OGH 9Os134/82

OGH9Os134/8221.6.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 21. Juni 1983 unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Dr. Schneider, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Vogel als Schriftführer in der Strafsache gegen Dr. Peter A und Christine A wegen des Vergehens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 und 15 StGB.

über die von den Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 28. Juni 1982, GZ 13 Vr 3891/81-28, erhobenen Nichtigkeitsbeschwerden und Berufungen nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr.Steininger, Verlesung der Rechtsmittelschriften und Anhörung der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Gehart, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerden werden verworfen.

Den Berufungen wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO. fallen den Angeklagten Dr. Peter A und Christine A auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurden der 36-jährige praktische Arzt Dr. Peter A und seine als Ordinationsgehilfin tätige 29-jährige Ehegattin Christine A des Verbrechens (richtig: Vergehens - § 17 StGB.) des (teils vollendeten und teils versuchten) schweren Betrugs nach §§ 146, 147 Abs 2 und § 15 StGB. schuldig erkannt; von weiteren Punkten der ihnen die beabsichtigte Zufügung eines 100.000 S übersteigenden Schadens und sohin die Verbrechensqualifikation nach § 147 Abs 3 StGB. anlastenden Betrugsanklage wurden sie gemäß § 259 Z. 3 StPO.

(unangefochten) freigesprochen.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs (in Verbindung mit den Entscheidungsgründen) liegt den Angeklagten zur Last, zwischen 1. Juli 1979 und 31. August 1980 in Lebring-St. Margarethen - dem Ort der Niederlassung des Angeklagten Dr. Peter A als praktischer Arzt mit einer ärztlichen Hausapotheke - mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, Angestellte der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte durch Täuschung über Tatsachen (bei der Verrechnung von in der Hausapotheke expedierten Rezepten) zu Handlungen 'verleitet bzw. zu verleiten versucht' zu haben, welche die Kasse an ihrem Vermögen (um mehr als 5.000 S) 'schädigte(n) bzw. schädigen sollte(n)';

I. Dr. Peter A und Christine A 'in Gesellschaft als Beteiligte' 1.

durch Doppel-(oder Mehrfach-)verschreibungen, obwohl jeweils nur

eine Verschreibung tatsächlich expediert worden war, um 23.918,20

S;

2. durch Verrechnung von Großpackungen statt der tatsächlich abgegebenen Kleinpackungen pharmazeutischer Spezialitäten um 7.547,80 S;

3. durch Verrechnung tatsächlich nicht abgegebener Heilmittel auf

Rezepten, die während des Urlaubs von Dr. Peter A ausgestellt

wurden, um einen nicht exakt feststellbaren Betrag, höchstens

jedoch 19.295,65 S;

II. Dr. Peter A durch Verrechnung tatsächlich nicht abgegebener, während eines Spitalsaufenthalts oder nach dem Tod des im Rezept genannten Versicherten verschriebener Heilmittel um 1.619,10 S;

III. Christine A durch Verrechnung einer Großpackung eines (nur in der Tierheilkunde anzuwendenden) Medikaments statt der tatsächlich abgegebenen Packung um 76,50 S;

hiedurch sei die Steiermärkische Gebietskrankenkasse für Arbeiter und Angestellte an ihrem Vermögen um 23.684,48 S geschädigt worden, während sie darüber hinaus von Dr. Peter A um weitere 10.400,62 S sowie von Christine A um weitere 7.858,02 S geschädigt werden sollte.

Rechtliche Beurteilung

Diesen Schuldspruch bekämpfen die beiden Angeklagten mit gesondert ausgeführten Nichtigkeitsbeschwerden, die jeweils auf die Gründe der Z. 4, 5, 8 und 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO. gestützt sind.

I. Zu den Verfahrensrügen:

1. Vom Verteidiger des Angeklagten Dr. Peter A wurde in der Hauptverhandlung u.a. die zeugenschaftliche Einvernahme von Dr. Rotraut C und von Josefine D zum Beweis dafür beantragt, daß die Patientin Josefine E einer intensiven Behandlung mit Fortral bedurft und auch während ihres Spitalsaufenthaltes vom Angeklagten 'Medikamente sowie Tabletten' erhalten habe (S. 50/II). Die gegen die Abweisung dieses - das Schuldspruchfaktum II betreffenden - Beweisantrags gerichtete Verfahrensrüge versagt. Daß der Angeklagte Dr. Peter A die (am 24. März 1980 verstorbene) Patientin Josefine E seit Juli 1979

