OGH 9Os164/82

OGH9Os164/821.3.1983

Der Oberste Gerichtshof hat am 1.März 1983 unter dem Vorsitz des Vizepräsidenten des Obersten Gerichtshofes Dr. Obauer und in Gegenwart der Hofräte des Obersten Gerichtshofes Hon.Prof. Dr. Steininger, Dr. Horak, Dr. Reisenleitner und Dr. Felzmann als Richter sowie des Richteramtsanwärters Dr. Jackwerth als Schriftführer in der Strafsache gegen Friedrich A wegen des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 StGB und einer anderen strafbaren Handlung über die vom Angeklagten gegen das Urteil des Landesgerichtes für Strafsachen Wien als Schöffengericht vom 15.Juni 1982, GZ. 6 e Vr 3105/82-63, erhobene Nichtigkeitsbeschwerde und Berufung nach öffentlicher Verhandlung, nach Anhörung des Vortrages des Berichterstatters, Hofrat des Obersten Gerichtshofes Dr. Horak, der Ausführungen des Verteidigers Dr. Leitner, der Ausführungen des Vertreters der Generalprokuratur, Generalanwalt Dr. Tschulik, und der Ausführungen des Vertreters des Privatbeteiligten, Dr. Bixner jun., zu Recht erkannt:

 

Spruch:

Die Nichtigkeitsbeschwerde wird verworfen.

Der Berufung wird teilweise, nämlich dahin Folge gegeben, daß der Ausspruch über die privatrechtlichen Ansprüche der Konkursmasse der Firma X-Datenverarbeitungs-Ges.m.b.H. aufgehoben und diese Privatbeteiligte mit ihren Ansprüchen gemäß § 366 Abs 2 StPO auf den Zivilrechtsweg verwiesen wird.

Im übrigen wird der Berufung nicht Folge gegeben.

Gemäß § 390 a StPO fallen dem Angeklagten auch die Kosten des Rechtsmittelverfahrens zur Last.

Text

Gründe:

Mit dem angefochtenen Urteil wurde der am 31.Mai 1943 geborene Kaufmann Friedrich A der Verbrechen der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und Abs 2 StGB und der betrügerischen Krida nach § 156 Abs 1 und Abs 2 StGB schuldig erkannt.

Nach den wesentlichen Urteilsfeststellungen waren der Angeklagte und Gerhard B an der von ihnen im April 1974 gegründeten 'X-Datenverarbeitungs-Ges.m.b.H.' als Gesellschafter je zur Hälfte beteiligt und einzelzeichnungsberechtigte Geschäftsführer dieses Unternehmens. Anfangs 1979 beschloß der Angeklagte, wegen Unstimmigkeiten mit Gerhard B die Firma zu verlassen. Noch bevor er diesen Beschluß seinem Mitgesellschafter schriftlich mitgeteilt hatte, behob er am 27. Februar 1979 vom Firmenkonto bei der G mittels Schecks 215.000 S, ließ weitere 40.000 S auf ein anderes Konto überweisen (vgl. S. 446 in Verbindung mit S. 31 d.A.) und kassierte am 27.Februar und 1.März 1979 bei diversen Firmen offene Forderungen in der Höhe von 208.911 S. Seinem Vorhaben entsprechend verwendete er diese Geldbeträge für sich, obwohl er wußte, daß er hiezu nicht berechtigt war und daß durch seine Handlungsweise der Firma sämtliche Barmittel entzogen würden. Er nahm dabei auch billigend in Kauf und fand sich damit ab, daß offene Zahlungsverpflichtungen der Firma nicht mehr bezahlt werden konnte. Mit Schreiben vom 5.März 1979 teilte er dann dem Gerhard B seinen Rücktritt als Geschäftsführer mit und rechtfertigte die Zueignung der 463.991 S damit, daß er diesen Betrag auf seine Gehaltsforderungen als Geschäftsführer für die Zeit vom 1.März 1977 bis 28.Februar 1979

in Anrechnung gebracht habe. Es war ihm jedoch bewußt, daß ihm auf Grund der mit Gerhard B getroffenen mündlichen Vereinbarung mangels entsprechenden Gewinns tatsächlich kein Gehalt zustand. Am 19.Juni 1979 wurde über das Vermögen der X-Datenverarbeitungs-Ges.m.b.H. der Konkurs eröffnet; durch den Entzug der 463.991 S wurde die Befriedigung der Gläubiger zumindest um diesen Betrag geschmälert. Das Erstgericht lastete dem Angeklagten demnach an, sich Bargeld von 231.995,50 S, d.i. die Hälfte des durch Abhebungen und überweisungen vom Firmenkonto sowie durch Inkassi an sich gebrachten Gesamtbetrages, die ihm als Geschäftsführer der Firma X-Datenverarbeitungs-Ges.m.b.H. anvertraut gewesen seien, durch Verwendung für eigene Zwecke mit dem Vorsatz zugeeignet zu haben, sich unrechtmäßig zu bereichern, und durch Entziehung flüssiger Mittel im Gesamtbetrag von 463.991 S Bestandteile des Vermögens dieser Firma als deren leitender Angestellter beiseitegeschafft und dadurch die Befriedigung ihrer Gläubiger geschmälert zu haben.

