für die Prüfung, ob eine bedingte Nachsicht gewährt werden kann, nicht ohne Bedeutung. Zugleich steht es nach dem Gesagten außer Frage, daß die kriminalpolitische Effektivität einer bedingten Geldstrafe geringer als die einer bedingten Freiheitsstrafe ist.

Bei der Art der Tat (§ 43 Abs 1 StGB ) erfordern sowohl deren Unrechtsgehalt (siehe oben) als auch das aus den Tathandlungen und dem folgenden Verhalten hervorgehende Persönlichkeitsbild der verurteilten Justizwachebeamten die Vollziehung der Geldstrafen. Die Berücksichtigung des Unrechtsgehalts der Tat konvergiert mit den in erster Instanz hervorgekehrten generalpräventiven Gründen, wozu auch der Gesichtspunkt der Festigung des Rechtsbewußtseins in der Bevölkerung gehört: der Vorfall wurde nicht nur in Kreisen der Justizwache, sondern auch in der Öffentlichkeit bekannt. Diese Gründe stehen der Anwendung des § 43 Abs 1 StGB gleichermaßen gewichtig entgegen wie die zuvor umrissenen Bedürfnisse der Spezialprävention.

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