OGH 10Os92/83

OGH10Os92/8321.6.1983

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Faseth und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Bernardini, Dr. Kral, Dr. Friedrich und Hon.Prof.

Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Preiß als Schriftführer in der Strafsache gegen Werner A wegen des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Betruges nach §§ 146, 147

Abs. 3 und 15 StGB. sowie des Vergehens nach § 114 ASVG. über die Nichtigkeitsbeschwerde und die Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes Salzburg als Schöffengericht vom 7. April 1983, GZ. 17 Vr 3626/81-123

(im Akt irrig 17 Vr 3623/81-123), nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, im Schuldspruch wegen des Verbrechens des teils vollendeten, teils versuchten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3

und 15 StGB. (Punkt A 1 - 17), demgemäß auch im Strafausspruch (einschließlich des darauf beruhenden Ausspruches gemäß § 38 StGB.) sowie im Adhäsionserkenntnis aufgehoben und dem Erstgericht die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung im Umfang der Aufhebung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 28. Februar 1942 geborene Kaufmann Werner A des Verbrechens des teils versuchten, teils vollendeten schweren Betruges nach §§ 146, 147 Abs. 3 und 15 StGB. (Punkt A.) sowie des Vergehens nach § 114 ASVG. (Punkt B.) schuldig erkannt.

Laut Punkt A. des Schuldspruchs liegt ihm zur Last, in der Zeit von Juni 1977 bis 5. Juli 1978 in Zell am See in wiederholten Angriffen mit dem Vorsatz, sich durch das Verhalten der Getäuschten unrechtmäßig zu bereichern, durch Täuschung über Tatsachen, nämlich unter der Vorgabe, ein redlicher, zahlungswilliger und zahlungsfähiger Käufer, Besteller, Pensionsgast oder Klient zu sein, verschiedene Personen und Verfügungsberechtigte von Firmen zur Ausfolgung von Waren, zur Erbringung von Dienstleistungen, zur Bewirtung und Beherbergung sowie zu seiner rechtlichen Vertretung, mithin zu Handlungen verleitet zu haben, welche diese Personen oder andere an ihrem Vermögen um insgesamt mehr als 100.000 S schädigten, wobei es in einem Fall (Punkt A 2) beim Versuch geblieben war. Nach der überzeugung des Schöffengerichtes war dem Angeklagten anzulasten, es ernstlich für möglich gehalten und sich innerlich damit abgefunden zu haben, die in Rede stehenden Gläubigerforderungen nicht mehr erfüllen zu können. Bloße (bewußte) Fahrlässigkeit sei ihm nicht zuzubilligen, weil er bei der Aufnahme des Geschäftsbetriebes nur über 20.000 S bis 30.000 S Eigenmittel verfügte, hohe Schulden - darunter vor allem Steuerschulden von 171.346 S -

hatte, mit Exekutionen belastet war und trotz aufgetretener Zahlungsschwierigkeiten weitere Bestellungen vornahm, ohne seine Lieferanten auf seine prekäre wirtschaftliche Situation aufmerksam gemacht zu haben (Band III, S. 19 f., 28).

Nur den Schuldspruch wegen Betruges bekämpft der Angeklagte mit Nichtigkeitsbeschwerde aus der Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO.; der Schuldspruch wegen Vergehens nach § 114 ASVG., sowie die Teilfreisprüche bezüglich einzelner Anklagefakten sind unangefochten geblieben.

Unter Berufung auf den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund macht der Beschwerdeführer - zusammengefaßt dargestellt - im wesentlichen geltend, das Erstgericht habe zur Begründung seiner Annahme, er habe bei Eingehen der urteilsgegenständlichen Verbindlichkeiten die betreffenden Gläubiger dolo eventuali geschädigt, lediglich seine schlechte finanzielle Situation im Zeitpunkt der Betriebsgründung angeführt; es sei jedoch unberücksichtigt geblieben, daß ein lebender Geschäftsbetrieb (mit ausreichendem Warenlager) bestanden habe, in dem laufend Zahlungseingänge stattfanden oder zu erwarten gewesen seien, und daß auch von ihm laufend Zahlungen geleistet wurden. Mit seiner Verantwortung zu den einzelnen (von der Anklagebehörde willkürlich herausgegriffenen) Geschäftsfällen habe sich das Gericht in keiner Weise auseinandergesetzt; insbesondere sei die Darstellung des Angeklagten unerörtert geblieben, wonach zwischen ihm und den Gläubigerfirmen laufende Geschäftsbeziehungen bestanden hätten, in deren Rahmen Teilzahlungen geleistet worden und jeweils (zufolge der durch Pfändungen des Finanzamtes erzwungenen Betriebsschließung) nur Restschulden übrig geblieben seien, wogegen in anderen Fällen Antragsstornierungen bzw. Beanstandungen wegen Mängel (Faktum A 14) erfolgt seien.