regelmäßig mit großen Mengen Fortral (einem stark wirkenden, seit 1. Oktober 1979 den Suchtgiftbestimmungen unterliegenden Analgetikum) in Form von Injektionen und Tabletten versorgt hat, nahm das Erstgericht ohnehin als erwiesen an; es erachtete auch für unwiderlegbar, daß diese Verschreibungen (der Menge nach) medizinisch begründet gewesen sind (S. 67, 103-109/II). Während der Zeit, in der sich die Patientin in Anstaltspflege befand (24. Jänner bis 5. März und 20. bis 24. März 1980), war der Angeklagte aber nicht berechtigt, ihr für Rechnung der Kasse Heilmittel zu verschreiben (vgl. § 21 Abs 4 des Gesamtvertrags, Beilage 17 zu ON. 11), woraus folgt, daß er gegebenenfalls dennoch verabreichte Medikamente der Krankenkasse jedenfalls nicht verrechnen durfte. Dem unter Beweis zu stellenden Umstand der Abgabe von (demnach auf jeden Fall zu Unrecht verrechneten) Heilmitteln an Josefine E während ihres Krankenhausaufenthaltes kommt deshalb für die Sachentscheidung keine Relevanz zu.

2. Beide Beschwerdeführer erblicken einen Verfahrensmangel in der Abweisung ihres gemeinsamen, am 23. Juni 1982

schriftlich gestellten (ON. 25) und in der Hauptverhandlung wiederholten (S. 51/II) Antrags auf Beischaffung von Abrechnungsunterlagen der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse und zeugenschaftliche Einvernahme eines informierten Vertreters der Gemeinsamen örzteverrechnungsstelle der steirischen Krankenversicherungsträger zum Beweis dafür, daß zufolge Bestehens kompensabler Ansprüche des Angeklagten Dr. Peter A auf Vergütung von ihm erbrachter Leistungen die Kasse sich jederzeit schadlos halten können und auch tatsächlich schadlos gehalten habe, womit dargetan worden wäre, daß die Gebietskrankenkasse gar nicht geschädigt werden konnte.

Auch dieser Einwand geht fehl.

Die Beschwerdeführer berufen sich zur Begründung des gegenständlichen Beweisantrags auf die bei den Akten befindlichen Schreiben der Kasse an Dr. Peter A vom 28. Februar, 27. März, 29. Mai, 27. Juni, 31. Juli und 26. August 1980 (S. 65 ff/I), aus welchen hervorgeht, daß die Kasse eine überprüfung (Retaxierung) der vom Angeklagten Dr. A monatlich zur Verrechnung eingereichten Rezepte des Vormonats jeweils erst nach Anweisung der in Rechnung gestellten Beträge durchgeführt und die sich dabei aus verschiedenen, zum Teil den Gegenstand des Betrugsvorwurfs bildenden Beanstandungsgründen ergebenden Differenzen zum Anlaß genommen hat, entsprechende Beträge bei der nächstfolgenden Abrechnung in Abzug zu bringen. Mit der Anweisung der für die eingereichten Rezepte in Rechnung gestellten Beträge war mithin der im Sinne des § 146 StGB. relevante Schaden im Vermögen der Steiermärkischen Gebietskrankenkasse bereits eingetreten; von der Entdeckung entsprechender Mängel bei den nachträglichen überprüfungen hing es sodann ab, ob und in welchem Ausmaß die Kasse in der Lage war, den ihr entstandenen Schaden im Kompensationsweg wieder zu beseitigen. Bei dieser Sachlage, die von den Beschwerdeführern im Ergebnis nicht bestritten wird, kann aber von einer Unmöglichkeit einer Schädigung der Krankenkasse keine Rede sein. Die Aufnahme zusätzlicher Beweise über den dargestellten Verrechnungsmodus und über das Bestehen kompensabler Honoraransprüche des Angeklagten Dr. Peter A für ärztliche Leistungen könnte daran nichts ändern, weshalb die Durchführung dieser Beweise ohne Beeinträchtigung von Verteidigungsrechten unterbleiben konnte.

