Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil, das im übrigen unberührt bleibt, hinsichtlich des Angeklagten Erwin A im Schuldspruch wegen des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (Punkt A I des Urteilssatzes), ferner wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB in Ansehung der Punkte A II 1., 2. und 4. sowie gemäß § 290 Abs 1 StPO auch hinsichtlich des Verurteilten Eduard B im Schuldspruch wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB zu den Punkten A II 1. und 4. des Urteilssatzes und demgemäß überdies in den Strafaussprüchen (einschließlich des davon abhängigen Ausspruchs gemäß § 38 StGB) aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung in diesem Umfang an das Erstgericht zurückverwiesen.
Mit seiner Berufung wird der Angeklagte Erwin A auf diese Entscheidung verwiesen.
Text
Gründe:
Mit dem angefochtenen Urteil wurden der nunmehr 25-jährige Erwin A und der 27-jährige Eduard B des Verbrechens der absichtlichen schweren Körperverletzung nach § 87 Abs 1 StGB (Punkt A I des Urteilssatzes) und des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1 StGB (Punkte A II 1. bis 4., A auch zu B 1. und 2.) schuldig erkannt, weil sie A) in Wien in Gesellschaft als Beteiligte (§ 12 StGB) am 23.Dezember 1981 im Gasthaus 'X' I. dem Rudolf C durch Versetzen von zwei Messerstichen in den Bauch und in die Brust, die eine Verletzung des Magens und der Milz sowie eine Eröffnung der Brusthöhle zur Folge hatten, eine schwere Körperverletzung (§ 84 Abs 1 StGB) absichtlich zufügten, ferner II. nachstehend genannte Personen vorsätzlich am Körper verletzten, und zwar:
1. Hasan D durch Versetzen eines Schlages mit einer
abgebrochenen Flasche ins Gesicht, der eine Schnittverletzung am
Kinn zur Folge hatte, 2. Günter E durch Versetzen eines
Messerstiches gegen den linken Unterarm, der eine Stichverletzung im
Bereich des Ellenbogengelenkes links, und von Schlägen ins Gesicht,
die eine Prellung der rechten Stirnseite und am Nasenrücken
zur Folge hatten, 3. Ernst F durch Versetzen von Schlägen auf
den Kopf und ins Gesicht, die eine Rißquetschwunde an der Unterlippe
links mit Schleimhautverletzung eine Prellung der Zungenbeingegend,
eine Prellung des Nasenrückens mit kleiner Schnittverletzung am
linken Naseneingang und eine Gehirnerschütterung zur Folge hatten,
sowie 4. Sinisa G durch Schleudern einer Bierflasche, welches eine
Prellung der rechten Brustkorbseite zur Folge hatte, ferner B)
Erwin A (allein) vorsätzlich nachstehende Personen am Körper
verletzte und zwar:
1. am 13.November 1981 Karl H durch Versetzen von Schlägen ins
Gesicht, die eine Kratzwunde in der Nasenmitte, eine Platzwunde über
dem linken Auge, eine stark angeschwollene Oberlippe und eine
Kratzwunde im rechten Mundwinkel zur Folge hatten, und 2. am
1. Dezember 1982 Christian I dadurch, daß er ihm ein Glas ins
Gesicht stieß, was mehrere Schnittwunden im Bereich der rechten
Gesichtshälfte, eine geringgradige Blutung unter der Bindehaut
des rechten Auges und eine Schwellung des rechten Oberlides zur
Folge hatte.
Gegen dieses Urteil, und zwar lediglich gegen die Schuldsprüche zu den Punkten A I sowie A II 1., 2. und 4.
des Urteilssatzes richtet sich die auf die Z. 5, 9 lit a und b sowie 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützte Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A; den Strafausspruch bekämpft er außerdem mit Berufung. Eduard B ließ das Urteil unangefochten.
Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen (zu den bezeichneten Urteilsfakten) kam es hm 23.Dezember 1981
zwischen den beiden Angeklagten, die in Gesellschaft des Ilvo J, der Elisabeth K und Ilona L sowie eines bislang unbekannt gebliebenen Mannes im Gasthaus 'X' in Wien-Döbling an einem Tisch Platz genommen hatten, einerseits und Angehörigen der Firma M, die sich in dem Lokal aus Anlaß einer Betriebsfeier aufgehalten hatten, zunächst zu einer wörtlichen Auseinandersetzung, in deren Verlauf 'die Angeklagten beschlossen, gegen die fremden Personen tätlich vorzugehen'. Als A den beim Schanktisch stehenden Ernst F einen Schlag versetzte, wodurch dieser zu Boden stürzte, 'begann eine Rauferei zwischen mehreren Personen und Eduard B stach Günter E, enachdem ihm vorher das Messer von A übergeben worden war, in die Hand und versetzte ihm Schläge' (Punkt A II 2. des Urteilssatzes). Inzwischen hatte sich auch der bereits erwähnte, unbekannt gebliebene Mann 'mit Einverständnis der Angeklagten eingemengt, um die Angriffe der Angeklagten zu verstärken'. Der Unbekannte schleuderte eine leere Bierflasche gegen Sinisa G, wodurch dieser verletzt wurde (Punkt A II 4.). Als Rudolf C in der Folge das Lokal verließ, um dem aus einer Verletzung blutenden F seine Hilfe anzubieten, kam es vor dem Gasthaus 'in Eskalation der Ereignisse nun den beiden Angeklagten darauf an, eine schwere Verletzung bei Rudolf C herbeizuführen. In Ausführung dieser Absicht stach nun Eduard B mit dem Messer des Erwin A gegen Rudolf C, der keinerlei Angriffshandlungen gesetzt hatte' (Punkt A I). Im Zuge der anschließenden Rückkehr in das Gasthaus gingen beide Angeklagten 'auf Hasan D zu und Erwin A fügte diesem nun/die im Spruch (Punkt A II 1.) genannten Verletzungen zu'.
Das Schöffengericht stützte die Annahme einer Beteiligung des Angeklagten A (als Mittäter) an dem von Eduard B unternommenen Verbrechen der absichtlichen schweren Körperverletzung darauf, daß A 'dem Eduard B - dessen Absicht, C eine schwere Körperverletzung zuzufügen es aus der Begehungsweise, insbesondere der Verwendung des in Rede stehenden Tatwerkzeuges und der zweimaligen Stichführung ableitete - das Messer (ein lebensgefährliches Mittel) zur Anwendung übergeben hat und B während des ganzen Vorfalls hilfreich zur Seite stand'. In Ansehung der an Hasan D, Günter E und Sinisa G begangenen Körperverletzung hinwieder brachte es zum Ausdruck, daß D 'völlig glaubwürdig deponiette', daß er auch vom Angeklagten geschlagen worden ist, und E den Angeklagten B als denjenigen bezeichnen konnte, der ihn gestochen hatte. Die Verantwortung der Angeklagten für den jeweils eingetretlnen (Gesamt-) Erfolg stützte es darauf, daß sie sich gegenseitig Hilfe leisteten und leitete hieraus ihre Haftung auch für den bei Sinisa G von einem (unbekannt gebliebenen) Dritten herbeigeführten Verletzungserfolg (A II 4.) ab.
Rechtliche Beurteilung
Mit Recht macht die Mängelrüge (Z. 5) unter dem Gesichtspunkt einer unvollständigen, unzureichenden bzw. aktenwidrigen Urteilsbegründung (vor allem) geltend, das Schöffengericht habe die Mittäterschaft des Angeklagten A an der von Eduard B an Rudolf C begangenen absichtlichen schweren Körperverletzung darauf gestützt (vgl. S. 346), daß C 'nunmehr (gemeint in der Hauptverhandlung) eindeutig angeben konnte, daß er im Beisein von A von B gestochen worden ist'. Insoweit wird jedoch der Inhalt der Aussage des Zeugen C bei der Hauptverhandlung (vgl. S. 315 ff.) insofern unrichtig wiedergegeben, als der Zeuge - im Gegensatz zu seinen Angaben im Vorverfahren (vgl. S. 75 f.), wo er zunächst zum Ausdruck brachte, A sei derjenige gewesen, der mit einem Messer auf ihn eingestochen habe -
hiebei (bloß) deponierte, er sei nunmehr sicher, daß es sich bei dem Täter um den Angeklagten B handelte; Angaben über die Position und Funktion des Angeklagten A zum Zeitpunkt der Stichführung durch B können der Aussage des Zeugen C bei der Hauptverhandlung ebensowenig entnommen werden, wie seinen Bekundungen im Vorverfahren (S. 75 f., 233 f.).
