Spruch:
Der Nichtigkeitsbeschwerde wird Folge gegeben, das angefochtene Urteil aufgehoben und die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung an das Erstgericht zurückverwiesen.
Die Berufung wird zurückgewiesen.
Text
Gründe:
Das Schöffengericht erkannte den iranischen Studenten Abbas A des Verbrechens der Verleumdung nach § 297 Abs 1 StGB schuldig, weil er am 19.Mai 1981 in Wien den gleichfalls aus dem Iran stammenden Studenten B dadurch der Gefahr einer (behördlichen) Verfolgung ausgesetzt hat, daß er ihn mit der vor Beamten der Universitätsdirektion der Universität für Bodenkultur aufgestellten Behauptung, B habe sein Prüfungszeugnis über die Vorlesung aus Marktlehre verfälscht, einer von Amts wegen zu verfolgenden, mit Strafe bedrohten Handlung falsch verdächtigte, wobei er wußte, daß diese Verdächtigung falsch war.
Diesen Schuldspruch bekämpft der Angeklagte mit einer die Gründe der Z. 3, 4, 5 und 9 lit a des § 281 Abs 1 StPO anrufenden Nichtigkeitsbeschwerde.
Rechtliche Beurteilung
Schon die Mängelrüge erweist sich als berechtigt.
Das Schöffengericht vermeinte der Verantwortung des Angeklagten nicht folgen zu können, 'obgleich sie mit den Angaben im Vorverfahren fast wörtlich übereinstimmt', weil ihr die Depositionen der Universitätsangestellten Gerhard C und Waltraud D entgegenstehen (S. 109).
Nun hatte der Angeklagte stets behauptet, er habe sich an die Universitätsbehörden bloß um Aufklärung gewandt, um zu erfahren, ob - wie er von einem irakischen Studenten erfahren haben will - das in Rede stehende Zeugnis des Mohamed B gefälscht sei. Er bestritt bis zuletzt, gewußt zu haben, daß seine Anschuldigung unwahr war. Gerade in diesem Punkt aber stehen die Aussagen der Zeugen C und D, denen gegenüber der Angeklagte die Verdächtigung vorgebracht hatte, seiner Verantwortung keineswegs so 'entgegen', daß sie zum Nachweis seines Wissens von der Unrichtigkeit der Bezichtigung dienen könnten: Läßt die Wendung des Zeugen C, der Angeklagte habe gesagt, 'B könnte die übungen (die für den Abschluß und damit das Zeugnis vorausgesetzt werden) nicht abgeschlossen haben' (S. 88), in dieser Beziehung noch kaum Rückschlüsse zu, so ist das bei der Zeugin D anders: Sie gibt an, es sei dem Angeklagten nicht klar gewesen, daß das (sogleich beigeschaffte Original-) übungszeugnis echt ist, als sich dessen Richtigkeit herausgestellt hatte (was in dieser Formulierung dahin deutbar wäre, daß er ein 'unechtes Zeugnis' erwartet hatte).
Sie hat ferner die (Suggestiv-) Fragen des Verteidigers, ob sie den Eindruck hatte, daß der Angeklagte überzeugt war, daß das Zeugnis gefälscht war mit: 'Ich nehme es an';
weiters, ob sie glaube, daß er es sonst nicht gesagt hätte, mit:
'Ja' beantwortet. Ausdrücklich: 'Er war sicher überzeugt davon (daß das Zeugnis gefälscht war). Und nach dem in diesem Zusammenhang auf Vorhalt des Prozeßvorsitzenden unverständlichen Satz, daß sie sich dann falsch ausgedrückt habe: 'Ich war sicher, daß es unmöglich ist. Er (der Angeklagte) hat es angenommen, sonst wäre er sicher nicht zu Herrn C gegangen' (S. 91, 92). Der lapidare Hinweis im Urteil, daß sich zwar 'wohl gewisse Divergenzen' in diesen Depositionen finden (S. 109), kann das Gericht nicht entheben, sich insbesondere mit allen auf den qualifizierten Vorsatz (§ 5 Abs 3 StGB) des Angeklagten, also sein Wissen, daß die Verdächtigung falsch war, hinweisenden Umständen auseinanderzusetzen und entgegenstehende Beweisergebnisse sorgfältig zu würdigen, um solcherart fundierte Feststellungen treffen zu können.