Diese Schuldsprüche bekämpft der Angeklagte Friedrich A mit einer auf die Gründe der Z. 4, 5 und 10 des § 281 Abs 1 StPO gestützten Nichtigkeitsbeschwerde, der jedoch keine Berechtigung zukommt. Einen den erstbezeichneten Nichtigkeitsgrund verwirklichenden Verfahrensmangel erblickt der Beschwerdeführer in der Abweisung seiner (in der Hauptverhandlung gestellten bzw. wiederholten) Anträge auf zeugenschaftliche Vernehmung des Rechtsanwaltes Dr. Otto D und Durchführung von Erhebungen beim Finanzamt für Gebühren und Verkehrssteuer zur Frage, 'ob der genannte Zeuge die Geschäftsanteile der F-Ges.m.b.H. im eigenen Namen oder als Treuhänder halte', sowie auf zeugenschaftliche Vernehmung des Dr. Otto D, des Gerhard B und des Geschäftsführers der Österreichischen Y-Ges.m.b.H. Dr. Alfred E zum Beweis dafür, daß die 'F' Geschäfte der X-Datenverarbeitungs-Ges.m.b.H. weitergeführt habe (vgl. S. 358, 435 ff.d.A.). Mit diesen Anträgen wollte der Angeklagte nachweisen, daß die X-Datenverarbeitungs-Ges.m.b.H. nicht durch den Entzug von Barmitteln, sondern dadurch konkursreif geworden sei, daß ihr von Gerhard B und dessen Mitarbeitern Aktivgeschäfte entzogen und der 'F' zugeführt worden seien.

Rechtliche Beurteilung

Der Verfahrensrüge kann nicht gefolgt werden.

Ausgehend davon, daß die Strafbarkeit des Gemeinschuldners nach § 156 StGB weder von seiner Zahlungsunfähigkeit oder überschuldung noch von der Anhängigkeit eines Konkurses oder Ausgleichs abhängt und anderseits die subjektiven Voraussetzungen dieses Verbrechens auch dann erfüllt sind, wenn der Schuldner mehrerer Gläubiger eine Vermögensverringerung bei bloß ungenügender übersicht über die Vermögenslage vornimmt, obwohl er die Verletzung der Befriedigungsrechte seiner Gläubiger ernstlich für möglich hält und sich damit abfindet (vgl. hiezu Leukauf-Steininger2 RN. 10 bis 12 zu § 156 StGB), ist es rechtlich völlig irrelevant, wodurch die Zahlungsunfähigkeit der X-Datenverarbeitungs-Ges.m.b.H. letztlich herbeigeführt wurde, ob 'Dr. D die Geschäftsanteile an der F-Ges.m.b.H. in eigenem Namen oder nur als Treuhänder hält', welche Folgegeschäfte der X- ungs-Ges Datenverarbeitungs-Ges.m.b.H. die Firma F weiterführte und welchen Gewinn sie dabei erzielte. Genug daran, daß der Angeklagte im Februar und März 1979 - wie er selbst einräumte (S. 265, 421) - der gemeinsamen Firma durch seine Vorgangsweise die vorhandenen liquiden Mittel zur Gänze entzog und daß er - auch hier nach seiner eigenen Verantwortung (S. 426) - nicht damit rechnen konnte, der bisher lediglich mit der Erstellung von Programmen befaßte, in Verkauf von Büromaschinen nicht versierte Gerhard B werde nach seinem - des Angeklagten - Ausscheiden als Geschäftsführer das Unternehmen weiterführen und die zur Verhütung einer Benachteiligung der Gläubiger erforderlichen Maßnahmen treffen.

