OGH 13Os30/83

OGH13Os30/8324.3.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 24.März 1983 unter dem Vorsitz des Senatspräsidenten des Obersten Gerichtshofs Dr. Harbich, in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, Dr. Schneider, Dr. Felzmann und Dr. Brustbauer als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Veith als Schriftführers in der Strafsache gegen Franz A wegen des Verbrechens des schweren Diebstahls nach §§ 127 Abs 1 und 2 Z. 3, 128 Abs 2 StGB.

über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien als Schöffengerichts vom 21.Oktober 1982, GZ 3 e Vr 7791/82-49, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung sowie über die Berufung der Staatsanwaltschaft nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrags des Berichterstatters, Hofrats des Obersten Gerichtshofs Dr. Müller, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Doczekal und der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalts Dr. Hauptmann, zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung der Staatsanwaltschaft wird Folge gegeben und die Strafe auf 7 (sieben) Jahre erhöht.

Der Angeklagte wird mit seiner Berufung hierauf verwiesen. Gemäß § 390 a StPO. fallen dem Angeklagten die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Das Schöffengericht erkannte den am 10.September 1948 geborenen Franz A des Verbrechens nach §§ 127 Abs 1 und 2 Z. 3, 128 Abs 2 StGB. schuldig, weil er vom 1.August 1979 bis 18. Mai 1981 (in Wien) in wiederholten Angriffen unter Ausnützung einer Gelegenheit, die durch eine ihm aufgetragene Arbeit als kaufmännischer Angestellter geschaffen worden war, seinem Dienstgeber, der Firma B, Verrechnungsschecks im Gegenwert von 1,108.082,98 S gestohlen hat. Die Firma B Austria, deren Buchführung an eine in Düsseldorf für mehrere Länder bestehende EDV-Anlage angeschlossen ist und die auch in Wien über eine solche Anlage verfügt, hat zur Analyse der von diesem komplizierten Buchhaltungssystem erfaßten, unübersichtlich gewordenen Zahlungseingänge einen Dienstleistungsvertrag mit der Firma D abgeschlossen, die den Angeklagten zunächst beistellte, der ab Mitte November 1979 sodann von B als kaufmännischer Angestellter übernommen wurde.

Er war dort mit der Bereinigung der Debitorenkonten und später mit der Einführung des Shared-Systems befaßt und hat seine Stellung als Sachbearbeiter, welche ihm den Zugang zu den Unterlagen der Debitorenabteilung der Firma B ermöglicht hat, ausgenützt, um Verrechnungsschecks im erwähnten Wert, welche von Kunden zur Begleichung von Rechnungsforderungen übersandt worden waren, zu stehlen und durch Gutschrift auf sein Eigenkonto einzulösen. Zur Verschleierung dieser Vorgangsweise fertigte er Umbuchungsbelege aus, womit die Buchung von Zahlungseingängen auf anderen Kundenkonten storniert und den Konten jener Kunden zugeschrieben wurden, von denen die Verrechnungsschecks stammten.

Rechtliche Beurteilung

In seiner auf § 281 Abs 1 Z. 10 StPO. gestützten Nichtigkeitsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer zunächst das Fehlen der für eine Beurteilung als Diebstahl erforderlichen Feststellungen über die Art der Tatverübung und vertritt die Ansicht, daß ihm die Einlösung der Schecks statt dessen als Betrug anzulasten gewesen wäre. Er präzisiert freilich nicht die von ihm vermißten weiteren Urteilsfeststellungen, derer es über die Konstatierung hinaus, daß er die Verrechnungsschecks 'stahl' (S. 483), also (mit Bereicherungsvorsatz) wegnahm, noch bedurft hätte. Weder substantiiert noch von der vollständigen Tatsachengrundlage ausgehend, wird die Rechtsrüge solcherart nicht prozeßordnungsmäßig ausgeführt.

Soweit der Angeklagte sein Verhalten als schweren Betrug beurteilt wissen will, führt er die Rechtsrüge zwar gesetzmäßig aus, ohne daß ihr allerdings Berechtigung zukäme. Diebstahl und Betrug sind darnach abzugrenzen, ob die Bereicherung mittels Gewahrsamsbruchs oder mittels Täuschung bewerkstelligt wird. Erlangt der Täter die Sachherrschaft durch eigenmächtige Wegnahme, ist Diebstahl gegeben. Nachfolgende Täuschungshandlungen, die der Verheimlichung des diebischen Zugriffs, der Sicherung oder der Verwertung der Beute dienen und kein weiteres Rechtsgut beeinträchtigen, sind straflose Nachtaten des Diebstahls.

