OGH 12Os14/83

OGH12Os14/8324.3.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 24. März 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Keller in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Dr. Kral, Hon. Prof. Dr. Steininger, Dr. Hörburger und Dr. Lachner als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Baumgartner als Schriftführerin in der Strafsache gegen Peter A wegen des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 StGB und anderer strafbarer Handlungen über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Graz als Schöffengericht vom 25. November 1982, GZ 12 Vr 2109/82-55, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Hon. Prof. Dr. Steininger, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Weber und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Knob, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Aus deren Anlaß wird jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, in dem auf § 26 StGB gestützten Ausspruch, wonach (auch) 'die sonst beschlagnahmten Waffen und Munition' eingezogen werden, aufgehoben und dieser Ausspruch aus dem Urteil ausgeschaltet.

Der Berufung wird nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 7. September 1929 geborene Peter A 1. des Vergehens der schweren Körperverletzung nach §§ 83 Abs. 1, 84 Abs. 1 2. Deliktsfall, StGB, 2. des Verbrechens des versuchten Widerstandes gegen die Staatsgewalt nach §§ 15, 269 Abs. 1, 2. Deliktsfall, StGB und 3. des Vergehens nach § 36 Abs. 1 lit a WaffG schuldig erkannt.

Nach dem Inhalt des Schuldspruchs hat er in Graz 1. am 22. Juni 1982 seinen Bruder Johann A durch Versetzen zahlreicher Schläge in das Gesicht vorsätzlich am Körper verletzt, wobei die Tat bei Johann A neben Hämatomen an der Stirn und im Bereiche der beiden Augen auch ein Maculaödem links und ein Glaukom links, verbunden mit einer vorübergehenden Verschlechterung des Sehvermögens und einer Erhöhung des Augendrucks, sohin eine an sich schwere Verletzung, zur Folge hatte;

2. am 23. Juni 1982 Beamte, nämlich Revierinspektor Robert B und Inspektor Hubert C, die im Begriffe waren, ihn wegen der zu 1.) angeführten Straftat zu vernehmen und festzunehmen, dadurch an dieser Amtshandlung durch gefährliche Drohung mit dem Tod, somit durch schwere Nötigung, zu hindern versucht, daß er sich zuerst in seinem Gasthaus einschloß und sodann, als sich die genannten Beamten Zugang in die von ihm versperrten Räumlichkeiten verschafft hatten, einen Schuß aus einer Leuchtpistole sowie 4 Schüsse aus einer Pistole der Marke Frommer in Richtung der Beamten abgab;

3. seit dem Jahre 1945 bis zum 23. Juni 1982, wenn auch nur fahrlässig, unbefugt Faustfeuerwaffen, nämlich eine Pistole Marke Frommer, Modell Stop, Kal 7,65 mm und einen französischen Armeerevolver Modell 1873 Kal 11 mm besessen zu haben. Das Schöffengericht verurteilte den Angeklagten hiefür nach §§ 28, 269 Abs. 1, 2. Strafsatz, StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 2 (zwei) Jahren. überdies ordnete es gemäß § 21 Abs. 2 StGB die Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher an. Gemäß § 26 StGB wurden die zu Punkt 3. des Urteilssatzes angeführten Faustfeuerwaffen 'und die sonst beschlagnahmten Waffen und Munition' eingezogen.

Der Angeklagte bekämpft das Urteil mit einer auf die Z 4, 5 und 10 des § 281 Abs. 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde sowie im Strafausspruch und im Ausspruch über die Anstaltseinweisung nach § 21 Abs. 2 StGB mit Berufung.

Rechtliche Beurteilung

Der erstgenannte Nichtigkeitsgrund, den der Beschwerdeführer darin erblickt, daß es das Erstgericht unterlassen habe, seine 'sofortige' (gemeint wohl neuerliche) ärztliche Untersuchung zu veranlassen, kann allerdings schon deshalb nicht mit Erfolg geltend gemacht werden, weil der bezügliche Antrag in der (letzten) Hauptverhandlung vom Verteidiger des Angeklagten ausdrücklich zurückgezogen wurde (Band II/S 136 d.A).