II. Zu den Mängelrügen:

1. Dem Vorbringen des Angeklagten Dr. Peter A zuwider ist in der Konstatierung des Erstgerichts (S. 68/II), daß die in das Schuldspruchfaktum II einbezogenen sechs mit 29. März 1980 datierten Rezepte auf den Namen Josefine E von der Sprechstundenhilfe Ilse F (inzwischen verehelichte G) über Auftrag des Angeklagten Dr. Peter A ausgefüllt und von ihr in seinem Namen unterschrieben worden sind, obwohl es ihr seit Anfang März 1980 untersagt war, Rezepte im Namen des Arztes zu unterschreiben, ein innerer Widerspruch nicht zu erkennen. Denn die grundsätzliche Weisung, das Unterschreiben der Rezepte dem (hiezu allein befugten) Arzt zu überlassen, schließt einen im konkreten Fall ergangenen gegenteiligen Auftrag des Angeklagten nicht aus. Abgesehen davon würde der vom Beschwerdeführer behauptete Widerspruch keine entscheidende Tatsache betreffen.

2. Der Annahme von 'Mehrfachverschreibungen' (Schuldspruchfaktum I/1) steht in den Fällen Otto H und Johann I (S. 76/II, Rezepte Nr. 6 bis 9 vom 23. Feber 1980 und Nr. 18 bis 21 vom 25. Feber 1980) in keiner Weise entgegen, daß die Rezepte nicht für den betreffenden Versicherten selbst, sondern für ein mitversichertes Kind ausgestellt worden sind. Insoweit ist dem Erstgericht weder eine Aktenwidrigkeit noch sonst ein Begründungsmangel unterlaufen, weil im Interesse einer gedrängten Darstellung der Entscheidungsgründe (§ 270 Abs 2 Z5 StPO) dieser Umstand - den das Schöffengericht zudem ohnehin berücksichtigt hat (vgl. S. 79/II: '... oder deren Angehörige') - keiner ausführlichen Erörterung bedurfte. Die Angeklagte Christine A ist mit ihrem darüber hinausgehenden Vorwurf, für die Annahme von Mehrfachverschreibungen seien im Urteil überhaupt keine Gründe angegeben, auf die ausführliche Urteilsbegründung zu diesem Sachverhaltskomplex zu verweisen (vgl. S. 82 ff./II).

3. Gegen die (sinngemäße) Feststellung des Erstgerichts, wonach der Angeklagte Dr. Peter A mit einer Entdeckung von Mehrfachverschreibungen wegen des dazu nötigen Arbeitsaufwands nicht gerechnet hat (S. 80/II), wendet der Genannte ein, daß durch die Krankenscheine eine einfache Kontrollmöglichkeit bestanden habe. Damit zeigt er aber keinen formellen Begründungsmangel im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO. auf und läßt überdies außer acht, daß aus den abgerechneten Krankenscheinen zwar die erbrachten ärztlichen Leistungen ersichtlich sind, nicht aber die an den Patienten aus der Hausapotheke abgegebenen Arzneimittel.

4. Soweit sich der Angeklagte Dr. Peter A darauf beruft, daß seinen Hilfskräften beim Ausfüllen von Rezepten Fehler unterlaufen konnten, mit denen er aber nicht habe rechnen müssen, setzt er sich über jene Ausführungen im Urteil hinweg, mit denen das Schöffengericht seine (aus der Gesamtwürdigung der Verfahrensergebnisse gewonnene) überzeugung begründet, daß sowohl die gleichzeitige Ausstellung mehrerer Rezepte identen Inhalts (Schuldspruchfaktum I/1) als auch die Verrechnung größerer Packungen und Mengen (Schuldspruchfaktum I/2) auf einem auf Täuschung der Krankenkasse abzielenden, von Bereicherungs- und Schädigungsvorsatz getragenen Willensentschluß des Angeklagten beruht haben (siehe insbes. S. 84, 87, 88/II). Auch in diesem Zusammenhang wird ein formeller Begründungsmangel im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO nicht aufgezeigt.

5. Gleiches gilt schließlich für den analogen Einwand des Angeklagten Dr. Peter A hinsichtlich jener nach den Urteilsannahmen zumindest teilweise fingierte Apothekenleistungen enthaltenden Rezepte, die für den Monat März 1980 nachträglich mit dem Datum des

29. dieses Monats ausgestellt und der Kasse verrechnet worden sind (Schuldspruchfaktum I/3). Denn hier übergeht der Beschwerdeführer die im Urteil für die Konstatierung, daß die Angeklagten auch in diesem Fall bewußt tatsachenwidrig nicht erbrachte Leistungen (mit-)verrechnet haben (S. 92 f/II), angegebenen Gründe und vermag (auch) insoweit einen Begründungsmangel im Sinne der zitierten Verfahrensbestimmung nicht darzutun.

