OGH 2Ob268/82

OGH2Ob268/8217.5.1983

Der Oberste Gerichtshof hat als Revisionsgericht durch den Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Piegler als Vorsitzenden und durch die Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Kralik, Dr. Melber, Dr. Huber und Dr. Egermann als weitere Richter in der Rechtssache der klagenden Partei Wilhelm L*****, vertreten durch Dr. Götz Schattenberg, Rechtsanwalt in Linz, wider die beklagten Parteien 1. Firma T*****, 2. Peter K*****, beide vertreten durch Dr. Helmut Valenta, Rechtsanwalt in Linz, wegen 23.477 S sA, infolge Revision der beklagten Parteien gegen das Urteil des Landesgerichts Linz als Berufungsgericht vom 3. November 1982, GZ 13 R 381/82-18, womit infolge Berufung der klagenden Partei das Urteil des Bezirksgerichts Linz vom 28. April 1982, GZ 23 C 1083/81-9, abgeändert wurde, in nichtöffentlicher Sitzung zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Der Revision wird nicht Folge gegeben.

Die beklagten Parteien haben dem Kläger zur ungeteilten Hand die mit 2.792,77 S bestimmten Kosten des Revisionsverfahrens (darin enthalten 189,09 S USt und 240 S Barauslagen) binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Text

Entscheidungsgründe:

Am 10. 11. 1981 stieß der Kläger mit seinem Pkw in Linz auf dem zwischen der Kremplstraße und dem Hause Kremplstraße Nr 1 gelegenen Parkplatz mit dem von der erstbeklagten Partei gehaltenen und vom Zweitbeklagten gelenkten Pkw Kennzeichen ***** zusammen, wodurch beide Fahrzeuge beschädigt wurden.

In der Klage wird das Alleinverschulden des Erstbeklagten am Unfall behauptet und der Ersatz des Fahrzeugschadens von 23.477 S sA begehrt.

Die beklagten Parteien beantragten Klagsabweisung wegen Eigenverschuldens des Klägers am Unfall und wendeten darüberhinaus eine aus der unfallbedingten Beschädigung des Fahrzeugs der erstbeklagten Partei hervorgehende Gegenforderung von 22.066,17 S aufrechnungsweise ein.

Das Erstgericht stellte die Klagsforderung als mit 11.738,50 S und die eingewendete Gegenforderung als mit 11.033,08 S zu Recht bestehend fest, sprach dem Kläger daher einen Betrag von 705,42 S sA zu und wies das Mehrbegehren ab.

Das Berufungsgericht stellte die Klagsforderung mit 23.477 S als zu Recht, die Gegenforderung dagegen als nicht zu Recht bestehend fest und gab der Klage demgemäß statt.

Gegen die Entscheidung des Berufungsgerichts erheben die beklagten Parteien eine auf § 503 Z 4 ZPO gestützte Revision mit dem Antrage auf Abänderung dahin, dass das Klagebegehren auf der Grundlage einer Verschuldensteilung von 2 : 1 zu Lasten des Klägers und unter Bedachtnahme auf die eingewendete Gegenforderung abgewiesen werde.

Der Kläger beantragt in seiner Revisionsbeantwortung der Revision nicht Folge zu geben.

Rechtliche Beurteilung

Die Revision ist nicht gerechtfertigt.

Das Erstgericht traf die auf den Seiten 3 bis 6 (AS 43 ff) der Urteilsausfertigung angeführten Sachverhaltsfeststellungen. Danach befindet sich südlich, westlich und nördlich des Hauses Kremplstraße 1 eine U-förmige, allgemein zugängliche, aus zahlreichen Einzelparkplätzen und diese aufschließende Zufahrten bestehende Parkfläche. Ihr westlicher Teil wird aus einer 3,6 m breiten Zufahrt und links und rechts von dieser gelegene, durch Bodenmarkierungen gekennzeichnete Einzelparkplätze gebildet, auf welchen zufolge ihres Winkels von 45o zur Längsachse der Zufahrt schräg zu parken ist. Diese Zufahrt ist aufgrund eines auf Höhe des zweiten und dritten Einzelparkplatzes, sowie eines weiteren in 30 m Entfernung angebrachten Richtungspfeiles in Süd-Nord-Richtung zu befahren. Vom westlichen Teil der Gesamtparkfläche gelangt man über diese Zufahrt zum nördlichen Teil der Gesamtparkfläche und von dort auf die Hausleitnerstraße. Vom südlichen Teil der Gesamtparkfläche kann von einer 4,7 m breiten Zufahrt sowohl nach rechts in die vorgeschriebene Zufahrt zum westlichen Teil der Gesamtparkfläche eingebogen als auch geradeaus gefahren werden, in welch letzterem Falle man zur Kremplstraße gelangt. Ein von der auf dem südlichen Teil der Gesamtparkfläche gelegenen Zufahrt kommender, nach rechts in die westliche Zufahrt einbiegender Verkehrsteilnehmer gewinnt in diese erst Sicht, wenn er sich auf Höhe des ersten an der westlichen Zufahrt rechtsseitig gelegenen Einzelparkplatzes befindet; sodann hat er Sicht auf 35 m. Zur Unfallszeit bog der Kläger unter Einhaltung einer Geschwindigkeit von 20 km/h von der Zufahrt des südlichen Parkplatzteiles kommend nach rechts in die Zufahrt zum westlichen Parkplatzteil ein. Dort kam ihm trotz des in die Gegenrichtung weisenden Richtungspfeiles der Zweitbeklagte mit dem Pkw der erstbeklagten Partei unter Einhaltung eines Fahrtempos von 10 km/h entgegen. Die beiden Fahrzeuglenker konnten die gegenseitige Annäherung erst eine Sekunde vor der Kollision wahrnehmen und daher keine unfallsverhindernde Reaktion setzen. Der Unfallspunkt liegt „auf dem in Fahrtrichtung des Klagsfahrzeuges gesehen ersten Richtungspfeil“. Um im Einbiegevorgang auf halbe Sicht anhalten zu können, hätte der Kläger eine Geschwindigkeit von 9 km/h einhalten müssen. Der Zweitbeklagte fuhr auf halbe Sicht.

