Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil wird aufgehoben und es wird I. im Umfang der Aufhebung des Punktes 1 des Schuldspruches gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst erkannt:
Eva Maria A ist schuldig, am 11. August 1982 in Horn fremde bewegliche Sachen, nämlich eine Flasche Sonnenmilch, eine Spraydose CD-Deodorant, zwei Dosen Mascara-Wimperntusche und eine Spraydose Fly-away im Gesamtwert von 318,50 S Verfügungsberechtigten der X-Drogerie Markt Ges.m.b.H.
& Co. KG. mit dem Vorsatz weggenommen zu haben, sich durch die Sachzueignung unrechtmäßig zu bereichern.
Sie hat hiedurch das Vergehen des Diebstahls nach dem § 127 Abs. 1 StGB begangen;
II. im übrigen (Aufhebung des Punktes 2 des Schuldspruches und des die Verurteilung zu einer Strafe vertretenden Ausspruchs nach dem § 13 JGG) die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde die am 20. Juni 1967 geborene Schülerin Eva Maria A des Vergehens des versuchten Diebstahls nach den §§ 15, 127 Abs. 1 StGB (Punkt 1./ des Urteilssatzes) und des Vergehens der Täuschung nach dem § 108 Abs. 1 StGB (Punkt 2./ des Urteilssatzes) schuldig erkannt.
Nach den Feststellungen des Erstgerichtes nahm die Angeklagte Eva Maria A am 11. August 1982 in Horn im Selbstbedienungsladen der X-Drogerie Markt Ges.m.b.H. & Co.
KG. mit Diebstahlsvorsatz eine Flasche Sonnenmilch, eine Spraydose CD-Deodorant, zwei Dosen Mascara-Wimperntusche und eine Spraydose Fly-away im Gesamtwert von 318,50 S an sich, legte sie in ihren Einkaufskorb - bei welchem es sich nicht um einen vom Selbstbedienungsunternehmen zur Verfügung gestellten Tragkorb, sondern um ein in ihrem Eigentum stehendes Behältnis handelte - und deckte die Drogerieartikel mit ihrer Handtasche zu, um die Waren ohne Bezahlung aus dem Geschäftslokal zu bringen. Sie erklärte bei der Kasse, nichts Passendes gefunden zu haben. Die Kassierin schöpfte aber Verdacht, weil die Angeklagte sich im Geschäft lange bei den Schminkartikeln aufgehalten und keinen Einkaufswagen benützt hatte, weshalb sie die Angeklagte aufforderte, ihre Handtasche herzuzeigen. Dabei wurden die Waren gefunden und der Angeklagten abgenommen. Die Kassierin verständigte telefonisch die Gendarmerie, worauf sich zwei Beamte in den Selbstbedienungsladen begaben und Sachverhaltserhebungen vornahmen. Die Angeklagte machte bei ihrer Befragung durch die Gendarmeriebeamten falsche Angaben über ihren Namen, Geburtstag, Beruf und Wohnort, indem sie die bezüglichen Personaldaten ihrer früheren Schulkollegin Ingrid B nannte. Dies hatte zur Folge, daß gegen Ingrid B wegen Ladendiebstahls eine Gendarmerieanzeige an das Bezirksgericht Horn erstattet und ein gerichtliches Strafverfahren eingeleitet wurde.
über den Vorsatz der Angeklagten anläßlich der Angabe des Namens und der anderen Personaldaten ihrer früheren Schulkollegin stellte das Erstgericht fest, sie habe nur verhindern wollen, daß ihre Eltern Kenntnis von ihrer Tat erlangen. Sie habe aber nicht daran gedacht, daß Ingrid B gerichtlich verfolgt werden könnte.
In rechtlicher Hinsicht vertrat das Erstgericht die Auffassung, daß der Diebstahl der Waren beim Versuch geblieben sei, weil die Angeklagte die Sachen nicht in eine verschließbare Tasche, sondern in einen offenen Einkaufskorb - wenn auch durch ihre Handtasche verdeckt - gelegt hatte, wodurch der Gewahrsam des bisherigen Inhabers noch nicht beseitigt worden sei. Das Auftreten der Angeklagten unter dem Namen der Ingrid B anläßlich der Gendarmerieerhebungen beurteilte das Erstgericht abweichend von der auf Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1, erster Fall, StGB lautenden Anklage als Täuschung nach dem § 108 Abs. 1 StGB, wobei es den Standpunkt einnahm, daß ein Täter, der sich für eine andere Person ausgibt, hiedurch den Verleumdungstatbestand überhaupt nicht verwirklichen könne und zudem der erforderliche Gefährdungsvorsatz nicht vorgelegen sei.
Hingegen habe die Angeklagte darauf abgezielt, die Feststellung ihrer Identität sowie ihre Strafverfolgung zu verhindern und habe damit im Wege der Täuschung den staatlichen Verfolgungsanspruch verletzt.