Im Hinblick auf den im § 127 StGB. vorausgesetzten Bereicherungsvorsatz kann freilich nur die Wegnahme einer wirtschaftlich nicht ganz wertlosen Sache, also eines einen Tauschwert repräsentierenden Gegenstands, Diebstahl sein. Urkunden können daher nur dann Diebstahlsobjekte sein, wenn sie selbständige Wertträger sind. Diese Eigenschaft ist bei den vom Angeklagten entzogenen Schecks zu bejahen (siehe insbesonders die Beilagenmappe S. 179/I), handelt es sich doch ausschließlich entweder um Inhaberschecks (Art. 5 Abs 1, dritter Fall, ScheckG.) oder um Orderschecks (Art. 5 Abs 1, erster Fall, ScheckG.), die, mit einem Blankoindossament (Art. 16 Abs 2 ScheckG.) des Schecknehmers Fa. B versehen, frei umlauffähig waren und jeden Inhaber zu ihrer Einlösung formell legitimierten (Art. 17 Abs 2 und 19 ScheckG.).

Auch der Vermerk: 'nur zur Verrechnung', der dem Bezogenen die Einlösung bloß im Weg der Gutschrift gestattet (Art. 38 Abs 2 ScheckG.), vermochte die jederzeitige Abhebung der bereits gutgeschriebenen Schecksumme oder die Weiterveräußerung des Schecks nicht zu hindern (Stanzl, Wechsel-, Scheck- und sonstiges Wertpapierrecht, S. 129, 130), ändert daher nichts an der freien Umlauffähigkeit und Verwertbarkeit des Inhaberschecks, also an jenen Grundlagen, auf welchen der Tauschwert solcher Wertpapiere beruht. Die daher dem Inhaberverrechnungsscheck gleichermaßen wie dem Inhaberbarscheck zukommende Wertträgereigenschaft (LSK. 1975/121) ist aber auch beim (insbes. gemäß Art. 17 Abs 2 Z. 3 ScheckG.) in ähnlicher Weise umlauffähigen und ebenfalls (im Hinblick auf Art. 19 ScheckG.) für jeden Inhaber verwertbaren Orderscheck mit Blankoindossament gegeben.

Schon mit der Wegnahme der (allenfalls auch nur durch die Einlösungsbereitschaft des Bezogenen) gedeckten Verrechnungsschecks und nicht erst, wie dem Beschwerdeführer vorzuschweben scheint, mit deren Einlösung ist der Schaden eingetreten. Zur Scheckverwertung durch Einlösung bedurfte es angesichts der formellen Legitimation des Angeklagten keiner Täuschung von Bankbeamten. Die erwähnten Falschbuchungen von Eingängen sind nach dem Gesagten weder gesondert als Betrug zu werten noch lassen sie eine Beurteilung des Gesamtverhaltens des Angeklagten als Betrug zu; sie sind vielmehr straflose Nachtaten (straflose Deckungshandlungen), weil sie nur noch der Verheimlichung der Scheckwegnahmen dienten und keine über den bereits vorangegangenen Vermögensentzug hinausgehende Rechtsgutverletzung bewirkten. Die ausschließliche Tatbeurteilung als schwerer Diebstahl (§§ 127 Abs 1, Abs 2 Z. 3, 128 Abs 2 StGB.) erweist sich demnach als rechtsrichtig.

Die Nichtigkeitsbeschwerde war daher zu verwerfen.

Das Schöffengericht verhängte über den Angeklagten nach § 128 Abs 2 StGB. eine Freiheitsstrafe von fünf Jahren. Erschwerend waren dabei die einschlägigen Vorstrafen, die sogar dem § 39 StGB. genügen, und der relativ hohe Schaden, mildernd hingegen das reumütige Geständnis.

Dagegen wenden sich die Berufungen der Staatsanwaltschaft und des Angeklagten, die eine Erhöhung respektive Herabsetzung des Strafmaßes anstreben. Franz A wurde zum Gerichtstag vorgeführt. Nur dem Berufungsbegehren des öffentlichen Anklägers kommt Berechtigung zu.