Rechtliche Beurteilung

Schon der Mängelrüge kommt insofern Berechtigung zu, als sich das Erstgericht mit dieser Verantwortung des Angeklagten überhaupt nicht auseinandergesetzt hat, obwohl sie zum Teil auch im Gutachten des Sachverständigen Dr. B - dessen diesbezügliche Ausführungen im Ersturteil (allerdings ungerügt) ebenfalls übergangen werden - eine Stütze findet. So verweist der Sachverständige in seinem - in der Hauptverhandlung (S. 10/III) verlesenen - Gutachten (auf welches im Urteil in anderem Zusammenhang mehrfach Bezug genommen wird) darauf, daß im Jahre 1977 Erlöse in Höhe von 549.859,57 S erzielt worden seien, denen Wareneinkäufe in Höhe von 614.863,87 S gegenüberstünden, sodaß in diesem Jahr unter Berücksichtigung von (im Gutachten allerdings nicht näher spezifizierten) 'ausgewiesenen Kosten' in Höhe von 149.471,94 S ein Verlust in Höhe von 214.476,24 S ausgewiesen worden sei. Daraus könnte entnommen werden, daß der als 'Erlöse' bezeichnete erstangeführte Betrag von 549.859,57 S - wie der Angeklagte behauptet - zur Bezahlung von Wareneinkäufen verwendet worden ist. Ähnlich stellt sich die Situation für das Jahr 1978 dar, für welches im Gutachten 'Erlöse' von 647.752,05 S und Einkäufe von 687.635,14 S ausgewiesen werden. Des weiteren ist darin von einem Verlust von 275.529,20 S sowie auch davon die Rede, daß in diesem Jahr Lieferantenverbindlichkeiten in Höhe von 843.572,56 S neu eingegangen und für solche Verbindlichkeiten 269.430,82 S bezahlt worden sind (S. 545 ff. I). Eine Auseinandersetzung mit diesen Tatsachen fehlt im Urteil. Eine solche wäre aber schon deshalb unerläßlich gewesen, weil daraus unter Umständen weitere Rückschlüsse auf die Richtigkeit (bzw. Unrichtigkeit) der Verantwortung des Angeklagten gezogen hätten werden können, er habe laufend Zahlungen geleistet und keineswegs betrügerisch neue Waren bezogen, es seien vielmehr lediglich anläßlich der (von ihm nicht beabsichtigten) Schließung seines Betriebes mehr oder weniger hohe Schlußsalden offen geblieben. Es kann nun des weiteren nicht ausgeschlossen werden, daß das Erstgericht, wenn es auch diese - nach dem Vorgesagten (weitgehend) unberücksichtigt gelassenen - Beweismittel in den Kreis seiner Erwägungen mit einbezogen und der Entscheidung mit zugrunde gelegt hätte, möglicherweise zu einer anderen, für den Angeklagten günstigeren Lösung der Beweisfrage zur subjektiven Tatseite gekommen wäre. Das Erstgericht hat sich nämlich zur subjektiven Tatseite in tatsächlicher Hinsicht zur Widerlegung der Verantwortung des Angeklagten, der sich (nur) einer fahrlässigen Krida schuldig bekannte, lediglich auf 'die glaubwürdigen Aussagen der Zeugen' sowie auf das Gutachten des Sachverständigen bezogen, ohne im Urteil anzuführen, auf welche Aussagen es die Annahme eines vorsätzlichen Handelns des Angeklagten mit dem für das Tatbild des Betruges erforderlichen Täuschungs-, Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz (allenfalls in der Schuldform des bedingten Vorsatzes) stützt; bezüglich des Sachverständigengutachtens wieder folgte es ersichtlich der Ansicht des Sachverständigen, der - abschließenden - der Beweiswürdigung des Gerichtes vorgreifend zum Ausdruck gebracht hat, daß es sich im gegenständlichen Fall nicht nur um Fahrlässigkeit handeln könne (S. 551/I).

Dazu ist mit Bezug auf das Vorbringen des Beschwerdeführers ergänzend noch zu bemerken, daß ein Wirtschaftstreibender, der auf Kredit Wirtschaftsgüter anschafft und Dienstleistungen ohne Barzahlung in Anspruch nimmt, um damit laufende Einnahmen im Rahmen seines Geschäftsbetriebes zu erzielen, mit welchen frühere Verbindlichkeiten abgedeckt und eingetretene Verluste kompensiert werden sollen, deshalb im allgemeinen noch nicht mit Schädigungsvorsatz handelt.