Gleichfalls mit Recht macht der Beschwerdeführer (unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit bzw. eines Feststellungsmangels) geltend, das Schöffengericht habe durch den Gebrauch des Wortes 'Absicht' sowie die Passagen 'kam es nun den beiden Angeklagten darauf an, eine schwere Verletzung bei Rudolf C herbeizuführen', bzw. 'A hat dem Eduard B das Messer (ein lebensgefährliches Mittel) zur Anwendung übergeben und stand B während des ganzen Vorfalls hilfreich zur Seite' zwar ein Vorhaben konstatiert, welches in rechtlicher Hinsicht die Beurteilung als Absicht i.S.d. § 5 Abs 2 StGB (auf Zufügen einer schweren Körperverletzung) zuläßt; die Urteilsgründe lassen jedoch jedwede Begründung vermissen, auf Grund welcher Verfahrensergebnisse das Schöffengericht zu dieser Feststellung gelangte. Insoweit hätte sich das Erstgericht im Hinblick auf die Verantwortung des Angeklagten A, der die übergabe seines Messers an Eduard B überhaupt in Abrede stellt, sowie auf den Umstand, daß sowohl der als Zeuge vernommene damalige Geschäftsführer des Gasthauses 'X' Vojislav N bei seiner (zweimaligen) Vernehmung durch die Polizei (vgl. S. 49 f., 71) ausdrücklich erklärte, daß drei Männer (darunter die beiden Angeklagten) 'ihre Messer' herausrissen und in den Händen hatten, als auch der (mit B befreundete - vgl. S. 249) Zeuge Ilvo J, der vor dem in Rede stehenden Vorfall am Tisch der beiden Angeklagten Platz genommen hatte, vor der Polizei gleichfalls angab (S. 51), bei 'Ederl' einen 'Springer' (gemeint ein Springmesser) im Hosenbund gesehen zu haben, nicht mit dem letztlich ungewürdigt gebliebenen Hinweis begnügen dürfen, daß die Zeugen N und J ihre im Vorverfahren deponierten (zuvor wiedergegebenen) Aussagen in der Hauptverhandlung 'nicht aufrecht erhalten' bzw. 'widerrufen' haben. Vielmehr hätte es jedenfalls einer Erörterung des Umstandes bedurft, welcher der beiden von den genannten Zeugen dargebotenen Versionen das Schöffengericht letztlich Glaubwürdigkeit zuerkennt und aus welchen Erwägungen es der letztlich abgelehnten Darstellung den Glauben versagt. Hiezu war das Erstgericht umsomehr verpflichtet, als der Angeklagte A nach den erstgerichtlichen Urteilsfeststellungen die Tätlichkeiten gegen Ernst F (A II 3) jedenfalls ohne Verwendung eines Messers setzte (vgl. S. 343), und den Urteilsgründen im übrigen nicht zu entnehmen ist, auf Grund welcher Verfahrensergebnisse das Erstgericht zum Ergebnis gelangte, daß es (auch) dem Angeklagten A, nachdem dieser den Urteilsannahmen zufolge schon zuvor (im Lokal) dem B sein Messer übergeben hatte, mit dem dieser dem Günter E (u.a.) eine Stichverletzung zufügte (A II 2), hierauf außerhalb des Lokals (plötzlich) darauf ankam, 'eine schwere Verletzung bei Rudolf C herbeizuführen'. Solcherart erweisen sich die bezüglichen Annahmen in den Urteilsgründen faktisch als willkürliche Ergänzung der Verfahrensergebnisse (zum Nachteil des Beschwerdeführers) und damit gleichsam als überschreitung der Grenzen des Rechtes der freien Beweiswürdigung (vgl. SSt. 30/20, 27/47 u.a.).
Gleiches gilt für den in Ansehung des Schuldspruchs wegen des Vergehens der Körperverletzung nach § 83 Abs 1
StGB (zu den Urteilsfakten A II 1., 2. und 4.) erhobenen Beschwerdeeinwand, das Ersturteil lasse eine Begründung für die zum Faktum A II 4. getroffene Konstatierung, ein unbekannt gebliebener Mann habe sich 'mit Einverständnis der Angeklagten (A und B) eingemengt, um deren Angriffe zu verstärken' ebenso vermissen, wie für die Urteilsannahme einer Beteiligung des Angeklagten an den von B dem Günter E mit dem Messer zugefügten Verletzung (A II 2.), wobei zur Vermeidung von Wiederholungen auf das zum Schuldspruchfaktum zu A I Gesagte verwiesen werden kann.