Der Einwand des Angeklagten, die (vom Tatgericht bloß als möglich erachtete) Anwendung des § 39 StGB.

sei 'eine überharte Härte', verfängt hier schon deshalb nicht, weil diese Bestimmung, wie die weit unter der Obergrenze des angewendeten Strafsatzes geschöpfte Strafe beweist, gar nicht herangezogen wurde. Wie 'eine gewisse Wohlverhaltenstendenz in den bisherigen Verurteilungen gegeben' sein kann, bleibt ebenso unerfindlich wie die Bedeutung eines Zeitraums, 'der bereits eine weitere Haft verbüßte' (S. 495/I). Der bloß erklärten Bereitschaft zu einer Schadensgutmachung kann kein mildernder Effekt zuerkannt werden (LSK 1978/276, EvBl 1972 Nr. 339, RZ 1972, 180, 11 Os 83/76, 9 Os 109/77 u.a.). Vollkommen unverständlich bleibt die Behauptung, 'die Tat nur aus Gründen, die einem Rechtfertigungsgrund nahegekommen sind, begangen zu haben' (S. 495). Hat sich der Angeklagte über den Verbleib des durch die Einlösung der gestohlenen Schecks verfügbar gewordenen Bargelds doch 'nur in dunklen Andeutungen' ergangen (S. 484/I), weshalb die Hintergründe des Verbrechens und wie immer beschaffene Tatmotive gar nicht offenbar werden konnten.

Gerade diese mangelnde Bereitschaft des Angeklagten zu einer rückhaltlosen Aufdeckung der Verwendung des unrecht erworbenen Guts wirft auf seine Persönlichkeit ein ungünstiges Licht. Sein durch eine gleichartige Delinquenz äußerst getrübtes Vorleben zeigt, daß er Zeit und Gelegenheit immer wieder zur Begehung von raffiniert geplanten und skrupellos ausgeführten Vermögensdelikten zwecks Bestreitung eines aufwendigen Lebenswandels (S. 389, 405, 423, 427, 433/I) nützt und regelmäßig einen beträchtlichen Schaden anrichtet. Das Wohlverhalten des Angeklagten in der letzten Zeit vor seiner Verhaftung dürfte weniger dem Willen zu einer geordneten Lebensführung als der Furcht vor einer Entdeckung zuzuschreiben sein: hat er sich doch trotz Fahndung durch ein volles Jahr verborgen gehalten, um sich der Strafverfolgung zu entziehen. Der Rechtsbrecher hatte es abermals verstanden, trotz dieser für ihn widrigen Umstände eine Arbeit als kaufmännischer Angestellter bei der Bedienung einer EDV-Anlage zu finden (S. 327 ff./I), wie sie auch bei den gegenständlichen Verfehlungen ein essentielles Mittel zur Tatbegehung war.

Die Gefährlichkeit einer solchen, offensichtlich immer wieder Vertrauen einflößenden Täterpersönlichkeit in Verbindung mit gezielt eingesetzten Spezialkenntnissen an verantwortlicher Stelle liegt auf der Hand (S. 379 bis 449/I). Bedenkt man, daß der Angeklagte, wie in der Berufung der Staatsanwaltschaft zu Recht herausgestrichen, seine letzte, empfindliche Vorstrafe (teilweise) erst am 28.November 1978 (S. 361, 381/I) verbüßt hatte und schon wieder ab 1.August 1979 in ganz gleicher Art wie früher, nämlich durch Scheckmanipulationen im Rahmen einer Buchhaltung, rückfällig wurde, so ist eine bloß im Mittelfeld des gesetzlichen Strafrahmens ausgemessene Strafe fehl am Platz. Nur in Würdigung des umfassenden, allerdings nicht rückhaltlosen (S. 467/I) Geständnisses des Angeklagten kann mit einer noch innerhalb der gesetzlichen Strafdrohung, allerdings in deren oberem Bereich geschöpften Strafe das Auslangen gefunden werden. Schließlich darf auch nicht verkannt werden, daß gerade in Fällen einer oft erst nach Entstehen eines beträchtlichen Vermögensschadens aufdeckbaren Kriminalität im Zusammenhang mit automationsunterstützter Sachbearbeitung neben der Spezialprävention auch generalpräventive Belange eine strenge und milieugezielte Ahndung erheischen (§ 32 Abs 3 StGB; vgl. LSK 1979/2, EvBl 1982/71).

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