Dieses Urteil bekämpft die Staatsanwaltschaft mit einer auf die Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde. In Ansehung des Schuldspruchs wegen versuchten Diebstahls (Punkt 1 des Urteilssatzes) rügt die Anklagebehörde unter Heranziehung des letztgenannten Nichtigkeitsgrundes mit Recht die Annahme bloßen Versuches statt der Diebstahlsvollendung.
Rechtliche Beurteilung
Vollendet ist der Diebstahl mit dem Vollzug des Gewahrsamswechsels, d h mit der Begründung des neuen Gewahrsams an der Sache durch den Täter. Beim strafrechtlichen Gewahrsam handelt es sich um ein faktisch-normatives Herrschaftsverhältnis, dessen Vorliegen an Hand der Umstände des Einzelfalles zu prüfen ist und das sich einer schematischen Beurteilung entzieht (vgl. u a Kienapfel, BT II, RN 54 f, 109, 114 ff; zu § 127; EvBl. 1981/174;
JBl. 1982, 385; 11 0s 148/82).
Unter diesem Gesichtspunkt ist aber im Zug eines Ladendiebstahls der Gewahrsamswechsel bei kleinen Sachen, welche der Täter unbeobachtet vom Berechtigten oder einem von diesem mit der Sicherung des Besitzes Beauftragten am Körper, in seiner Kleidung oder in mitgebrachten Behältnissen versteckt, in der Regel schon durch das eigenmächtige Einstecken des Gegenstandes vollzogen (Steininger in RZ 1981, 24 f; Kienapfel, BT II, RN 117 zu § 127 StGB). Dabei kommt es nicht darauf an, ob die Art des Behältnisses des Täters ein heimliches Wegtragen der Sache erleichtert, sondern, ob die Umstände des Einsteckens eine den bisherigen Gewahrsamsträger ausschließende Sachherrschaft zum Ausdruck bringen. Diese Voraussetzung ist aber im vorliegenden Fall gegeben, weil die Angeklagte die Sachen in den von ihr mitgebrachten Korb legte und mit einer in ihrem Eigentum stehenden Handtasche zudeckte, wodurch die betroffenen Gegenstände jedweder Wahrnehmung entzogen wurden und gleichzeitig in ein für den Gewahrsam typisches faktisches Naheverhältnis zur Angeklagten gelangten. Nach der Verkehrsauffassung erstreckte sich die Sachherrschaft der Angestellten des Selbstbedienungsunternehmens nicht auf das mitgebrachte Behältnis und seinen verborgenen Inhalt, welcher vielmehr der alleinigen faktischen Verfügungsmöglichkeit der Angeklagten unterworfen war, die sohin an den im Korb befindlichen Sachen schon Alleingewahrsam hatte.
Da das Ersturteil infolge rechtsirriger Verneinung der Vollendung des Diebstahls mit materiellrechtlicher Nichtigkeit behaftet ist, war der Nichtigkeitsbeschwerde der Staatsanwaltschaft in diesem Punkt Folge zu geben, der Schuldspruch laut Punkt 1 des Urteilssatzes aufzuheben und insoweit gemäß dem § 288 Abs. 2 Z 3 StPO in der Sache selbst dahin zu erkennen, daß der Angeklagten vollendeter Diebstahl zur Last fällt.
Auch der gegen den Schuldspruch wegen Täuschung (Punkt 2 des Urteilssatzes) gerichteten Beschwerde der Staatsanwaltschaft, von der in diesem Zusammenhang die Nichtigkeitsgründe der Z 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO angerufen, der Sache nach als Anfechtungsgrund jedoch nur Begründungsmängel releviert werden, kommt Berechtigung zu.
Gemäß dem § 297 Abs. 1 StGB begeht eine Verleumdung, wer einen anderen dadurch der Gefahr einer behördlichen Verfolgung aussetzt, daß er ihn einer von Amts wegen zu verfolgenden mit Strafe bedrohten Handlung (oder der Verletzung einer Amts- oder Standespflicht) falsch verdächtigt, wenn er weiß, daß die Verdächtigung falsch ist. Die Verleumdung ist weder ein Tatbestand mit gesetzlich abgegrenzten Mitteln, noch ist die Tathandlung 'falsch verdächtigen' aus anderen Gründen auf bestimmte Handlungsmodalitäten beschränkt. Die strafbare Handlung umfaßt jedes einer Tatsachenmitteilung entsprechende Verhalten, durch welches ein anderer in falschen Verdacht gebracht wird, sodaß nicht notwendigerweise eine bezichtigende Äußerung nach Art einer Anzeige vorliegen muß, sondern grundsätzlich die Schaffung einer falschen, gegebenenfalls auch erst später wirksamen Beweislage genügt, durch die ein Verdacht gegen einen anderen geweckt oder bestärkt oder auf einen anderen umgelenkt wird (siehe hiezu Leukauf-Steininger, Komm. zum StGB2, RN 6 zu § 297; Pallin im WK, Rz 10 zu § 297). Dem Gesetz kann der Meinung des Erstgerichtes zuwider auch nicht entnommen werden, daß der Täter hiebei als Urheber des Vorwurfes in Erscheinung treten und die Verdächtigung erkennbar gegen eine andere Person richten muß. Es begründet vielmehr auch Verleumdung, wenn der Täter in Ansehung der Urheberschaft eine versteckte Vorgangsweise wählt und etwa unter Verwendung des Namens des Opfers ein gefälschtes schriftliches Geständnis an die Sicherheitsbehörde schickt oder aber auch nach Betretung bei einer mit Strafe bedrohten Handlung den Namen eines anderen als seinen angibt, um jenen als Rechtsbrecher erscheinen zu lassen, soweit damit der Wille verbunden ist, den Betroffenen der Gefahr behördlicher Verfolgung auszusetzen (vgl. hiezu Schönke-Schröder21, RN 7 f zu § 164 dStGB).