In seiner rechtlichen Beurteilung lastete das Erstgericht dem Zweitbeklagten einen Verstoß gegen § 9 Abs 6 StVO 1960 an, weil er entgegen der durch die Richtungspfeile angezeigten Fahrtrichtung gefahren sei. Hinsichtlich des Klägers verneinte es eine Vorrangverletzung, zumal dieser beim Einbiegen die Fahrbahnverengung nicht habe vorsehen können, vertrat jedoch die Rechtsansicht, dass bei den gegebenen Sichtverhältnissen ein Fahren auf halbe Sicht erforderlich gewesen sei und er somit gegen die Anordnung des § 20 StVO 1960 verstoßen habe. Auf der Grundlage dieses beiderseitigen Fehlverhaltens hielt das Erstgericht den Ausspruch eines gleichteiligen Verschuldens der Fahrzeuglenker am Unfall für gerechtfertigt.

Das Berufungsgericht verwies darauf, dass die vom Kläger begehrte Feststellung, die Richtungspfeile seien den Bestimmungen des § 22 der Bodenmarkierungsverordnung und des § 55 Abs 1 und 2 StVO 1960 entsprechend ausgeführt, im Hinblick auf den Akteninhalt (Lichtbilder und Skizze) ohne weiteres zugrundezulegen sei. Im Übrigen hielt es die Rechtsrüge des Klägers für gerechtfertigt, jene der beklagten Parteien dagegen für nicht gerechtfertigt. Unter Hinweis auf die vom Erstgericht festgestellte Zusammenstoßstelle vertrat es den Standpunkt, dass sich der Unfall nicht mehr im Kreuzungsbereich und daher im Begegnungsverkehr ereignet habe, sodass sich die Frage einer Vorrangverletzung nicht stelle. Der Kläger sei in der durch die den Bestimmungen des § 55 Abs 1 und 2 StVO 1960 entsprechenden Richtungspfeile vorgezeichneten Richtung gefahren, der aus der Gegenrichtung kommende Erstbeklagte dagegen habe beide vorhandenen Richtungspfeile missachtet. Da der Kläger im Hinblick auf die solcherart vorgeschriebene Fahrtrichtung mit Gegenverkehr nicht habe rechnen müssen, habe für ihn keine Pflicht zum Fahren auf halbe Sicht bestanden. Somit treffe ihn auch kein Verschulden am Unfall.

In ihrer Revision beharren die beklagten Parteien auf der Rechtsansicht, der Unfall habe sich im Kreuzungsbereich zugetragen und dem Erstbeklagten sei dort der Rechtsvorrang zugekommen.

Diesen Ausführungen ist zu entgegnen, dass der Kreuzungsbereich durch die gemeinsame Schnittfläche der sich kreuzenden Straßen gebildet wird (8 Ob 9/80; 8 Ob 191/81) und vorliegendenfalls der Unfallspunkt weit innerhalb der westlichen Zufahrtsstraße (siehe das Foto Beilage ./B 2 mit dem maßgeblichen Richtungspfeil), also eindeutig außerhalb des so gebildeten Kreuzungsbereichs liegt. Ausgehend von den festgestellten Geschwindigkeiten der beteiligten Fahrzeuglenker war der Erstbeklagte im Zeitpunkt des Einbiegens des Klägers noch jedenfalls rund 8,1 m von der Kreuzung entfernt. Damit scheidet eine Vorrangsituation aber von vornherein aus. Die Ansicht des Berufungsgerichts, dass der Kläger im Hinblick auf die in seiner Fahrtrichtung angebrachten Richtungspfeile nicht genötigt gewesen sei, sich auf einen Gegenverkehr einzustellen und daher auch nicht auf halbe Sicht habe fahren müssen, wird von den Revisionswerbern nicht bekämpft und ist grundsätzlich zu billigen. Es fällt ihm daher kein Mitverschulden zur Last.

Demgemäß konnte der Revision aber kein Erfolg zuteil werden.

Die Entscheidung über die Kosten des Revisionsverfahrens gründet sich auf die §§ 41 und 50 ZPO.

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