Zu Recht erblickt die Beschwerde hier eine Unvollständigkeit der Urteilsbegründung (§ 281 Abs 1 Z. 5 StPO), zumal das Schöffengericht die für eine Beurteilung dieses Sachverhalts als Verleumdung (§ 297 Abs 1 StGB) essentielle Konstatierung, der Angeklagte wußte auch, daß diese Anschuldigung falsch war (S. 106, 111), noch dazu in die an die Sachverhaltsschilderung anschließende - inhaltlich unbestimmte - Formulierung kleidet:
'Die obigen Ausführungen neigen nun dazu, auch noch daß diese falsche Verdächtigung vom Angeklagten wissentlich erhoben worden war' (S. 111).
Daß die Zeugen den Eindruck hatten, daß der Angeklagte dem B 'eins auswischen' (S. 89), ihm 'etwas anlasten' wollten (S. 91), steht dem nicht entgegen. Denn das kann auch (und dazu noch weit wirksamer) mit einer für wahr gehaltenen Anschuldigung geschehen. So besehen besagt auch die 'gewisse Aversion' zwischen dem Angeklagten und B aus einer früheren Auseinandersetzung (siehe AZ. 4 d E Vr 8477/79 des Landesgerichts für Strafsachen Wien) nichts (S. 107). Aus der Beteiligung des B am Vorfall am 24.September 1979, dessen 'Leidtragender' der Angeklagte war, 'viel eher anzunehmen, daß der Angeklagte die Existenz der (gemeint: des) irakischen Studenten und damit auch der (gemeint: den) Inhalt des angeblichen Gesprächs, B habe ein Zeugnis über die Prüfung aus Marktlehre gefälscht, indem er bei der Note ' nicht genügend' das Wort ' nicht' entfernt habe, lediglich erfunden hat, um sich für den Vorfall vom 24.9.1979 Genugtuung zu verschaffen' (S. 109, 110), läßt in dieser Formulierung (... viel eher anzunehmen ...) die für eine entscheidungswesentliche Konstatierung gebotene bestimmte Diktion vermissen. Die Konklusion, daß der Angeklagte die Unrichtigkeit seiner Anschuldigung mit Gewißheit kannte, ist daher solcherart noch nicht mit der gebotenen Deutlichkeit gezogen. Zudem bleibt vollkommen offen, wie der Angeklagte angesichts der Benotung des B mit 'befriedigend' (S. 15) mit der Version von der Verfälschung des Zeugnisses durch Entfernung des Wortes 'nicht' vor der Qualifikation 'genügend' Unannehmlichkeiten für den fälschlich Bezichtigten erwarten konnte: kannte er die wahren Verhältnisse (und war sich daher seiner Falschbezichtigung gewiß), so mußte er damit rechnen, daß sich deren Haltlosigkeit sofort herausstellen werde. Die unverzügliche Aufdeckung der objektiven Unrichtigkeit der vom Angeklagten gegenüber der Universitätsbehörde erhobenen Verdächtigung wirft in dieser Hinsicht die schon für die Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens im Sinn des § 297 Abs 1 StGB essentielle Frage auf, ob die Beschuldigung überhaupt objektiv geeignet war, die vom Täter angestrebte behördliche Verfolgung des fälschlich Bezichtigten in den Bereich naher Wahrscheinlichkeit zu rücken (Leukauf-Steininger2, § 297 StGB, RN. 11;
LSK. 1979/72, 73). Sollte es im erneuerten Verfahren abermals zu einem Schuldspruch wegen § 297 Abs 1 StGB
kommen, werden hiezu mängelfrei begründete Feststellungen zu treffen sein. Gleiches gilt für die Gewißheit (§ 5 Abs 3 StGB) des Angeklagten von der Unrichtigkeit seiner Anschuldigung; dies insbesondere dann, wenn die Konstatierung einer solchen Gewißheit neben einer zumindest mangelhaften Kenntnis des Angeklagten von den wahren Verhältnissen um das fragliche Zeugnis bestehen soll. Das Urteil war daher zur Gänze aufzuheben und, weil die Anordnung einer neuen Hauptverhandlung nicht zu vermeiden ist, gemäß § 285 e StPO wie im Spruch zu erkennen.
Die bloß angemeldete, nicht ausgeführte Berufung des Angeklagten war zurückzuweisen (9 Os 143/68, 13 Os 160/80, 13 Os 81/81), weil er weder bei der Anmeldung, noch in einer Ausführung dieses Rechtsmittels ausdrücklich erklärt hat, durch welche Punkte des Erkenntnisses er sich beschwert finde (§ 294 Abs 2 und 4 StPO).
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