Die Angeklagte hat daher, indem sie bei der Befragung durch Gendarmeriebeamte über den zuvor von ihr verübten Diebstahl die Personalien der Ingrid B als ihre eigenen Personaldaten angab und damit den Tatverdacht sowie weitere Verfolgungsmaßnahmen für die Zukunft auf eine andere Person umlenkte, einen Sachverhalt verwirklicht, der objektiv dem Tatbild der Verleumdung entspricht. Daraus folgt, daß der Ausspruch des Erstgerichtes über die innere Tatseite eine für das Erkenntnis in der Schuldfrage entscheidende Tatsache betrifft.
In dieser Hinsicht liegt aber der geltend gemachte Begründungsmangel einer Unvollständigkeit im Sinn der Z 5 des § 281 Abs. 1 StPO vor, weil das Erstgericht bei den bezüglichen Konstatierungen Beweisergebnisse nicht erörterte, die gegen die im Ersturteil gezogenen Schlüsse sprechen.
Schon die als Feststellungsgrundlage herangezogene Verantwortung der Angeklagten in der Hauptverhandlung sprach nämlich gegen die Annahme, daß ihr Vorsatz anläßlich des Gebrauchs falscher Personaldaten nur auf die Verheimlichung des Diebstahls vor ihren Eltern beschränkt war und nicht auch zumindest in Form des Begleitwissens (siehe hiezu Leukauf-Steininger, Komm zum StGB2, RN 3 zu § 5) die Herbeiführung der Gefahr behördlicher Maßnahmen gegen Ingrid B umfaßte. Denn nach ihrer Darstellung hatte die Angeklagte daran gedacht, daß Ingrid B mit der Gendarmerie Schwierigkeiten haben werde (S 38 d A), wobei sie allerdings nicht eine Strafanzeige an das Gericht in Betracht zog, sondern davon ausging, 'daß so etwas gleich durch die Gendarmerie erledigt wird' (S 39 d A). Zusätzlich enthielten auch die Angaben der Angeklagten bei einer Befragung durch die Gendarmerie am 2. Oktober 1982 die Aussage, daß neben dem Motiv, die Tat vor ihren Eltern geheimzuhalten, ebenso das Bestreben maßgebend gewesen war, selbst einer Strafverfolgung zu entgehen, worin jedenfalls ein weiterer Hinweis auf eine die künftige behördliche Verfolgung einschließende Willensbildung lag (S 47 des in der Hauptverhandlung verlesenen Aktes U 1179/82 des Bezirksgerichtes Horn).
Zu diesen den Konstatierungen über die subjektive Tatseite entgegenstehenden Verfahrensergebnissen nahm das Erstgericht jedoch nicht Stellung, es überging sie vielmehr mit Stillschweigen, sodaß der von diesem Begründungsmangel betroffene Punkt 2 des Schuldspruches aufzuheben und insoweit eine Erneuerung des Verfahrens in erster Instanz anzuordnen war.
Im erneuerten Verfahren wird das Erstgericht zu beachten haben, daß bei Verübung einer Verleumdung nach dem § 297 Abs. 1 StGB der Vorsatz des Täters in bezug auf die fälschlich vorgeworfene Straftat zwar den konkreten Unrechtssachverhalt umfassen muß (SSt 47/3), nicht aber die Gefahr eines gerichtlichen Einschreitens gegen den Betroffenen, und daß in dieser Beziehung das Wissen um die Wahrscheinlichkeit von Gendarmerieerhebungen genügt (SSt. 47/19 und SSt. 50/12). Ferner wird der von der Anklagebehörde zutreffend aufgezeigte Umstand zu berücksichtigen sein, daß das staatliche ius puniendi kein durch den § 108 StGB geschütztes konkretes Recht ist und der einer Straftat Verdächtige demgemäß dieses Delikt durch der Verfolgungsvereitelung dienende Täuschungshandlungen (etwa über seine Identität) nicht verwirklichen kann (SSt 49/13).
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)