Nicht zielführend ist das den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 5 StPO betreffende Vorbringen, mit dem der Beschwerdeführer dem Erstgericht vorwirft, jene Feststellungen, aus denen sich ergibt, daß er die Polizeibeamten B und C an einer Amtshandlung (nämlich seiner Vernehmung und Festnahme) hindern wollte, unvollständig begründet zu haben. Denn eine Berücksichtigung der in der Nichtigkeitsbeschwerde erwähnten, vor dem Untersuchungsrichter gemachten Angaben der Zeugin Karoline A - auf deren Einvernahme in der Hauptverhandlung verzichtet worden war (vgl abermals Band II/S 136 d.A) - war dem Erstgericht schon mangels Verlesung des bezüglichen Protokolls (ON 11) in der Hauptverhandlung nicht möglich (§ 258 Abs. 1 StPO), und die Aussage des Zeugen Werner D, der Angeklagte habe erklärt, er würde sich lieber erschießen lassen und sterben, bevor er die Polizei in das Lokal hineinlasse, hat das Erstgericht ohnedies ebenso in den Kreis seiner Erwägungen einbezogen wie die Gutachten der vernommenen psychiatrischen Sachverständigen, wonach der Angeklagte durch die auf die Beamten abgefeuerten Schüsse wahrscheinlich in suizidaler Absicht eine gegen ihn selbst gerichtete, mit seiner Vernichtung einhergehende Reaktion erreichen wollte (vgl Band II/S 147, 150 d.A). Daß der erkennende Senat dennoch zu der (durchaus denkmöglichen) überzeugung gelangte, der Angeklagte habe ungeachtet seines indirekten Selbstmordvorhabens (auch) mit dem Vorsatz gehandelt, die gegen ihn gerichteten Amtshandlungen zu vereiteln, stellt aber einen im Rechtsmittelverfahren gegen Schöffengerichtliche Urteile unbekämpfbaren Akt freier Beweiswürdigung dar.

Schließlich geht der Beschwerdeführer auch mit der auf den Nichtigkeitsgrund des § 281 Abs. 1 Z 10 StPO gestützten Behauptung fehl, die erstgerichtlichen Feststellungen könnten eine Subsumtion des ihm angelasteten Tatverhaltens lediglich unter den ersten Deliktsfall des § 269 Abs. 1 StPO rechtfertigen. Denn das Erstgericht läßt in der - im übrigen mit dem Urteilsspruch eine Einheit bildenden - Urteilsbegründung keinen Zweifel daran, daß der Angeklagte die Polizeibeamten durch die Abgabe eines Schusses aus einer Leuchtpistole und vier weiterer Schüsse aus einer Pistole der Marke Frommer mit dem Tode bedrohen (vgl Band II/S 148, 149 in Verbindung mit S 151 d.A) und demnach die Amtshandlung sehr wohl im Wege einer schweren Nötigung hindern wollte. Hiebei war die (durch Abgabe von Schüssen erfolgte) Drohung auch objektiv durchaus geeignet, den Bedrohten entsprechende Besorgnisse einzuflößen, zumal die Polizeibeamten nach Lage des Falles fraglos den Eindruck gewinnen konnten, der Angeklagte sei in der Lage und willens, wirklich einen Angriff auf ihr Leben zu unternehmen und ihren Tod herbeizuführen.

Da es nur auf diese (objektive) Eignung der Drohung, nicht aber darauf ankommt, ob der Täter auch beabsichtigte, die Drohung wahrzumachen oder - wie der Beschwerdeführer vermeint - ob die Bedrohten durch die festgestellte Handlungsweise (tatsächlich) den Tod erleiden konnten, versagt auch die Rechtsrüge, sodaß die zur Gänze unbegründete Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen war. Aus deren Anlaß war jedoch gemäß § 290 Abs. 1 StPO von Amts wegen wahrzunehmen, daß das angefochtene Urteil im Zusammenhang mit seinem gemäß § 26 Abs. 1 StGB erfolgten Einziehungsausspruch an einer nicht geltend gemachten Nichtigkeit im Sinne des § 281 Abs. 1 Z 11 StPO (vgl ÖJZ-LSK 1977/14, 1978/227 ua) leidet. Das Erstgericht hat nämlich nicht nur - insoweit zutreffend - die den Gegenstand des Punktes 3.) des Urteilssatzes (Schuldspruch wegen § 36 Abs. 1 lit a WaffG) bildenden und dort näher bezeichneten Faustfeuerwaffen, sondern darüber hinaus auch 'die sonst beschlagnahmten Waffen und Munition' für eingezogen erklärt. Da dem Urteil Feststellungen darüber, daß die im § 26 Abs.1 StGB normierten strikten Voraussetzungen auch in Ansehung dieser - im übrigen nur allgemein erwähnten und nicht verwechslungssicher beschriebenen (vgl ÖJZ-LSK 1979/305) - Gegenstände vorliegen, nicht zu entnehmen sind (und derartige Konstatierungen nach der Aktenlage /vgl Band I/S 439, 441

