OGH 11Os109/83

OGH11Os109/8328.6.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 28. Juni 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Piska, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Walenta, Dr. Schneider und Dr. Reisenleitner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Eier als Schriftführers in der Strafsache gegen Anna A wegen des Vergehens des Glücksspiels nach dem § 168 Abs 1 StGB über die von der Generalprokuratur gegen die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Kirchschlag vom 13. Februar 1981, GZ U 4/81-4, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde zur Wahrung des Gesetzes nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Reisenleitner, und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwaltes Dr. Presslauer, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Kirchschlag vom 13. Februar 1981, GZ U 4/81-4, mit der über Anna A wegen des Vergehens des Glücksspiels nach dem § 168 Abs 1 StGB eine Geldstrafe verhängt wurde, verletzt das Gesetz in der genannten Bestimmung.

Diese Strafverfügung sowie alle darauf beruhenden Verfügungen und Anordnungen, insbesondere die Endverfügung vom 13. März 1981, werden aufgehoben und es wird dem Bezirksgericht Kirchschlag die neuerliche Entscheidung über den Antrag des Bezirksanwalts auf Bestrafung der Anna A aufgetragen.

Text

Gründe:

Aus dem Akt AZ U 4/81 des Bezirksgerichtes Kirchschlag ergibt sich folgender Sachverhalt:

Am 17. Jänner 1981 erstattete das Gendarmeriepostenkommando Kirchschlag in der Buckligen Welt an den Bezirksanwalt beim Bezirksgericht Kirchschlag eine Strafanzeige gegen die Gastwirtin Anna A wegen Verdachtes des Vergehens des Glücksspiels nach dem § 168 Abs 1 StGB

Nach dem Inhalt dieser Anzeige gestattete Anna A in der Zeit vom 1. Juli bis 27. Dezember 1980 in ihrem Gasthaus in Kirchschlag in der Buckligen Welt den Betrieb eines Geldspielautomaten der Marke 'Ambassador' und verschaffte hiedurch sich selbst und dem Automatenaufsteller Vermögensvorteile. Beim Spiel mit diesem Automaten, der ausdrücklichem Verbot zuwider auch durch Einwurf von 10 S-Münzen in Betrieb genommen werden könne, seien Gewinn und Verlust vom Zufall abhängig. Zwar habe Anna A nicht nachgewiesen werden können, daß sie an die Gewinner des Automatenspiels Geldauszahlungen oder Warenauszahlungen vorgenommen habe, jedoch sei es unwahrscheinlich, daß die Gewinner nur Freispiele erhalten hätten.

Der Anzeige war eine Niederschrift über eine 'Befragung' der Anna A angeschlossen. Bei dieser Vernehmung hatte sie den Betrieb des Automaten zugegeben und hiezu erklärt, daß die Automatenspiele mit Münzen zu 5 S und 10 S abgewickelt werden konnten, doch hätten die Gewinner nur Freispiele erhalten. Sie selbst habe aus den Automateneinnahmen 35 % des Reingewinnes bezogen. Im Monat November 1980 sei ein Einspielergebnis von 4.105 S erzielt worden. Auf Grund dieser Anzeige und des vom Bezirksanwalt gestellten Antrages auf Bestrafung erließ das Bezirksgericht Kirchschlag am 13. Februar 1981 eine Strafverfügung (ON 4 d. A), mit der Anna A des Vergehens des Glücksspiels nach dem § 168 Abs 1 StGB schuldig erkannt und zu einer Geldstrafe verurteilt wurde.

Rechtliche Beurteilung

Diese Strafverfügung erwuchs in Rechtskraft.

Sie steht mit dem Gesetz nicht im Einklang:

Vom Tatbestand des § 168 Abs 1 StGB ausgenommen (siehe hiezu Bericht des Justizausschusses, 959 BlgNR XIII. GP, S 28; Liebscher im WK, Rz 11 zu § 168 StGB;

ÖJZ-LSK 1983/58; 10 Os 25, 26/83; aM - ohne nähere Begründung - Kienapfel, Bes. Teil II, RN 13 zu § 168 StGB) ist die Veranstaltung oder Förderung von Glücksspielen, wenn zu gemeinnützigen Zwecken oder bloß zum Zeitvertreib um geringe Beträge gespielt wird. Die in der zweiten Alternative der negativen Tatbestandsmerkmale umschriebenen 'harmlosen' Spiele sind sohin dadurch gekennzeichnet, daß die Mitwirkenden durch ihre Spielbeteiligung im wesentlichen Unterhaltung und Zerstreuung suchen sowie dadurch, daß die hiebei aufs Spiel gesetzten Vermögenswerte nur einen geringen Betrag ausmachen.