III. Zur behaupteten überschreitung der Anklage:

Eine Nichtigkeit nach Z. 8 des § 281 Abs 1 StPO. bewirkende Anklageüberschreitung erblicken beide Beschwerdeführer in bezug auf den Punkt I/1 des Schuldspruchs, laut welchem ihnen die Verrechnung von Doppel-(Mehrfach-)verschreibungen in der Höhe von 23.918,20 S angelastet wird, obwohl solche nur in der Höhe von 2.632,70 S (Rezeptmappe 1) unter Anklage gestellt worden waren. Die über diesen Betrag hinaus in den bekämpften Teil des Schuldspruchs einbezogenen Verrechnungen (aus den Rezeptmappen 2, 4, 5 und 7) sind aber in anderem Zusammenhang von Punkt I des Anklagevorwurfs erfaßt, worüber dessen Aufgliederung in der Anklagebegründung (S. 437-438/I; vgl. dort zu I/1, 5, 8 und 9) hinreichenden Aufschluß gibt. Die behauptete überschreitung der Anklage liegt mithin nicht vor. Allerdings wäre es angebracht gewesen, schon im Urteilssatz in übereinstimmung mit den (hierüber erst Klarheit schaffenden) Entscheidungsgründen ersichtlich zu machen, daß sich der Teilfreispruch hinsichtlich der betreffenden Positionen nicht auf den gesamten Inhalt der Mappen 2, 5 und 7 bezieht, sondern nur auf jene darin enthaltenen Verrechnungen, die nicht in den Punkt I/1 des Schuldspruchs aufgenommen worden sind.

IV. Zu den Rechtsrügen:

Auf irriger Rechtsansicht beruht zunächst das (der Sache nach) im Sinne der Z. 9 lit a des § 281 Abs 1

StPO. zu deutende Vorbringen beider Beschwerdeführer, mit den laufend entstandenen Ansprüchen des Erstangeklagten auf Honorierung erbrachter ärztlicher und Apothekenleistungen sei für die Krankenkasse stets ein ausreichender Deckungsfonds vorhanden gewesen, der schon begrifflich das Tatbild des Betrugs ausschließe. Denn ein präsenter Deckungsfonds ist für den objektiven Tatbestand des Betrugs ohne Bedeutung (ÖJZ-LSK 1977/210). Das Vorhandensein ausreichender Gegenforderungen des Täters kann allerdings für den subjektiven Tatbestand von Bedeutung sein, weil es deshalb am Vorsatz, sich unrechtmäßig zu bereichern, fehlen könnte (Kienapfel BT II § 146 RN 228; Liebscher in WK § 146 Rz 6);

dies jedoch nur unter der Voraussetzung, daß der Täter von vornherein Aufrechnungswillen gehabt und dies seinem Gegner auch sogleich bekanntgegeben hat (vgl. EvBl 1966/182). Davon kann im vorliegenden Fall nicht die Rede sein, berufen sich doch die Beschwerdeführer selbst nur auf die der Krankenkasse offengestandene Möglichkeit, sich durch Aufrechnung mit künftigen Gegenforderungen des Erstangeklagten für einen durch die Angeklagten herbeigeführten Schaden bezahlt zu machen, falls ein solcher von der Anstalt bei einer nachträglichen überprüfung der eingereichten Rezepte aufgedeckt werden sollte. Ein solches allfälliges bloßes Gegenüberstehen von Forderungen an sich genügt aber nicht, um für den Tatzeitpunkt eine unrechtmäßige Bereicherung auszuschließen (vgl. ÖJZ-LSK 1978/187).

Mit ihrem weiteren Einwand, rechtsrichtig sei der vorliegende Sachverhalt (zur Gänze) als vollendeter Betrug zu beurteilen und zufolge Schadensgutmachung (im Aufrechnungsweg) wegen tätiger Reue nach § 167 StGB., sofern aber gleichwohl bloß Versuch angenommen werden sollte, wegen Rücktritts vom Versuch nach § 16 StGB. straflos, machen die Angeklagten den Nichtigkeitsgrund der Z. 9 lit b des § 281 Abs 1 StPO. geltend.

