OGH 9Os60/83

OGH9Os60/8331.5.1983

Der Oberste Gerichtshof hat unter dem Vorsitz des Hofrates des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof.Dr. Steininger und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kießwetter, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Vogel als Schriftführer in der Strafsache gegen Dieter A wegen des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB. nach Anhörung der Generalprokuratur in nichtöffentlicher Sitzung über die Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung des Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 22.Februar 1983, GZ. 5 b Vr 13.074/82-13, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zur neuerlichen Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.

Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der zuletzt beschäftigungslose, am 18.Oktober 1941 geborene Dieter A des Verbrechens des Raubes nach § 142 Abs. 1 StGB.

schuldig erkannt, weil er von Mitte Oktober 1982 bis 24.Dezember 1982 in Wien in mehrfachen Angriffen seiner (mit ihm im gemeinsamen Haushalt lebenden) Mutter Margarete B durch Drohung mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben und wirklich ausgeübte Gewalt insgesamt zumindest 11.100 S Bargeld mit dem Vorsatz abgenötigt hat, sich durch deren Zueignung unrechtmäßig zu bereichern, indem er mehrfach äußerte, er werde sie umbringen und ihre Wohnung anzünden bzw. sie tätlich mißhandelte, sodaß sie ihm die geforderten Bargeldbeträge jeweils umgehend ausfolgte. Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer auf Z. 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde.

Rechtliche Beurteilung

Der Nichtigkeitsbeschwerde kommt im Ergebnis Berechtigung zu. Mit der Mängelrüge wird zwar unzulässigerweise (soweit die Ablehnung der Verantwortung des Angeklagten durch das Erstgericht negiert wird) die Beweiswürdigung des Schöffengerichtes bekämpft. Der Beschwerdeführer fühlt sich erkennbar aber auch dadurch beschwert, daß ihm vorgeworfen wird, in mehrfachen Angriffen insgesamt 11.100 S seiner Mutter abgenötigt zu haben, ohne den dieser Urteilsannahme offensichtlich zugrundegelegten Gesamtvorsatz näher zu begründen. Die Rechtsrüge vermeint daher, daß die zwei herausgehobenen, näher festgestellten Vorfälle vom 6.November und 23.Dezember 1982 rechtlich dahin zu prüfen gewesen wären, ob sie nicht dem (milderen) Tatbestand des § 142 Abs. 2 StGB. zu unterstellen sind. Das Schöffengericht stützt seine Feststellungen auf die als glaubwürdig erachteten Angaben der Zeugin Margarete B anläßlich ihrer Anzeigen bei der Polizei (S. 7 - 12 sowie S. 13 - 15 im einbezogenen Akt ON. 7) und legt dementsprechend dem Angeklagten im wesentlichen zur Last, ab Mitte Oktober 1982 seiner Mutter in Teilbeträgen von jeweils 500 - 1.500 S einen Betrag von 10.000 S durch die (jeweilige ?) Drohung, er werde sie umbringen und ihr auch die Wohnung beschädigen (anzünden), abgenötigt zu haben; am 6. November 1982 drohte er, er werde ein Fläschchen Fleckbenzin ausschütten und anzünden, um von seiner Mutter (weitere) 1.000 S ausgefolgt zu bekommen; am 24.Dezember 1982 nötigte er sie durch neuerliche Drohungen und brutale Mißhandlungen zur Herausgabe eines Betrages von 100 S, was schließlich zu seiner endgültigen Verhaftung führte (S. 59).

Da diese Angaben der Zeugin B insgesamt Gegenstand der Anklage sind (ON. 3 und S. 49), hatte das Gericht darüber abzusprechen, ohne an die von der Staatsanwaltschaft vorgenommene, ausschließlich Raub annehmende rechtliche Qualifikation gebunden zu sein (§ 262 StPO.). Wenn daher im Urteil ausgeführt wird (S. 62), daß dem Schuldspruch nur jene Taten zugrundeliegen, die sich rechtlich als Raub darstellen, während die Vorfälle, die nur als Erpressung zu werten gewesen wären, mangels Anklageerhebung nicht beachtlich seien, aber völlig offen gelassen wird, bei welchen Vorfällen (außer vom 6. November und 24.Dezember 1982) zur Erzwingung der sofortigen Geldübergabe Drohungen mit gegenwärtiger Gefahr für Leib oder Leben oder wirklich ausgeübte Gewalt gebraucht wurden, hätte es zumindest der (negativen) Klarstellung bedurft, welche von der Zeugin B geschilderten Vorfälle nach Ansicht des Schöffengerichtes nicht von der Anklage umfaßt sind bzw. welche der angezeigten Drohungen bloß als gefährliche Drohungen im Sinne des § 74 Z. 5 StGB. gewertet wurden. Erst Konstatierungen in diese Richtung hätten das Erstgericht in die Lage versetzt, entweder einen Schuldspruch hinsichtlich aller Vorfälle (nur) wegen § 142 Abs. 1 StGB. oder hinsichtlich eines Teiles wegen § 144 StGB. und im übrigen wegen § 142 Abs. 1

(bzw. allenfalls § 142 Abs. 2) StGB. zu fällen (vgl. hiezu Leukauf-Steininger2, RN. 8 und 10 zu § 142 StGB.). Das Urteil läßt nicht einmal erkennen, welche Tathandlungen ausgeklammert wurden, weil es dem Angeklagten die gesamte von seiner Mutter genannte Geldsumme als Raubbeute anlastet, sodaß daneben eine vollendete Erpressung, auf die das Erstgericht Bezug nimmt (S. 62), nur vorliegen könnte, wenn höhere Summen erbeutet worden wären (was aber nicht erörtert wird) oder es in manchen Fällen beim Versuch einer Erpressung geblieben wäre (was den Angaben der Zeugin aber nicht zu entnehmen ist). Diese undeutliche, teilweise widersprüchliche Urteilsbegründung (§ 281 Abs. 1 Z. 5 StPO.) läßt aber auch daran zweifeln, ob das Erstgericht tatsächlich von einem einheitlich vorgefaßten Willensentschluß des Angeklagten ausgeht, durch ständige Begehung von Raubanschlägen auf seine alte Mutter sich die für seine persönlichen Bedürfnisse jeweils erforderlichen Geldmittel zu verschaffen. Der einheitliche Zweck der Taten reicht jedenfalls für eine solche Annahme nicht aus, vielmehr müßte der Täter mit dem Vorsatz handeln, in Erfüllung eines Gesamtkonzeptes eine Mehrheit von Handlungen zu begehen, von denen jede einzelne den Tatbestand eines und desselben Delikts begründet (vgl. SSt. 46/26 und die dort zitierte Literatur und Judikatur). Nimmt das Erstgericht aber an, daß sich der Angeklagte die urteilsgegenständlichen Geldbeträge ausschließlich durch Raub verschafft, zwischendurch aber auch Erpressungen begangen hat, spräche dies gegen einen Fortsetzungszusammenhang. Diesfalls bedürfte es aber der im Rahmen der Rechtsrüge (§ 281 Abs. 1 Z. 10gStPO.) reklamierten Prüfung, ob bei der dann erforderlichen isolierten Beurteilung der einzelnen Taten (nicht auch) eine Subsumtion unter den (milderen) Tatbestand des § 142 Abs. 2 StGB.

in Frage kommt.

Das somit mit Nichtigkeit behaftete angefochtene Urteil war daher schon bei einer nichtöffentlichen Beratung zu kassieren und dem Erstgericht die Verfahrenserneuerung aufzutragen (§ 285 e StPO.). Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.

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