Durch die Abweisung der genannten Beweisanträge wurden daher Verteidigungsrechte des Angeklagten nicht beeinträchtigt. Ebensowenig stichhältig wie die Verfahrensrüge ist die sich auf die Z. 5 des § 281 Abs 1 StPO berufende Mängelrüge des Angeklagten. Nach der überzeugung der Tatrichter war die vom Beschwerdeführer behauptete Gehaltsvereinbarung zwischen ihm und Gerhard B niemals zustandegekommen. Allein schon aus diesem Umstand konnte das Schöffengericht denkrichtig ableiten, der Beschwerdeführer sei nicht berechtigt gewesen, Firmengelder unter Aufrechnung auf eine solche tatsächlich nicht existente Forderung für sich zu behalten (S. 444 f., 448 ff.) und kann hiernach - der Beschwerde zuwider - keine Rede davon sein, das Erstgericht habe nicht klargestellt, warum der Angeklagte zu seinem Vorgehen nicht befugt war. Wenn er in diesem Zusammenhang vermeint, die vom Erstgericht gebrauchte Formulierung (' ..... der Angeklagte wußte, daß er dies' - die Zueignung der Geldbeträge - 'nicht durfte .....') sei undeutlich, weil ein 'Nichtdürfen' ausschließlich zivilrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen könnte, kann dem gleichfalls nicht beigepflichtet werden. Denn die bezüglichen Konstatierungen in ihrer Gesamtheit (S. 446 f.) lassen keinen Zweifel daran bestehen, daß der Schöffensenat davon ausging, der Beschwerdeführer habe sich mangels Anspruchs unrechtmäßig bereichert und sei sich dessen auch bewußt gewesen. Bei seinem Vorbringen zum materiellrechtlichen Nichtigkeitsgrund der Z. 10 des § 281 Abs 1 StPO, eine Veruntreuung könne nur an körperlichen Sachen, nicht jedoch auch an Forderungen begangen werden, übersieht der Beschwerdeführer, daß Gegenstand seines Schuldspruchs nach § 133 Abs 1 und 2 StGB jene Bargeldbeträge waren, die er teils durch Abhebung oder überweisung von einem Firmenkonto, teils durch Inkassi von Firmenforderungen erlangt hatte.

Als Veruntreuung wurde demnach nicht sein Verfügen über Forderungen der X-Datenverarbeitungs-Ges.m.b.H. (gegenüber der G und gegenüber Kunden), sondern die Zueignung des in seinen Gewahrsam übernommenen Bargeldes, also eines 'Gutes' im Sinne des § 133 StGB, gewertet. Ebenfalls zu Unrecht vermißt der Beschwerdeführer in Ansehung seines Schuldspruchs wegen Veruntreuung Konstatierungen über einen Schädigungs- und Bereicherungsvorsatz. Subjektiv setzt Veruntreuung nur den Vorsatz voraus, sich oder einem Dritten ein anvertrautes Gut zuzueignen und dadurch sich oder einen Dritten unrechtmäßig zu bereichern. Im vorliegenden Fall wurde nun als erwiesen angenommen, daß der Angeklagte im Bewußtsein, daß ihm keine Gegenforderungen aus dem Titel von Gehaltsansprüchen zustanden, aus dem Vermögen der X-Datenverarbeitungs-Ges.m.b.H. stammende Vermögenswerte in sein eigenes Vermögen überführt und für eigene Zwecke verwendet hat. Solcherart hat das Erstgericht ein Handeln des Angeklagten mit Zueignungsvorsatz und Bereicherungstendenz auch in rechtlicher Hinsicht fehlerfrei bejaht.

Daß bezüglich der Abhebung von 215.000 S mittels Schecks und der überweisung von 40.000 S vom Konto der Gesellschaft bei der G richtigerweise der Tatbestand der Untreue anzunehmen gewesen wäre, weil der Angeklagte diese Gelder unter mißbräuchlicher Ausnützung einer ihm als einzelzeichnungsberechtigtem Geschäftsführer der Gesellschaft eingeräumten Vertretungsmacht erlangt hatte (vgl. Bertel im Wiener Kommentar, RZ. 51 zu § 133

StGB), kann vorliegend auf sich beruhen und bietet keinen Anlaß für eine Maßnahme nach § 290 Abs 1 StPO Denn angesichts dessen, daß auch bei Halbierung der jeweiligen Schadensbeträge (wie sie das Erstgericht vornahm) Barinkassi und Kontoabhebungen jeweils den strafsatzbestimmenden Betrag von 100.000 S überstiegen und anderseits das Erstgericht alle tatsächlichen Feststellungen traf, die eine Unterstellung der das Firmenkonto betreffenden Verfügungen unter den Tatbestand der Untreue ermöglicht hätten, indem es dem Angeklagten wissentliches Zuwiderhandeln gegen die Interessen seiner Firma zum Vorwurf gemacht und angenommen hatte, daß durch die widerrechtliche Zueignung der Firmengelder eine Vermögensverschiebung zugunsten des Angeklagten und damit zwangsläufig auch ein Vermögensnachteil des Unternehmens eingetreten war, würde eine richtige Subsumtion des Tatverhaltens an der Annahme des Verbrechens der Veruntreuung nach § 133 Abs 1 und 2 StGB nichts ändern, jedoch zusätzlich einen Schuldspruch nach § 153 Abs 1 und 2 StGB herbeiführen und sich solcherart zum Nachteil des Angeklagten auswirken.