In diesem Zusammenhang ist den Beschwerdeführern einzuräumen, daß das Erstgericht bei der Beurteilung, inwieweit Deliktsvollendung und inwieweit bloß Versuch vorliegt, von an sich unzulänglichen und widersprüchlichen Sachverhaltskonstatierungen ausgegangen ist. Zur der Annahme, daß im Vermögen der Krankenkasse ein Schaden in der Höhe von 23.684,48 S eingetreten sei, ist das Erstgericht dadurch gelangt, daß es von der (im Gutachten des Sachverständigen Mag. Otto J ON. 13) mit 236.972,30 S ermittelten Summe aller von der Betrugsanklage erfaßten Verrechnungen den Betrag von 213.287,82 S abzog, den die Kasse insgesamt vor Anzeigeerstattung wegen der von ihr aufgedeckten Mängel der eingereichten Rezepte bei den Abrechnungen einbehalten hatte (vgl. S. 63/I). Dem angenommenen effektiven Schaden von 23.684,48 S stellte das Erstgericht die vom Schuldspruch erfaßten Verrechnungen gegenüber, von denen unter Vernachlässigung des Faktums I/3 - bei welchem der zu Unrecht verrechnete Betrag nicht exakt feststellbar war - beiden Angeklagten gemeinsam (23.918,20 S + 7.547,80 S =) 31.466 S und darüber hinaus Dr. Peter A weitere 1.619,10 S bzw. Christine A weitere 76,50 S, sohin Dr. Peter A insgesamt 33.085,10 S und Christine A insgesamt 31.542,50 S anzulasten sind, woraus sich bei Dr. Peter A ein Betrag von 9.400,62 S - im Urteilstenor zufolge eines offensichtlichen Rechenfehlers mit 10.400,62 S (in den Entscheidungsgründen hingegen ohne Darlegung des dazu führenden Rechenvorganges mit 9.818,20 S; S. 114/II) angegeben - und bei Christine A ein solcher von 7.858,02 S ergab, bezüglich welcher Beträge es nach Ansicht des Gerichts beim Versuch geblieben ist.

Die vorstehende Berechnung stimmt allerdings in ihren Ausgangspositionen mit dem übrigen Urteilsinhalt nicht überein: Das Erstgericht ließ nämlich dabei außer acht, daß es einerseits nur hinsichtlich eines Teils der auf insgesamt 236.972,30 S lautenden Rezeptverrechnungen Betrugshandlungen der Angeklagten als erwiesen angenommen hat - bei Dr. Peter A hinsichtlich 33.085,10 S und bei Christine A hinsichtlich 31.542,50 S, wozu jeweils noch die jedenfalls weniger als 19.295,65 S ausmachenden Mehrverrechnungen aus Faktum I/3 kommen - , und daß anderseits die von der Kasse vorgenommenen Abzüge von insgesamt 213.287,82 S über den Umfang der betrügerischen Mehrverrechnungen hinaus nicht nur zahlreiche sonstige, strafrechtlich irrelevante Mängel (Datum- und sonstige Formfehler, Taxierungsfehler etc) aufweisen, sondern Verrechnungszeiträume von September 1979 bis Juni 1980 umfassen (S. 63/I) - während die Gegenstand des Schuldspruchs bildenden Verrechnungen dem Inhalt der Rezeptmappen zufolge ausschließlich den Monaten November 1979 bis April 1980

entstammen - und bei den Abzugsposten auch die Rezeptgebühren, 11.2 % Abschlag und 18 % Umsatzsteuer berücksichtigt worden sind (S. 67 ff/II).

Die aufgezeigten Konstatierungsmängel sind indes nicht entscheidungswesentlich:

Wird im Einklang mit den Verfahrensergebnissen (siehe insbes. S. 63 ff/I sowie Rezeptabrechnungskonto Beilage 1

zu ON. 11) von der dem angefochtenen Urteil zugrunde liegenden und auch in den Nichtigkeitsbeschwerden unterstellten Prämisse ausgegangen, daß die Kasse die ihr monatlich zur Verrechnung vorgelegten Rezepte zunächst anspruchsgemäß honoriert und erst nachträglich Mängel einzelner Rezepte aufgedeckt hat (vgl. zum Vorgang allgemein Pilwachs, Medikamentenbezug und Medikamentenabgabe auf Rechnung der Träger der sozialen Krankenversicherung, 'Soziale Sicherheit' 1979, S. 148 ff.), so ist im Umfang der abgerechneten Rezepte mit zur Täuschung (generell) geeignetem Inhalt jeweils Deliktsvollendung anzunehmen. Gleichwohl fehlt es, selbst wenn man annimmt, daß der gesamte solcherart bereits eingetreten gewesene Schaden durch Abzüge von späteren Ansprüchen des Erstangeklagten noch vor der Anzeigeerstattung (11. September 1980) abgedeckt worden ist, an einer wesentlichen Voraussetzung für den Strafaufhebungsgrund der tätigen Reue nach § 167 StGB., nämlich an der Freiwilligkeit der Schadensgutmachung. Freiwillig leistet wohl auch Schadensgutmachung, wer seine (ausdrückliche oder stillschweigende) Zustimmung gibt, daß der Verletzte seinen Ersatzanspruch gegen eine dem Täter zustehende fällige Forderung aufrechnet (Leukauf-Steininger StGB.2 § 167 RN 14 aE; SSt. 23/38, 34/39 u.a.); einem bloßes Geschehenlassen seitens des Täters in einer Lage, in der ihm durch die wirksame einseitige Aufrechnungserklärung des Verletzten (Koziol-Welser I6 220, 221) die Entscheidung praktisch bereits abgenommen worden ist, mangelt der erforderliche (noch) eigene Willensentschluß des Täters zur Schadensgutmachung (vgl. Liebscher im WK § 167 Rz 20), weshalb darin eine auf Freiwilligkeit beruhende konkludente Zustimmung nicht erblickt werden kann (vgl. hiezu 10 0s 67/72).