Berechtigung kommt der Beschwerde schließlich auch insoweit zu, als sie in Ansehung des Faktum A II 1. unter dem Gesichtspunkt einer Unvollständigkeit der Urteilsbegründung ins Treffen führt, das Erstgericht habe bei der Konstatierung der (Mit-)Täterschaft des Angeklagten A die Aussage des Verletzten Hasan D über diejenige Person, die ihm einen Schlag mit einer abgebrochenen Flasche ins Gesicht versetzte, unerörtert gelassen. Denn das Schöffengericht hätte sich im Hinblick darauf, daß der Angeklagte A (bisher unwiderlegt) seine Bekleidung am Tatort mit einem dunklen Anzug und normalen (Leder-)Schuhen angab, sowie auf den Umstand, daß der Zeuge D, nachdem er die Person des Täters zunächst nicht (mit Sicherheit) identifizieren konnte (vgl. S. 73, 241), zwar in der Hauptverhandlung den Beschwerdeführer als Täter angab (vgl. S. 323), jedoch dessen Kleidung, wie schon bei der ersten Vernehmung (S. 57) durch die Polizei, mit einem weißen Anzug (Schijacke) und weißen Fellstiefeln bezeichnete (vgl. S. 324), jedenfalls mit mängelfreier Begründung darlegen müssen, weshalb es trotz der aufgezeigten Divergenzen zur überzeugung von der Täterschaft des Angeklagten gelangte. Zu dieser Erörterung wäre das Schöffengericht umsomehr gehalten gewesen, als auch der Zeuge Celal P den Mann, welcher D die Verletzung zufügte, als klein (mit kleinem Bauch) bezeichnete (vgl. S. 326), während der Angeklagte A, ebenso wie Eduard B, eine Körpergröße von je 181 cm aufweisen (vgl. S. 15 a, 25 a, 326). Schon diese, den vom Beschwerdeführer angefochtenen Schuldsprüchen anhaftenden Begründungs- und Feststellungsmängel nötigen zur (teilweisen) Aufhebung des Urteils im bekämpften Umfang und zur Anordnung einer entsprechenden Verfahrenserneuerung. Ohne daß es eines Eingehens auf das weitere Beschwerdevorbringen bedurfte, war daher nach Anhörung der Generalprokuratur gemäß § 285 e StPO in Stattgebung der (begründeten) Nichtigkeitsbeschwerde des Angeklagten A sowie aus diesem Anlaß gemäß § 290 Abs 1 StPO in Ansehung der Urteilsfakten A II 1. und 4. des Urteilssatzes auch hinsichtlich des Verurteilten Eduard B, dem insoweit dieselben Gründe zustatten kommen, schon bei einer nichtöffentlichen Beratung wie im Spruch zu erkennen. Im fortgesetzten Verfahren wird das Schöffengericht - im Fall eines neuerlichen (anklagekonformen) Schuldspruchs - mängelfrei begründete Feststellungen zur Frage der Mittäterschaft (als Form unmittelbarer Täterschaft entsprechend dem ersten Fall des § 12 StGB) bzw. einer allfälligen Beitragstäterschaft (als Gehilfe) nach dem dritten Fall des § 12 StGB zu treffen haben, wobei die Annahme des ersten Falles ein vom gleichen Vorsatz getragenes, nicht notwendig vorher abgesprochenes, also gegebenenfalls auch bloß spontanes einvernehmliches Zusammenwirken von mindestens zwei Personen durch Setzung von Ausführungshandlungen in irgendeiner Phase des Tatgeschehens erfordert, weshalb weder von allen Mitwirkenden gleichzeitig eine deliktische Tätigkeit entfaltet, noch durch jeden einzelnen das Tatbild zur Gänze verwirklicht werden muß (vgl. hiezu Leukauf/Steininger Kommentar2 § 12
RN. 9 ff. und RN. 36 ff.). In Ansehung des Faktums A I wird ferner zu beachten sein, daß sich die Feststellungen zur subjektiven Tatseite des § 87 Abs 1 StGB nicht im bloßen Gebrauch des verbum legale 'Absicht' erschöpfen dürfen, diese vielmehr ein zur rechtlichen Beurteilung des Tätervorsatzes in Abgrenzung zu anderen Vorsatzarten geeignetes Tatsachensubstrat erfordern (vgl. RZ. 1979/92
u. a.).
Mit seiner dadurch gegenstandslos gewordenen Berufung war der Angeklagte A auf diese Entscheidung zu verweisen.
Lizenziert vom RIS (ris.bka.gv.at - CC BY 4.0 DEED)