d. A/ auch nicht getroffen werden könnten), war der sich auf 'die sonst beschlagnahmten Waffen und Munition' beziehende, von der Staatsanwaltschaft gar nicht beantragte (Band II/ S 109 d.A) Teil des Einziehungsausspruches aufzuheben und aus dem Urteil auszuschalten. Der Frage, ob ein Verfall (§ 39 WaffG) insoweit allenfalls auf Grund eines verwaltungsbehördlichen Waffenverbotes einzutreten habe, wird dadurch nicht vorgegriffen, zumal die mangelnde Einziehung (noch) keine Ausfolgungsverfügung gemäß § 12 Abs. 5 lit a WaffG bedeutet (ÖJZ-LSK 1980/88). Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend die teils auf der gleichen schädlichen Neigung beruhenden Vorstrafen sowie die Begehung mehrerer Straftaten, als mildernd hingegen das (allerdings nicht reumütige) Geständnis und den Umstand, daß der Widerstand gegen die Staatsgewalt beim Versuch geblieben ist. Die Voraussetzungen für die Anordnung der Unterbringung des Angeklagten in einer Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher gemäß § 21 Abs. 2 StGB nahm das Schöffengericht auf Grund der Gutachten der beigezogenen psychiatrischen Sachverständigen als gegeben an, zumal nach diesen Gutachten auch zu befürchten ist, daß der Angeklagte unter dem Einfluß der bei ihm bestehenden seelischen Abartigkeit höheren Grades in Hinkunft gleichartige mit Strafe bedrohte Handlungen mit schweren Folgen begehen werde oder begehen könnte.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte einerseits die Herabsetzung der Freiheitsstrafe und andererseits die Ausschaltung der Anordnung seiner Anstaltsunterbringung an, weil das Erstgericht zu Unrecht seine Gefährlichkeit im Sinne des § 21 Abs. 2 StGB prognostiziert habe.

Der Berufung kommt nach keiner Richtung hin Berechtigung zu. Was zunächst das Ausmaß der über den Berufungswerber verhängten Freiheitsstrafe betrifft, so entspricht dieses auch nach Ansicht des Obersten Gerichtshofs der Schwere der personalen Täterschuld des Angeklagten. Daß die strafbaren Handlungen in einem hochgradigen Erregungszustand zufolge eines durch chronischen Alkoholismus und akute Alkoholeinwirkung beeinträchtigten Steuerungsvermögens begangen wurden, vermag vorliegend eine Herabsetzung des Strafmaßes nicht zu rechtfertigen, zumal die alkoholbedingte Herabsetzung der Zurechnungsfähigkeit im gegebenen Fall durch den Vorwurf aufgewogen wird, den der Alkoholgenuß den Umständen nach begründet. Ebensowenig kann aber auch der vom Berufungswerber weiter ins Treffen geführte Umstand, daß er bisher ein Haftübel noch nicht verspürt hat, zu einer Reduzierung des Strafmaßes führen; ins Gewicht fällt vielmehr, und dies zu Lasten des Berufungswerbers, daß er bereits mehrmals einschlägig straffällig geworden ist und die bisherigen Abstrafungen, mögen sie auch nicht zu einem Freiheitsentzug geführt haben, ersichtlich wirkungslos geblieben sind. Eine Herabsetzung der Strafe kam somit - auch wenn dem Berufungswerber zugute gehalten wird, daß er selbst eine Schußverletzung erlitten hat, die allerdings eine von ihm verschuldete Folge seines bewaffneten Widerstandes gegen die Polizeibeamten war - nicht in Betracht. Die Annahme hinwieder, daß der Angeklagte infolge der bei ihm bestehenden seelischen Abartigkeit höheren Grades ohne Anstaltsunterbringung auch in Hinkunft die Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung mit schweren Folgen befürchten läßt, findet in den psychiatrischen Gutachten der beigezogenen Sachverständigen Dr. E und Dr. F ihre Deckung (vgl Band II/S 62, 69/70, 131/132, 135 d. A), aus denen sich übereinstimmend ergibt, daß beim Angeklagten zufolge seiner höhergradigen Abartigkeit die eminente Gefahr weiterer Aggressionsdelikte mit schweren Folgen besteht. Soweit der Berufungswerber in diesem Zusammenhang meint, der Sachverständige Dr. F habe in keiner Weise dargetan, daß die Begehung weiterer Straftaten mit schweren Folgen wahrscheinlich sei, so übersieht er die Ausführungen dieses Sachverständigen in der Hauptverhandlung, wonach 'mit großer Wahrscheinlichkeit erwartet werden' muß, daß der Angeklagte in der Zukunft Handlungen mit schweren Folgen setzen werde (Band II/S 131 d.A), welcher Prognose sich der Sachverständige Dr. E angeschlossen hat (Band II/S 134/135 d.A). Auf der Grundlage dieser Gutachten hat daher das Schöffengericht die gemäß § 21 Abs. 2 StGB geforderte Gefährlichkeitsprognose zutreffend bejaht, sodaß auch der gegen die Anordnung der Anstaltsunterbringung gerichteten Berufung ein Erfolg versagt bleiben muß.

Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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