Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 10. Dezember 1963 geborene, zur Tatzeit noch jugendliche Johann A des Vergehens der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB (mit Beziehung auf das Vergehen nach § 22 Z 1 MilStG) schuldig erkannt, weil er sich am 1. Oktober 1981 in Lienz (als damaliger Präsenzdiener des österreichischen Bundesheeres), wenn auch nur fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rauschzustand versetzt hatte, und im Rausch dadurch, daß er im Dienst der Charge vom Tag Arnold B, sohin einem militärischen Vorgesetzten, durch Versetzen eines Faustschlages ins Gesicht eine Platzwunde oberhalb des rechten Auges zufügte, diesen somit am Körper verletzte, eine Handlung begangen hatte, die ihm außer diesem Zustand als Vergehen der Körperverletzung eines Vorgesetzten nach § 22 Z 1 MilStG zugerechnet würde.
Rechtliche Beurteilung
Der vom Angeklagten gegen den Schuldspruch aus der Z 4 und 9 (zu ergänzen: lit a) des § 281 Abs 1 StPO erhobenen Nichtigkeitsbeschwerde kommt Berechtigung zu.
Aus dem letzteren Nichtigkeitsgrund rügt der Angeklagte zunächst - damit sachlich eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung im Sinne der Z 5 des § 281 Abs 1 StPO relevierend -, daß sich das Erstgericht insoferne nicht mit seiner Verantwortung und dem Gutachten des gerichtsmedizinischen Sachverständigen Dr. C auseinandergesetzt habe, als sich daraus ergebe, daß es sich bei seiner Volltrunkenheit (zur Tatzeit) um seine erste diesbezügliche Erfahrung gehandelt habe; sodann macht er - nunmehr in Ausführung der Rechtsrüge - (wiederum der Sache nach sinngemäß) einen Feststellungsmangel hinsichtlich der Fahrlässigkeit, die ihm bezüglich des Sich-Berauschens angelastet wird, geltend. Tatsächlich läßt das Ersturteil in dieser Richtung jedwede Feststellung vermissen; das Erstgericht beschränkt sich vielmehr auf die Feststellung, daß beim Angeklagten - auch unter Berücksichtigung einer ihm vom Sachverständigen attestierten verminderten Alkoholtoleranz - zur Tatzeit eine die Zurechnungsfähigkeit ausschließende volle Berauschung vorlag (S 97) und daß er, weil er in diesem Zustand dem als Charge vom Tag eingeteilten Soldaten Arnold B, sohin seinem militärischen Vorgesetzten, durch einen Faustschlag die oben angeführte leichte Körperverletzung zugefügt hatte, deshalb mit Beziehung auf das Vergehen nach § 22 Z 1 MilStG jenes der Begehung einer mit Strafe bedrohten Handlung im Zustand voller Berauschung nach § 287 Abs 1 StGB zu vertreten habe (S 98). In rechtlicher Hinsicht ist davon auszugehen, daß sich des Deliktes nach § 287 Abs 1 StGB (nur) schuldig macht, wer sich, wenn auch bloß fahrlässig, durch den Genuß von Alkohol oder den Gebrauch eines anderen berauschenden Mittels in einen die Zurechnungsfähigkeit ausschließenden Rausch versetzt hat. Fahrlässig versetzt sich in einen Rauschzustand, wer (ohne Absicht auf eine Straftat), ohne sich gerade berauschen zu wollen, so viel trinkt, daß er bei Einhaltung der objektiv und subjektiv möglichen (ihm auch zumutbaren) Sorgfalt mit der Möglichkeit des Eintrittes eines Vollrausches rechnen mußte (Leukauf-Steininger2 RN 5
zu § 287 StGB mit Judikaturzitaten; SSt 49/19 ua). Hiezu genügt unbewußte Fahrlässigkeit, mithin die Außerachtlassung der gebotenen Sorgfalt, wobei der Täter verkennt, daß er ein tatbildmäßiges Unrecht herbeiführen könnte, weil er nicht sorgfältig genug darauf bedacht ist, ein solches Unrecht zu vermeiden (Leukauf-Steininger2 RN 5 zu § 6 StGB ua).
Im Ergebnis zutreffend wird nun als Begründungsmangel die fehlende Auseinandersetzung mit den einen (erstmaligen) Vollrausch beim Angeklagten indizierenden Verfahrensergebnissen, sowie als darauf basierender Feststellungsmangel aufgezeigt, daß dem angefochtenen Urteil nicht der geringste Anhaltspunkt dafür zu entnehmen sei, worin das Erstgericht nun eine Fahrlässigkeit des Angeklagten in bezug auf die Herbeiführung des Vollrausches erblickt. Eingehende Feststellungen in dieser Richtung, vor allem dahin, ob dem Angeklagten damals die berauschende Wirkung der von ihm konsumierten Alkoholmenge bekannt war oder nach seinen geistigen und körperlichen Verhältnissen bekannt sein hätte können (§ 6 Abs 1 StGB; unbewußte Fahrlässigkeit), wären aber gerade im vorliegenden Fall umsomehr geboten gewesen, als der gerichtsmedizinische Sachverständige sowohl von einer - allerdings nicht zum Schuldausschließungsgrund einer verzögerten Reife im Sinne des § 10 JGG führenden - gewissen geistigen Retardierung des Angeklagten als auch von einer bei ihm offensichtlich anzunehmenden Alkoholintoleranz spricht. Das Erstgericht wird sich daher im nächsten Rechtsgang eingehend mit der Verantwortung des Angeklagten, sonst in seinem bisherigen Leben keinen Alkohol (in nennenswerten Mengen; vgl S 30, 47, 87) genossen zu haben, auseinanderzusetzen und im Falle eines neuerlichen Schuldspruchs eingehend zu begründen haben, worin es eine Fahrlässigkeit anläßlich seines damals zur vollen Berauschung führenden Alkoholkonsums erblickt; insbesondere aber wird es Erörterungen dahingehend anzustellen haben, ob ihm sowohl seine Alkoholintoleranz als auch die besonderen Auswirkungen des Alkohols auf seine körperliche und geistige Verfassung bekannt waren (bewußte Fahrlässigkeit) oder doch zumindest bekannt gewesen sein mußten (unbewußte Fahrlässigkeit). Dabei wird es allerdings auch zu beachten haben, daß der Menge des genossenen Alkohols - unabhängig vom allfälligen Wissen um eine Alkoholintoleranz - naturgemäß erhebliche Bedeutung zukommt (SSt 49/19 ua).
Da sich somit bereits auf Grund dieser Erwägungen zeigt, daß die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, war gemäß § 285 e StPO über die Nichtigkeitsbeschwerde, ohne daß es eines Eingehens auf deren weitere Ausführungen bedurfte, bereits bei einer nichtöffentlichen Beratung wie aus dem Spruch ersichtlich zu entscheiden.
Mit seiner Berufung war der Angeklagte auf diese Entscheidung zu verweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)