Soweit die Beschwerdeführer den Strafaufhebungsgrund des Rücktritts vom Versuch (§ 16 StGB.) für sich reklamieren, ist ihnen entgegenzuhalten, daß im Fall der Weigerung der Krankenkasse, bei ihr zur Verrechnung eingereichte tatgegenständliche Rezepte zu honorieren, ein damit unternommener Betrugsversuch als mißlungen anzusehen ist. Bei einem mißlungenen Versuch ist aber freiwilliger Rücktritt vom Versuch schon begrifflich ausgeschlossen (ÖJZ-LSK 1976/360; Leukauf-Steininger aaO § 16 RN 9 und 10). Durch den ergangenen Schuldspruch wegen Vergehens - die ungerügte Falschbezeichnung (im Urteilstenor) als 'Verbrechen' bewirkt keine, insbesondere auch keine von Amts wegen aufzugreifende Urteilsnichtigkeit (vgl. SSt. 47/33, 51/22 aE) - des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betrugs können sich die Angeklagten demnach nicht mit Grund als beschwert erachten, zumal ihnen auch keiner der von ihnen geltend gemachten Strafaufhebungsgründe zustatten kommt. Die Nichtigkeitsbeschwerden waren deshalb zu verwerfen. Das Schöffengericht verurteilte die beiden Angeklagten gemäß § 147 Abs 2 StGB. zu Freiheitsstrafen, und zwar den Angeklagten Dr. Peter A zu 8 (acht) Monaten und die Angeklagte Christine A zu 4 (vier) Monaten, wobei es die Strafen bei beiden Angeklagten gemäß § 43 Abs 1 StGB. unter Bestimmung einer Probezeit von jeweils drei Jahren bedingt nachsah.

Bei der Strafbemessung wertete es bei beiden Angeklagten als erschwerend die Wiederholung der Betrügereien durch einen längeren Zeitraum, als mildernd hingegen den bisherigen ordentlichen Lebenswandel, den Umstand, daß es teilweise beim Versuch geblieben ist, und die Schadensgutmachung.

Mit ihren Berufungen streben die beiden Angeklagten die Herabsetzung der Strafe und - der Sache nach - die Verhängung einer Geldstrafe an Stelle einer Freiheitsstrafe an.

Den Berufungen kommt keine Berechtigung zu.

Ausgehend von den vom Erstgericht im wesentlichen zutreffend festgestellten besonderen Strafzumessungsgründen und unter Berücksichtigung der allgemeinen Grundsätze für die Strafbemessung entsprechen die über die beiden Berufungswerber verhängten Strafen ihrer Tatschuld, sodaß eine Strafreduzierung nicht in Betracht kommt. Damit scheidet beim Angeklagten Dr. A schon im Hinblick auf die Höhe der über ihn verhängten Freiheitsstrafe eine Anwendung des § 37 StGB. (und damit die Verhängung einer Geldstrafe statt einer Freiheitsstrafe) aus. Bei der Angeklagten Christine A ließe zwar die Höhe der verhängten Freiheitsstrafe die Anwendung der zitierten Gesetzesstelle zu; gegen die Verhängung einer Geldstrafe sprechen jedoch - wie das Erstgericht im Ergebnis zutreffend erkannt hat - spezialpräventive Erwägungen, aber auch Gründe der Generalprävention, sodaß es mit der Verhängung einer (bedingt nachgesehenen) Freiheitsstrafe sein Bewenden haben mußte. Es war somit auch den beiden Berufungen ein Erfolg zu versagen. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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