Die gegenteilige Annahme läuft darauf hinaus, daß jemand sich bei seinen geschäftlichen Transaktionen von vornherein mit einem wirtschaftlichen Fehlschlag und Mißerfolg einverstanden erklärt und bereit findet. Sie entspricht nicht der Regel und bedarf wegen der Atypizität eines solchen Verhaltens einer eingehenden und sorgfältigen Begründung zur subjektiven Tatseite unter Bedachtnahme auf die gesamte wirtschaftliche Situation des Täters, die Entwicklung seiner unternehmerischen Tätigkeit, die von ihm daran geknüpften Erwartungen und die Gründe für die spätere tatsächliche Entwicklung.

Daß der Angeklagte bei Eingehen der Verbindlichkeiten seine Gläubiger nicht auf seine wirtschaftliche Lage aufmerksam gemacht hat, stellt zwar ein auf Täuschung abzielendes konkludentes Verhalten - und nicht, wie der Beschwerdeführer vermeint, eine Unterlassung (S. 40/III) - dar, muß jedoch mit Schädigungsvorsatz nicht notwendigerweise Hand in Hand gehen. So gesehen entsprechen die vom Erstgericht angestellten Erwägungen, auf denen die Konstatierungen über ein Handeln des Angeklagten mit bedingtem Schädigungsvorsatz beruhen, nicht den Erfordernissen einer (im Sinne der Z. 5 des § 281 Abs. 1 StPO.) mängelfreien Begründung. Es zeigt sich sohin, daß wegen dieser - in der Beschwerde sinngemäß aufgezeigten - Begründungsmängel die Aufhebung des vom Angeklagten bekämpften Schuldspruchs wegen Betruges und eine Verfahrenserneuerung in diesem Umfang unerläßlich ist, weshalb bereits bei der nichtöffentlichen Beratung über die Nichtigkeitsbeschwerde gemäß § 285 e StPO. mit Aufhebung des angefochtenen Schuldspruchs zum Punkt A vorzugehen war, ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurft hätte. Im erneuerten Verfahren wird demnach auf die Verantwortung des Angeklagten zu den einzelnen Sachverhalten näher einzugehen sein. überdies wird das Gericht bei der Entscheidung der Frage, ob der Angeklagte bei Eingehen der in Rede stehenden Verbindlichkeiten jeweils nicht nur mit Täuschungssondern auch mit Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz oder bloß fahrlässig gehandelt hat, das gesamte Beweismaterial in die Prüfung einzubeziehen und unter Verwertung des Gutachtens des Buchsachverständigen Dkfm.Dr.Josef B, erforderlichenfalls nach dessen Ergänzung in der Hauptverhandlung, auch zu erörtern haben, inwieweit die Höhe der vom Angeklagten getätigten Wareneinkäufe, der aus dem Verkauf von Waren erzielten Erlöse und der Lieferantenverbindlichkeiten im Verhältnis zu den offenen Kundenforderungen, den Betriebskosten und dem Wert des Warenlagers (vgl. neuerlich Band I, S. 545 ff.) für oder gegen die Annahme sprechen, der Angeklagte wäre gewillt gewesen, einen das Tatbild des Betruges herstellenden Ereignisablauf hinzunehmen, und er hätte sich mit dem Eintritt eines Vermögensschadens seiner einzelnen Gläubiger positiv abgefunden.

Hiebei wird weiters zu berücksichtigen sein, daß die subjektive Tatseite eines mit bedingtem Vorsatz begangenen Betruges gerade dann, wenn Tathandlungen beim Betrieb eines lebenden Unternehmens begangen werden, auch insoferne einer eingehenderen Prüfung und Begründung bedarf, als dabei auf die Erwartungen des Täters bezüglich des künftigen Geschäftsganges und auf die Gründe für die spätere tatsächliche Entwicklung besonders Bedacht zu nehmen ist (vgl. EvBl. 1973/22; 1972/137;

10 0s 119/80 u.a.).

Die Aufhebung eines Teiles des Schuldspruches hatte die Aufhebung des Urteils auch im Strafausspruch (einschließlich des darauf beruhenden Ausspruches gemäß § 38 StGB.) sowie im Adhäsionserkenntnis zur Folge. Mit seiner Berufung war der Angeklagte daher auf diese Entscheidung zu verweisen.

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