OGH 13Os104/83

OGH13Os104/8327.6.1983

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Bernardini, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Eier als Schriftführerin in der Strafsache gegen Georg A wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs. 1 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Graz als Schöffengerichts vom 3.Mai 1983, GZ. 9 Vr 546/83-24, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuerlicher Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit ihren Berufungen werden die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Georg A wurde mit dem angefochtenen Urteil schuldig befunden am 10. Februar 1983 in Graz Johann B durch Versetzen eines Messerstichs in den rechten Oberschenkel und Zufügen eines 20 cm langen Schnitts an der rechten Wade absichtlich schwer verletzt und demgemäß das Verbrechen nach § 87 Abs. 1 StGB. begangen zu haben. Die Verantwortung des Angeklagten, der sich auf Notwehr berufen hatte, fand bei den Tatrichtern keinen Glauben. Der Antrag des Angeklagten auf Vernehmung von ihm namhaft gemachter Zeugen darüber, daß auch er durch B verletzt worden sei und daß er sich in einer notwehrbegründenden Situation befunden habe, wurde ebenso abgewiesen wie die Durchführung des von ihm ebenfalls beantragten Lokalaugenscheins.

Rechtliche Beurteilung

Der auf § 281 Abs. 1 Z. 4 und 5 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde kommt schon aus dem erstgenannten Grund Berechtigung zu.

Allerdings hat die Unterlassung der Einvernahme des Zeugen J. C über Verletzungen des Beschwerdeführers durch Handlungen des B ebensowenig Verteidigungsrechte beeinträchtigt wie das Unterbleiben eines Lokalaugenscheins. Ist doch der Schöffensenat auf Grund übereinstimmenden Vorbringens des Angeklagten und von Zeugen davon ausgegangen, daß den Messerstichen des ersteren eine tätliche Auseinandersetzung mit B vorangegangen ist. Allenfalls dabei erlittene Verletzungen des Beschwerdeführers haben damit keinen Aussagewert, ob die spätere Verwendung des Messers der Abwehr eines (neuerlichen und gesonderten) Angriffs diente oder nicht. Ein Augenschein des Tatorts kann auch unter Hinzuziehung von Zeugen nur Demonstrationen der Tat nach den jeweiligen Aussagen bringen, jedoch mangels objektiver Anhaltspunkte keine Aufklärung des wahren Geschehens.

Zu Unrecht verfielen aber die Anträge auf Vernehmung der Zeugen Christa und Willibald D (der bereits im Vorverfahren vom Angeklagten als Tatzeuge bezeichnet wurde: S. 35) sowie Andreas E und Wolf F der Abweisung. Die hiefür gegebene Begründung, daß nach der Art der Stichführung und der Verwendung eines Messers eine Notwehrsituation ausgeschlossen sei (S. 91), verkennt, daß Form und Maß der Abwehr sich regelmäßig und vor allem nach der Art, der Wucht und der Intensität des (zur Notwehr berechtigenden) Angriffs richten (LSK. 1978/261). Die Anträge, welche die eine Notwehrlage begründenden Modalitäten des behaupteten Angriffs des B unter Beweis zu stellen suchten, durften daher nicht übergangen werden.

Sie konnten auch nicht damit abgetan werden, daß im Polizeibericht keine Tatzeugen aufgenommen werden konnten (S. 3 der Urteilsgründe). Es zeigt sich demnach, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist. Es war daher gemäß § 285 e StPO. bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung der Nichtigkeitsbeschwerde Folge zu geben und das angefochtene Urteil aufzuheben.

Eines Eingehens auf die Mängelrüge bedurfte es damit nicht; doch vermißt diese durchaus zu Recht eine Begründung im Urteil, daß der Angeklagte absichtlich (§ 5 Abs. 2 StGB.) seinem Widersacher die schwere Verletzung zugefügt habe. Mit ihren Berufungen waren die Staatsanwaltschaft und der Angeklagte auf die Urteilsaufhebung zu verweisen.

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