Die Beantwortung der Frage, ob um 'geringe Beträge' gespielt wird, ist grundsätzlich am Einzelspiel bzw. am einzelnen, jeweils über Gewinn oder Verlust entscheidenden Spielgang zu orientieren (vgl. ÖJZ-LSK 1983/58; ausführlich hiezu 10 Os 25, 26/83; ebenso Kummer, ÖJZ 1980, 347; aM Leukauf-Steininger, StGB2, RN 7 zu § 168 StGB, und Höpfel ÖJZ 1978, 422). Diese Auffassung entspricht dem Gesetzeswortlaut, weil der Plural '... um geringe Beträge ...'

zwingend eine Mehrzahl von Spieleinsätzen voraussetzt, von denen nur jeder einzelne geringfügig zu sein braucht, ohne daß sich aus diesem negativen Tatbestandsmerkmal das zusätzliche Erfordernis ergäbe, daß auch die Summe aller Einsätze nur geringfügig sein dürfe. Das Korrektiv gegen eine zu weitgehende Einschränkung der gerichtlichen Strafbarkeit bildet nach dem Gesetz die weitere in bezug auf den gesamten Tatbestand negativ umschriebene Voraussetzung, daß 'bloß zum Zeitvertreib' gespielt wird. Das jedem Spiel wesensimmanente Gewinnstreben der Teilnehmer muß sich zwar bei einem Spiel um Geld zwangsläufig (auch) auf einen Geldgewinn erstrecken, jedoch geht allein dadurch der bloße Unterhaltungscharakter des Spiels noch nicht verloren. Davon kann erst dann die Rede sein, wenn das Gewinnstreben als Motivation - zwar nicht unbedingt ausschließlich wirksam ist, aber doch - so weit in den Vordergrund tritt (zB bei einer außergewöhnlich günstigen, zu Serienspielen verleitenden Relation zwischen Einsatz und theoretisch erzielbarem Gewinn), daß es dem Spieler geradezu darauf ankommt, Geld zu gewinnen, wenn er also in gewinnsüchtiger 'Absicht' (§ 5 Abs 2 StGB) spielt (vgl. 10 Os 25, 26/83;

11 Os 39, 40/83; Höpfel, aaO 422; Kummer, aaO 347; Liebscher, aaO, Rz 12 zu § 168).

Dabei handelt es sich aber in jedem konkreten Einzelfall um eine Tatfrage.

Die Gendarmerieanzeige vom 17. Jänner 1981 enthielt in diesem Zusammenhang den Hinweis, daß der einzelne Spieleinsatz maximal 10 S betrug und insoweit jedenfalls gering war, bot jedoch keine weitere Beurteilungsgrundlage dafür, ob es sich beim Betrieb des Spielautomaten um ein derartiges strafloses Unterhaltungsspiel handelte.

Nach dem Akteninhalt war eine Tatbildverwirklichung im Zeitpunkt der Erlassung der Strafverfügung nicht festzustellen, weil es hiezu nach dem Gesagten noch einer weiteren Klärung des Sachverhaltes hinsichtlich der Spielgestaltung und der Motivation der Spieler bedurft hätte.

Die Strafverfügung entbehrt somit im aufgezeigten Umfang der erforderlichen aktenmäßigen Deckung, welche sich auf sämtliche Tatbestandserfordernisse (und das Fehlen von Tatbildmerkmalen negativer Art) erstrecken muß. Durch die ohne ausreichende Klärung der für eine abschließende rechtliche Beurteilung maßgebenden Umstände getroffene Annahme, daß anläßlich des Automatenbetriebes der Bereich des straflosen Unterhaltungsspiels verlassen worden sei, wurde sonach die Reichweite des § 168 Abs 1 StGB verkannt und demgemäß das Gesetz in dieser Bestimmung verletzt.

Diese Gesetzesverletzung war festzustellen, gemäß dem § 292 StPO die Strafverfügung des Bezirksgerichtes Kirchschlag und die darauf beruhenden Verfügungen und Anordnungen aufzuheben und dem Bezirksgericht aufzutragen, (nach Verfahrensergänzung) neuerlich zu entscheiden.

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