Es erweist sich mithin die Nichtigkeitsbeschwerde zur Gänze als unbegründet und es bot sich aus ihrem Anlaß auch keine Handhabe für ein Vorgehen nach § 290 Abs 1

StPO

Bei der Strafbemessung wertete das Schöffengericht als erschwerend das Zusammentreffen mehrerer Delikte, als mildernd den untadeligen Lebenswandel des Angeklagten. Es verhängte über ihn gemäß §§ 28, 156 Abs 2 StGB

eine Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten, die es gemäß § 43 Abs 2 StGB unter Bestimmung einer dreijährigen Probezeit bedingt nachsah. Ferner erkannte es den Angeklagten gemäß §§ 366 Abs 2, 369 Abs 1 StPO schuldig, der Konkursmasse der Firma X-Datenverarbeitungs-Ges.m.b.H., vertreten durch den Konkursmasseverwalter, einen Betrag von 463.991 S zu bezahlen.

Mit seiner Berufung strebt der Angeklagte eine Herabsetzung der Freiheitsstrafe und die Verweisung der Konkursmasse auf den Zivilrechtsweg an.

Nur das letztangeführte Begehren ist berechtigt.

Auszugehen ist diesbezüglich davon, daß nach der ständigen Judikatur

des Obersten Gerichtshofes (vgl. Mayerhofer-Rieder, E.Nr. 19 ff. zu § 365 StPO) ohne Anhörung des Angeklagten eine Entscheidung über die privatrechtlichen Ansprüche nicht erfolgen darf und daß der Umstand, daß sich der Täter im Rahmen seiner Verantwortung zum Anklagevorwurf auch zur Schadenshöhe äußern konnte und wirklich geäußert hat, seine Einvernahme zu den privatrechtlichen Ansprüchen nicht entbehrlich macht. Da nun vorliegend nach dem Inhalt des Hauptverhandlungsprotokolles (siehe S. 436) weder dem Angeklagten noch dessen Verteidiger die Möglichkeit einer derartigen Stellungnahme geboten wurde, war die genannte Privatbeteiligte in Stattgebung der Berufung schon mangels der formellen Voraussetzungen eines Zuspruchs mit ihren Ansprüchen auf den Zivilrechtsweg zu verweisen und erübrigt es sich, zu diesem Punkt meritorisch Stellung zu nehmen.

Im übrigen ist die Berufung nicht begründet.

Daß der Berufungswerber die Zueignung der in Frage stehenden, von ihm abgehobenen bzw. kassierten Beträge von Anfang an nicht in Abrede stellte, kann ihm nach Lage des Falles weder als Teilgeständnis noch als nennenswerter Beitrag zur Wahrheitsfindung zugutegehalten werden, weil die vorhandenen schriftlichen Unterlagen eine Ableugnung dieser Tatsachen praktisch unmöglich machten. Die Behauptung hingegen, es hätte dem Angeklagten der Milderungsgrund nach § 34 Z. 12 StGB zugebilligt werden müssen, weil seine Intentionen dahin gegangen seien, sich durch die Zueignung des inkriminierten Betrages für eine Gegenforderung bezahlt zu machen, scheitert an den konträren diesbezüglichen Urteilskonstatierungen, wonach er wußte, daß ihm auf Grund der ursprünglichen mündlichen Vereinbarung mit B bis zum Zeitpunkt seines Austritts aus der Firma kein Gehalt zustand und daß er demnach nicht berechtigt war, sich aus diesem Titel Firmengelder zuzueignen. Daß schließlich Gerhard B ihm durch sein Verhalten ein Weiterarbeiten in der Gesellschaft unmöglich machte, was ihm als mildernd zugutegehalten werden müsse, ist einerseits urteilsfremd und wäre - selbst wenn den Tatsachen entsprechend - nicht geeignet, sein Verhalten in einem milderen Licht erscheinen zu lassen, weil ein Verlassen des Unternehmens auch ohne Zueignung von Firmenvermögen geschehen konnte. Ausgehend von den vom Schöffengericht zutreffend erfaßten Strafzumessungsgründen jedoch erweist sich die - ohnehin bedingt nachgesehene - Freiheitsstrafe als keineswegs überhöht und mithin nicht reduktionsbedürftig.

Insoweit mußte daher der Berufung ein Erfolg versagt bleiben. Die Kostenentscheidung beruht auf der bezogenen Gesetzesstelle.

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